Spiel- und Medienpädagogik -  - E-Book

Spiel- und Medienpädagogik E-Book

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Beschreibung

Spiel und Medien nehmen seit langer Zeit eine bedeutsame Rolle ein, nicht nur für Kinder und Jugendliche. In den letzten Jahren haben digitale Spielewelten auch im Kontext der Bildung zunehmend Bedeutung erlangt. Allerdings kann in ihrer (medien-)pädagogischen Handhabung längst nicht von Standardisierung gesprochen werden. Einen Beitrag zur Standardisierung liefert das Buch anhand der drei Bereiche Theorien, Methoden und Praxis. Dabei werden wichtige Ausgangsperspektiven, innovative Konzepte und Projekte vorgestellt, aktuelle Forschungsthemen skizziert und Tendenzen erörtert. Das Buch verortet die Spiel- und Medienpädagogik innerhalb der Kulturellen Bildung, stellt beteiligte Fachdisziplinen vor und erläutert den Einsatz digitaler Spiele in Bildungskontexten. Damit eignet es sich zum ersten Einstieg ins Thema, bietet Fachkräften in diesem Bereich aber auch weiterführende Anregungen und Vertiefung.

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Der Herausgeber

Prof. Dr. Martin Geisler lehrt Kultur und Medien an der Ernst-Abbe-Hochschule Jena und ist akademischer Leiter des Instituts für Spiel- und Medienkultur – Spawnpoint. Er studierte an der Fachhochschule Erfurt Sozialpädagogik und war als freiberuflicher Medienpädagoge und Bildberichterstatter tätig. Er ist als Fotograf, im Schauspiel, in der Lyrik sowie in der Malerei aktiv. Seit 2014 ist er Landessprecher der Gesellschaft für Medienpädagogik und Kommunikationskultur – Thüringen. Martin Geisler konzipierte und leitet den berufsbegleitenden Studiengang »Spiel- und Medienpädagogik«.

Martin Geisler (Hrsg.)

Spiel- und Medienpädagogik

Theorie – Methoden – Praxis

Verlag W. Kohlhammer

Dieses Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwendung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechts ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und für die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen.

Die Wiedergabe von Warenbezeichnungen, Handelsnamen und sonstigen Kennzeichen in diesem Buch berechtigt nicht zu der Annahme, dass diese von jedermann frei benutzt werden dürfen. Vielmehr kann es sich auch dann um eingetragene Warenzeichen oder sonstige geschützte Kennzeichen handeln, wenn sie nicht eigens als solche gekennzeichnet sind.

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1. Auflage 2021

Alle Rechte vorbehalten

© W. Kohlhammer GmbH, Stuttgart

Gesamtherstellung: W. Kohlhammer GmbH, Stuttgart

Print:

ISBN 978-3-17-034769-4

E-Book-Formate:

pdf:        ISBN 978-3-17-034770-0

epub:     ISBN 978-3-17-034771-7

 

Inhalt

 

 

 

1     Einleitung – Haltung von Anleitenden in der Spiel- und Medienpädagogik

Martin Geisler

Quellenverzeichnis

2     Kulturelle Bildung

Martin Geisler & Horst Pohlmann

2.1 Brennpunkt Kulturelle Bildung

2.2 Entwicklungsaufgaben

2.3 Handlungsfelder und Qualifikation

2.4 Spiel- und Medienkultur

2.4.1 Spielkultur

2.4.2 Medienkultur

2.5 Schlüsselkompetenzen in der Kulturellen Bildung

2.6 User generated content (UGC) und Schnittmengen zur Kulturellen Bildung

2.7 Aktivierung von Zielgruppen

Quellenverzeichnis

3     Theoretische Zugänge zu Spielen in der digitalen Kultur

Sebastian Ring

3.1 Digitale Spielwelten als Räume für spielerische und spielbezogene Interaktion

3.2 Grundzüge von Spieltheorien

3.3 Game Studies

3.4 Diskurse über Spiel

Quellenverzeichnis

4     Die Handlungsorientierte Medienpädagogik als Akteurin in einer mediatisierten Gesellschaft

Eric Müller

4.1 Die handlungsorientierte Medienpädagogik ist Grenzgängerin

4.2 Die Entwicklung der Medienpädagogik vom Bewahren zum Handeln

4.3 Die Entwicklung zum medienkompetenten Subjekt

4.3.1 Medienhandeln und Mediensozialisation

4.3.2 Medienkompetenz

4.4 Verstehen und Fördern in der handlungsorientierten Medienpädagogik

4.4.1 Medienhandeln als Gegenstand der Mediensozialisationsforschung

4.4.2 Aktive Medienarbeit eröffnet Handlungsräume

4.5 Handlungsorientierte Medienpädagogik in Zeiten der Digitalisierung

4.5.1 Die Integration des Subjekts in den Jugendmedienschutz

4.5.2 Digitalisierungsdilemma der Aktiven Medienarbeit

4.5.3 Aneignung von digitalen Spielen als pädagogische Handlungsräume

4.6 Die handlungsorientierte Medienpädagogik ist eine Akteurin der Mediatisierung

Quellenverzeichnis

5     Jugendmedienschutz und Medienethik

Anna Grebe, Björn Schreiber & Iren Schulz

5.1 Mehr als gesetzliche Regelungen und Altersfreigaben: Jugendmedienschutz als Verantwortungsgemeinschaft

5.2 Wirksamer Jugendmedienschutz braucht Risiko- und Wertediskurse – auch aus der Perspektive Heranwachsender

5.3 Risikobegrenzung – Vorbildrolle – Kompetenzförderung: Elternverantwortung im erzieherischen Jugendmedienschutz

5.4 Wirksamer Schutz braucht Teilhabe: Kinderrechtliche und jugendpolitische Perspektiven

5.5 Schluss

Quellenverzeichnis

6     Medienpädagogische Methoden

Torben Kohring

6.1 Der Methodenbegriff

6.2 Didaktik und Methode – Das Was und das Wie

6.3 Grundlegende medienpädagogische Kompetenzen vermitteln

6.4 Adressatenorientierung als Grundlage einer methodischen Medienpädagogik

6.4.1 Frühe Mediennutzung – Methoden für die Zielgruppe der Kinder

6.4.2 Medien als Teil der Identität – Methoden für die Zielgruppe der Jugendlichen

6.4.3 Von der alten in die neue Welt – Methoden für die Zielgruppe der Erwachsenen

6.4.4 Zwischen privater Haltung und Profession – Methoden für die Zielgruppe der Fachkräfte

6.4.5 Methoden inklusiv denken

6.5 Klassifizierung Medienpädagogischer Methoden

6.5.1 Erfahrbarkeit digitaler Technik durch Übertragung ins Analoge

6.5.2 Methoden um Hintergründe verstehen

6.5.3 Mit verschiedenen Medien kreativ handeln

6.5.4 Methoden, um Medien zu bewerten

6.5.5 Medien gemeinsam nutzen

6.5.6 Methode, um die Wirkung von Medien einzuschätzen

6.5.7 Methoden, um Medien zu erfahren

6.6 Im Netz verfügbare Methodensammlungen

6.7 Ausblick

Quellenverzeichnis

7     Spielpädagogik, Spieldidaktik und Spielmethodik

Thomas Wodzicki & Martin Geisler

7.1 Begriffliche Differenzierung

7.2 Spielzeug und Reizquellen

7.3 Kompetitive und kooperative Spiele

7.4 Kindliches Spiel, Spielpädagogik und Spieldidaktik

7.5 Planung von Spielsequenzen

Quellenverzeichnis

8     Digitale Spiele und Bildung

Dirk Poerschke & Denise Gühnemann

8.1 Spielen und Lernen: Warum eigentlich?

8.2 Spiele in Bildungskontexten: Formen

8.3 Was ist nun mit der Bildung?

8.4 Grundschule

8.5 Weiterführende Schulen

8.6 Fazit

Quellenverzeichnis

9     Praxisprojekte – Von der Idee zum Best-Practice-Projekt

Horst Pohlmann

9.1 Projektebenen

9.2 Projektformen

9.3 Projektplanung

9.4 Projektanträge und Finanzierung

9.5 Durchführung, Dokumentation und Evaluation

9.6 Best-Practice-Projekte

Quellenverzeichnis

10  (Digital) Game-Based Learning – eine praxisorientierte Vertiefung

Gerrit Neundorf & Jürgen Sleegers

10.1 Digital Game-Based Learning und eine mögliche Einbettung in Bildungskontexte

10.2 Expressive Games

10.3 Gamification

10.4 Serious Playing

10.5 Fazit und Ausblick – DGBL oder »Zurück in die Zukunft«

Quellenverzeichnis

11  Teams im Spiegel der Vergemeinschaftungsform MMORPG-Gilde

Rudolf Inderst

11.1 Einführung

11.2 Gilden als soziale Gruppen

11.3 Gilden in Online-Rollenspielen

11.4 Charakteristika von Gilden

11.5 Motivation und Ansporn

11.6 Virtuelle Vielfalt: unterschiedliche Gildentypen

11.7 Gildenleben und -alltag

11.8 Der andere Alltag: Streit und Konflikt

11.9 Fazit

Quellenverzeichnis

Autor*innen-Verzeichnis

1          Einleitung – Haltung von Anleitenden in der Spiel- und Medienpädagogik

Martin Geisler

Spiel und Medien nehmen seit langer Zeit eine bedeutsame Rolle, nicht nur für Kinder und Jugendliche, ein. An der Begeisterung für sie setzen vielfältige Einsatzbereiche der (Sozial-) Pädagogik an. Eigene Fachdisziplinen, hier die Spiel- und Medienpädagogik haben sich entwickelt und zeigen zahlreiche Schnittstellen zu anderen Bereichen auf. In den letzten Jahren haben digitale Spielewelten in diesem Kontext mehr Bedeutung erlangt und finden in der Bildungslandschaft immer häufiger Anwendung. Allerdings kann längst nicht von einer Standardisierung, ausschöpfenden oder optimalen Rahmenbedingung für ihre Verwendung in Bildungskontexten gesprochen werden. Zugleich sind Games insbesondere für Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene hoch populär, beliebt, verbreitet und nehmen eine wichtige Rolle in der Mediensozialisation ein. Es erscheint daher nötig und angemessen, das (pädagogische) Potenzial von Computerspielen (weiter) auszuloten. Das vorliegende Buch dient Neueinsteiger*innen aber auch in diesem Bereich Tätigen als Orientierung, Verortung und Vertiefung. Es finden sich darin sowohl theoretische Auseinandersetzungen, methodische Aspekte als auch Praxisbeispiele. Es lehnt sich im Aufbau an der Struktur und den Modulen des Masterstudiengangs »Spiel- und Medienpädagogik« (Ernst-Abbe-Hochschule Jena) an. Es ist allerdings keine Verschriftlichung des Curriculums oder ein Lehrbuch. Es dient vielmehr der Ausformulierung, Weiterentwicklung und Etablierung der Spiel- und Medienpädagogik bzw. einem großen Teil ihrer Themen. Die Inhalte der Beiträge geben nicht nur einen Ist-Stand wieder, sondern formulieren zumeist auch in die Zukunft gedachte Szenarien, stellen wichtige Forderungen auf, kritisieren Problemfelder, stoßen gedankliche Innovationen an und erweitern die jeweiligen Themen.

Menschen, die dieses Buch aufschlagen, sind mit großer Wahrscheinlichkeit in der Praxis und/oder Theorie der Spiel- und Medienpädagogik aktiv bzw. beabsichtigen darin aktiv zu werden. Wer diese Menschen im Überblick sind, welche Professionen und Qualifikationen sie mitbringen wurde 2019 skizziert (Geisler 2019). Daraus ergeben sich auch Hinweise wie, warum und mit welcher Intention Anleitende (digitale) Spiele in der Bildung eingesetzt und verwendet werden. Ihre professionelle und persönliche Haltung fließt in den didaktischen und methodischen Einsatz, in ihre Konzepte und letztlich in die Ziele ein, welche damit verbunden sind. Auf diese Weise ist die Frage der (Spielleiter-) Haltung relevant, um spiel- und medienpädagogische Qualitätsstandards zu entwickeln. Das Buch hat daher nicht nur den Anspruch diese bisweilen noch immer als kurios wahrgenommenen Felder vorzustellen und zu vertiefen, sondern auch (angehende) Praktiker*innen zu qualifizieren und Impulse für die praktische Arbeit zu geben.

Die pädagogische Auseinandersetzung mit (digitalen) Spiel-Medien hat zwar begonnen, befindet sich jedoch insbesondere in Hinblick auf die Quantität der Angebote noch in einem frühen Stadium. Um diese in der schulischen und außerschulischen Bildungsarbeit zu etablieren, bieten die folgenden Beiträge wichtige Anregungen und Perspektiven. Dabei wird auch deutlich, inwiefern aktuelle, gesellschaftliche Entwicklungen durch die Spiel- und Medienpädagogik bearbeitet werden. Bildungseinrichtungen vielfältiger Art sollten die Spiel- und Medienpädagogik als Handlungsfelder berücksichtigen und damit einer veränderten Spiel-, Medien und Kulturwelt Rechnung tragen.

Die Zielgruppe der Beiträge sind jedoch nicht nur Spiel- und Medienpädagog*innen. Viele Lehrer*innen, Sozialarbeiter*innen, Erzieher*innen etc. setzen (digitale) Spiele in der Bildung ein, ohne sich zwingend als Spiel- oder Medienpädagog*in zu verstehen. Die Auseinandersetzung, insbesondere mit modernen Medien, wirkt für viele Anleitende herausfordernd, wenn nicht oft überfordernd. Zugleich zeigt sich aber auch, dass sie Erfahrungen besitzen. Viele haben längst Spielformen, theatrale Elemente und Künste verschiedener Art in ihren Schulstunden, Kursen, Projekten oder offenen Angeboten integriert. Anleitende decken meist ein breites Spektrum an Themen, Zielgruppen, Technologien und Bildungskontexten ab. Nur wenige haben sich gänzlich und ausschließlich auf ein bestimmtes Medium spezialisiert. Wer Medien und Spiele in Bildungskontexten verwendet, muss sich jedoch mit den nötigen Fähigkeiten auseinandersetzen sowie Fingerspitzengefühl in der Arbeit mit Einzelpersonen und Gruppen erwerben und stetig weiter ausbauen. Diese Aspekte sind nicht neu und längst Grundsätze der Sozialen Arbeit und anderer Bildungsbereiche. Der Einsatz von Spiel-Medien allein beinhaltet jedoch noch keine Qualitätskriterien und garantiert keine Bildungserfolge. Bisweilen zeigt sich gar, dass die Verwendung von Spiel und Medien in formalen und non-formalen Bildungsprozessen eine besondere Sensibilität verlangt und nicht mit den informellen Erfahrungen von Spielenden übereinstimmt. Ein unreflektierter Einsatz von Spiel-Medien könnte sogar kontraproduktiv sein, die Zielgruppe und Ziele verfehlen und im ungünstigsten Fall das Spiel instrumentalisieren. Die Bildungsqualität eines Mediums muss an die Bedürfnisse der Zielgruppen und das intendierte Vermittlungsziel (oder Bildungsziel) gebunden sein. Beziehungsarbeit, soziale und kommunikative Fähigkeiten sind die Voraussetzung für einen gelingenden Einsatz auch von Spiel und Medien.

Die Frage welches Spiel oder welches Medium im Bildungsprozess erfolgreich einzusetzen ist, übersieht zu oft die Rolle der Anleitenden und deren Einflussfaktoren. Dabei haben diese bei der Verwendung von (digitalen) Spiel-Medien nicht nur einen pädagogischen Auftrag. Sie sind zugleich auch Spielleitete. Als solche ist es ihre Aufgabe, einen für das Spiel förderlichen Raum durch Planung, Material und Anregungen zum Prozess zu gestalten. Sie müssen den Spielenden genügend Raum für ihr eigenes Handeln einräumen. Trotz der Anleitung sollen sich Spielende wie auch Gestaltende mit ihren Ideen, Vorstellungen, Fähigkeiten und Handlungsimpulsen einbringen können (vgl. Fritz 2018, S. 240). Dies erinnert an die Prinzipien der Kulturellen Bildung, auf welche im folgenden Beitrag vertiefend eingegangen wird. Anleitende dürfen weder zu viel noch zu wenig auf Spielende einwirken. Spielräume sind Freiräume und Spiel bewegt sich in einer Art Schwebezustand zwischen Freiheit und Regelhaftigkeit. Spielende aber auch Nutzer*innen interaktiver Medien wirken auf das Spiel-Medium ein und bestimmen den Prozess. Wollen Anleitende demnach den Rahmen gestalten, kommen sie nicht umhin, auch auf die Anwender*innen einzuwirken. So lässt sich, auch auf die Medienpädagogik übertragend sagen: »Die Ergebnisse der Arbeit mit den Spielen stehen und fallen […] mit der Person des Spielleiters – mit seiner Vorbereitung, seiner eigenen Einstellung gegenüber einem Spiel und insbesondere auch mit seiner Erfahrung« (Gilsdorf & Kistner 1995, S. 24). »Ob bewusst oder unbewusst, gewollt oder nicht gewollt: Der Spielleiter ist insoweit auch Pädagoge, als er Verantwortung für den Spielprozess trägt, er bestimmte Ziele erreichen möchte und er für die Sicherheit der Spieler einzustehen hat.« (Fritz 2018, S. 241). Insofern dienen die Beiträge nicht nur der Sachinformation, sondern auch der Förderung der persönlichen, kritisch-analytischen Haltung von Spiel- und Medienpädagog*innen.

Einer dieser immer wieder zu diskutierenden und abzuwägenden Punkte ist der Zusammenhang und die Balance zwischen Spiel, Medien und Bildung. Spielen beginnt damit, in Gedanken alle vorstellbaren Möglichkeiten zur Lösung eines Problems, zur Erreichung eines Ziels oder zur Realisierung einer Absicht durchzuspielen. Gedankenspiele sind ein Grundsatz unseres Seins. Zur Übertragung, Recherche, Kommunikation, Abbildung und Archivierung sind Medien (im weitesten Sinn) hilfreich. Die Fähigkeit, flexibel und kreativ zu denken, sich Erfahrungen und Wissen anzueignen und eigene Leistungen festzuhalten, sind eng mit dem Spiel und mit Medien verknüpft. Zugleich lassen sich eben jene Aspekte durch den angeleiteten Einsatz von Spiel-Medien fördern und trainieren.

Spiele haben Bildungspotentiale und sind für die Entwicklung und Entfaltung von Menschen sinn- und genussvoll (vgl. Ganguin 2010; Huizinga 2001; Demmler/Lutz/Ring 2014; Münch 2013; Mitgutsch 2008; Klimmt 2001). Seit geraumer Zeit wurden sie dahingehend erforscht, Methoden entwickelt und Projekte generiert. Zudem nimmt das Spiel auch außerhalb von Bildungsinstitutionen eine wichtige Rolle in der Weltaneignung, dem Experimentieren, der Entfaltung und dem Erwerb von Erfahrungen ein. In der Spielpädagogik geht es um das Eröffnen von Erfahrungsräumen. Ulrich Heimlich definiert die Spielpädagogik als »zusammenfassende Bezeichnung für Interventionen von Erwachsenen in das […] Spiel mit dem Ziel, die Fähigkeiten des Kindes [der Jugendlichen oder auch Erwachsenen] zur selbstbestimmteren Spieltätigkeit zu fördern« (Heimlich 2014, S. 15). Ziele sind dabei meist, die Fähigkeiten zu erweitern, Selbsteinsichten zuzulassen oder Verknüpfungen von Denken und Handeln zu ermöglichen. Die Medienpädagogik ihrerseits knüpft an aktuelle, gesellschaftliche Prozesse an. Spätestens seit dem Auftauchen digitaler Spiele und ihrer immer größeren Bedeutung für Kinder, Jugendliche aber auch Erwachsene, wird die Verbindung von Spiel- und Medienpädagogik deutlich.

Wenn sich die Spiel- und Medienpädagogik an gesellschaftlichen Prozessen und zugleich an den Bedürfnissen ihrer Zielgruppen orientiert, so zeigt sich, dass sie einerseits in kleinen, an Einzelpersonen angemessenen Verhältnissen agieren muss und andererseits die kulturelle Gesellschaft an sich mit Wesenszügen des Spiels und kreativen Aspekten der Medien bereichern sollte. Spiel- und Medienpädagog*innen befinden sich in der wichtigen Funktion, die Rahmen wahrzunehmen und sie zugleich vorzubereiten und zu gestalten. Sie müssen in Beziehungen zu Menschen und Systemen treten. Für ihre Zielgruppen sind Anleitende behilflich, Gefühle wie Kraft, Mut, Freude, Miteinander und Wirksamkeit entwickeln zu lassen. Derartige Empfindungen treten im Ideal auch außerhalb von pädagogischen Kontexten auf. Die Spiel- und Medienpädagogik stellt hier die professionelle Variante jener Vereinigung von Spiel und Lernen dar, welche Menschen in ihren ersten Lebensjahren ganz von selbst betreiben. Viele formale Bildungsangebote stehen dem Spiel und zeitgenössischen Medien eher kritisch gegenüber oder lassen sie hauptsächlich in Phasen der Entspannung bzw. als Freizeitbeschäftigung zu. »Erst die institutionalisierten Formen der Bildung und des Lernens heben [die Verbindung von Spiel und Lernen] auf und verfestigen die klare Trennung zwischen Lernen (Arbeit) und Spielen (Freizeit)« (Breuer 2010, S. 7). Dabei kollidiert die Zweckhaftigkeit der Bildung mit der Freiheit des Spiels. »Da Spielpädagogik dem Pädagogischen verpflichtet ist, entstehen in der erzieherischen Praxis, typische Widersprüche, die bereits in der Planung und Realisierung von Spielaktionen deutlich werden. Die Notwendigkeit zur Planung steht grundsätzlich im Widerspruch zur Spontaneität, zur Freiwilligkeit und zur Zweckfreiheit des Spiels.« (Fritz 2018, S. 241) Trotzdem ist die Spiel- und Medienpädagogik eine Bildungsform, die Entwicklungs- oder Lernprozesse beabsichtigt. Kulturformen, Spiel und Medien werden genutzt, entfalten ihre Potenziale, sollen motivieren und Menschen dazu anregen, Kompetenzen auszubilden oder Fähigkeiten zu erwerben. Es ist also stets von einem absichtsvollen Handeln seitens der Anleitenden auszugehen. Etwas wird bezweckt, ein Ziel verfolgt oder eine Gelegenheit für Entwicklung geschaffen. Dieses Spannungsfeld wird auch in den folgenden Beiträgen immer wieder skizziert und es gilt es abzuwägen. So sind nicht nur Wissen und Qualifikation wichtige Voraussetzungen für Spiel- und Medienpädagog*innen. Ihre persönliche Haltung innerhalb des beschriebenen Spannungsfeldes, ihre Spontaneität, ihre Spielfreude, Medienbegeisterung, ihre Kommunikationsfähigkeiten, ihr Humor, ihre Klarheit, sogar ihre gesellschaftspolitischen Sichtweisen haben wichtigen Einfluss auf den Erfolg von Projekten. Es reicht daher nicht aus, wenn in der Aus-, Fort- und Weiterbildung von Spiel- und Medienpädagog*innen der Fokus auf der Vermittlung von Theorien, Techniken, Übungen und Methoden liegt. Vorrangig bleibt die Arbeit mit den Menschen, die Herstellung von Beziehungen und damit didaktische Fragen und Konzepte für pädagogische Haltungen und das eigene Profil (vgl. Anklam, Meyer & Reyer 2018, S. 11). »Eine Haltung ist eine konzeptionell begründete Zielvorstellung über die eigene Rolle in einem spezifischen Setting (z. B. spiel-, theater- oder medienpädagogische Projekte). Sie definiert die Handlungsmöglichkeiten in Bezug auf die reflektierten Werte. Haltung bildet die Voraussetzung für bzw. ist Teil der Kompetenz: Sie ist entscheidend für die Wahrnehmung und Interpretation einer komplexen Situation, den Entwurf und die Bewertung unterschiedlicher Handlungsmöglichkeiten, prägend für die Entscheidung und genaue Ausführung der intendierten Handlungen – also auch der Methodenwahl und -anwendung« (ebd. S. 26). Anleitende sind dazu aufgerufen stetig auf einer Reise zu sein. Eine Reise zwischen den Stationen, welche aus Erfahrungen, Praxis, Fortbildung, Forschung, Theorie, Metaebenen, Pausen, neuen Ideen oder Modellen bestehen, um dann wieder in die Praxis zu gehen und den Kreislauf von vorn zu beginnen. Die Vielseitigkeit der Anleitenden und die Veränderungen innerhalb einer Berufslaufbahn sind begrüßenswert. In Anlehnung an Anklam, Meyer und Reyer (2018), welche die Haltung von Theaterpädagog*innen beschreiben, lässt sich formulieren: Es wird nicht ein/e Spiel- und Medienpädagog*in wie der/die andere, »sondern jede möglichst genau die [Spiel- oder und Medienpädagog*in], die sie aufgrund ihrer unverwechselbaren Persönlichkeit mit all ihren Erlebnissen und Talenten werden will und kann« (Anklam, Meyer & Reyer 2018, S. 8). Auf die Frage, wie genau sich Anleitende verhalten sollten, kann keine eindeutige Antwort erfolgen. »Der Spielleiter kann vom Typ her etwas von einem einfühlsamen und geduldigen Pädagogen haben. Er kann eine begeisterungsfähige theaterbegabte Künstlernatur sein oder auch ein spielfreudiger Spaßmacher, der auf eine Gruppe ansteckend wirkt. Wie wirksam ein Spielleiter ist, hängt sehr von der Gruppe ab und von dem gemeinsamen Lern- und Angleichungsprozess, der mit jeder spielerischen Aktivität verbunden ist« (Fritz 2018, S. 242).

Diese Heterogenität der Anleitenden bringt nicht nur Vorteile mit sich. Vielfältige, zum Teil sehr unterschiedliche, bisweilen gar widersprüchliche Perspektiven, Theorien, Ziele und Qualifikationen erschweren es, Qualitätsstandards zu definieren oder eine berufliche Identität herauszubilden (vgl. Tönnies 1982, S. 33/Arnscheid 1999, S. 19). Vereinbarungen über theoretische Grundlagen sowie soziale und professionelle Praxis sind jedoch wichtig, um den Themenfeldern, ihrer Bedeutung in der Bildungsarbeit und ihrer Weiterentwicklung gerecht zu werden. Ziel des vorliegenden Buches ist daher auch den Dialog unter den Spiel- und Medienpädagog*innen zu fördern. Eine (berufliche) Gemeinschaft »zeichnet sich durch intersubjektiv geteilte Wissens- und Erfahrungsbestände sowie Deutungsmuster aus.« (Marotzki 2002, S. 50). Trotz des Ziels Berufsidentität zu stärken und gemeinsame Grundlagen zu skizzieren, sollen die folgenden Beiträge nicht thematisch eingrenzen, zu sehr vereinheitlichen oder gedanklich einengen. Die zirkulären und nicht isolierten Beiträge und darin dargelegten Erklärungsansätze bieten Anleitenden wichtige Denkprinzipien und wirken sich somit auf eine entsprechende Grundhaltung aus. Die unterschiedlichen Aufgabenfelder und Anforderungen an handlungsorientierte Spiel- und Medienpädagog*innen lassen sich stilisiert in drei zentrale Bereiche zusammenfassen: animieren, begleiten und beflügeln (vgl. Sahm 2011, S. 13). Die Spielvorschläge und Ermutigungen können seitens der Anleitenden didaktisch gezielt eingesetzt werden. Sie können sowohl Vorbereitung für nicht-spielerische Tätigkeiten sein als auch Probe für das gesellschaftliche (Rollen-) Handeln in der sozialen und persönlichen Umwelt. Anleitende beobachten und zeigen Potenziale auf, sie unterstützen dabei, vorhandene Fähigkeiten auf etwas anderes zu übertragen, sie befeuern Spaß, Exploration und Gruppenaktivitäten. Die Verantwortung der Spiel- und Medienpädagog*innen geht weit über das spielerische Anleiten hinaus. Hans-Wolfgang Nickel beschreibt für Anleitende der Theaterpädagogik, dass sie sich vor der Realität verantworten müssen. Sie müssen Aufklärung über die physische und psychische Wirklichkeit bringen sowie Fähigkeiten vermitteln, die für die heutige Welt von Nutzen sind und brauchbar für die Welt von morgen (vgl. Nickel 2019, S. 16). Nickel formuliert dabei die Kritik, dass dieses Konzept ggf. als zu utilitaristisch verstanden werden kann. Er gibt jedoch zu bedenken, dass zu diesen Fähigkeiten auch gehört, Spaß aneinander zu haben (vgl. ebd.). Spiel- und Medienpädagog*innen haben die Aufgabe, gemeinsam mit Teilnehmenden Lebenswelten zu gestalten und somit die Fragen zu bearbeiten, in welcher Welt wir leben und leben möchten. Neben der Berücksichtigung der Axiome von Carl Rogers (1985) (empathische Grundhaltung, authentisches Auftreten, bedingungslos positives Akzeptieren des Gegenübers) ist es ihre Aufgabe ihren Zielgruppen dabei zu helfen, stets kritisch gegenüber gesellschaftlichen, technologischen, ökonomischen, politischen und individuellen Entwicklungen zu bleiben. Dies gilt nicht nur für die Teilnehmenden, sondern muss auch das Handeln und Denken von Anleitenden einschließen. Über diese Grundhaltung hinaus beschreibt Jürgen Fritz vier Fähigkeitsbereiche für Spielleitete. Die animierende Kraft und Spielfreude, die Spielorientierung und Spielerförderung, Einfühlungsvermögen und Verantwortlichkeit sowie Planungs-, Handlungs- und Reflexionsfähigkeiten (vgl. Fritz 2018, S. 245ff).

Spiel- und Medienpädagog*innen sind Rollen- und Vorbilder. Um andere über ein oder zu einem Spiel bzw. Medium zu begeistern, zu seiner kritischen Reflektion aufzurufen und mit diesen Elementen zu gestalten, dürfen, ja sollten sie selbst Spaß an ihrer Arbeit haben und/oder sich vom Spaß anderer mitreißen lassen. (vgl. ebd. S. 242). »Das wichtigste ist, dass du dich in deine Mitspieler einfühlst und selbst Spaß am Spielen hast. Deine eigene Begeisterung wirkt ansteckend, suche also solche Spiele aus, die du selber gerne spielst« (Lefevre 1985, S. 78). Die Qualitäten von Spiel- und Medienpädagog*innen äußern sich nicht darin, Kinder, Jugendliche oder Erwachsene durch Erfahrungen, Kenntnisse oder Fähigkeiten zu dominieren und ihnen vorzuschreiben, wie Spiele gespielt bzw. Medien genutzt werden sollten. So können sich »Fähigkeiten und Selbstregulationskräfte von Spielenden nicht zur Gänze entfalten« (vgl. Fritz 2018, S. 244). Andererseits darf sich die Anleitung auch nicht völlig zurückziehen und Nutzer*innen in der Orientierungslosigkeit belassen. Aufgabe der Anleitenden ist es, auszubalancieren wie viel Kraft und Energie notwendig ist, damit jene Prozesse in Gang kommen, die Nutzer*innen ermöglichen sich eigenständig zu entfalten (ebd.). Obwohl in der pädagogischen Arbeit mit digitalen Spielen ohne Zweifel innovative Medien, Methoden und Techniken angewendet werden, ist zugleich eine Auseinandersetzung mit bestehenden Haltungen aus der Lerntheorie, der Sozialen Arbeit, der Beratung, der Kulturellen Bildung u. v. a. dienlich und wichtig. Die weitergehende Anerkennung des digitalen Spiels als Instrument in der Bildungslandschaft muss den Fokus erweitern und darf nicht allein das Medium in den Blick nehmen. Vielmehr bleibt das Medium ein Mittler, das seine pädagogischen Potenziale in den Händen geschickter Anleiter*innen entfaltet. Diese richten ihre erste und wesentliche Aufmerksamkeit auf die Teilnehmenden, Lernenden und Spielenden und erst zweitrangig auf das intendierte Lern-, Vermittlungs- oder Bildungsziel. Sie sind Ausgangspunkt, Impulsgebende, Prozesssteuernde und Ergebnisträger*innen aller Bemühungen. In diesem Prozess erlangt das Spielmedium Bedeutung, weil sich in der Interaktion mit ihm Bedürfnisse, Leidenschaften, Verhaltensweisen, Probleme, Bedarfe, Identitäten, Kommunikations- und Sozialfähigkeiten ausdrücken.

Die pädagogische Arbeit mit (digitalen) Spielen ist daher zugleich hoch komplex, herausfordernd, anstrengend und dennoch lustvoll, eigendynamisch und spaßig. Anleitende müssen zwar ein breites Wissen und Methodenfähigkeiten haben und ihre Arbeit stetig hinterfragen, sie können sich jedoch auch auf ihre Ressourcen verlassen. Zu diesem Selbstbewusstsein gehört, seine eigenen und die Grenzen des Mediums definieren und verorten zu können. Es gilt daher, selbstkritisch zu sein, den Bildungsbegriff, die Dimensionen der Medienpädagogik, die Bereiche des Spiels und viele andere Perspektiven zu kennen und einzuschätzen, wo das Medium mit entsprechender Anleitung wirken kann und wo nicht oder wenig. Die Vereinnahmung von Spiel und Medien unter alleiniger oder priorisierter Sichtweise auf (Lern-)Erfolge, Nutzen und Effektivität birgt das Risiko, dem Spiel (in seinem freiheitlichen Wesen) zu schaden und dem Medium nicht umfassend gerecht zu werden. Kunst, Medien, Kultur und Spiel sind in der Lage zu bewegen, zu befreien, sich zu begegnen, sich über sie mitzuteilen, Kräfte freizusetzen, auf’s Spiel zu setzen und sich zu entwickeln. Sie verleihen Bedeutung. Dies gilt auch und zuerst für das unangeleitete Agieren mit Spiel, Kunst, Kultur und Medien. Anleitende können sich ein Stück weit auf diese Kraft verlassen und sind dazu aufgerufen, diesen Dingen Möglichkeits- und Bedeutungsräume zu schaffen. Dies kann sowohl auf theoretischer wie praktischer Basis erfolgen. So ist der abschließende Auftrag an Spiel- und Medienpädagog*innen Sozialsysteme, Gemeinschaft und Gesellschaft mit Kunst, Kultur, Medien und Spiel aufzuladen und Kontrolle an die Dynamiken abzugeben, die Menschen in der Begegnung und Aktivität mit ihnen entfalten.

Quellenverzeichnis

Anklam, S./Meyer, V./Reyer, T. (2018): Didaktik und Methodik in der Theaterpädagogik. Szenisch-Systemisch: Eine Frage der Haltung!? Seelze: Klett Kallmeyer.

Arnscheid, R. (1999): Gemeinsam sind wir stark? Zum Zusammenhang zwischen Gruppenkohäsion und Gruppenleistung. Münster und New York: Waxmann.

Breuer, J. (2010): Spielend lernen? – Eine Bestandsaufnahme zum (Digital) Game-Based Learning. Düsseldorf: LfM-Dokumentation. Band 41/Online. https://www.medienansta lt-nrw.de/fileadmin/lfm-nrw/Publikationen-Download/Doku41-Spielend-Lernen.pdf, Zugriff am 21.03.2019.

Demmler, K./Lutz, K./Ring, S. (Hrsg.) (2014): Computerspiele und Medienpädagogik. Konzepte und Perspektiven. München: kopaed.

Fritz, J. (2018): Wahrnehmung und Spiel. Weinheim Basel: Beltz Juventa.

Ganguin, S. (2010): Computerspiele und lebenslanges Lernen: Eine Synthese von Gegensätzen. Wiesbaden: Springer VS.

Geisler, M. (2019): Digitale Spiele in der Medienpädagogik – Einstellungen, Erfahrungen und Haltungen von Spielleiteten. München: kopaed.

Gilsdorf, R. & Kistner, G. (1995): Kooperative Abenteuerspiele. Seelze-Velber: Kallmeyersche Verlagsbuchhandelung.

Heimlich, U. (2015): Einführung in die Spielpädagogik. 3. Aufl. Stuttgart: Klinkhardt UTB.

Huizinga J. (2001): Homo Ludens. Vom Ursprung von Kultur und Spiel. Hamburg: Reinbek.

Hüther, G./Quarch, C. (2016): Rettet das Spiel! Weil Leben mehr als Funktionieren ist. München: Hanser.

Klimmt, C. (2001): Computer-Spiel: Interaktive Unterhaltungsangebote als Synthese aus Medium und Spielzeug. Zeitschrift für Medienpsychologie, 1(13) (S. 22-32). Göttingen: Hogrefe.

Lefevre, D. (1985): Das kleine Buch der neuen Spiele. Oberbrunn: Ahorn.

Marotzki, W. (2002): Zur Konstitution von Subjektivität im Kontext neuer Informationstechnologie. In: Bauer, W. (Hrsg.): Weltzugänge: Virtualität, Realität, Sozialität. Jahrbuch für Bildungs- und Erziehungsphilosophie 4. (S. 45-61). Hohengehren: Springer.

Mitgutsch, K. (2008): Digital Play-Based Learning. A Philosophical-Pedagogical Perspective on Learning and Playing in Computer Games. HUMAN IT 9.3. S. 18-36. Online: http://etjanst.hb.se/bhs/ith/3-9/km.pdf, Zugriff am 03.11.2019.

Münch, Q. (2013): Spieldidaktik und kognitionspsychologische Aspekte in Computerspielen: Methoden für die Erstellung von didaktisch wertvollen Computerspielen. München: AV Akademikerverlag.

Nickel, H.-W. (2019): Rollenspiel und Interaktionspädagogik. Uckerland: Schibri Verlag.

Sahm, B. (2011): Tanzen, Musizieren, Theater spielen: Spielideen für Menschen mit geistiger Beeinträchtigung. Weinheim und München: Juventa.

Tönnies, F. (1982): Gesellschaft und Gemeinschaft. In: Vierkandt, A. (Hrsg.): Handwörterbuch der Soziologie (S. 27-39). Stuttgart: Enke Ferdinand.

2          Kulturelle Bildung

Martin Geisler & Horst Pohlmann

Das Kapitel legt einerseits Grundlagen für die Auseinandersetzung mit der Spiel- und Medienpädagogik, andererseits bearbeitet es die aktuelle und bisweilen kontroverse Frage nach der strukturellen Verortung der Spiel- und Medienpädagogik. Aufeinander aufbauende und sich ergänzende Prinzipien, dienen der Eröffnung wichtiger theoretischer Perspektiven, dazu vorhandene methodische Ressourcen auszuschöpfen und nicht zuletzt der Identitätsbildung von Tätigen, in, auf den ersten Blick, sehr verschiedenen Arbeitsfeldern. In der pädagogischen Praxis verschwimmen die Grenzen der Arbeitsfelder Kultureller Bildung. Eine grundlegende Auseinandersetzung verschiedener Kunst- und Kulturformen ist daher für Spiel- und Medienpädagog*innen eine wichtige Voraussetzung.

2.1       Brennpunkt Kulturelle Bildung

Die Autoren betrachten die Spiel- und Medienpädagogik als Teil der Kulturellen Bildung. Dies ist keineswegs selbstverständlich. Sowohl Spiel-, Medien- als auch Kulturpädagogik blicken auf eigene Entwicklungen und Konzepte zurück, haben verschiedene Ursprünge, wesentliche Vertreter*innen und entsprechende Institutionen. Ihre Ziele in Bezug auf die erwünschte Wirkung bei Zielgruppen ähneln sich jedoch zu großen Anteilen. Dabei stehen sie kaum im Wettbewerb zueinander. Vielmehr kann ein übergreifendes Denken und Handeln Synergien in Theorie und Praxis aufzeigen. Eine Nachrangigkeit zu definieren, birgt das Risiko Befindlichkeiten zu wecken. Spiel und Medien sind Kulturgüter. Trotz ihrer jeweiligen theoretischen Basis hat die Kulturelle Bildung sie neben vielen weiteren Bereichen seit langer Zeit als Gegenstand ihrer Aktivitäten definiert und integriert. Abgesehen von der Bearbeitung und Entwicklung des jeweiligen Mediums (Spiel, Medien, Tanz, Musik, Literatur, Handwerk usw.) sucht die Kulturelle Bildung nach gemeinsamen Zielen und Kompetenzen im Einsatz dieser Felder. Sie kann daher auch für die Spiel- und Medienpädagogik als strukturelles Dach aufgefasst werden.

So verstanden ist es sinnvoll den Zweck der Kulturellen Bildung näher zu betrachten. Kulturelle Bildung »als Prozess hat zusammengefasst, drei Funktionen: Vorbereitung auf die Berufstätigkeit, Ermöglichung politischer und gesellschaftlicher Teilhabe sowie Persönlichkeitsbildung.« (Ermert 2007, S. 6) Für die Persönlichkeitsentwicklung bedeutet dies, mit Kunst und Kultur Horizonte zu erweitern, eigene Meinungsbildung zu fördern, Haltungen zu entwickeln und zu zeigen sowie damit zu »selbst- und verantwortungsvollen Individuen zu werden, die ihre Stärken und Fähigkeiten kennen« (Bundesvereinigung Kulturelle Kinder- und Jugendbildung 2019).

Die Ziele der Kulturellen Bildung verändern sich mit der gesellschaftlichen Entwicklung, ihren Bedarfen und natürlich den Instrumenten (Medien). Gesellschaftliche Veränderungen vollziehen sich nicht reibungslos. Sie bringen eine Vielzahl von Herausforderungen, Problemen und Orientierungsschwierigkeiten mit sich. So hat sich in den letzten Jahren und Jahrzehnten Alltag ent-traditionalisiert. Der Einzelne gewinnt dabei mehr Freiheit, Deutungs- und Handlungsspielräume. Nachteil ist jedoch eine hohe Orientierungslast (vgl. Ziehe 2005, S. 74). Das Individuum muss aus- und abwählen. Dazu bedarf es Fähigkeiten, die weniger mit Wissen als vielmehr mit eigenen Stärken, mit Mut, Kritikfähigkeit, Vertrauen, Verantwortung etc. zu tun haben (vgl. Fuchs 2000, S. 80).

Gesellschaftliche Veränderungen werden aktuell insbesondere im Kontext des digitalen Wandels deutlich. Dies bekräftigt die Bedeutung, Notwendigkeit aber auch eine breite und offene Auffassung der Medienpädagogik. Bernd Schorb und Jürgen Hüther (2005) beschrieben sie, angelehnt an eine Rede des damaligen Bundespräsidenten Herzog (1998) als Lebenskompetenz. Dabei sind die theoretischen Fundamente der Medienpädagogik, die Kommunikations- und Erziehungswissenschaft zu berücksichtigen. Medienpädagogisches Denken ist innerhalb einer Medien- und Informationsgesellschaft in nahezu sämtlichen Lebensbereichen relevant. Heutzutage befinden sich Jugendliche in einem permanenten Balance-Akt zwischen on- und offline. Bisweilen ist gar die Trennung dieser beiden Bereiche unklar und ohne besondere Bedeutung für die Anwender*innen. Hier greift die Beschreibung einer voranschreitenden Post-Digitalität, in der vor allem Heranwachsende nicht mehr zwischen digital und analog, on- und offline unterscheiden, weil digitale Medien vollends in den Lebensalltag integriert und selbstverständlicher Bestandteil von Kommunikation und auch kulturellen Aktivitäten sind. Die heutige Wirklichkeit ist durch die Erfahrungen medialer Wahrnehmung und dabei insbesondere der Bildwahrnehmung geprägt. Kinder und Jugendliche haben eine dementsprechend andere Disposition zur Wahrnehmung von Welt. »Die sinnliche Erfahrung der ›Welt als Abbild‹ prägt die Wirklichkeitskonstruktion, so dass sich Bezugspunkte für eine Orientierung in der Realität auch aufgrund der Folien medialer Vorerfahrungen herausbilden.« (Röll 1998, S. 35) Die Ästhetisierung des Alltagserlebens zählt zu den Aufgaben und Herausforderungen einer kulturellen Modernisierung und wird insbesondere von Kindern und Jugendlichen forciert und praktiziert. »Je künstlicher ich mir die Welt mache und je künstlicher ich sie wahrnehme, umso mehr ist es eine von mir ›gemachte‹, und insofern dann ›meine Welt‹.« (Ziehe 1994, S. 21) Betrachtet man die schiere Bilderflut, die insbesondere über Soziale Medien geteilt wird, ist es unwahrscheinlich, dass Fotos im Sinne einer Kunst-Rezeption betrachtet und analysiert werden. Dennoch wollen die Fotograf*innen mit ihren Werken Aussagen treffen und haben sich im Zweifel überlegt, wie das Foto gestaltet sein soll. Wie jedoch kann die Bedeutung und aufgeladene Sinngebung eines Bildes auch heute gelingen? In einem studentischen Projekt an der TH Köln (Studiengang Soziale Arbeit) wurde mit Jugendlichen ein Projekt umgesetzt, in dem sie die Aufgabe hatten, »das Foto ihres Lebens« zu erstellen und zwar mit Hilfe einer selbst gebauten Lochkamera. Die intensive Auseinandersetzung mit eher historischen Herangehensweisen und Herausforderungen der Fotografie, führte im Verlauf auch zu einem veränderten Sehverhalten jener Bilder, die die Teilnehmenden von ihren Freund*innen in den Sozialen Netzwerken erhalten. Auch die intendierten Aussagen jener Bilder wurden im Anschluss eingehender reflektiert.

Eine von Bildern dominierte Welt, kann nur mit Hilfe ästhetischen Denkens dechiffriert werden. Ästhetisches Denken entwickelt sich, neben der nicht geringer zu schätzenden Schriftsprache, zu einer wichtigen Kompetenz. So wird offenbar, welche Bedeutung die Kultur- und Medienpädagogik für alltägliche Lebensbereiche hat. »Die Schulung der Wahrnehmung als Basisqualifikation ästhetischer Denkweise könnte dabei eine zentrale Rolle spielen.« (Röll 1998, S. 64) Wahrnehmungskompetenz ist eine wesentliche Fähigkeit für die angemessene Beurteilung von realer und medialer Wirklichkeit. Eine zeitgemäße Medienpädagogik ist daher untrennbar auch mit der Auseinandersetzung von Wahrnehmung, Semiotik, Ästhetik, Kunst und Kultur verbunden. Diese wiederum sind als Grundlagen seit langer Zeit Gegenstandbereiche der Kulturellen Bildung. Sie kennzeichnet sich durch sehr einbeziehende und grundsätzliche Ansätze. Zugleich ist sie innerhalb ihrer Handlungsfelder praxisnah und prozessorientiert. Im Ergebnis bedeutet Kulturelle Bildung die Fähigkeit zur erfolgreichen Teilhabe an kulturbezogener Kommunikation mit positiven Folgen für die gesellschaftliche Teilhabe insgesamt (vgl. Ermert 2009). Wirksamkeit, Entfaltung und Akzeptanz sind wichtige Elemente, um Menschen das Gefühl von Gestaltung, Einfluss, Partizipation sowie Mit- und Selbstbestimmung zu verleihen. So verdeutlichen sich die Nähe zwischen Kultureller Bildung, Sozialer Arbeit und Politischer Bildung.

Je nach speziellem Thema oder Methode erscheint es darüber hinaus sinnvoll weitere Disziplinen zu beachten und einzubeziehen. Die meisten bildlichen Ausdrucksformen sehen sich heute beispielsweise fast zwangsläufig mit einer Auseinandersetzung im Umgang mit Daten konfrontiert. Dies wiederrum schließt an die Themen Datensicherheit und »BigData« an. Eine normative, kreative und/oder pädagogische Auseinandersetzung führt auf diese Weise deduktiv von der Kulturellen Bildung, über die Medienpädagogik zu Fragen der Wissenschaft, Informatik, Ethik, Recht usw. hin zur Erstellung eines künstlerischen oder pädagogischen Prozesses oder Produktes. Dabei zeigt sich, dass auch die Medienpädagogik als zugleich allgemeine und spezielle Disziplin wiederum Impulse für die Kulturelle Bildung aufzeigt und bearbeitet. Die Facetten und Bereiche Kultureller Bildung stehen daher in einem Wechselwirkungsprozess zu einander. Dies wiederum wird z. B. dadurch deutlich, dass sich die Bereiche Spiel- und Medienpädagogik über das Medium des Computerspiels zunehmend verknüpfen. Für diese Symbiose ist es zunächst nicht zwangsläufig nötig eine übergeordnete Struktur zu definieren. Für das Durchdringen der Themen, der Hintergründe, der Ziele und der Methoden ist die Kulturelle Bildung als gemeinsame Basis jedoch empfehlenswert und bereichernd.

Kulturelles und pädagogisches Handeln wird bestimmt durch die Anforderungen der Gesellschaft (vgl. Spanhel 2011, S. 107). Dies geht mit der Haltung systemischen Denkens einher, in welcher Menschen stets in der Abhängigkeit ihrer jeweiligen sie umgebenden sozialen Systeme betrachtet werden. In diesem Zusammenhang wird gleichfalls deutlich, dass Menschen nicht nur sich selbst verändern können, sondern auch Einfluss auf die sozialen Systeme haben (vgl. König/Volmer 2016, S. 9). Bereits diese Grundlagen deuten darauf hin, wie komplex und vielschichtig die Themen geworden sind (oder schon immer waren), mit denen sich die Spiel- und Medienpädagogik befassen muss. Eine Medienpädagogik, die klient*innenorientiert agieren will, muss fachübergreifend denken, komplexe Zusammenhänge sehen und die darin für sie wesentlichen Dynamiken erkennen. Natürlich lässt sich dieser Gedanke auch umkehren und induktiv auffassen. Aus einer zunächst spontanen und naiven Idee entspinnt sich nicht selten ein Netzwerk an Professionen, Theorien und anderen zu berücksichtigenden Bereichen. Der ganzheitliche Gedanke beinhaltet auch die Chance sich selbst und seine Wirkungsmöglichkeiten als Teil des Ganzen wahrzunehmen und nicht als isoliert und unabhängig von anderen Belangen. Kulturelle Bildung und alle ihre Facetten können als eine Art Brennpunkt verstanden werden, vom dem aus vielzähligen Aktivitäten und Schnittstellen möglich sind.

Es ist nötig, sich einerseits einer Profession zu widmen und Expertise zu erlangen, andererseits den Blick für naheliegende Bereiche offen zu halten, diese zu berücksichtigen oder gar einzubeziehen. Dann, ggf. im Teamteaching, fachübergreifend zu denken, auch in dem Bewusstsein, nicht für alle Themenbereiche umfassende Kenntnisse zu besitzen und mit anderen zu kooperieren, die entsprechende Expertise mitbringen. Diese an sich recht einfache Logik, stellt sich in der Praxis teils herausfordernd dar. Die Bereitschaft über den »Tellerrand« zu blicken, die in einer zunehmend komplexeren, globalen und digitalen Welt unentbehrlich ist, bedeutet auch das Verlassen von Komfortzonen. Lehrende galten lange Zeit als Expert*innen für ihre jeweiligen Fachdisziplinen. Eingehend mit dem Wandel von der Gutenberg-Galaxie zur Internet-Galaxie (vgl. Geisler 2019, S. 13f.) stehen sie nun vor der Herausforderung, ihre Arbeit zunehmend als Coaches, Navigator*innen und Lehrbeleiter*innen zu verstehen (vgl. Röll 2003, S. 216ff.). Darin liegt jedoch in der Übergangsphase das Risiko einen Anteil der Berufsidentität aufzugeben. So wird der Lehrende zum Lernenden. Allerdings mit einem umso breiteren Verständnis über Zusammenhänge, Prozesse und Synergien.

2.2       Entwicklungsaufgaben

Betrachtet man das Spiel als Methode oder Mittel zur Aneignung von Welt (vgl. Piaget 1992, S. 139ff) wird schnell deutlich, welchen Stellenwert es in der kindlichen Entwicklung und weiterführend in der Entwicklung vom Kind zum Erwachsenen einnimmt. Die spielerische und von Motivation und Neugier geprägte Exploration des Selbst in einer von Erwachsenen dominierten Gesellschaft hat entscheidende Wirkungen auf den Entwicklungsprozess des Menschen und das sich Zurechtfinden in einer immer komplexer werdenden Umwelt. Ergänzend können Planspiele oder Simulationen als spielerische Vermittlungsmethoden auch bei Erwachsenen die Komplexität des Alltags auf ein einfacheres Maß reduzieren und Wechselwirkungsprozesse sowie Abhängigkeitsfaktoren in Systemen transparent vermitteln. In Simulationsspielen wie »Ecopolicy« (Brett- und Computerspiel) oder »Democracy« (Computerspiel) agieren Spieler*innen als Entscheidungsträger*innen, um einen Staat zu lenken. Dabei werden die Auswirkungen dieser Entscheidungen nach jeder Runde transparent dargestellt, ausgewertet und dienen den Spielenden dazu, ihre nächsten Züge und Eingaben entsprechend anzupassen und aus Erfolgen sowie Misserfolgen zu lernen. Zufällige Spielereignisse bieten zusätzliche Herausforderungen, auf die reagiert werden muss und die wiederum Auswirkungen auf die nächsten Entscheidungen haben. Auch für Gruppen konzipierte Planspiele verfolgen diesen Zweck, nur dass hier ein weiterer Aspekt hinzukommt, nämlich das Interagieren mit anderen in (gruppen-)dynamischen Prozessen. Diese soziale Interaktion in Spiel- und Lernumgebungen erfordert seitens der Spielenden eine Übernahme und Aneignung von vorgegebenen Rollen im Wettbewerb oder Zusammenarbeit mit anderen Spiel-Identitäten, die oft eigene Ziele innerhalb des Settings verfolgen. Hierzu schlüpfen sie in die jeweilige Rolle und schau-spielern entsprechend. Dabei bringen sie zwar ihre eigenen Erfahrungen und ihre Persönlichkeit in das (Schau-)Spiel mit ein, agieren aber rollenbezogen und als anderer Charakter. Dies gelingt mit Kreativität sowie der Fähigkeit des Menschen, sich in andere hineinversetzen und aus sich selbst herausgehen zu können. Der Psychologe Donald W. Winnicott bescheinigt dem Spiel mit Identitäten eine schöpferische Kraft, die es ermöglicht, aus den Spielerfahrungen wiederum Rückschlüsse auf das Selbst zu ziehen und Veränderungsprozesse in Gang zu setzen (vgl. Winnicott 1973). Allen Spielformen gemein ist, dass Spieler*innen im Spiel an sich aufgehen, die Umgebung oder Zeit vergessen und sich ganz auf die Anforderungen und das Agieren konzentrieren. Die skizzierten Beispiele belegen die von Roger Caillois in seinem Werk »Les jeux et les hommes« (Caillois 1958) vorgenommene Unterteilung von Spielen in vier Kategorien: agon (Wettkampf), alea (Zufall), illinx (Rausch) und mimikry (Maskierung), die einzeln oder auch kombiniert vorkommen können.

An den Beispielen wird zusätzlich deutlich, dass die Grenzen von Fachdisziplinen, vor allem der Kulturellen Bildung, verschwimmen. Es finden sich Elemente von Theater, Spielpädagogik, Games-Studies, Human- und Sozialwissenschaften bis hin zu Psychologie oder allgemeiner Pädagogik. Wissenschaftler*innen unterschiedlicher Disziplinen haben, die von Caillois skizzierten, Merkmale weiterentwickelt und im jeweiligen Fachdiskurs erweitert. Interessant erscheint in diesem Zusammenhang die offensichtliche Nähe von Spiel und Computerspiel. Der ungarische Psychologe Mihály Csíkszentmihályi entwickelte das Prinzip des Flow (Csíkszentmihályi 1995) als Beschreibung des Aufgehens in einer Tätigkeit im Sinne eines Schaffensrauschs, der sowohl in der Spielpädagogik als auch den Game-Studies zentrales Element für die Bindung von Spieler*innen in einem Spiel-Setting darstellt und entsprechend auch in der Ausbildung von Game-Designer*innen vermittelt wird. Katie Salen und Eric Zimmermann haben den von Huizinga im »Homo Ludens« (Huizinga 1938) beschriebenen »Magic Circle« in ihrem Buch »Rules of Play: Game Design Fundamentals« (Salen & Zimmermann 2003) auf virtuelle Spielwelten übertragen. Der »Magic Circle« beschreibt die Abgrenzung von einem Spiel-Setting zur realen Welt. Spieler*innen agieren innerhalb des Spiels und eine Verbindung zur Außenwelt ist während des Spielens nicht gegeben. Eine Durchlässigkeit ergibt sich in der Regel erst nach dem Spiel, wenn Erfahrungen auf reale Lebenskontexte übertragen werden oder vor dem Spiel, wenn reale Settings im Spiel simuliert oder nachgestellt werden sollen. Mit einer Ausnahme: Moderne Spielformen, die sich mittels Smartphones und »Augmented Reality« genau an der Grenze des Magic Circles bewegen und bewusst damit spielen, Virtuelles und Analoges verschwimmen zu lassen. Prominentes Beispiel ist »Pokemon Go«, in dem die Spielfiguren über den Handy-Bildschirm in der realen Umgebung eingeblendet werden und mit ihnen interagiert wird.