Spielmannslegende - Paul Heyse - E-Book

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Paul Heyse

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Neue Deutsche Rechtschreibung Paul Johann Ludwig von Heyse (15.03.1830–02.04.1914) war ein deutscher Schriftsteller, Dramatiker und Übersetzer. Neben vielen Gedichten schuf er rund 180 Novellen, acht Romane und 68 Dramen. Heyse ist bekannt für die "Breite seiner Produktion". Der einflussreiche Münchner "Dichterfürst" unterhielt zahlreiche – nicht nur literarische – Freundschaften und war auch als Gastgeber über die Grenzen seiner Münchner Heimat hinaus berühmt. 1890 glaubte Theodor Fontane, dass Heyse seiner Ära den Namen "geben würde und ein Heysesches Zeitalter" dem Goethes folgen würde. Als erster deutscher Belletristikautor erhielt Heyse 1910 den Nobelpreis für Literatur. Null Papier Verlag

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Seitenzahl: 101

Veröffentlichungsjahr: 2025

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Paul Heyse

Spielmannslegende

Eine mittelalterliche Novelle

Paul Heyse

Spielmannslegende

Eine mittelalterliche Novelle

Veröffentlicht im Null Papier Verlag, 2024Klosterstr. 34 · D-40211 Düsseldorf · [email protected] 2. Auflage, ISBN 978-3-962811-91-4

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Der Idi­ot

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Ili­as & Odys­see

Ge­schich­te des Gil Blas von San­til­la­na

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Spielmannslegende

Zu­erst 1883 un­ter dem Ti­tel Sie­chen­trost er­schie­nen

An ei­nem hel­len Früh­lings­ta­ge des Jah­res 1375 ritt ein jun­ger Mensch, des­sen Auf­zug und Ge­bär­de schon von wei­tem ver­riet, dass er gu­ter Leu­te Kind war, das Lahn­tal ent­lang, im­mer dem Fluss ent­ge­gen, der sei­ne oli­ven­grü­nen Wel­len vom schmel­zen­den Schnee ge­schwellt, has­tig, aber laut­los dem Rhein zu­wälz­te. Die Wäl­der, die hier im Hoch­som­mer als eine dunkle Wild­nis die Stra­ße am Ufer ein­säum­ten, tru­gen noch das ers­te jun­ge Grün und wa­ren von über­lau­tem Ge­sang nis­ten­der Vö­gel er­füllt, den dann und wann das Schel­len­ge­klirr und Peit­schen­knal­len vor­bei­zie­hen­der Kärr­ner über­tön­ten. Denn Han­del und Wan­del, die über den Win­ter ge­ruht, hat­ten sich die­ses Pfa­des seit Wo­chen wie­der be­mäch­tigt und führ­ten die Gü­ter und Wa­ren aus dem in­ne­ren Lan­de der großen Was­ser­stra­ße zu, die La­dun­gen der Rhein­schif­fe da­ge­gen ein­tau­schend.

So ging es in die­sen schat­ti­gen Grün­den und Wald­schluch­ten vor ei­nem hal­b­en Jahr­tau­send lus­ti­ger zu, als heut­zu­ta­ge, wo al­ler Men­schen- und Wa­ren­ver­kehr sich in die stum­men, dump­fen Ei­sen­bahn­zü­ge zu­sam­mendrängt. Auch auf dem Ge­sicht des ein­sa­men Rei­ters, ob­wohl er der Um­ge­bung we­nig ach­te­te und den Zu­ruf der Be­geg­nen­den nur mit ei­nem stum­men Kopf­ni­cken er­wi­der­te, lag wäh­rend der lan­gen Stun­den im­mer der glei­che Aus­druck ei­ner fröh­li­chen Hoff­nung, den nur zu­wei­len ein Schat­ten von Un­ge­duld trüb­te, wenn sein star­kes fland­ri­sches Pferd­chen in ein gar zu läs­si­ges Schlen­dern ver­fiel, oder gar am Ran­de des We­ges ste­hen blieb, um ein Maul voll fri­scher Mai­kräu­ter ab­zu­rup­fen. Es war ihm aber nicht zu ver­ar­gen, da sein Herr, seit sie die Brücke von Diez über­schrit­ten, ihm nicht die kleins­te Rast er­laubt hat­te. Als sie nun aber an die Stel­le ka­men, wo das hoch­um­schlos­se­ne enge Tal sich plötz­lich auf­tut und der Blick über das sanft ge­well­te, von Äckern und Wie­sen durch­grün­te Ge­biet der schö­nen Stadt Lim­burg schwei­fen darf, hielt auch der Rei­ter un­will­kür­lich die Zü­gel an, stand wie eine Bild­säu­le ker­zen­ge­ra­de in den Steig­bü­geln auf und staun­te nach der fer­nen Wun­de­rer­schei­nung hin­über. Denn im glü­hends­ten Abend­licht hob die herr­li­che Stifts­kir­che zum hei­li­gen Ge­org ihre sie­ben Tür­me in die rei­nen Lüf­te em­por, und da es ein Sams­tag war, klang das abend­li­che Ge­läut so voll­stim­mig ihm ent­ge­gen, dass das In­ners­te sei­ner Brust da­von er­schüt­tert wur­de.

Zwei Jah­re lang hat­te er die­se Klän­ge nicht mehr ver­nom­men, au­ßer im Traum des Heim­wehs, und in man­cher klein­mü­ti­gen und ein­sa­men Stun­de dar­an ver­zwei­felt, dass er sie je­mals wie­der hö­ren wür­de. Nun über­wäl­tig­te ihn die Er­fül­lung sei­ner sehn­lichs­ten Wün­sche, dass er der Trä­nen sich nicht er­weh­ren konn­te.

Wenn die Sei­ni­gen, zu­mal sein stren­ger Herr Va­ter, ihn so ge­se­hen hät­ten, wür­den sie wohl den Kopf ge­schüt­telt und ge­sagt ha­ben, dass der jun­ge Gän­se­rich, der über den Rhein ge­flo­gen, als Gigak wie­der heim­ge­kehrt sei. Er war von Kind auf we­gen sei­ner nach­denk­li­chen und ab­son­der­li­chen Ge­müts­art oft und hart ge­schol­ten wor­den, und der Va­ter, ein statt­li­cher und fes­ter Mann, sei­nes Ge­wer­bes ein Tuch­händ­ler und Wams­schnei­der, hat­te sich so man­ches Mal bit­ter dar­über be­klagt, dass man sei­nen Bu­ben in der Wie­ge ver­tauscht und einen mond­süch­ti­gen Prin­zen statt des der­ben Kauf­manns­soh­nes un­ter­ge­scho­ben ha­ben müs­se. Statt sich mit den an­de­ren Kna­ben in Feld und Wald und auf den Wäl­len der al­ten Fes­te zu tum­meln, lieb­te er es schon als klei­nes Kind, sich in einen ver­bor­ge­nen Win­kel zu ver­krie­chen, dort sei­nen Träu­men nach­zu­hän­gen, oder, als er eben ei­ni­ge Schul­weis­heit ein­ge­zo­gen, sich in ir­gend­ein al­tes Sa­gen- oder Lie­der­buch zu ver­tie­fen, das ihm ein freund­li­cher Pfaf­fe aus der Stifts­bü­che­rei ge­lie­hen hat­te. Da er nun ei­nes Ta­ges das Ge­schäft des Va­ters er­ben und mit sei­nem ein­zi­gen Bru­der, der et­li­che Jah­re jün­ger war, den Kre­dit des Hau­ses Esche­nau­er er­hal­ten und meh­ren soll­te, be­küm­mer­te sein welt­ab­ge­wand­tes We­sen, die ge­rin­ge Freu­de an Geld und Gut und der Hang zu ganz un­frucht­ba­rem Sin­nen und Brü­ten den wa­cke­ren Kauf­herrn je län­ger je mehr, zu­mal er sich sonst über sei­nen Ger­hard nicht zu be­kla­gen hat­te. Denn die­ser ver­sah in dem vä­ter­li­chen Ge­schäft je­den Dienst, der ihm auf­ge­tra­gen ward, auf das Pünkt­lichs­te, frei­lich ohne ei­ge­nen Trieb und Ehr­geiz, und war auch in al­lem üb­ri­gen ein mus­ter­haf­ter Jüng­ling und lie­be­vol­ler Sohn, der mit sei­nen sanf­ten Sit­ten und dem erns­ten Blick sei­ner brau­nen Au­gen bei al­len Freun­den und Nach­barn des Hau­ses wohl­ge­lit­ten war.

Auch un­ter sei­nen Al­ters­ge­nos­sen hat­te er kei­nen Feind, und vie­le, die ihm herz­lich zu­ge­tan wa­ren. Denn er war kein Spiel­ver­der­ber oder Mora­list, dräng­te sei­ne Weis­heit oder die heim­li­che Ge­ring­schät­zung so man­cher Ju­gend­lust­bar­keit nie­mand auf und hielt sich, wo es dar­auf an­kam, in Schimpf und Ernst sei­nen Mann zu ste­hen, so tap­fer und un­er­schro­cken, dass man sei­ne be­schau­li­chen Nei­gun­gen nicht aus ei­nem Man­gel an Mut oder Männ­lich­keit er­klä­ren konn­te; son­dern, nach­dem man sich müde ge­spot­tet und ge­merkt hat­te, wie we­nig Ein­druck das Höh­nen we­gen sei­ner Mön­che­rei und Bü­cher­narr­heit auf ihn mach­te, ließ man ihm die­se sei­ne Schwä­che hin­ge­hen und be­trach­te­te ihn so­gar mit heim­li­chem Re­spekt ih­ret­we­gen. Es kam da­mals in der Stadt, die von treff­li­chen Gra­fen aus dem Isen­burg-Lim­bur­gi­schen Hau­se be­vog­tet wur­de und die rit­ter­li­chen Her­ren aus den be­nach­bar­ten Bur­gen und Sch­lös­sern oft zu Gast hat­te, auch un­ter der jun­gen Bür­ger­schaft ein streit­ba­rer und hoch­stre­ben­der Sinn in Schwang, al­so­dass die jun­gen Kauf­leu­te nicht nur ihre Pfer­de mit sil­ber­be­schla­ge­nem Zeug ver­se­hen lie­ßen, son­dern in zier­li­cher rit­ter­li­cher Klei­dung und schö­nen Waf­fen viel Auf­wand mach­ten, dies al­les nicht bloß zum Schein, son­dern um in ei­ge­nen Tur­nie­ren, Ring­ste­chen und Lan­zen­ren­nen ihre Kraft und Ge­wandt­heit zu zei­gen. Auch hier­in stand der jun­ge Ger­hard Esche­nau­er hin­ter nie­mand zu­rück, im­mer­hin mit ei­ner nach­läs­si­gen und zer­streu­ten Ma­nier, so­dass ihn kei­ner der Prei­se, die er ge­won­nen, son­der­lich zu freu­en schi­en. Und nie­mals im Ge­tüm­mel die­ser fröh­li­chen Fes­te leuch­te­ten sei­ne Au­gen so hell, als wenn er im Wald oder am bu­schi­gen Stro­mu­fer lag, ein per­ga­men­te­nes Büch­lein in der Hand, in wel­chem Lie­der der Min­ne­sän­ger oder Sprü­che wei­ser Meis­ter ver­zeich­net wa­ren.

Dass die­se Gleich­gül­tig­keit ge­gen alle Welt­lust durch­aus nicht ei­ner ver­stoh­le­nen Blö­dig­keit ent­sprang, wur­de nun ei­nes Ta­ges noch viel deut­li­cher of­fen­bar, als der wun­der­li­che Ge­sel­le sich in das schöns­te Mäd­chen­ge­sicht der Stadt ver­gaff­te und un­ver­züg­lich zu­erst bei ihr selbst, dann aber auch bei ih­rer Fa­mi­lie um sie warb. Es war dies die sech­zehn­jäh­ri­ge Toch­ter ei­nes der an­ge­se­hens­ten Bür­ger, An­selm Rode ge­nannt, in des­sen Ge­schlecht seit Men­schen­ge­den­ken das Schöf­fen­amt erb­lich war, zu neu­en Ehren ge­bracht durch den jet­zi­gen Trä­ger des­sel­ben, der in ei­nem wich­ti­gen Rechtss­treit der ade­li­gen Her­ren mit der Stadt­ge­mein­de einen un­an­ge­foch­te­nen Schiedss­pruch ge­tan und ins­be­son­de­re auch bei dem Gra­fen Jo­hann, dem ge­gen­wär­ti­gen Herrn und Hü­ter der Stadt, das größ­te An­se­hen ge­noss. Da ihm sei­ne ei­ge­ne Gat­tin im Wo­chen­bett ge­stor­ben war, nach dem Auss­pruch der Ärz­te nur dar­um, weil sie zu jung in die Ehe ge­tre­ten, hat­te er sich ge­lobt, sein Töch­ter­chen Ima­gi­na vor dem glei­chen Schick­sal zu be­wah­ren und vor ih­rem vollen­de­ten acht­zehn­ten Jah­re sie kei­nem Gat­ten zu ver­bin­den. Das Jüng­fer­chen, ob­wohl es schon zu sech­zehn Jah­ren die Kin­der­schu­he längst ver­tre­ten hat­te und mit sei­ner voll auf­ge­blüh­ten Ge­stalt es man­cher jun­gen Frau hät­te zu­vor­tun kön­nen, war den­noch über den vä­ter­li­chen Ent­schluss nicht un­ge­hal­ten, selbst nach­dem sie dem sehr ver­lieb­ten jun­gen Ger­hard Esche­nau­er ihr Herz und ihre Treue ver­lobt hat­te. Denn die­ses klei­ne Herz ward von et­was küh­lem Blut durch­strömt, und nichts auf der wei­ten Welt schi­en ihr vor­läu­fig wich­ti­ger und er­freu­li­cher, als das Be­wusst­sein, dass sie um ih­res fei­nen Ma­don­nen­ge­sichts, ih­rer schö­nen Haa­re von ei­ner leuch­ten­den Bern­stein­far­be, ih­rer zier­li­chen Hän­de und Füße wil­len von alt und jung als ein Wun­der­bild an­ge­gafft wur­de und, wo sie er­schi­en, mit ei­nem Lä­cheln, bei dem sie nicht das ge­rings­te dach­te, die ernst­haf­tes­ten Män­ner wie die win­digs­ten Ge­cken be­zau­ber­te.

Ihr Va­ter merk­te wohl, wie sein Kind eine ge­fähr­li­che Stra­ße wan­del­te, und nichts war ihm er­wünsch­ter, als dass ge­ra­de der sin­ni­ge, erns­te Ger­hard sich lei­den­schaft­lich um sie be­warb. In sei­ner Zucht, hoff­te er, wer­de aus dem rings um­schmei­chel­ten und um­kos­ten Püpp­chen eine wa­cke­re und pflicht­treue Haus­frau wer­den, ab­ge­se­hen von dem Wohl­stan­de des Hau­ses, in wel­ches das jun­ge Weib ein­tre­ten soll­te. Er gab auch sei­ner­seits sei­nen Se­gen zu die­ser Ver­lo­bung, nur be­stand er auf ei­nem Auf­schub der Hoch­zeit um vol­le zwei Jah­re. Und da es nicht wohl­ge­tan er­schi­en, dass die bei­den Lie­bes­leu­te die lan­ge Frist in so großer Nähe durch­har­ren soll­ten, war Va­ter Esche­nau­er auf den Aus­weg ver­fal­len, sei­nen Sohn auf Rei­sen zu schi­cken, da er sich für des­sen Welt­läu­fig­keit, Er­werbs- und Ge­schäfts­sinn viel da­von ver­sprach, wenn er in den fland­ri­schen, eng­li­schen und nord­fran­zö­si­schen Han­del­splät­zen bei den Ge­schäfts­freun­den des Hau­ses ein­kehr­te und die Macht und den Glanz weit­ver­zweig­ter Han­dels­ver­bin­dun­gen wür­di­gen lern­te.

Die­sem vä­ter­li­chen Wil­len hat­te der ge­hor­sa­me Sohn sich ohne alle Ein­re­de ge­fügt, ob­wohl es ihm hart an­kam, sich von sei­ner schö­nen jun­gen Braut auf so lan­ge Zeit zu tren­nen. Die bit­ter­li­che Ent­beh­rung konn­te ihm nicht ein­mal durch häu­fi­ge Brie­fe er­leich­tert wer­den, da das jun­ge Kind kei­ne ge­schick­te Schrei­be­rin war, über­haupt kei­ner­lei Küns­te ver­stand, als die sich auf den Schmuck und Auf­putz ih­rer zier­li­chen Per­son be­zo­gen. Er selbst schrieb ihr, so oft sich eine si­che­re Ge­le­gen­heit er­gab, be­rich­te­te ihr von den frem­dem Städ­ten und Län­dern, die er durch­zog, ih­ren Sit­ten und Trach­ten, den wech­seln­den Aben­teu­ern, die er be­stand, und dem im­mer un­wan­del­ba­ren Zu­stan­de sei­nes ei­ge­nen Her­zens. Dass er auch im üb­ri­gen der­sel­be blieb und für alle an­de­ren Din­ge in der Frem­de of­fe­ne­re Au­gen hat­te als für sein ei­ge­nes Ge­wer­be, so­dass ihm die großen Tep­pich­wir­ke­rei­en in Gent und Brüg­ge so we­nig ein Wort der Be­wun­de­rung ab­lock­ten, wie die Ma­ga­zi­ne der Lon­do­ner Tuch­händ­ler, konn­te sich Herr Hin­rich Esche­nau­er, wenn er die Brie­fe des Soh­nes sei­ner gu­ten Frau vor­las, nicht ver­heh­len. Sie aber, die die­sen Sohn im­mer be­son­ders ge­liebt hat­te, nahm ihn mit sei­ner Ju­gend in Schutz und trös­te­te den Va­ter, dass es wohl an­ders kom­men wer­de, wenn er erst ein an­ge­se­he­ner Bür­ger sein und selbst für Weib und Kind zu sor­gen ha­ben wer­de.

Nun war end­lich die War­te­zeit ver­stri­chen, und der jun­ge Welt­wan­de­rer hat­te den Tag sei­ner Heim­kehr in ei­nem letz­ten Brie­fe den Sei­ni­gen an­ge­zeigt. Aber von Un­ge­duld ge­spornt, war er um eine gan­ze Ta­ges­rei­se frü­her an das Ziel sei­ner Sehn­süch­te ge­langt, und da nun auf ein­mal das Bild des ho­hen Müns­ters und die Dä­cher und Turm­zin­nen der da­ne­ben an­fra­gen­den Burg, die er tau­send­mal in sei­nen Träu­men ge­schaut, ihn so fried­lich in der Abend­son­ne an­sa­hen, lös­te sich die lan­ge Span­nung sei­nes Ge­mü­tes in ei­nem jä­hen Trä­nen­strom, dem er eine Wei­le den Lauf ließ. Als der Ne­bel vor sei­nen Au­gen ge­wi­chen war, stan­den auch die ho­hen Tür­me grau und un­fest­lich in der sil­ber­nen Abend­luft, und auf ein­mal über­fiel ihn ein wun­der­li­ches Ban­gen, als ob ihn zu Hau­se nicht al­les so glück­se­lig an­la­chen wür­de, wie es in der Frem­de ihm be­stän­dig vor­ge­schwebt. Mit ei­nem leich­ten Ruck der Zü­gel setz­te er sein Pferd wie­der in Be­we­gung und leg­te die letz­te Stre­cke We­ges so zö­gernd zu­rück, dass er an dem al­ten Stadt­tor erst an­lang­te, als es eben ge­schlos­sen und die schwe­re Zug­brücke em­por­ge­wun­den wer­den soll­te.