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Soziale Nachhaltigkeit und wirtschaftliche Nachhaltigkeit gehören zusammen. Unternehmen, die das Thema Soziales als Teil der ESG-Kriterien in ihr Personalmanagement (Employee Life Cycle) integrieren, steigern ihren Wert durch mehr Wachstumskraft, Resilienz und Wettbewerbsfähigkeit. Ihnen gelingt es leichter, engagierte Mitarbeitende zu gewinnen und zu binden. Dieses Buch von Prof. Dr. Elke Eller und Michael H. Kramarsch ist ein Wegweiser für Unternehmenspraktiker:innen und Stakeholder, wie soziale Nachhaltigkeit im 21. Jahrhundert zu einem Erfolgsfaktor unternehmerischen Handelns gemacht werden kann. Es unterstützt sie dabei, den konstruktiven Zusammenhang zwischen Unternehmensstrategie, Sozialem und Employee Life Cycle zu verstehen und eine eigene wirkungsvolle Strategie für ein soziales Unternehmertum zu entwerfen und zu verwirklichen. Inhalte: - Ausrichtung der Unternehmensstrategie auf soziale Nachhaltigkeit - Soziale Nachhaltigkeit in Zeiten gesellschaftspolitischen Wandels - Soziale Verantwortung als Werttreiber - Das S zwischen Risiko- und Renditefaktor - Digitale Vorreiterschaft als Treiber für Nachhaltigkeit - ESG und Unternehmensbewertung - Wettbewerbsvorteil Nachhaltigkeit: Eckpfeiler einer starken Personalstrategie und Arbeitgebermarke - Nachhaltigkeit managen, berichten und erlebbar machen
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Seitenzahl: 641
Veröffentlichungsjahr: 2024
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Elke Eller/Michael H. Kramarsch
Soziale Nachhaltigkeit- Pflicht oder Kür?
1. Auflage, Oktober 2024
© 2024 Haufe-Lexware GmbH & Co. KG
Munzinger Str. 9, 79111 Freiburg
www.haufe.de | [email protected]
Bildnachweis (Cover): © surassawadee, AdobeStock
Produktmanagement: Dipl.-Kfm. Kathrin Menzel-Salpietro
Lektorat: Peter Böke
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Liebe Leserin, lieber Leser,
kennen Sie die Forges des Salles in der Bretagne? Wenn Sie sich für soziale Nachhaltigkeit interessieren, wäre dieses ehemalige Hüttenwerk und heutige Industriedenkmal einen Besuch wert. Von 1621 bis 1877 wurde hier Eisen produziert. Die mit Holzkohle befeuerte Hochofenanlage war aus ökologischer Sicht eher weniger nachhaltig. Doch soziale Nachhaltigkeit spielte bereits eine Rolle: Zu dem Werk gehörten Unterkünfte für die Arbeiter und eine Schule für deren Kinder, eine Kapelle, eine Kantine und ein Laden sowie eine Gartenanlage. Auch für den Arbeitsschutz war gesorgt. Und im Falle eines Falles wurden Witwen und Waisen alimentiert, dafür leisteten sie einfache Arbeiten für die Gemeinschaft.
Hier kam der soziale Fürsorgegedanke zum Tragen, aber auch ein kluges unternehmerisches Kalkül: Alle sahen sich gut versorgt und fühlten sich dem Hüttenwerk verbunden. Der Return on Investment in die Arbeits- und Lebensbedingungen waren zufriedene Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, Familien und Gemeinschaftsmitglieder und deshalb ein dauerhaft florierendes Unternehmen mit wiederum freien Mitteln für soziale Belange.
Soziale Nachhaltigkeit und wirtschaftliche Nachhaltigkeit gehören zusammen, auch heute noch. Das ist der Kerngedanke dieses Herausgeberbandes.
Zugegeben, es gibt Themenfelder im unternehmerischen Handeln, deren ökonomischer Wert auf den ersten Blick greifbarer ist und deren Operationalisierung und Erfolgsevaluation sich einfacher standardisieren lassen.
Setzt man »Soziale Nachhaltigkeit« als Thema, so wie es dieses Buch tut, stößt man auf ein interessantes Paradoxon, wenn man im Dialog mit anderen versucht, das S in ESG (Environment, Social, Governance) »dingfest« zu machen. Es herrscht intuitiver Konsens, dass soziale Nachhaltigkeit gut ist und zunehmend wichtiger wird oder zumindest aufgrund steigender Governance-, Compliance- und Reporting-Anforderungen nicht ignoriert werden kann (Pflicht).
Was jedoch fehlt, ist der verbindliche gemeinsame Nenner, welche Bausteine soziale Nachhaltigkeit exakt ausmachen, wie man sie misst und ob – und wenn ja, wie – sie nachweislich positiv auf Unternehmen wirkt (Wettbewerbsvorteil).
Mit diesen Fragen oder besser Fragezeichen begann die Arbeit an diesem Buch mit nicht weniger als dem Anspruch, einen Wegweiser für Unternehmenspraktiker und Stakeholder zu erarbeiten, wie soziale Nachhaltigkeit im 21. Jahrhundert zu einem Erfolgsfaktor unternehmerischen Handelns gemacht werden kann.
Das einleitende Beispiel der Forges des Salles verdeutlicht schön, was sich im Begriff der Nachhaltigkeit verbirgt – es geht um das Schaffen von Rahmenbedingungen, die andauernde und sich nicht erschöpfende Arbeitskräfteverfügbarkeit, Produktivität, Motivation und Engagement begünstigen.
Es ist unstrittig, dass es die Aufgabe von Wirtschaftsunternehmen ist, erfolgreich zu sein, indem das eingesetzte Kapital der Eigentümer erhalten und gemehrt wird. Dies gelingt umso besser, je weniger (ungewollten) Risiken ein Unternehmen ausgesetzt ist und je mehr eine langfristige Erlösperspektive gegeben ist. Nicht umsonst sind und waren inhabergeführte oder inhaberdominierte Unternehmen daher oft Pioniere nachhaltigen Wirtschaftens – auch mit Blick auf soziale Belange.
Der Blick in die Vergangenheit und damit die Genese der sozialen Nachhaltigkeit sowie die heutige Verankerung in Aufsichtsratsstrukturen börsennotierter Unternehmen verbunden mit dem Spektrum der Stakeholder-Erwartungen bilden daher im ersten Teil den Aufgalopp für dieses Buch.
Aber was ist im unternehmerischen Kontext »sozial« und wo liegt die Ursache-Wirkungs-Beziehung zwischen sozial nachhaltigem Wirtschaften und überdurchschnittlichem wirtschaftlichen Erfolg?
Hier kommt die Perspektive aus der Unternehmenspraxis zum Tragen, die im zweiten Teil Personalvorstände und Arbeitsdirektorinnen zu Wort kommen lässt, um entlang des Mitarbeiterlebenszyklus und der jeweiligen konkreten unternehmensspezifischen Anforderungen greifbar und erlebbar zu machen, wie soziale Nachhaltigkeit in die Tat umgesetzt werden kann. Wesentlich ist dabei nicht in erster Linie das Maß an Überlappung und Gemeinsamkeiten zwischen den verschiedenen Beiträgen und Unternehmen, sondern mehr das Maß an idiosynkratischer Herleitung und passgenauer Umsetzung.
Die adressierten Bausteine sind sich dann auch – wenig überraschend – verblüffend ähnlich und reichen von Arbeitsbedingungen, Menschenrechten, Diversität und Vielfalt, Entwicklungs- und Lernmöglichkeiten, gutem Führungsverhalten bis hin zu institutionellem Vertrauen.
Allerdings ist die Einbettung in den jeweiligen Unternehmenskontext, die Ableitung der materiellen und spezifischen Schwerpunktthemen, das damit verbundene Narrativ und die Verzahnung mit Unternehmensstrategie und Steuerungssystem wiederum sehr unterschiedlich und verdeutlicht die Notwendigkeit eines unternehmensspezifischen Adaptionsprozesses. Den Beiträgen gemeinsam ist, dass nach Mitteln und Wegen gesucht wird, Output-Größen zu definieren und messbar zu machen und in eine direkte und nachweisbare Beziehung zu den Unternehmenszielen zu setzen.
»Tue Gutes und rede darüber« ist Floskel und geflügeltes Wort zugleich – und heutzutage ohne den Zusatz eines guten »Narrativs« praktisch nicht denkbar. Aber gerade dann, wenn es aufgrund umfassender, komplexer und kleinteiliger Regulierung und Reporting-Anforderungen wie Corporate Sustainability Due Diligence Directive (CSDDD)CSDDD, ESRSEuropean Sustainability Reporting Standards (ESRS) und Co. auf der einen Seite und einer teilweise sehr anekdotischen »Sozialberichterstattung« der Unternehmen auf der anderen Seite keinen zwingenden roten Faden gibt, ist es umso wichtiger zu beleuchten, wie sich Drehmoment statt Drehzahl steigern lässt – also Relevanz vor bloßem Geräusch.
Im dritten Teil dieses Bandes geht es daher um die erzählerische Metamorphose, nicht nur das Gute und das Richtige zu tun, sondern den Beweis anzutreten, dass es sich hierbei um eine notwendige Voraussetzung für Erfolg handelt – oder wie es einer unserer Autorinnen und Autoren sagt, dass es nicht um eine »Nachhaltigkeitsstrategie, sondern eine nachhaltige Unternehmensstrategie geht«.
Es gibt viele parallele und sich gegenseitig verstärkende Veränderungstreiber – Technologie, künstliche Intelligenz, Klimawandel und seine Konsequenzen, geopolitische Herausforderungen und demografische Veränderungen, die zusammengenommen die Handlungskomplexität für Unternehmen erhöhen, aber gleichzeitig die zur Verfügung stehende Reaktionszeit reduzieren. Die Fähigkeit eines Unternehmens, sich schnell anzupassen, hängt nicht an Assets, Kapital, Formalkompetenzen und Managementstrukturen. Im vierten Teil rückt daher der systemische Blick in den Mittelpunkt und lotet aus, wie die Wandungsfähigkeit von Unternehmen als soziale Systeme von Motivation, Kultur, Konsens und institutionellem Vertrauen ihrer Mitglieder in deren Zukunftsfähigkeit bestimmt wird.
Hier schließt sich der Kreis und wir kehren zurück zu der Frage, warum soziale Nachhaltigkeit Erfolgsfaktor und Wettbewerbsvorteil ist – nicht nur innerbetrieblich, sondern auch mit Blick auf die Bindekräfte in der Gesellschaft und dem Funktionieren unserer Demokratie.
Die Devise lautet daher: Lassen Sie uns gemeinsam in eine Wirtschaftswelt aufbrechen, die soziale Nachhaltigkeit zum Vorteil aller ernst nimmt. Dieser Herausgeberband ist dabei nicht die Ziellinie, sondern der Startpunkt für den weiteren Dialog, innerbetrieblich, unternehmensübergreifend und gesellschaftspolitisch.
Die Herausgeber laden Sie dazu ein, sich mit unseren Autorinnen, Autoren und Ansprechpartnern in Verbindung zu setzen, Ihre Fragen zu diskutieren und den Weg gemeinsam zu gehen.
Jetzt wünsche ich Ihnen eine gewinnbringende Lektüre. Und denken Sie dabei auch an die Forges des Salles: Die mit Holzkohle befeuerte Hochofenanlage sollte zwar Geschichte bleiben – dafür gehört der sozialen Nachhaltigkeit die Zukunft.
Dr. Thomas Ogilvie
Mitinitiator des Herausgeberbandes
Michael H. Kramarsch, hkp///group
Weniger Risiken – mehr Chancen
Die Themen Strategie und Nachhaltigkeit sind wesensverwandt. Eine Strategie umfasst langfristige Ziele und den Weg dahin im Sinne dauerhaft florierender Geschäfte. Und nachhaltig ist alles, was lange währt und wirkt. Beide Themen eint ihr weiter Zeithorizont – und eine innere Verbundenheit.
Dies zeigt sich gerade mit Blick auf die soziale Nachhaltigkeit. Unternehmen mit einer sozial nachhaltigen Strategie erreichen ihre langfristigen Ziele besser und haben den langfristigen wirtschaftlichen Erfolg auf ihrer Seite. Soziale Nachhaltigkeit und wirtschaftliche Nachhaltigkeit gehören zusammen. Denn Unternehmen, die sich soziale Nachhaltigkeit glaubwürdig auf die Fahnen geschrieben haben, reduzieren ihre Risiken und mehren ihre Chancen.
Zum einen sorgen sie entlang ihrer Lieferketten und im Rahmen der Gemeinschaften, zu denen sie als Corporate Citizens gehören, für lebenswürdige Bedingungen. Deshalb drohen ihnen keine geschäftsschädigenden Reputationsrisiken. Dafür gewinnen sie einen produktiven guten Ruf als verantwortungsvolle Zeitgenossen – bei politischen Entscheidern, Geschäftspartnern, Kunden, Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern.
Zum anderen erweisen sie sich als sozial nachhaltige Arbeitgeber. Eine mitarbeiterfreundliche Personalpolitik ist Kern ihres strategischen Risiko- und Chancenmanagements. Sie vermeiden die Gefahr, mit einer grauen Arbeitswelt erfolgskritische Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter abzuschrecken und zu demotivieren, profitieren jedoch von einer engagierten Belegschaft, die aus ihren Geschäftsplänen wirtschaftliche Erfolge macht, weil mit der Ressource »Mensch« verantwortlich und schonend umgegangen wird.
Und eigentlich ist das Thema soziale Nachhaltigkeit bereits im Begriff der sozialen Marktwirtschaft enthalten. Wurde das international oft sogenannte Rheinland-Modell eher als Exot betrachtet, rückt die Welt nun etwas näher an den Rhein …
Nachhaltigkeit als Business-Imperativ
Diesen strategischen Zusammenhang von sozialer Nachhaltigkeit und wirtschaftlicher Nachhaltigkeit haben auch die Investoren erkannt. Sie fragen nicht mehr nur, ob Unternehmen regulatorisch und gesetzlich auf der sicheren Seite sind. Sie interessieren sich jetzt auch dafür, wie gut das Human Capital Management der Unternehmen zum Beispiel ihre Digitalisierungsstrategie, ihre Transformation oder ihre Krisenresilienz unterstützt. Soziale Nachhaltigkeit ist aus Investorensicht ein Business-Imperativ.
Besonders spannend: Rund um die soziale Nachhaltigkeit harmonieren Investoreninteressen mit den Interessen eines Stakeholders, der ihnen sonst eher kritisch begegnet: der Mitbestimmungsseite. Vom Arbeitsschutz über eine faire Vergütung bis zur Chancengleichheit – die ureigenen Themen der Arbeitnehmervertreter sind jetzt auch Themen der Kapitalgeber. Unternehmen stehen also nicht vor der Entscheidung, ob sie mehr Wert auf gute Bedingungen für Investments legen sollten oder auf das Wohlergehen und Wohlwollen ihrer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter oder anderer Menschen in ihrem Wirkungskreis. Das eine ist ohne das andere nicht zu haben.
Gestaltungsspielraum für den Aufsichtsrat
Weil soziale Nachhaltigkeit im Schnittfeld von Unternehmensstrategie, Investoreninteressen und Mitbestimmungsansprüchen an Bedeutung gewinnt, prägt sie auch die Arbeit im Aufsichtsrat. Natürlich muss das Gremium Aufsichtsrat ein Auge darauf haben, dass alles seine regulatorische und juristische Ordnung hat. Doch Ordnung ist eben nur das halbe Leben, gerade wenn es um eine bürokratisch vor- und festgeschriebene Ordnung geht. Die zweite Hälfte des Lebens zeichnet sich durch den Gestaltungsanspruch aus.
Und hier bietet die soziale Nachhaltigkeit Aufsichtsräten einen vielversprechenden Freiraum: Sie können in engem Miteinander mit ihren Vorstandskolleginnen und -kollegen und den HR-Verantwortlichen diejenigen S-Themen hervorheben und strategisch verankern, die ihr Unternehmen weiterbringen und wesentlich für den Geschäftserfolg sind. Dabei kommt es auf die Branche, das Geschäftsmodell und die strategische Agenda genauso an wie auf die personalpolitischen Anforderungen und Ziele. Ein Chemiekonzern betont das Thema Arbeitsunfälle wohl stärker als ein Finanzdienstleister, der zum Beispiel das Thema faire Vergütung besonders unterstreicht. Dabei werden sich Standards für unternehmensübergreifende und branchenspezifische Konzepte schnell entwickeln. Der Gestaltungsspielraum entsteht insbesondere in der unternehmensspezifischen Erzählung zur sozialen Nachhaltigkeit als wesentlicher Beitrag zur Strategieumsetzung.
Es kommt darauf an, was man daraus macht
Wichtig ist bei allem die strategische Linie bzw. der zukunftsorientierte Zusammenhang von personalwirtschaftlichen Maßnahmen und unternehmerischem Mehrwert. Beispiel Arbeitsunfälle: Eine bessere Schulung von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern reduziert die Zahl und Schwere der Unfälle, wodurch sich eine dauerhaft höhere Produktivität ergibt. Beispiel faire Vergütung: Gleiche Entwicklungs- und Karriereperspektiven von Frauen und Männern bringt auch Frauen in gut und bestens vergütete Positionen – das gehört ebenfalls zu Fair Pay –, ein Ergebnis sind etwa diverse und deshalb leistungsstarke Managementteams.
Unter dem Strich zählt, wie Aufsichtsräte bzw. Unternehmen mit den regulatorischen und juristischen Vorgaben umgehen – was sie daraus machen. Die vielen Seiten Berichtsanforderungen kann man pflichtgemäß abhaken und in einem Aktenordner verschwinden lassen oder, wenn wir schon von Gestaltung reden, daraus einen Kranich, eine Blume oder einen Schmetterling falten und gut sichtbar ausstellen. Der Gender-Pay-Gap kann eine zu berichtende Zahl sein oder ein Zukunftsprojekt, das die bisherige Kultur auf den Kopf stellt, zu dem gezielte Maßnahmen und deren erfolgreiche Umsetzung zählen.
Verantwortung mit Weitblick
Ein gutes Vorbild für sozial nachhaltiges Unternehmertum sind die langjährig erfolgreichen Familienunternehmen. Ihr Erfolgsrezept: Sie denken und handeln nicht von Jahresabschluss zu Jahresabschluss, sondern von Generation zu Generation. Teil ihres Selbstverständnisses war soziale Nachhaltigkeit bereits, bevor es diesen Begriff überhaupt gab. Im Kern geht es um Verantwortung in den Umwelten und in der Gesellschaft, in der man tätig ist. Familienunternehmen leben oft den Gedanken vor, dass nur verantwortungsvolle Arbeitgeber ihrer Verantwortung für beständiges Wachstum und dauerhaften Wertzuwachs gerecht werden können.
Diese Verantwortungsethik hilft ihnen auch, pragmatisch mit dem Bürokratiewust umzugehen. Sie erfüllen zwar ihre gesetzliche Pflicht. Aber sie sehen es auch in ihrer Verantwortung, rund um das Thema soziale Nachhaltigkeit das Bewährte zu bewahren und bei allem Neuen genau hinzusehen, ob es ihren Interessen und denen ihrer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter dient. So gelingt es ihnen, soziale Nachhaltigkeit mit Weitblick als Teil ihrer Unternehmensführung, Personalarbeit und Unternehmenskultur lebendig zu halten und davon auch wirtschaftlich auf lange Sicht zu profitieren. Von diesem strategisch wirkungsvollen Teamwork von sozialer Nachhaltigkeit und wirtschaftlicher Nachhaltigkeit können auch die börsennotierten Konzerne etwas lernen.
Michael H. Kramarsch ist Gründer, Investor, Aufsichtsrat und Unternehmensberater in Frankfurt am Main. Er zählt zu den erfahrensten Beratern für wertorientierte Unternehmensführung, Corporate Governance und strategisches HR Management. 2011 gründete er die hkp///group, die sich unter seine Ägide zur erfolgreichsten deutschen Beratung für Themen an der Schnittstelle von Corporate Governance, HR, Strategie und Finanzen entwickelt hat. Als Unternehmer ist er in eine Vielzahl von HR-Tech Start-ups investiert. Er engagiert sich in der Einführung von KI über den von ihm mitinitiierten Ethikbeirat HR-Tech und begleitet als Beirat und Aufsichtsrat Unternehmen in ihrer erfolgreichen Entwicklung. Michael H. Kramarsch nimmt regelmäßig in Kommentaren, Interviews und Artikeln Stellung zu aktuellen Entwicklungen in Wirtschaft, Gesellschaft und Politik.
Drawing Lessons from the Past to Address Contemporary Challenges
Joanna Radeke and Prof. Dr. Jörg Rocholl, ESMT Berlin
Abstract
ESMT Institute for Sustainable TransformationMilton Friedman described the only social responsibility of a company as a responsibility to its shareholders. While this shareholder-centric view has faced objections since its inception and has been challenged by a more stakeholder-centric view, the latter has received even more attention recently due to increasing societal demands towards companies and corresponding expectations from capital, product, and labor markets. This chapter traces the historical roots of sustainability to workplace initiatives in the late 19th century. We integrate several best practices from around the world, drawing lessons from historical examples to inform present-day strategies.
Outline
1.1
Historical developments of social sustainability
1.2
Delving into the roots of the social sustainability concept
1.2.1
Social sustainability management pioneers
1.3
Social sustainability for the twenty first century in alignment with the prevailing spirit of the time
1.4
References
1.5
The Authors
In recognizing the multifaceted nature of social sustainability, it is apparent that there is no universally accepted definition (McGuinn et al., 2020). Nonetheless, within the broader sustainable development framework, social sustainability can be pragmatically defined as the process of »identifying and managing business impacts, both positive and negative, on people« (UN Global Compact, n. d.). At its core, this concept emphasizes social equity, human rights, and well-being within sustainability.
This chapter delves into the historical evolution of social sustainability within the broader sustainability discourse. We trace its origins back to the labor movements of the late 19th and early 20 th centuries, characterized by advocacy for improved working conditions, fair wages, and reduced working hours.
During this period, entrepreneurial pioneers recognized the importance of enhancing the well-being of workers, their families, and communities, thus promoting sustainability in both work and social realms.
As we trace the historical path of social sustainability, we observe a growing emphasis on environmental concerns in the late 20th century. While environmental issues traditionally dominated sustainability discussions during this era, there is now a discernible shift toward recognizing the interconnectedness of different sustainable development issues. In today’s landscape, as business leaders strive to make meaningful contributions to sustainability, they need to glean insights from the past and comprehend the intertwined relationship between environmental and social issues, which are emerging as central challenges of our era.
The historical development of sustainabilitysustainability, historical developmentsustainability within work and social spheres is intricately connected to the broader evolution of the concept of sustainability. While Hans Carl von Carlowitz’s 1713 work »Sylvicultura Oeconomica« provided an early definition of sustainability, particularly in the context of forestry – as using natural resources only at the rate at which they can be regenerated – the principles underlying social sustainability can be traced back to the labor movements of the late 19th and early 20th centuries. During this period, workers advocated for improved working conditions, fair wages, and reduced working hours, with several business owners emphasizing not only worker productivity, but also their societal contributions (Wren and Bedeian, 2009; Carroll, 2008).
Formal definitions of corporate social responsibility emerged later, notably with Howard Bowen’s 1953 book »Social Responsibilities of the Businessman«. Bowen defined the social responsibility of business as »the obligations of businessmen to pursue those policies, to make those decisions, or to follow those lines of action which are desirable in terms of the objectives and values of our society« (Bowen, 1953, p. 6).
Friedman and Freeman further influenced the definition of the social responsibility of business. In 1970, Milton Friedman advocated for shareholder primacy theory, prioritizing profit maximization. Conversely, in 1984, R. Edward »Ed« Freeman, a business scholar, detailed stakeholder theory, urging businesses to consider the interests of all stakeholders, not solely shareholders, thereby promoting the concept of social responsibility in business.
The subsequent phase of sustainability development saw a heightened focus on environmental concerns, with the broader environmental movement of the 1960s and 1970s significantly influencing the sustainability discourse of that period. This era was characterized by notable anti-nuclear and anti-pollution protests, with environmental issues steadily gaining public attention. High-profile incidents such as the 1969 Santa Barbara oil spill in California in the United States and the 1986 Sandoz chemical spill that affected the Rhine River in Germany further spurred public support for environmental protection efforts. Notable reports such as the 1972 Club of Rome’s »The Limits to Growth« and German politician and environmentalist Herbert Gruhl’s 1975 book »A Planet is Plundered: The Balance of Terror of Our Politics« underscored the era’s focus on environmental topics.
The concept of sustainability became more explicit during the final two decades of the 20th and the first two decades of the 21st century. More specifically, the term »sustainable development« gained global recognition with the release of the Brundtland Report by the World Commission on Environment and Development in 1987. This report defined sustainable development as meeting the present needs without compromising the ability of future generations to meet their own needs, highlighting the social issue of intergenerational justice (United Nations, 1987). It has since been redefined in terms of sustainability, encompassing three dimensions: environmental, social, and governance or ESG. With companies embracing these dimensions, we witness the emergence of social sustainability, which underscores the significance of social equity, human rights, and well-being within the broader sustainability framework. This encompasses fair labor practices, social inclusion, and the welfare of communities.
The United Nations has played a significant role in advancing sustainability in work and social affairs. The adoption of the Sustainable Development Goals (SDGs) in 2015, which encompass objectives related to decent work, economic growth, reduced inequalities, and well-being, provides a global framework for addressing sustainability. Additionally, the development of EU sustainability regulations emphasizes not only the environmental dimension, but also the social aspect of sustainability. Initiatives such as the Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD)Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD) and the proposed Corporate Sustainability Due Diligence Directive (CSDDD)Corporate Sustainability Due Diligence Directive (CSDDD) by the European Commission demonstrate a commitment to addressing social sustainability concerns alongside environmental ones.
social sustainabilityThe previous chapter shows that the historical roots of the concept of social sustainability can be traced back to the labor movements of the late 19th and early 20th centuries. During that industrialization period, social issues such as poverty, child labor, inadequate living conditions, and poor working conditions were prevalent.
In this period, we observe some visionary examples of business engagement. Some of the early pioneers of social sustainability included:
William Hesketh Lever (one of the founders of Unilever, a British multinational fast-moving consumer goods company), who built the Port Sunlight village for workers with housing, schools, and cultural institutions.
George Cadbury (founder of Cadbury, a British multinational confectionery company), who developed Bournville village with affordable housing for employees.
James Norris Gamble (a son of one of the founders of Procter & Gamble, an American multinational consumer goods corporation), who introduced profit-sharing for workers and supported schooling.
Milton Hershey (the founder of the Hershey Company, an American multinational confectionery company), who invested in schools and housing.
Ernst Abbe (one of the founders of the company now known as SCHOTT, a German multinational glass company specializing in the manufacture of glass and glass-ceramics) introduced workers’ rights and supported scientific development.
Robert Bosch (founder of Bosch, a German multinational engineering and technology company), who introduced an eight-hour working day in 1906 and supported health and social causes.
The following section provides more information on these selected pioneers and some of their visionary social sustainability actions.
social sustainabilitySocial sustainability pioneers in the late 19th and early 20th centuries encompassed individuals and families whose business practices showcased a dedication to addressing the prevailing social concerns of their time. Their initiatives revolved around key issues of the era, such as ensuring job security, providing healthcare insurance and pensions for workers, and facilitating access to housing, sanitation, healthcare, and education for workers, their families, and local communities.
In the UK, a notable example of social sustainability includes the initiatives of William Hesketh Lever, who co-founded Lever Brothers with his brother James Darcy Lever in 1885. The company later merged with Margarine Unie to form Unilever in 1930. Lever focused on providing favorable living and working conditions for employees, exemplified by his decision to build Port Sunlight, beginning in 1887, which offered high-quality housing and various amenities such as a hospital, schools, concert hall, gallery, swimming pool, and a hotel promoting abstinence for workers. His progressive policies extended to offering pensions, supporting workers’ families during wartime, and ensuring their reintegration into the workforce afterward. In 1926, Lever initiated the Clean Hands Campaign to promote hygiene among children, demonstrating a commitment to social sustainability (Unilever, n. d.). However, debates persist regarding Lever’s responsibility for forced labor in plantations in the Congo, from which palm oil was sourced (Rosthorn, 2022).
Another prominent example of early social sustainability engagement comes from the United States. William Procter and James Gamble founded Procter & Gamble in 1837, where they and their successors implemented policies to improve workplace conditions. As early as 1887, James Gamble’s son, James Norris Gamble, introduced a profit-sharing plan for employees, providing them with opportunities to participate in company management, as well as offering insurance and pension benefits. The company’s commitment to social sustainability also extended to promoting diversity, a cornerstone of its sustainability strategy to this day. In 1905, James Norris Gamble supported the establishment of Mary McLeod Bethune’s school, which later evolved into Bethune-Cookman University, furthering the cause of higher education for black communities.
Yet another compelling example of social sustainability stems from Germany. Otto Schott, a German chemist and glass researcher, along with Ernst Abbe, a physicist, and Carl Zeiss, an optician and precision mechanic, founded the glass manufacturing company Schott in 1884. In 1896, Ernst Abbe introduced the charter of the Carl Zeiss Foundation, which granted employees unprecedented social rights. These rights included protections against termination, a minimum wage, paid time off, and a pension scheme. The foundation also demonstrated a unique commitment to research and education. The information box below provides additional details about the foundation’s statute from 1896, which serves as an exemplary instance of social sustainability leadership.
The Carl Zeiss Foundation Statute
The Carl Zeiss Foundation Statute of 1896 is a prime example of visionary leadership in social sustainability.
Carl Zeiss Foundation StatuteThe first foundation statute was established in 1896. The document contains 122 paragraphs and outlines Abbe’s vision. Notably, the purpose of the establishment of the foundation is twofold (see Abbe, 1906):
»Title I. § 1. Purpose of the Foundation.
The purpose of the Carl Zeiss Foundation is:
A. within the framework of the foundation’s operations.
Maintenance of the branches of precision engineering industry, which have been established in Jena through the Optical Workshop and the Glassworks with the cooperation of the founder, by continuing these commercial establishments under impersonal ownership; in particular:
Permanent care for the economic security of the aforementioned enterprises as well as for the preservation and further development of the industrial-organizational structure developed within them — as the source of livelihood for a large number of individuals and as a useful component in serving scientific and practical interests;
Fulfillment of greater social responsibilities, which personal proprietors would not permanently ensure, towards the entirety of the employees working in them, to improve their personal and economic status.
B. outside the foundation’s operations.
Promotion of general interests of the aforementioned branches of the precision engineering industry within the foundation’s operational sphere as well as beyond it;
Engagement in charitable institutions and initiatives benefiting the working population of Jena and its immediate surroundings;
Promotion of natural science and mathematical studies in research and education.«
The Carl Zeiss Foundation statute outlined the following rights of employees of the company:
Neutrality in the hiring and promotion of employees and workers
Worker representations in the foundation’s operations
Guarantee of a fixed hourly wage
Restrictions and prohibitions on reducing the hourly wage
Overtime pay
Paid annual leave
Annual profit sharing
Participation in health insurance
Entitlement to pension, disability pension and pension benefits for the dependents
Notice period
Severance payment
Abbe, ErnstErnst Abbe’s impactful contribution to social sustainability was succinctly summarized in a 1913 article in the Economic Journal titled »A Successful Social Reformer, Ernst Abbe, 1840-1905« which dubbed a company’s worker as the »aristocrat of the working class« (Glatzer, 1913, p. 336). According to Glatzer (1913), Abbe’s contributions encompassed:
Advancing the company’s interests while ensuring financial stability.
Supporting scientific developments.
Social responsibility towards the company’s employees, ensuring their economic and social well-being even after his tenure.
Expanding educational opportunities for the workforce.
Promoting academic advancement through initiatives like founding new chairs and university buildings.
Abbe’s leadership not only ensured a competitive advantage for the company through the introduction of unprecedented employee benefits, but it also had a broader positive societal impact by increasing access to education and knowledge.
Abbe’s motivation to contribute to social sustainability appears twofold. On one hand, as the son of a worker, he understood the negative impact that poor working conditions and monotonous work could have on workers and felt a deeply ingrained responsibility to provide good working conditions for them (Glatzer, 1913). He implemented the eight-hour workday and witnessed the benefits it brought to the workers (Glatzer, 1913).
On the other hand, the exemplary working conditions, benefits for workers, and investments in education and research were always viewed as measures to future-proof the company, especially for the time without Abbe’s leadership (Glatzer, 1913).
Indeed, the company reaped the benefits of Abbe’s social sustainability leadership, enabling business growth and development without issues in ensuring a steady and happy workforce.
social sustainabilityThe historical evolution of social sustainability depicts a transition from an initial focus on social issues in the late 19th and early 20th centuries to a later emphasis on environmental concerns in the late 20th century. Key issues such as establishing workers’ rights, eradicating child labor, implementing health and educational programs for workers and their families, and promoting cooperative modes of production were central to social business engagement in that early period. Our examination traces the evolution of social sustainability, highlighting focal issues aligned with the defining spirit of the era.
Presently, a more intricate sustainability landscape has emerged, highlighting interconnected issues such as climate change, biodiversity loss, employee rights, or health and well-being. This evolution underscores the importance again for business leaders to learn from history and adapt to effectively contribute to sustainable corporate and societal development.
Recent studies indicate that employees have a prevailing sentiment that current business leaders »lack concern« for environmental and societal issues (Deloitte, 2024; Polman, 2023), underscoring the need for stronger leadership in addressing contemporary sustainability challenges.
A notable trend, especially among younger talent, highlights two specific concerns. Firstly, environmental awareness, exemplified by figures like Greta Thunberg, strongly resonates with Millennials and Generation Z, as evidenced by surveys such as the Deloitte Millennial Survey (Deloitte, 2023). Secondly, gender diversity in business is increasingly scrutinized by young job seekers, with studies indicating that a lack of progress in this area could dissuade 75 % of younger employees from remaining with an organization (World Economic Forum, 2019).
While young adults acknowledge some positive strides within companies in initiatives promoting diversity, equality, inclusion, and work-life balance, there is a discrepancy in sentiment regarding environmental protection (Deloitte, 2023). Simultaneously, employees of all ages aspire to play a more substantial role in driving change within their company (Polman, 2023).
Business needs to tackle interconnected global challenges to maintain a competitive advantage, dealing with expectations not only arising from capital and product markets, but increasingly so from the labor market. Understanding current societal concerns and empowering both companies and employees to address them, is not a mere societal contribution, but a necessary means to attract top talent in an increasingly competitive recruiting market.
Abbe, E. (1906): Gesammelte Abhandlungen [Collected Essays]. 3rd ed. Vorträge, Reden und Schriften sozialpolitischen und verwandten Inhalts [Lectures, Speeches, and Writings on Social Policy and Related Content]. Jena: Gustav Fischer. Retrieved from: https://www.gutenberg.org/cache/epub/19755/pg19755-images.html#IX.
Binder, D. (1970, February 28): Pollution is a growing issue in West Germany. The New York Times. https://www.nytimes.com/1970/02/28/archives/pollution-is-a-growing-issue-in-west-germany-brandt-sets-up-special.html.
Bowen, H. R. (1953): Social responsibilities of the businessman. Harper and Brothers.
Carroll, A. B. (2008): A history of corporate social responsibility: Concepts and practices. In A. Crane, et al. (Eds.): The Oxford Handbook of Corporate Social Responsibility. Online edition. Oxford Academic. https://doi.org/10.1093/oxfordhb/9780199211593.003.0002.
Deloitte (2023): Deloitte Millennial Survey 2023. Retrieved from: https://www2.deloitte.com/de/de/pages/innovation/contents/millennial-survey.html.
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Prof. Jörg Rocholl, PhD, is President of ESMT Berlin and Deutsche Bank Professor in Sustainable FinanceSustainable Finance. He is Chairman of the Scientific Advisory Board of the German Federal Ministry of Finance and Chairman of the Steering Committee of the Global Network for Advanced Management. He is also a member of the Board of the Schmalenbach Society and a member of acatech, a Research Fellow at the Centre for Economic Policy Research and a Research Member of the European Corporate Governance Institute.
Joanna Radeke is the Director of the ESMT Institute for Sustainable Transformation at ESMT Berlin. She manages the Sustainable Business Roundtable, a peer-to-peer learning network of international companies, and the Climate Governance Initiative Germany, a network mobilizing non-executive directors. Joanna also serves on the Board of Directors of the Academy of Business in Society (ABIS) and the Impact Advisory Board of Quadriga Capital.
Nachhaltigkeit als Dimension guter Unternehmensführung in Zeiten permanenter Veränderung
Interview mit Martin Jetter, Deutsche Börse
Abstract
Shareholder ValueStakeholder ValueDeutsche BörseDie ESG-Thematik erfordert ein komplexes Shareholder-Management. Damit verbunden sind auch neue Aufgaben und Rollen für den Aufsichtsrat, den Vorstand und HR. Um dabei nicht einer schlichten Ticking-the-Box-Mentalität zu verfallen, kommt es auf die inhaltliche Erarbeitung der ESG-Themen an; vor allem das S bietet hier einen vielversprechenden Gestaltungsspielraum. Wird er von den Unternehmen genutzt, kommt dies unter dem Strich auch den Shareholdern zugute.
Herr Jetter, die ESG-Diskussion der letzten Jahre hat auch zu einer scharfen Kritik am Shareholder-Value-Konzept geführt. Zu Recht?
Martin Jetter: Bedenkt man die alleinige Ausrichtung an kurzfristigen Zielen, hat das Konzept gerade aus der ESG-Perspektive durchaus Schwächen. Denn wer die Rendite nur mit Blick auf den nächsten Jahresabschluss maximieren will, spart an Investments in ökologische oder soziale Belange, er investiert nur das Nötigste in seine Mitarbeitenden und neigt eher zu riskanten Geschäftspraktiken.
Macht deshalb jetzt das Thema Stakeholder Value im ESG-Kontext Karriere?
Martin Jetter: Das Konzept ist in aller Munde. Zunächst aus einer ethischen Perspektive. Im Zusammenspiel von E, S und G stehen dabei letzten Endes die Menschen im Fokus – ihr ökologischer Lebensraum, der wertschätzende Umgang mit ihnen und ein Rechtsrahmen, der ihre Interessen schützt. Die Unternehmen sind gefordert, darauf mit Weitblick ihre Wachstumsstrategien auszurichten.
Und zum anderen?
Martin Jetter: … gewinnt das Thema Stakeholder Value aus wirtschaftlicher Sicht an Bedeutung. Es steht deshalb übrigens auch nicht im Widerspruch zum Shareholder Value, sondern ist dessen Weiterentwicklung: Wie beim Shareholder Value geht es beim Stakeholder Value um ein marktwirtschaftliches Modell, das auf Rentabilität und einem positiven Cashflow basiert. Auch das Geld, das Unternehmen in die Umwelt, in ihre Mitarbeitenden und in ihre Governance investieren, muss zuvor verdient worden sein. Der springende Punkt ist: Eine solide Wertsteigerung gelingt ESG-orientierten Unternehmen besonders gut. Und darüber freuen sich dann auch die Shareholder.
»Auch das Geld, das Unternehmen in die Umwelt, in ihre Mitarbeitenden und in ihre GovernanceGovernance investieren, muss zuvor verdient worden sein. Der springende Punkt ist: Eine solide Wertsteigerung gelingt ESG-orientierten Unternehmen besonders gut. Und darüber freuen sich dann auch die Shareholder.«
Welche Zusammenhänge sind hier entscheidend?
Martin Jetter: Unternehmen, die das Thema ESG nachweislich ernst nehmen, stärken zum Beispiel ihre Reputation: Sie profitieren auf diese Weise von einem guten Standing bei Banken und Versicherern und können sich bei Lieferanten und Kunden überzeugend ins Spiel bringen. Ihnen gelingt es leichter, Mitarbeitende zu gewinnen, zu binden und im Sinne der Unternehmensziele zu motivieren. Und sie profitieren von einem leistungsfähigen Risikomanagement. Das alles zahlt sich nicht nur auf lange Sicht aus, sondern auch relativ schnell: Kurzfristige Gewinne und nachhaltiges Wachstum gehören zusammen.
Der finanzielle Erfolg bleibt also auch im ESG-Rahmen wichtig. Neu ist, dass es jetzt auch um eine weite Perspektive und eine Vielfalt an Stakeholdern geht?
Martin Jetter: Für Unternehmen ist nicht nur die Vielfalt engagierter Stakeholder neu, sondern auch, dass sie gut organisiert, vernetzt und kommunikationsstark sind; ihre Interessen können sie mit Nachdruck zur Sprache bringen – Social-Media-Kampagnen von Mitarbeitenden und deren Vertretern können zum Beispiel einiges bewegen. Zudem erleben wir die Macht eines entscheidenden Stakeholders – des Regulators bzw. Gesetzgebers mit seinen nationalen und übernationalen Behörden.
Gerade Brüssel wurde dabei schon als »sanftes Monster« bezeichnet. Müssen sich die Unternehmen vor diesem Monster fürchten?
Martin Jetter: Fürchten wäre zu viel gesagt, aber es stimmt schon: Governance now has the upper hand, not the business any more. Mit dieser Wahrheit müssen Aufsichtsräte, Vorstände und Executive Committees in der Praxis umgehen können, ihr Handlungsfeld wird dadurch komplex. Hinzu kommt, dass die Welt zunehmend in neue Macht- und Wirtschaftsbereiche organisiert wird, mit ihren jeweils eigenen Spielregeln. Wer weltweit mitspielen will, muss die Komplexität des Stakeholder-Managements beherrschen.
Ist der Stakeholder Value in Zukunft demnach eine licence to operate?
Martin Jetter: Ja, aber gerade die CEOs internationaler DAX-Unternehmen stecken hier in einem Stakeholder-Dilemma: Investoren erwarten von ihnen, dass sie lukrative Geschäftschancen nutzen, zuweilen selbst in undemokratischen Ländern. Doch wenn sie dies tun, hagelt es etwa von Mitarbeitenden und der Kundschaft Kritik, denen eine wertegeleitete Unternehmenspolitik am Herzen liegt. Also lieber Investoren verlieren oder lieber Kunden und Mitarbeitende vergraulen und damit an Performance einbüßen?
Welche Lösungen sehen Sie in dieser Hinsicht?
Martin Jetter: Der Schlüssel liegt in einer gut begründeten Positionierung, die CEOs offen kommunizieren und an der sie sich konsequent orientieren sollten – etwa: Umweltschutz ist uns wichtig. Wir engagieren uns auch in Ländern, die den Umweltschutz weniger ernst nehmen, um unsere Geschäftsinteressen zu wahren, auch im Sinne unserer Mitarbeitenden. Doch in unseren Produktionsstätten setzen wir auf höchste ökologische Standards und üben entsprechenden Druck auf unsere regionalen Zulieferer aus.
Das klingt ein wenig nach Wandel durch Handel.
Martin Jetter: Jeder strategisch denkende Investor weiß, dass es letzten Endes in seinem eigenen Interesse ist, wenn CEOs klare rote Linien ziehen, etwa bei eklatanten Menschenrechtsverletzungen. CEOs müssen sich zu kritischen Themen eine Meinung bilden und diese gegenüber allen Stakeholdern überzeugend vertreten. Das schafft Vertrauen, und Vertrauen ist in einer komplexen Welt eine wichtige Entscheidungsgrundlage – sei es für Investitionsentscheidungen oder für die Arbeitgeberwahl.
»CEOs müssen sich zu kritischen Themen eine Meinung bilden und diese gegenüber allen Stakeholdern überzeugend vertreten. Das schafft Vertrauen, und Vertrauen ist in einer komplexen Welt eine wichtige Entscheidungsgrundlage – sei es für Investitionsentscheidungen oder für die Arbeitgeberwahl.«
Für manchen CEO wird es keine leichte Übung sein, als Stakeholder-Manager in die Rolle des Kommunikators und Moderators hineinzuwachsen.
Martin Jetter: Und das auch aus einem schlichten Grund: Vielen CEOs fehlt es in Konzernstrukturen an Zeit, horizontale Funktionen von Finance bis HR zu führen und sich gleichzeitig aktiv in einer anspruchsvollen Stakeholder-Welt zu bewegen. Die Fragen »Wer macht was?« und »Wie arbeiten wir zusammen?« haben deshalb für die Unternehmensführung eine neue Bedeutung gewonnen. CEOs müssen sich in Zukunft mehr auf die organisatorischen Fähigkeiten ihrer Vorstandsteams verlassen können. Auch dadurch verändert sich das Anforderungsprofil an die CEOs und das Vorstandsteam.
Was bedeutet das für den AufsichtsratAufsichtsrat?
Martin Jetter: Stakeholder-Management-Aufgaben sind in erster Linie noch auf dem Tisch der CEOs, aber das ändert sich gerade. Auch auf der Aufsichtsrats- bzw. Governance-Seite nehmen entsprechende Anforderungen rapide zu. Die Aufgaben rund um die Regulierung und die gesamte ESG-Diskussion sind sehr aufwendig. Das alles muss man gut organisieren, denn sonst fehlt im Aufsichtsrat die Zeit für Strategiethemen, die Gestaltung der M&A-Agenda, kreative Aufgaben und weitere wichtige Dinge.
Wie könnte hier ein guter Weg aussehen?
Martin Jetter: In der Aufsichtsratsarbeit muss es ein neues Gleichgewicht geben. Ich plädiere nicht für einen Fulltime-Vorsitzenden, aber man muss akzeptieren, dass die deutsche aktienrechtliche Verankerung der Aufgabe nicht mehr ganz den Realitäten entspricht. Aufsichtsratsvorsitzende stehen im ESG-Kontext und auch mit Blick auf die Corporate Governance vor neuen Herausforderungen, und das Miteinander im AR wird jetzt eben noch aufwendiger.
Ein neuer Zuschnitt und ein neues Zusammenspiel der entscheidenden Rollen – bekommen Unternehmen die ESG-Themen so gut in den Griff?
Martin Jetter: Sie schaffen so zumindest wichtige Voraussetzungen für den konstruktiven Umgang damit. Niemand sollte glauben, dass sich ESG-Anforderungen in die Organisation einmal einspeisen lassen und dann abgehakt wären. Die Themen ändern sich genauso wie sich unser Verständnis davon ändert. Wir müssen sie uns immer wieder inhaltlich neu erschließen.
»Niemand sollte glauben, dass sich ESG-Anforderungen in die Organisation einmal einspeisen lassen und dann abgehakt wären. Die Themen ändern sich genauso wie sich unser Verständnis davon ändert. Wir müssen sie uns immer wieder inhaltlich neu erschließen.«
Meinen Sie damit einen Lernprozess?
Martin Jetter: Es handelt sich um einen kontinuierlichen Prozess für alle Beteiligten. Wir im Aufsichtsrat haben zum Beispiel gelernt, ökologische Themen besser zu verstehen und deshalb wirkungsvoller in der Vorstandsvergütung zu verankern. Wir haben auch ein neues Verständnis von Vielfalt gewonnen und ausdifferenzierte Konzepte für Diversity, Equity und Inclusion entwickelt. Und mit Blick auf das gesamte Thema Social haben wir gesehen, dass hier zahlreiche Aspekte im Rahmen des Human Capital Management entscheidend sind, auch im Zusammenspiel mit der Unternehmensstrategie. Alle diese Themen, Aspekte und inhaltlichen Zusammenhänge müssen wir uns immer wieder aufs Neue erarbeiten; jedes Unternehmen wird dabei auf ganz spezifische Fragestellungen stoßen und ganz spezifische Antworten finden müssen.
Dies gilt jedoch weniger für die Governance-Aspekte.
Martin Jetter: Richtig, denn die sind relativ fest umrissen. Als Aufsichtsräte haben wir in Bezug auf inhaltliche Aspekte nur wenig Einfluss auf den Regulator und den Gesetzgeber. Umso mehr Gestaltungsspielraum bietet sich beim Thema Social. Hier können wir den Unterschied machen. Deshalb sollten wir darauf unsere Ressourcen verwenden, um auch inhaltlich weiterzukommen. Gerade bei Social-Aspekten müssen Unternehmen, Regulatoren und auch die Investoren noch deutlich dazulernen.
Verlangt eine solche Journey den Beteiligten nicht auch enorm viel ab?
Martin Jetter: Aber dafür kommen alle auch gemeinsam weiter. Und wer jetzt sein Stakeholder-Management auf das Thema ESG ausrichtet, kann dann auch besser mit anderen großen Treibern umgehen, die ebenfalls einen starken Transformationsdruck ausüben. Vor allem SprunginnovationenSprunginnovation wie zum Beispiel künstliche Intelligenzkünstliche Intelligenz oder das Quanten-ComputingQuanten-Computing sorgen dafür, dass sich Unternehmen alle zehn Jahre neu erfinden müssen, bis hinein in ihre Governance- und Führungsarbeit. Jedes große Thema bedeutet dabei eine Lücke in der Regulatorik, die dann wieder geschlossen wird. Hier geht es um eine Wellenbewegung, um eine umfassende Dynamik.
Dynamik ist ja per se nicht schlecht.
Martin Jetter: Sie kann jedoch bei Politik und Unternehmen zu Kurzatmigkeit führen, was wir gerade rund um die ESG-Thematik erleben. Um wieder einen langen Atem und vorausschauende Handlungssicherheit zu gewinnen, brauchen wir auch im Aufsichtsrat mehr Professionalität – aufseiten der Anteilseignervertreter und aufseiten der Mitbestimmung. Beiden müssen wir dazu gezielt Lernmöglichkeiten anbieten.
Wie gehen Sie damit bei der Deutschen BörseDeutsche Börse um?
Martin Jetter: Wir klären zuerst, welche Themen in das Gesamtgremium des Aufsichtsrats gehen und welche in geeignete Ausschüsse. Dann entwickeln wir in Workshops ein gemeinsames Grundverständnis der jeweiligen Sachverhalte. Danach fragen wir: Wie positionieren wir dabei die Deutsche Börse? Und was müssen wir tun, um diese Positionierung lebendig werden zu lassen? Das heißt auch: In einem Aufsichtsrat braucht es nicht für jedes Thema einen Spezialisten. Der Aufsichtsrat sollte vielmehr als Kollektiv eine Wissensbasis erarbeiten und ein gemeinsames Grundverständnis relevanter Themen sichern. Dazu braucht es Aufsichtsratsmitglieder, die im besten Sinne neugierig sind, die dazulernen wollen und wichtige Themen verstehen möchten. Wir müssen insgesamt weg von einer Ticking-the-box-Mentalität und hin zu einer fundierten Aneignung relevanter Themen.
»In einem Aufsichtsrat braucht es nicht für jedes Thema einen Spezialisten. Der Aufsichtsrat sollte vielmehr als Kollektiv eine Wissensbasis erarbeiten und ein gemeinsames Grundverständnis relevanter Themen sichern.«
Wie erleben Sie bei allem das Verhalten der Investoren?
Martin Jetter: Die ESG-Diskussion ist ja gut gestartet. Doch aktuell sehen wir speziell in den USA eine Gegenbewegung. Einige Kapitalgeber haben etwa BlackRock als weltgrößtem Investor und dem ursprünglich wohl aktivsten Treiber der Nachhaltigkeits-Debatte eine Menge Geld entzogen. Es entsteht ein Spannungsfeld zwischen pro und contra ESG. Insgesamt erlebe ich den starken, auch öffentlichen Fokus auf das Thema ESG dabei eher als ein europäisches und vor allem als ein deutsches Phänomen. Angelsächsische Investoren haben es zwar nicht aus den Augen verloren, sortieren es jedoch anders ein: Es spielt für sie nicht diese exponierte Rolle.
Welche Fragen stellen Ihnen persönlich die Investoren im Engagement-Prozess?
Martin Jetter: Angelsächsische Investoren, die das One-Tier-SystemOne-Tier-System gewohnt sind, fragen mich als Aufsichtsratsvorsitzenden direkt zu strategischen Entwicklungen und M&A-Vorhaben. Im deutschen Umfeld geht es eher um ESG-Themen und da vor allem um Diversity, allerdings häufig reduziert auf die Frage der Geschlechtergerechtigkeit. Diversity ist aber weit mehr, deshalb müssen wir die anderen dazugehörenden Aspekte noch differenzierter zur Sprache bringen. Denken Sie an Glaubensrichtungen, kulturelle und Generationenzugehörigkeit, sexuelle Orientierung und nicht zuletzt an individuelle Persönlichkeit und Erfahrung.
Wir sollten zudem vermitteln, dass es beim Thema S um deutlich mehr geht als um die Zufriedenheit von Mitarbeitenden: Wie stehe ich zu gesellschaftlichen Themen? Wie gehe ich mit meinen Stakeholdern um? Wie zeige ich soziales Verantwortungsbewusstsein? Fragen wie diese gehören auf unsere Agenda, dazu müssen wir sprechfähig sein und eine Meinung haben. Gerade für den konstruktiven Dialog mit Investoren sollten Aufsichtsräte das Thema ESG auf das Wesentliche fokussieren, sonst wird es zur Worthülse und an Bedeutung verlieren.
»Gerade für den konstruktiven Dialog mit Investoren sollten Aufsichtsräte das Thema ESG auf das Wesentliche fokussieren, sonst wird es zur Worthülse und an Bedeutung verlieren.«
Dabei spielt dann eigentlich auch HR eine wichtige Rolle.
Martin Jetter: Wie der Aufsichtsrat und der Vorstand muss auch HR in dem beschriebenen Kontext neu denken und handeln. Die Deutsche Börse zum Beispiel ist ein globales Unternehmen; unter ihrem Dach versammeln sich viele renommierte Brands, auch durch internationale Akquisitionen. Jetzt müssen wir entscheiden, ob wir eine global integrierte Prozesskette für HR etablieren wollen. Falls ja, geht es für uns auch darum, die Definitionen der Gehaltssysteme, der Fähigkeiten und Kompetenzen sowie vieler weiterer HR-Themen anzusehen und global abzugleichen. HR übernimmt dabei eine umfassende Gestaltungsverantwortung. Ein Beispiel dafür ist auch das Talentmanagement: Wo source ich? Wie sind weltweit unsere Talent-Pools bestückt – und sind sie ausreichend divers? Wo verorte ich welche Aufgaben – heute und morgen? Auch HR braucht dazu Talente, die Nachhaltigkeit als globales Thema von strategischer Bedeutung verstehen.
… die also auch sensibel sind für unterschiedliche Gesellschaften und Kulturen.
Martin Jetter: Ein wichtiger Punkt. DEI (DiversityDiversity, EquityEquity und InclusionInclusion) zum Beispiel hat in verschiedenen Weltregionen einen jeweils spezifischen Zuschnitt; hier ist Fingerspitzengefühl gefragt. Sensibilität für unterschiedliche Gesellschaften spielt auch rund um die Vergütung eine Rolle. In Indien verwenden viele Arbeitskräfte ihren Bonus, um damit die Versicherungen ihrer Eltern zu bezahlen. Wer in Indien den Bonus kürzt, wird daher umgehend viele Mitarbeitende verlieren, weil hier die Loyalitäten gegenüber Arbeitgebern schwächer ausgeprägt sind als bei uns. Damit HR auch mit allen ESG-Fragen richtig umgehen kann, sollte es sich zu einem Kompetenzzentrum entwickeln, das zwar zentral denkt, jedoch genau versteht, was dezentral geschieht, und angemessen handelt. Die traditionelle Rolle von HR als Verwalter ist passé.
Herr Jetter, zum Schluss bleibt die Frage, was Sie aus Ihrer Erfahrung heraus Aufsichtsratsgremien in puncto ESG generell ans Herz legen möchten.
Martin Jetter: Zuerst einmal sollten alle Aufsichtsräte das Thema ESG bzw. Nachhaltigkeit auf dem Schirm haben; dazu gehört zum Beispiel auch das Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz (LkSG)Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz. Dann müssen alle darüber nachdenken, was das für ihr Unternehmen bedeutet und welche Folgen sich daraus für ihre Unternehmenspraxis und GovernanceGovernance ergeben. Jede Branche steht hier vor jeweils besonderen Herausforderungen. Die Automobilbranche hat jetzt etwa die Verantwortung für Batterien – von der Gewinnung nötiger Rohstoffe über die Produktion und den Betrieb bis zur Entsorgung. Welche Risiken ergeben sich dabei an welchen Stellen für die Umwelt und die eigene Belegschaft?
Wie können diese Fragen in der Praxis adressiert werden?
Martin Jetter: Ein starker Hebel ist zum Beispiel die Vergütung. Wenn Aufsichtsrat und Vorstand die Herausforderungen analysiert haben, müssen sie einen Schritt zurücktreten und sich fragen: In welcher Art und Weise wirkt die Vergütung auf die Steuerung identifizierter Risiken? Dabei sollten Klimabelange und soziale Belange noch mehr in den Fokus rücken.
Dies gilt aber nicht nur mit Blick auf das LieferkettengesetzLieferkettengesetz, sondern generell für ESG?
Martin Jetter: Entscheidend ist, dass alle dazu das Thema Social gemeinsam inhaltlich aufarbeiten: Was verstehen wir darunter? Was ist uns wichtig? Wie gehen wir das an? Welche Governance-Struktur brauchen wir dafür? Wie spiegeln wir diese Anforderungen im Aufsichtsrat wider, welches Kompetenzprofil brauchen wir dafür? Fragen wie diese gehören jetzt auf den Tisch. Aus den Antworten ergeben sich die Anforderungen an die Governance, an den Aufsichtsrat und den Vorstand bzw. das Executive Committee. Diesen Anforderungen umgehend gerecht zu werden, ist ein neuer Business-Imperativ – um Unternehmen im Sinne aller Stakeholder erfolgreich in die Zukunft zu führen – und dazu gehören natürlich auch die Shareholder.
Lieber Herr Jetter, herzlichen Dank für dieses Gespräch!
Nachhaltigkeit bei der Deutsche Börse Group