Sommerträume am Gardasee - Julia K. Rodeit - E-Book

Sommerträume am Gardasee E-Book

Julia K. Rodeit

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Beschreibung

Journalistin Nele steckt beruflich und privat in einer Sackgasse. Ihr Chef verdonnert sie zum Horoskope schreiben und in ihrer Beziehung hat der öde Alltag Einzug gehalten. Ein gemeinsamer Urlaub soll nun wieder Schwung in die Beziehung bringen. Kurz nach der Abfahrt kommt es an einer Tankstelle zu einem ersten Streit mit Lars. Da fallen ihr die Worte ihrer Freundin Fiona ein, endlich mal spontan zu sein und sich nicht immer alles gefallen zu lassen. Als ein Harley Fahrer ihr Hilfe anbietet, nimmt Nele all ihren Mut zusammen und steigt zu ihm auf die Maschine. Bloß weg von Lars und den dauernden Streitigkeiten! Ihre abenteuerliche Reise führt sie über die Alpen bis zum idyllischen Gardasee. Und unterwegs stellen sich ihr immer mehr Fragen: Ist der gutaussehende Ron mit seinem herben Charme der unnahbare Freigeist, für den er sich ausgibt? Welches tragische Geheimnis liegt in seiner Vergangenheit?

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Über das Buch

Journalistin Nele steckt beruflich und privat in einer Sackgasse. Ihr Chef verdonnert sie zum Horoskope schreiben und in ihrer Beziehung hat der öde Alltag Einzug gehalten. Ein gemeinsamer Urlaub soll nun wieder Schwung in die Beziehung bringen. Kurz nach der Abfahrt kommt es an einer Tankstelle zu einem ersten Streit mit Lars. Da fallen ihr die Worte ihrer Freundin Fiona ein, endlich mal spontan zu sein und sich nicht immer alles gefallen zu lassen. Als ein Harley Fahrer ihr Hilfe anbietet, nimmt Nele all ihren Mut zusammen und steigt zu ihm auf die Maschine. Bloß weg von Lars und den dauernden Streitigkeiten!

Ihre abenteuerliche Reise führt sie über die Alpen bis zum idyllischen Gardasee. Und unterwegs stellen sich ihr immer mehr Fragen: Ist der gutaussehende Ron mit seinem herben Charme der unnahbare Freigeist, für den er sich ausgibt? Welches tragische Geheimnis liegt in seiner Vergangenheit?

Mit leckerem Rezept zum Nachkochen

Über Julia K. Rodeit

Julia K. Rodeit ist das Pseudonym der Krimi-Autorin Katrin Rodeit, die mit ihrer Familie am Rande der Schwäbischen Alb wohnt.Weil das Ermorden von Menschen auf Dauer recht anstrengend und mitunter auch langweilig wurde, hat sie beschlossen, als Julia K. Rodeit ihre romantische Seite zum Vorschein zu bringen. Dabei entführt sie ihre Leserinnen und Leser an traumhafte Orte auf dieser Welt.

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Julia K. Rodeit

Sommerträume am Gardasee

Inhaltsübersicht

Informationen zum Buch

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Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Kapitel 10

Kapitel 11

Kapitel 12

Kapitel 13

Kapitel 14

Kapitel 15

Kapitel 16

Kapitel 17

Kapitel 18

Kapitel 19

Kapitel 20

Rezepte

Backhendl mit Kartoffel-Gurken-Salat

Impressum

Kapitel 1

Der Kellner stellte die beiden Cappuccino-Tassen mit einem freundlichen Lächeln vor ihnen ab. Doch Nele hatte keinen Blick für ihn. Fassungslos starrte sie ihre Freundin an.

»Du solltest etwas Verrücktes machen. Etwas, das völlig gaga ist«, wiederholte Fiona mit glühenden Wangen, als sie über den Tisch nach Neles Hand fasste.

Nele sah ihre Freundin mit gerunzelter Stirn an und entzog ihr die Finger. Sie gab Zucker in den Cappuccino und rührte schwungvoller um als nötig. Mit einem Scheppern landete der Löffel neben der Tasse.

»Warum? Was soll das bringen?«

Schnaubend lehnte sich Fiona zurück. »Weil du sonst einrostest, ganz einfach.«

Nele biss die Zähne zusammen.

»Sieh mal, ich meine es doch nicht böse. Ich möchte, dass du glücklich bist.«

Nele schwieg, erwiderte den Blick ihrer Freundin aber. Hatte sie am Ende recht? Fiona war schon in der Schule immer die Spontanere von ihnen beiden gewesen. Während Nele zurückhaltend und vorsichtig war, konnte es passieren, dass Fiona in der Mittagspause die Schule verließ und erst zum Nachmittagsunterricht wieder zurückkehrte. Dafür prangte auf ihrem rechten Schulterblatt ein Schmetterling, obwohl sie erst siebzehn war und für eine Tätowierung eigentlich die Erlaubnis ihrer Eltern gebraucht hätte. Wie sich damals herausstellte, hatte sie einen Tätowierer so lange bequatscht, bis er seinen freien Mittag für sie verschob und ihr stattdessen das Tattoo stach. Eine kurze, heftige Affäre inklusive.

Das wäre Nele niemals in den Sinn gekommen. Das Tattoo nicht und die Liebelei gleich zweimal nicht.

Nele musterte ihre Freundin, die sich mit der Hand durch das Haar fuhr. Im Moment war es rot. Als Nele sie zuletzt gesehen hatte, war es von tiefem Schwarz gewesen. In ihrer Nase funkelte ein grüner Stecker. Hatte sich da zuletzt nicht ein Ring befunden? Nele hatte den Überblick verloren. Dafür war das Tribal, das sich aus Fionas unverschämt tief sitzendem Dekolleté hervorschlängelte, neu.

Dagegen wirkte sie mit ihrem blonden, halblangen Haar eintönig. Ihr fehlten Tattoos und Piercings und ihre Kleidung war alles, aber nicht flippig. Manchmal wünschte sie sich, auch darauf zu pfeifen, was andere von ihr dachten. Irgendwie gelang ihr das nicht. Es war ja nicht so, dass sie es nicht probiert hätte, etwas Ausgefallenes zu tragen. Aber stets kam sie sich darin verkleidet vor. Als sei sie nicht sie selbst. Also hatte sie es gelassen.

Nele seufzte und sah den Fußgängern zu, die bei dem sommerlich warmen Wetter die Straße entlanggingen. Die Cafés und Eisdielen waren voll um diese Jahreszeit, in den Biergärten fand man abends nur mit viel Glück einen freien Tisch. Fiona hatte draußen einen Platz für sie ergattert. Jetzt saßen sie in bequemen Korbstühlen und reckten die Nasen in die Sonne. Doch bei Nele wollte keine rechte Freude darüber aufkommen.

Ihre Freundin lag richtig mit ihrer Einschätzung: Sie war langweilig und spießig. Eine Typveränderung könnte für neuen Pep sorgen. Nur, wie machte man so etwas?

Fiona beugte sich vor und griff erneut nach ihrer Hand. »Ich meine es doch nur gut.« Sie schenkte ihr einen treuherzigen Blick. »Aber du sitzt hier und jammerst, dass du dir mehr vom Leben erwartet hast und dass du in einer Einbahnstraße steckst. Gleichzeitig unternimmst du aber nichts, um diesen Zustand zu ändern.«

Fiona hatte recht. In der letzten halben Stunde hatte sich Nele den Frust über ihren Job von der Seele geredet. Sie hatte gehofft, zu einem großen Leichtathletik-Meeting als Reporterin geschickt zu werden. Stattdessen verdonnerte ihr Chef sie dazu, Horoskope zu schreiben. Das ging seit geraumer Zeit so. Langsam hegte sie den Verdacht, dass er ihr einfach nichts Großes zutraute.

Wofür hatte sie sich dann durch das Journalismus-Studium gequält? Sicher nicht, um immer noch Horoskope zu schreiben. Dabei hatte ihr Chef ihr beim Einstellungsgespräch nach dem Volontariat eine Stelle in ihrem Lieblingsressort, der Sportredaktion, in Aussicht gestellt. Bei ihrem großartigen Abschluss sei das kein Problem.

Das war nun drei Jahre her und sie mittlerweile dreißig Jahre alt. Bisher hatte sich nichts in dieser Richtung getan. Auf ihre Nachfragen hin hatte er sie weiter vertröstet und Nele hegte den düsteren Verdacht, dass das bis zu ihrer Rente so weitergehen würde.

Nele schnaubte. »Ich habe es satt. Ehrlich, ich bin froh, dass ich endlich Urlaub habe.«

»Wo fahrt ihr denn hin?«

»Lars hat wieder das Ferienhaus in Südfrankreich gemietet.«

Fiona rollte mit den Augen und schlug mit der Hand auf den Tisch. »Genau das meine ich! Das ist langweilig!« Sie zog das Wort übertrieben in die Länge. »Wie wäre es stattdessen mit Camping in Afrika? Oder mit einer Pilgerreise durch Indien? Warst du schon mal in Neuseeland? Schafe züchten? Keine Ahnung, irgendwas. Aber doch nicht mit diesem Spießer in eine Ferienwohnung nach Südfrankreich. Ihr fahrt seit zehn Jahren dorthin. Was kommt als Nächstes? Socken stricken am Kamin?«

»Jetzt mach aber mal einen Punkt. Es ist erst das dritte Jahr, dass wir dorthin fahren. Außerdem sind wir erst seit vier Jahren zusammen.«

»Mir kommt es vor wie eine Ewigkeit«, murmelte ihre Freundin und verdrehte schon wieder die Augen. Nele wusste, dass sie Lars nicht ausstehen konnte. Nur ihr zuliebe sprach sie überhaupt mit ihm. Er war für sie der Inbegriff der Langeweile und der Tod der Emanzipation. Diese Abneigung beruhte auf Gegenseitigkeit, denn Lars mochte Fiona nicht und ließ kein gutes Haar an ihr. Er, der aufstrebende Stararchitekt, sie, die Ulknudel mit dem provokanten Aussehen, die heute nicht wusste, was morgen war. Das passte nicht zusammen.

Normalerweise mieden die Freundinnen dieses Thema, weil es unweigerlich zu Streit führte. Aber manchmal ging es mit Fiona durch.

»Entschuldige bitte, Süße.« Fiona kramte in ihrer Tasche nach einer Zigarette.

»Seit wann rauchst du wieder?«

Sie zuckte mit der Schulter. »Immer mal wieder, wenn mir gerade danach ist. Ich habe nie wirklich aufgehört. Willst du auch?«

Nele schüttelte den Kopf und wartete, bis ihre Freundin sich in Rauchschwaden gehüllt hatte und genüsslich inhalierte.

»Das ist die nächste Einbahnstraße in deinem Leben. Du und Lars.«

Nele sah sie warnend an. »Hör auf damit.«

»Kann es sein, dass du das nur nicht hören willst? Dann darfst du nicht hier sitzen und jammern. Du erzählst mir, dass du im Job nicht weiterkommst und die Tage an dir vorbeiziehen und zu Jahren werden und du das Gefühl hast, nichts von der Welt gesehen zu haben. Was soll ich dazu sagen, wenn du mir erzählst, dass du mit Lars in dasselbe Ferienhaus fährst, in dem ihr seit Jahren Urlaub macht?«

Nele biss die Zähne zusammen. Manchmal konnte sie sich selbst nicht vorstellen, ihr restliches Leben mit Lars an ihrer Seite zu verbringen. In ein- und demselben Ferienhaus in jedem Urlaub.

Lars schien einen Plan für sein ganzes, weiteres Leben im Kopf zu haben. Anfangs hatte Nele das fasziniert, weil sie ihn für zielstrebig hielt. Etwas, das ihr fehlte. Wobei sie das nie als Nachteil betrachtet hatte. Es war ja nicht so, dass sie in den Tag hinein lebte. Sie wollte sich vom Leben einfach überraschen lassen und nicht alles durchplanen.

Insgeheim fragte sie sich manchmal, ob die Beziehung mit Lars nicht ein Fehler gewesen war. Er war zuvorkommend und höflich. Aber oft genug belächelte er ihre Unbekümmertheit. Er nannte das Naivität, was Nele anders sah. Aber Diskussionen darüber führten zu nichts, endeten meist sogar im Streit, sodass sie das lieber unterließ.

Sie schüttelte den Kopf, um diese Gedanken zu verdrängen.

»Du bist gerade mal dreißig. Da ist das Leben nicht vorbei. Mach was draus! Dann wirst du halt ein bisschen später sesshaft. Na und? Aber bitte nicht Südfrankreich.«

Das sagte Fiona mit einem solch dramatischen Gesichtsausdruck, dass sie beide unwillkürlich lachen mussten und die schlechte Stimmung verflog.

***

Wenig später trennten sie sich. Nele ging in Gedanken versunken nach Hause. Sie hatte sich von dem Gespräch mit ihrer Freundin mehr erhofft. Ein paar aufmunternde Worte und Verständnis. Stattdessen hatte sie Fionas Meinung getroffen wie ein Eimer kaltes Wasser.

Sie fühlte sich tatsächlich in einer Sackgasse. Dreißig Jahre alt, mit einem langweiligen Job als Redaktionsassistentin bei einer Zeitung. Die Arbeit brachte Geld ein, aber auch Ärger. Immer hatte sie davon geträumt, als Sportjournalistin arbeiten zu können. Sie war voller Ideen, was man daraus machen konnte. Doch sie war im unteren Drittel der Karriereleiter stecken geblieben. Bei einem mittelmäßigen Blatt, das wenig innovativ war, und mit einem chauvinistischen Chef, der Frauen allenfalls zum Kaffeeholen oder für Horoskope benötigte.

Nele seufzte. Was hatte sie für Träume gehabt, als sie das Abi in der Tasche gehabt hatte! Die Welt hatte sie bereisen wollen. Von der Olympiade berichten, erkunden, unter welchen Bedingungen in anderen Ländern Sport getrieben wurde. In Bolivien, Nepal oder Kambodscha zum Beispiel.

Was war daraus geworden? Ein langweiliger Job und einmal im Jahr Urlaub in einem Ferienhaus in Südfrankreich. Mit Lars, der sie für naiv hielt. Wann hatte sie zum letzten Mal etwas getan, für das sie wirklich brannte? Gemalt zum Beispiel. Sie wusste es nicht. Wann hatte sie ihre Träume aus den Augen verloren?

Beiläufig sah sie in das Schaufenster, an dem sie vorbeiging. Ein roter Bikini fesselte ihren Blick. Er war ein Hauch von Nichts. Die Dreiecke, die die Brüste bedeckten, waren winzig und durch einen silbernen Ring miteinander verbunden. Darüber trug die Schaufensterpuppe ein durchsichtiges Hemdchen in der gleichen tiefroten Farbe.

Sie trat näher. Der Preis war eine Unverschämtheit. Ihre Kopfhaut kribbelte. Was hatte Fiona gesagt? Sie sollte etwas Verrücktes tun? Etwas, das völlig gaga war. Es war definitiv bescheuert, für einen Bikini einen solchen Preis zu bezahlen. Außerdem wusste sie nicht, ob ihre Freundin das damit gemeint hatte. Aber es war ein Anfang.

Kurz entschlossen betrat sie das Geschäft und ging zielstrebig auf eine Verkäuferin zu.

»Der Bikini, der draußen im Schaufenster ausgestellt ist. Der rote. Den würde ich gern anprobieren.« Sie trat forsch auf, hauptsächlich, um den eben gefundenen Mut nicht gleich wieder zu verlieren.

Die Dame nickte erfreut und verschwand, um das Modell in der passenden Größe zu holen.

Wenig später stand Nele in der Umkleidekabine und traute sich nicht mehr hinaus. Immer wieder sah sie in den Spiegel und musterte sich von oben bis unten. Der Stoff bedeckte wirklich nur das Allernötigste. Das Material, das bei anderen Bikinis allein für das Höschen benötigt wurde, verteilte sich hier auf Ober- und Unterteil.

»Kommen Sie zurecht?«, zwitscherte die Verkäuferin von draußen. »Oder soll ich ihn in einer anderen Größe bringen?«

»Nein, nein, er passt schon«, murmelte Nele und zupfte erneut an den Schalen. Sie konnte es drehen und wenden, wie sie wollte, das Ding wurde nicht größer. Der Ansatz ihrer Brüste war deutlich erkennbar. Was würde Lars dazu sagen?

»Darf ich einen Blick darauf werfen?«

Ehe Nele etwas erwidern konnte, zog die Verkäuferin den Vorhang zur Seite. Mit einem entzückten Aufschrei schlug sie die Hände vor den Mund.

»Der sitzt ja traumhaft! Wunderschön! Wie für Sie gemacht. Kommen Sie mal heraus, damit ich Sie besser ansehen kann.«

Zögernd trat Nele nach draußen und verschränkte beschämt die Arme vor den Brüsten. Mit so wenig Stoff hatte sie sich noch nie gezeigt.

»Aber ich bitte Sie, nehmen Sie die Hände weg. Da gibt es nichts, was Sie verstecken müssten. Sind Sie Model? Der passt wirklich wie angegossen. Drehen Sie sich mal um.«

Ihr Verkaufssinn in allen Ehren, aber jetzt übertrieb sie maßlos, fand Nele, drehte sich aber gehorsam einmal um die eigene Achse.

»Wenn Sie damit an der Côte d’Azur spazieren gehen, werden Sie jeder Schauspielerin die Show stehlen. Die Männer werden Schlange stehen und sich die Finger nach Ihnen lecken!«

Bloß nicht, dachte Nele erschrocken.

In dem Moment ging die Türglocke und die Verkäuferin und Nele drehten sich gleichzeitig um. Der Mann, der das Geschäft betrat, war groß gewachsen und schlank. Das dunkle Haar betonte sein markantes Aussehen.

Als er Nele sah, klappte seine Kinnlade nach unten und seine Augen wurden groß. Wie magisch angezogen, wanderte sein Blick langsam einmal von oben nach unten und wieder zurück. Dann sah er ihr ins Gesicht und leckte mit der Zungenspitze über seine Unterlippe. Die Augen blitzten.

Das war der Augenblick, in dem Nele sich umdrehte und zurück in die Kabine floh.

»Soll ich Ihnen den Bikini gleich einpacken?«, erkundigte sich die Verkäuferin beflissen.

»Ja, bitte.« Nicht auf lange Diskussionen einlassen. Nele wollte nur noch raus aus dem Geschäft.

Ein Blick in den Spiegel genügte, um ihr zu zeigen, dass ihre Wangen den Ton einer überreifen Tomate angenommen hatten. Die Farbe normalisierte sich nur langsam.

Wenig später stand sie an der Kasse. Der Typ war offenbar verschwunden. Vielleicht hatte sie ihn mit ihrem Anblick so verschreckt, dass er das Weite gesucht hatte, überlegte sie mit einem Anflug von Sarkasmus. Sie nahm die Tüte entgegen und die Verkäuferin beglückwünschte sie erneut zu der hervorragenden Wahl.

Als sie auf der Straße stand, atmete sie tief durch. Lars wird mich umbringen, dachte sie. Für das bisschen Stoff so viel Geld auszugeben. Vermutlich hat er damit sogar recht, ich bin total bescheuert.

Trotzdem fühlte es sich irgendwie gut an. Tod der Spießigkeit! Nele grinste. War es das, was Fiona gemeint hatte? Sie sollte mutiger sein. Was war aus ihr geworden? Das Leben lag doch vor ihr! Zeit, etwas daraus zu machen.

»Darf ich mitlachen?«

Überrascht drehte sie sich um. Vor ihr stand der Mann aus dem Geschäft, der sie so ungeniert gemustert hatte.

»Ich ... Nein, es ist gar nicht lustig.«

Seine Augen waren von tiefem Braun und von Lachfalten umgeben, als er sie amüsiert musterte.

»Entschuldigung, ich wollte Sie nicht überfallen. Aber ich musste Sie einfach ansprechen.«

Einen Moment sah sie ihn mit offenem Mund an. Wann war ihr das zuletzt passiert? Noch nie vermutlich, denn sie konnte sich nicht daran erinnern. Fiona wurde ständig angesprochen. Das liegt an den Signalen, die du aussendest, hatte sie ihr erklärt.

Was um Himmels willen sandte sie für Signale? Automatisch trat sie einen Schritt zurück und presste die Papiertüte mit dem Bikini an die Brust.

»Das dürfen Sie mir nicht übel nehmen«, sprach der Typ weiter. »Als ich Sie da drinnen in dem roten Bikini gesehen habe, wusste ich, dass das mein Glückstag ist. Sie sehen fantastisch darin aus. Angezogen übrigens auch.« Wieder das fast unverschämte Funkeln in den Augen, das sie nervös Luft holen ließ.

Nele starrte ihn noch immer an. In ihrem Kopf herrschte gähnende Leere. Ihr Sprachzentrum war vorübergehend gestört.

»Darf ich Sie auf einen Kaffee einladen?«

Wie durch einen Nebel drangen die Worte in ihr Hirn. Kaffee, einladen. Mich?

»Äh, nein«, erwiderte sie automatisch und biss sich auf die Unterlippe.

Enttäuschung breitete sich auf seinem Gesicht aus, aber er schien nicht gewillt, aufzugeben. »Kommen Sie. Es ist nichts dabei, nur ein Kaffee. Sie müssen mir nicht einmal Ihre Telefonnummer geben.« Kurz schwieg er und sah sie so durchdringend an, dass ihre Knie weich wurden. »Ich gebe Ihnen einfach meine«, fuhr er fort und lächelte ein so gewinnendes Lächeln, dass Nele für einen Moment versucht war, nachzugeben. Er hatte etwas an sich, dass sie ihm noch nicht einmal böse sein konnte.

Wider Willen musste Nele lachen.

In einer theatralischen Geste griff er sich ans Herz. »Das Lächeln! Oh mein Gott, dieses Lächeln. Von dem träume ich in den nächsten einsamen Nächten. Das können Sie mir unmöglich antun.«

»Doch«, antwortete Nele fest. Alles, was recht war. Spontan und gaga. Aber das führte zu weit. Fiona wäre mit ihm gegangen und hätte eine heiße Nacht erlebt, daran zweifelte Nele nicht einen Augenblick. Aber sie war so gut wie verlobt mit Lars, das war einfach unmöglich.

Der Typ sah sie lange an. »Schade«, sagte er schließlich, lächelte aber, ohne einen Anflug von Wehmut. Vermutlich sprach er öfter Frauen an und kassierte dabei schon mal einen Korb. »Aber Sie dürfen nicht böse sein, dass ich es probiert habe. Vielleicht führt uns das Leben irgendwann wieder zusammen und ich bekomme eine zweite Chance, Sie im Bikini zu sehen. In genau diesem Bikini.« Er zwinkerte ihr zu, drehte sich um und ging davon.

Nele starrte ihm mit offenem Mund hinterher. Verpasste Chance, hämmerte es hinter ihrer Stirn.

Ärgerlich schüttelte sie den Kopf. Was war nur los mit ihr? Sie würde jetzt nach Hause gehen und packen. Morgen fuhren sie in den Urlaub und mit dem Bikini würde sie Lars überraschen.

Kapitel 2

Mittlerweile war es Ron verdammt warm. Kein Wunder. Seit zwei Stunden stand er vor der Tür seines Hauses auf dem Parkplatz in der Sonne und versuchte, sein Gepäck so auf der Harley zu verstauen, dass es nicht verrutschte.

Ein schwieriges Unterfangen, das ihm jedes Mal Kopfzerbrechen bereitete. Man sollte meinen, dass er mittlerweile Übung darin hatte, so oft, wie er in den letzten beiden Jahren unterwegs gewesen war. Doch noch immer stellte das Packen eine Herausforderung dar.

Er fuhr sich mit der Hand über das kurze, dunkle Haar und runzelte die Stirn, als er das Knattern eines alten Motors durch das Wohngebiet schallen hörte. Das Käfer-Cabrio war lange zu hören, bevor es auftauchte.

Wenig später hielt es am Straßenrand. Ron schmunzelte in sich hinein. Darin das Gepäck unterzubringen, war ein ähnlich hoffnungsloses Unterfangen. Doch was für ihn die Harley war, war für seinen Kumpel Mario der Käfer, der seit einiger Zeit ein Oldtimer-Kennzeichen trug, auf das Mario mächtig stolz war.

Sein Freund stellte den Motor ab und schälte sich aus dem Wagen, während Ron das Zelt, das zu einer Rolle zusammengepackt war, oben auf den Gepäckberg legte.

»Wo willst du denn schon wieder hin?« Mario schlug die Tür zu und kam mit gerunzelter Stirn auf ihn zu. »Ich hatte dich auf ein Bier einladen wollen.«

Ron sah nur kurz auf. Er fädelte den Zurrgurt durch die Schnalle und zog daran. Damit sollte am Ende alles zusammenhalten.

»Nach Italien, ein paar Pässe fahren«, gab er zwischen zusammengebissenen Zähnen zurück. Nicht nur, weil er im Moment seine ganze Kraft benötigte. Er ahnte, worauf Marios Frage abzielte. Auf diese Diskussion hatte er nicht die geringste Lust. »Das Baby braucht ein bisschen frische Luft«, fuhr er leichthin fort und tätschelte den Sitz der Harley. »Außerdem möchte ich Franzi in Navello besuchen. Ich habe sie seit Ewigkeiten nicht gesehen.«

Eine Weile stand Mario neben ihm und sah ihm bei seinen Bemühungen zu.

»Hier, halt mal.« Ron reichte ihm das Ende eines weiteren Gurtes über die Maschine. »Aber Vorsicht, nicht an den Lack kommen.«

Mario rollte mit den Augen. »Ich tu deiner Harley schon nichts.«

»Das will ich dir auch geraten haben. Sonst mache ich mich über deinen Käfer her.« Ron wackelte vielsagend mit den Augenbrauen.

Eine Weile schwiegen sie, ehe Mario das Wort ergriff. »Eigentlich bin ich nicht zum Arbeiten gekommen.«

»Dein Pech. Du bist zur falschen Zeit vorgefahren. Wärst du eine halbe Stunde später dran gewesen, wäre ich fertig.«

Mario schnaubte, hielt aber brav das Zelt fest. »Das glaubst du doch selbst nicht. Ohne mich kämst du nicht klar.«

Ron warf seinem Kumpel einen spöttischen Blick zu. Dabei wusste er, dass er Mario unrecht tat. Wenn sein Freund nicht gewesen wäre, um ihn in den letzten beiden Jahren aufzufangen, hätte Ron keine Garantie dafür abgegeben, was aus ihm geworden wäre.

»Meinst du nicht, es ist langsam an der Zeit, damit aufzuhören?« Marios Stimme war ernst geworden.

Für einen Moment schloss Ron die Augen. Fest biss er die Zähne zusammen. Jetzt ging es los. Wieder einmal.

Er atmete tief durch, sah auf und musterte seinen Freund mit schief gelegtem Kopf. »Ich weiß nicht, was du meinst.«

»Klar weißt du das.« Mario schnaubte. »Seit zwei Jahren bist du fast ununterbrochen mit dem Motorrad unterwegs. Seit ...«

»Hör auf damit«, unterbrach Ron ihn mit schneidender Stimme. »Ich arbeite wie jeder normale Mensch. Ich leite sogar meine eigene Firma. Und der geht es gut. Erst vergangene Woche habe ich zwei hervorragende Abschlüsse gemacht, da habe ich mir ein bisschen Urlaub verdient.«

»Aber es ist doch so.« Mario hatte steile Falten auf der Stirn, die ihn deutlich älter machten, als er war.

Warum hatte er eigentlich keine Freundin?

»Sieh mal, ich meine es doch nicht böse.« Sein Freund sprach in versöhnlichem Ton. »Aber es ist an der Zeit, dass du wieder am Leben teilnimmst. Geh und such dir eine Frau. Muss ja nicht gleich die große Liebe sein. Ein bisschen Spaß, um auf andere Gedanken zu kommen, reicht völlig.«

Jetzt richtete sich Ron auf. Obwohl Mario nicht klein war, überragte er ihn um einen halben Kopf. »Das sagt der Richtige. Ich kann mich nicht daran erinnern, wann du zuletzt eine Freundin hattest. Du darfst übrigens loslassen.«

Mario stutzte und war für einen Moment aus dem Konzept gebracht. Gehorsam nahm er die Hand von der Rolle. »Das ist etwas ganz anderes. Bei mir ist das nicht so einfach.«

»Bei mir auch nicht.« Ron wandte sich wieder seiner Harley zu. Für ihn war das letzte Wort gesprochen.

»Du lebst wie ein Einsiedler.«

»Ja und?« Ron zog den letzten Gurt fest und betrachtete sein Werk zufrieden. So konnte er morgen früh beruhigt losfahren. »Dieses Leben ist perfekt. Keiner will etwas von mir und ich kann tun und lassen, was ich mag. Ein paar Pässe fahren zum Beispiel. Mir redet niemand rein.«

Ron verschränkte die Hände trotzig vor der Brust und musterte die Harley. Die verchromten Bauteile blitzten in der Sonne, der Lack glänzte einladend. Alles war sicher verstaut.

»Das hat sich aber mal ganz anders angehört.«

Das versetzte Ron einen Stich, er zuckte zusammen. Bilder schossen ihm durch den Kopf und es gelang ihm nur mit Mühe, sie zurückzudrängen.

»Ist jetzt aber so.« Seine Stimme hörte sich rau an. Er räusperte sich und wandte sich ab. »Du wolltest doch ein Bier trinken. Ich kenne zufällig jemanden, der vorhin erst ein paar Flaschen in den Kühlschrank gelegt hat. Womöglich ist derjenige sogar bereit, mit dir zu teilen.«

Mario seufzte. »Wenn du das sagst. Ich mache mir nur Sorgen um dich.«

Ron lachte ein Lachen, das nicht von Herzen kam. »Um mich musst du dir keine Sorgen machen. Unkraut vergeht nicht. Und jetzt lass uns hineingehen. Ich komme mir vor, als hätte ich Staub geschluckt. Ich brauche dringend etwas zum Runterspülen.«

Die Worte waren leicht dahingesprochen. Doch langsam fragte er sich selbst, wie lange er vor seinen Gedanken und Gefühlen noch davonfahren wollte.

Kapitel 3

»Das Sonnenöl, hast du das Sonnenöl eingepackt?« Lars rannte seit geraumer Zeit durch ihre gemeinsame Wohnung und brachte sie mit seinen Fragen an den Rand eines Nervenzusammenbruchs.

Ruhig bleiben, ermahnte sich Nele zum wiederholten Mal.

»Schatz, ich mach das schon. Möchtest du dich nicht aufs Sofa setzen und ein bisschen ausruhen?«

Er fuhr sich mit der Hand durch das Haar. Zum gefühlt hundertsten Mal. Mittlerweile sah er aus wie ein Wellensittich in der Mauser. »Wie soll ich denn entspannen? Ich dachte, du bist längst fertig mit Packen, wenn ich nach Hause komme. Ich hatte ja keine Ahnung, dass du den Nachmittag in der Stadt vertrödelst.«

Nele atmete tief durch und legte ein Buch in ihren Koffer. Erst vor Kurzem hatte sie die Romane der Bestsellerautorin Ella Sommerfeld für sich entdeckt und seither alle verschlungen. Nun freute sie sich auf das gemeinsame Werk mit dem Thrillerautor Patrick Röder, das über den grünen Klee gelobt wurde. Lars konnte mit ihrer Auswahl nichts anfangen. Er las lieber Sachbücher über moderne Architektur.

»Ich habe Kaffee getrunken, nachdem ich mit der Arbeit fertig war.« Nele schenkte ihm ein entwaffnendes Lächeln. »Außerdem war ich noch ein bisschen einkaufen. Letzte Kleinigkeiten für den Urlaub.«

»Warst du mit Fiona unterwegs?«

Der lauernde Unterton entging ihr nicht. Sie beschloss, sich nicht provozieren zu lassen. Sie hatte fertig sein wollen, bis Lars nach Hause kam. Der Kauf des Bikinis hatte ihren Zeitplan durcheinandergeworfen. Allerdings war das keine große Sache. Sie wanderten ja nicht nach Sibirien aus, sie fuhren lediglich für zwei Wochen nach Südfrankreich. Und selbst wenn sie etwas vergessen sollte, dort gab es Geschäfte, in denen man einkaufen konnte. Ausweis, Geld, Zahnbürste, hatte ihre Tante immer gesagt. Alles andere war ersetzbar.

»Wir haben nur einen Kaffee zusammen getrunken.«

»Klar.« Lars’ Stimme hörte sich ätzend an.

»Was heißt ›klar‹?« Jetzt sah sie doch auf.

Lars stand vor ihr, die Hände in die Hüften gestemmt, und sah sie anklagend an.

»Ich weiß nicht, wie sie es schafft, aber immer, wenn du dich mit ihr triffst, bist du völlig durch den Wind.«

»Ich bin nicht durch den Wind. Einen Koffer werde ich wohl noch packen können.« Sie verkniff sich zu sagen, dass der Mann von heute seine Klamotten für den Urlaub selbstständig einpackte.

»Sie ist so flatterhaft.«

Wütend griff Nele nach dem Paar Flipflops, das am Boden lag, und warf es in den Koffer. »Hör zu, ich weiß, du magst sie nicht. Aber sie ist meine beste Freundin und ich kenne sie länger als dich. Ich bin es leid, mir ständig diese Vorwürfe anzuhören, dass sie kein guter Umgang für mich ist.«