Sonst geht es mir noch gut -  - E-Book

Sonst geht es mir noch gut E-Book

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Beschreibung

"Nun setzt das Feuer erst richtig ein. In einem Bunker suchen wir Schutz. Da kommt die Meldung durch: Der Russe ist eingebrochen! Sofort machen wir unsere Geschütze feuerbereit. Alle schleppen Munition herbei, ich auch. Wir schießen, was die Rohre nur hergeben. Der Stellungs-Uffz., der Geschützführer und ein Mann fallen ..." Im März 1943 wird der erst 18-jährige Funker Klaus Heine zum Einsatz an die russische Front geschickt. Zwei Jahre lang schreibt er von dort regelmäßig an seine Familie daheim in Frankfurt, und man kann anhand seiner Schilderungen hautnah miterleben, wie aus dem einst fröhlichen Jungen ein abgekämpfter Frontsoldat wird, der das Ende des Krieges trotz aller Hoffnungen und Träume scheinbar nicht mehr erleben darf. Klaus Heine schreibt seinen letzten Brief aus einem unter Beschuss stehenden Lazarett, am 1. Advent 1944.

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Seitenzahl: 163

Veröffentlichungsjahr: 2019

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Hinweis!

Alle Namen in diesem Buch wurden sowohl aus datenschutzrechtlichen, als auch aus Pietätsgründen geändert, da sie keinerlei Relevanz besitzen und den Inhalt dieses Buches nicht maßgeblich beeinflussen! Dieses Buch ist somit nicht zur Ahnenforschung geeignet, berechtigte Anfragen beantwortet der Herausgeber aber sehr gerne!

Namensähnlichkeiten oder -übereinstimmungen sind daher rein zufällig. Dieses Buch soll der zeitgeschichtlichen Aufklärung dienen, nicht aber das Ansehen noch lebender oder bereits verstorbener Personen schädigen! Die folgenden Texte wurden aber soweit wie möglich im Original belassen, ebenso die Feldpostnummern und Adressen, um die Authentizität im Ganzen zu wahren!

Für Opa. Danke für alles. Und so vieles mehr.

Inhaltsangabe

Vorwort

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Feldpostnummer: 29182C

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Feldpostnummer: 11101D

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Feldpostnummer: 16314

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Feldpostnummer: 57183

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Urlaub

Vorwort des Herausgebers

Klaus Heine war ein Niemand. Er brachte es niemals zu größeren militärischen Ehren, bewegte sich nicht in besonders interessanten Kreisen und hatte auch sonst nichts Bemerkenswertes an sich. Und gerade das war es, was mich so unglaublich an ihm faszinierte, als ich das erste Mal seine Briefe las. Denn Klaus Heine, das hätte auch ich sein können.

Ich sah seine Briefe auf einem Flohmarkt in einer kleinen Zigarrenkiste liegen, zusammengebunden mit einem Stück alter Schnur und achtlos immer wieder hin und her geschoben. Die letzten Worte eines jungen Mannes an seine Familie lagen hier unter freiem Himmel und drohten, beim nächsten Regenschauer endgültig vernichtet zu werden. Ich nahm das kleine Paket in die Hand, fragte den Verkäufer, was er dafür haben wollte, und bezahlte sofort den von ihm genannten Preis. Ich weiß nicht wieso, aber in diesem Augenblick hätte ich wohl jeden Preis gezahlt, denn Klaus und ich hatten von Anfang an eine Verbindung, die ich mir bis heute nicht erklären kann. Ich trug das Päckchen nach Hause, löste die Schnur und sah, dass sich irgendjemand, vermutlich seine Familie selbst, sehr viel Mühe dabei gegeben hatte, die Briefe zu ordnen. Doch wie lange hatte sie wohl schon niemand mehr gelesen?

Der Geruch des alten Papiers, die teilweise zittrigen, meistens aber sehr deutlich geschriebenen Worte, bildeten vor meinen Augen eine Geschichte, wie ich sie mir niemals hätte ausdenken können. Denn egal wie viel Fantasie ich auch benutzt hätte, nichts konnte besser formuliert sein als die absolute Realität, die aus diesen Seiten sprach. Seine teilweise schonungslosen Worte erschütterten mich, denn dieser durchaus sympathische junge Mann war trotz allem ein überzeugter Nazi. Er glaubte restlos an das, wofür er kämpfte und letztlich auch starb, aber ich konnte trotzdem sehr gut mit ihm fühlen.

Nur wenige Jahre nach dem Ende des 1. Weltkriegs geboren, in einer Zeit, in der die Weltwirtschaft am Boden lag, wuchs Klaus in Trümmern auf. Als die NSDAP 1933 an die Macht kam, war er gerade einmal acht Jahre alt und der kriegsvorbereitenden Propaganda für die folgenden sechs prägenden Jahre seiner Kindheit ausgesetzt. Filme, Zeitungen und Bücher waren voll von Hetze gegen den allgegenwärtigen „Feind“, die Erwachsenen sprachen begeistert vom Führer, der endlich wieder für Lohn und Brot sorgte und jede Opposition war erstickt worden. Ich glaube gerade deshalb nicht, dass Klaus auch nur ansatzweise bewusst war, wie sehr er manipuliert worden war. Denn es gab kaum kritische Stimmen und selbst wenn sie vereinzelt doch noch ertönten, dann waren achtjährige Kinder wohl die letzten, die sie hätten hören können.

Als Hitler am 1. September 1939 verkündete: „Polen hat heute Nacht zum ersten Mal auf unserem eigenen Territorium auch mit bereits regulären Soldaten geschossen. Seit 5:45 Uhr wird jetzt zurückgeschossen!“, stellte das also niemand in Frage. Man glaubte fest, dass das deutsche Vaterland angegriffen worden sei und es war letztlich nur das geschehen, was schon seit Jahren befürchtet und propagiert worden war. Man musste sich jetzt verteidigen, seine Werte schützen und den Feind zurückschlagen. Denn gerade erst ging es einem wieder gut, statt „Grassuppe“ gab es endlich wieder Fleisch, da bedrohte der unbekannte Feind aus dem Osten den Frieden.

Vier Jahre Krieg lagen bereits hinter Deutschland, als Klaus selbst dem „Ruf des Führers“ folgte und an die Front zog. Nach einer kurzen Ausbildung zum Funker wurde er nach Russland geschickt, wo er schon bald im Schützengraben lag und die ersten Menschen tötete. Beinahe nahtlos war er von der Propagandamaschinerie des Dritten Reichs begleitet worden, von seinem achten Lebensjahr an bis zu seinem Tod in einem Lazarett, irgendwo weit entfernt der Heimat!

Doch ich möchte Klaus trotz allem nicht völlig aus der Verantwortung nehmen, denn was er getan hat, war zweifelsohne schrecklich. Ich glaube allerdings auch, dass es vor dem Lesen dieser Briefe wichtig ist, sich die Zusammenhänge klar zu machen, um sie richtig bewerten und eine Wiederholung verhindern zu können. Die gefährliche Arroganz abzulegen, dass wir alle besser sind, dass uns so etwas niemals passieren würde.

Ich schrieb eingangs, dass auch ich es hätte sein können und ich glaube das wirklich. Denn wenn ich mich heute daran zurück erinnere, wie beeinflussbar und leichtgläubig ich selbst mit acht Jahren war, dann bin ich sehr dankbar. Denn ich lebte damals, ohne es zu wissen, in dem Luxus nicht derart manipuliert worden zu sein. Ich lebte nicht wie Klaus in täglicher Todesangst als ich 14 Jahre alt war und ich war auch nicht gezwungen selbst über Leben und Tod zu entscheiden, als ich gerade erst volljährig war. Niemand schoss auf mich, niemand warf mit Granaten nach mir, niemand wollte mich töten. Ich wuchs so überzeugt davon auf, dass wir in einem sicheren, demokratischen Land leben wie Klaus aufwuchs mit dem vermeintlichen Wissen, dass Deutschland von Feinden umzingelt und von „Untermenschen“ durchsetzt war.

Uns allen geht es gut, wir sind behütet und ohne Krieg im eigenen Land aufgewachsen, aber gerade das macht uns auch so unendlich verwundbar. Denn wie schnell vergisst man sich selbst, urteilt aber über andere? Ich glaube, dass Klaus Heine selbst eigentlich kein schlechter Mensch gewesen ist. Dafür schreibt er zu liebevoll und zu intelligent. Ich glaube aber auch, dass er ein Leben lang dazu gemacht worden ist und letztlich auch wie einer handelte. Und dafür gehört er verurteilt, keine Frage, nicht aber ohne eine angemessene Erklärung.

Hoffen wir, dass wir selbst von so etwas verschont bleiben werden, denn wirklich sicher ist nichts im Leben und irgendwann wird die Geschichte auch über uns urteilen, so wie wir es unweigerlich nach dem Lesen dieser Briefe mit Klaus tun werden.

Stefan Heikens

Die Briefe von Klaus Heine

Breslau, 1.3.43

Liebe Eltern!

Aus Breslau sendet Euch die herzlichsten Grüße Euer

Klaus

Rußland, den 5. März 43

Liebe Eltern!

Am Sonntag, dem 1. März, sind wir unverhofft verladen worden. Um 13 Uhr fuhren wir ab. Jeder Zug (dreißig Mann) wurde in einem Güterwagen verfrachtet. Es ist ja schrecklich eng. Jeder will seine Beine ausstrecken, und das ist ein Ding der Unmöglichkeit. Aber mit gutem Willen geht alles. In jedem Wagen ist ein Ofen. Kohlen mussten organisiert werden. Auf den einzelnen Bahnhöfen stehen ja genug Güterwagen mit Kohlen.

Eine Petroleumlampe für nachts haben wir ebenfalls erworben. Mit gemischten Gefühlen sahen wir der Marschrichtung entgegen. Als wir über Weimar fuhren, da war die Richtung allgemein bekannt. An diesem Tage, dem 1. März, fuhren wir über Weimar, Appolda, Naumburg, über die Saale, Weißenfels, Ammendorf, Merseburg, Halle. In Halle bekamen wir die erste warme Verpflegung. Ebenfalls für jeden einen Laib Brot, Butter, eine Wurst von 75 cm.

Am anderen Morgen erwachten wir in Sagan, fuhren diesen Tag, den 2. März, über Sprottau, Lissa, Kröben, Krotoschin, Ostrowo. Unterwegs schrieb ich an Euch eine Karte mit dem Absender „Breslau“. Das war ein Irrtum. Ich dachte wir kämen über Breslau. Am 3. März fuhren wir von Litzmannstadt bis Warschau. Warschau, sowie ganz Polen ist eine armselige Gegend. Warschau ist nur noch eine halbe Stadt. Die Wege und Straßen spotten jeder Beschreibung. Am 4. März kamen wir bis Mosty. Hier haben wir die erste Dienstausgabe: Größte Vorsicht gegen Partisanenüberfälle. Die Nacht verläuft wie die nächste ohne Zwischenfälle. Am 4. März waren wir in Minsk. Minsk ist rings um das Bahngelände schwer zerstört.

Herzliche Grüße und Küsse

Klaus

Rußland, 8. März 1943

Liebe Eltern!

Heute Abend komme ich dazu Euch zu schreiben. Wir liegen in Richtung Moskau. In wenigen Stunden beginnt unser Einsatz. Jeder hat Pelzstiefel und weiße Überanzüge erhalten. Es herrscht hier rege Lufttätigkeit von beiden Seiten. Heute Morgen erlebten wir unseren ersten Luftangriff. Heute Abend werden wir zum ersten Mal die Front erleben. Die ganzen Tage hörten wir schon das Grollen der Ari-Schlacht1. Bis jetzt ging alles noch gut. Hoffentlich bleibt es so. Wir sind so dick angezogen, dass wir wirklich nicht zu klagen brauchen. Meine Anschrift: Soldat Klaus Heine, FN 29182C.

Herzliche Grüße und Küsse

Klaus

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Ab hier Feldpostnummer: 29182C

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Rußland, 9. März 1943

Liebe Eltern!

Wir liegen hier unweit Orel hundert Meter hinter der Hauptkampflinie. Wir liegen zu zwanzig Mann in einem stabilen Bunker. Ich bin als Gewehrschütze eingeteilt. Wir liegen hier mit alten erfahrenen Soldaten zusammen. Es herrscht hier eine Kameradschaft, wie ich sie noch nie gesehen habe. Alles redet per Du, und jeder hilft dem anderen wo er nur kann.

Ich stehe heute zum ersten Mal hundert Meter vor dem Feind im Graben. Alle 24 Stunden wird abgelöst. Vor mir liegt ein Maschinengewehr, das auf jeden, der eins zur Verfügung hat, beruhigend einwirkt. Heute Abend 19 Uhr kommt die Ablösung. Es ist jetzt 12:15 Uhr. Vor einer halben Stunde habe ich den ersten Russen umgelegt. Heute Morgen hörte und sah ich zum ersten Mal die Wirkung der Stalinorgel2. Ein nicht abreißendes dumpfes Grollen ist wohl der Hauptbestandteil der „Orgel“. Nach einer Stunde hörte sie plötzlich auf. Sie wurde nämlich entdeckt und wirksam bekämpft. Die Flugtätigkeit der Russen ist sehr rege. In wirren Haufen fliegen sie ihre Angriffe und werden regelmäßig von unserer Flak3 heruntergeholt. Die Verpflegung ist hier prima. Heute Morgen, zum Beispiel gab es Brot, so viel wie jeder brauchte, ¼ Pfund Butter und ¼ Pfund Schweizer Käse. Jeden Tag gibt es zwölf Zigaretten. Heute scheint die Sonne ganz besonders warm. Es fängt so langsam an zu tauen.

Heute kann ich mich das erste Mal seit Erfurt wieder waschen. Meine Kameraden suchen schon eifrig Läuse, mit größtem Erfolg. Sind meine Großaufnahmen fertig? Zusätzlich zu unserer Verpflegung gab es heute eine Tafel Schokolade. Unsere einzige warme Mahlzeit findet abends nach Ablösung statt. Gestern Abend gab es prima Bohnensuppe mit viel Fleisch. Das war ein Götterfraß.

Die Wascherei habe ich nun beendet. Rasieren tue ich mich nicht mehr. Das ist bei uns hier ganz aus der Mode. Bei uns wird nachts gearbeitet und ab 4 Uhr geschlafen. Bei Tag darf keiner den Bunker verlassen, weil der Feind das Gelände einsieht. Noch vier Stunden, dann ist die Ablösung zur Stelle und wir haben 24 Stunden Ruhe.

Viele herzliche Grüße und Küsse Euer

Klaus

Rußland, 13. März 43

Liebe Eltern!

Fünf Kilometer hinter der Stellung liegen wir für 48 Stunden in Ruhe. Wir sind hier acht Mann in einem wohnlichen Bunker. Die Wände und Betten sind aus Birkenholz gefertigt. In einer Ecke steht ein Kamin. Gestern lagen wir noch in Stellung und froren ganz erbärmlich. Wenn wir jetzt an die 48 Stunden denken, die wir morgen wieder in Stellung verbringen müssen, wird es uns ganz anders. Nach 48 Stunden Wache kippt man leicht aus den Latschen. Es ist eben 15 Uhr. Um 12 Uhr sind wir aufgestanden. Jetzt wird es wohl Zeit sich wieder hinzulegen. Ich benutze jede freie Zeit Euch zu schreiben. Ihr werdet schon gemerkt haben, dass ich die Briefe mit Nummern versehe. Es wäre ganz gut, wenn Ihr das auch so machen würdet. Ich kann dann eher übersehen, ob alle Briefe angekommen sind. Bis jetzt habe ich noch keine Post von Euch erhalten. In unserem Frontabschnitt war am 22.2.43 eine große Sache der Russen. Ihr werdet ja im Wehrmachtsbericht davon gehört haben. Es gab auf unserer Seite dreitausend Verwundete. Wenn wir acht Tage eher gekommen wären, hätten wir vielleicht auch daran glauben müssen. Zurzeit ist hier vollkommene Ruhe. Nur ab und zu fallen einzelne Gewehrschüsse. In meiner Gruppe bin ich der einzige von der alten Erfurter Kompanie. Ich habe mich aber schon wieder sehr gut eingelebt. Wie oft denke ich an Euch zu Hause. Wie ist es doch zu Hause so schön. Man ist ein freier Mann. Hat sein Vergnügen. Hier gibt es noch nicht einmal Wasser. Waschen müssen wir uns mit Schnee. Das Essen und den Kaffee bekommen wir aus dem Dorf 10 km entfernt. Eben wird bekannt, dass unser Bataillon abgelöst und in einer ruhigere Stellung kommen soll.

Bis dahin grüßt und küsst Euch Euer

Klaus

Rußland, 18. März 43

Liebe Eltern!

Seit ungefähr drei Tagen haben wir unsere Stellung gewechselt. Wir sind neun Stunden mit dem Lastauto gefahren. Wir liegen hier südlich Moskau in einer prima ausgebauten Waldstellung. Unsere Gruppe zieht nur nachts auf. Jeder Posten steht einmal vier und einmal drei Stunden. In der Nacht geht die Zeit viel zu langsam um, und dann ist es auch kälter als am Tage. Tagsüber liegen wir zu sechst in einem schön wohnlich eingerichteten Blockhaus. Heute gab es zum ersten Mal in meiner Soldatenzeit Erbs mit Speck. Es war prima.

Auch hier an diesem Frontabschnitt ist nichts los. Nur einzelne Gewehrschüsse werden gewechselt, ohne dass etwas vom Feind zu sehen ist. Heute Mittag - es ist eben 19 Uhr, ich bin gerade abgelöst und habe zwei Stunden Ruhe - frug mich der Kompaniechef, ob ich als seine Ordonanz tätig sein wolle. Ich habe zugesagt. Ich warte noch darauf, was daraus wird. Die Verpflegung ist nach wie vor prima. Jeden Tag zwölf Zigaretten, Schokolade oder Bonbons, Butter, Fleisch, Honig. Ich habe bis jetzt außer Euch noch niemandem geschrieben. Die Zeit ist doch ziemlich knapp bemessen. Jede freie Minute wird zum Schlafen ausgenutzt. Gewaschen wird auch hier nur alle acht Tage. Alles hat bald Vollbärte. Die Stimmung ist aber immer noch ganz groß. Gesundheitlich geht es mir noch gut, was ich auch von Euch hoffe. Ich muss nun schließen, denn der Posten will pünktlich abgelöst sein.

Es grüßt und küsst Euch Euer

Klaus

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Wechsel zu Feldpostnummer 11101D

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Rußland, 25. März 43

Liebe Eltern!

Hier an der Front ist immer noch himmlische Ruhe. Wir werden hier von Tag zu Tag in einen anderen Bunker verfrachtet. Wann das mal ein Ende nimmt weiß keiner. Ich habe jetzt wieder eine neue FP-Nummer: 11101 D.

Gestern waren wir zur Entlausung. Das ist eine Wohltat. Nach sechs Wochen endlich wieder einmal raus aus der Wäsche. Heute gab es Löhnung 35,- RM. 2,- RM hab für KWHW4. In nächster Zeit gibt es Luftfeldpost- und Päckchenmarken. Diese Päckchenmarken klebt ihr auf ein Zwei-Pfund-Päckchen und schickt mir Kuchen.

Herzliche Grüße und Küsse

Klaus

Rußland, 30.3.43

Liebe Eltern!

Es ist eben 3 Uhr morgens. Ich bin gerade abgelöst worden. Meine Wache für diese Nacht ist damit zu Ende. Nun muss ich eine Stunde im Bunker aufbleiben, damit das Feuer nicht ausgeht. In einer Stunde kann man schon viel machen. Ich will sie benutzen, Euch wieder einmal zu schreiben. Mir geht es immer noch gut, abgesehen von einer Erkältung, die ja hier jeder hat. Auch gefällt es mir hier ganz gut. Unsere Stellung, zwischen Kaluga und Orel ist gut ausgebaut. In diesem Abschnitt ist es ganz ruhig. Und doch ist gestern einer durch Halsschuss gefallen.

Seit der Abfahrt von Erfurt führe ich ein kleines Tagebuch. Bis heute habe ich noch keine Post von Euch erhalten. Ich hoffe aber sehr, dass bald etwas kommt (FN 11101 D). Es dauert doch ziemlich lange.

Hier beginnt so langsam das bekannte Tauwetter. Die Laufgräben stehen schon hoch voll. Aber immer kommt noch ein Tag, an dem es schneit. Wir sind richtig von der Welt abgeschnitten. Keine Zeitung, kein Radio, kein Wehrmachtsbericht gibt uns Aufschluss über die Lage. Wir sind ein richtig sturer Verein geworden. Noch begünstigt durch das überaus eintönige Gelände und die Witterung. Dazu kommt noch der Dienst und wenig Schlaf.

Zu essen gibt es genug. Alle unter 21 Jahre erhalten täglich 200 gr. Brot mehr. Sonst gibt es nach wie vor Butter oder Margarine, Büchsenwurst, Büchsenfleisch, Schweizer Käse, Marmelade und anderes.

Mein augenblicklicher Bestand an Zigaretten beträgt über hundert. Jeden Tag kommen zwölf dazu. Manchmal auch Zigarren, die werden aber gleich geraucht, schmecken besser als Zigaretten. Fast jeden Tag gibt es Schnaps. Unser 306 I.R.5 ist ja beim Russen als Schnapsregiment bekannt.

Vor kurzer Zeit ließ der Russe durch Lautsprecher in die Stellungen rufen: „Kommt zu uns mit Kochgeschirr und Mantel“. Dieser Satz und noch weitere lösten ungeheure Heiterkeit aus. Durch ein paar Schüsse nahm diese Übertragung ein jähes Ende.

Herzliche Grüße und Küsse von Eurem

Klaus

Russland, 8.4.43

Meine Lieben!

Erst heute komme ich wieder einmal dazu, Euch zu schreiben. Die ganze Zeit war es mir nicht möglich, denn ich zog dem Schreiben den Schlaf vor. Wenn man so die ganze Nacht vorne im Graben liegt, immer gespannt nach dem Feind hinübersieht, dann benutzt man jede freie Minute zum Schlafen. Seit dem 1.4.43. liegen wir hier als Bataillons-Reserve ein Kilometer hinter der Hauptkampflinie in Bunkern in Ruhestellung. Vier Tage arbeiteten wir unermüdlich daran, unsere Bunker in Ordnung zu bringen. Jetzt, nach acht Tagen, nachdem das Wetter jetzt langsam wärmer wird, und die Bunker so langsam austrocknen, müssen wir Tag für Tag unsere Bunker ausschöpfen. Jeden Morgen wenn wir aufstehen (9 Uhr) steht alles voller Wasser. Abends müssen wir die Stiefel hochhängen, damit sie nicht am anderen Morgen weggeschwommen sind. Am 11.4. kommen wir wieder in Stellung. Bis jetzt habe ich den Russen noch nicht kennengelernt. Seine schwere Ari, Ratsch-bum (Granatwerfer) und vor allem die Stalinorgel habe ich kennengelernt. Die russische Infanterie taugt überhaupt nichts. In wüsten Haufen kommen sie stur aufrecht auf unsere Linien zu. Es ist ein leichtes, sie abzuschießen.

Die einzige wirksame Waffe des Iwan ist seine schwere Ari. Gegen sie ist bis jetzt noch kein Kraut gewachsen. Sonst geht es mir noch gut, was ich auch von Euch hoffen darf. Wenn Euch die Tommy’s6 auch mal nachts aus den Betten holen, oder wenn jemand versucht was zu hetzen, gebt nichts drauf.

Wir hier im Osten haben es sicher schwer, wenn nicht noch schwerer als ihr, und wir halten auch aus. Die Verpflegung ist hier prima, jeden Tag gibt es Süßigkeiten und Zigaretten, oder Schnaps. Alles Dinge, die den Landser versöhnen und ihm das Leben erleichtern. In Kürze werde ich Euch ein Päckchen mit zweihundert Zigaretten, Hautcreme u.a. schicken. Euren lieben Brief vom 23.3. habe ich am 4.4. erhalten. Ich bin hier wie jeder andere ein biederer Infanterist. Und die zwei Buchstaben „FN“ bedeuten Feldpostnummer. Es freut mich, dass Ihr ein schönes Andenken in dem Bild von mir habt. Ich hätte gerne ein Bild von Mutti, Oma und Tante. Das mit den 10,- RM stimmt. Ob ich den Kuchen und die Orangen erhalten habe kann ich nicht mit Bestimmtheit sagen. Lasst bitte bald wieder was von Euch hören!

Es grüßt und küsst Euch Euer

Klaus

Anbei drei Luftfeldpostmarken!

Russland, 9.4.43

Liebe Eltern!

Heute erhielt ich mit großer Freude den zweiten Brief von Euch (23.3.). So ein Brief von zu Hause stimmt den Landser gleich freudiger. Wie ich aus dem Brief ersehe, geht Vater immer noch zur Schule. Wie gern ginge ich auch nochmal zur Schule, statt hier in der Sch….. zu sitzen. Aber das kann ja einen Landser nicht erschüttern, da haben die Läuse schon mehr Erfolg. Ja Läuse, bis jetzt waren sie ja noch friedlich mit mir. Ich hoffe auch, dass es so bleibt. Dass die Post so lange Zeit benötigt, ist leicht zu erklären. Die Züge mit der Post mussten ein Partisanengebiet durchfahren. Auf dieser Strecke kann