11,99 €
FÜR IHRE KARRIEREN SPIELEN SIE DAS PERFEKTE PAAR. ABER IHRE HERZEN KENNEN KEINE REGELN ...
Ballerina Sage Beaumont bringt alles mit, was sie zur Hauptrolle in Schwanensee und für einen Platz am Nova Ballet Theater braucht - nur nicht die nötige Social-Media-Reichweite. Etwas, woran es Eishockeyspieler Eli Westbrook so gar nicht mangelt. Vor Kurzem völlig überraschend in die NHL gedraftet tut sich der skandalumwitterte Playboy schwer im Rampenlicht. Eine Fake-Beziehung scheint die Lösung für ihre Probleme: Die mediale Aufmerksamkeit sorgt dafür, das Sages Followeranzahl steigt, während Eli eine feste Freundin präsentieren und den Gerüchten endlich ein Ende setzen kann. Doch was als Fake-Dating beginnt, wird schon bald so viel mehr ...
»Bal Khabras Bücher sind alles, was ich mir von Eishockey-Romances wünsche: witzig, spicy und absolut süchtig machend! Ihr dürft diesen Read nicht verpassen!« HEYBOOKBIRD
Band 2 der OFF-THE-ICE-Reihe von Bal Khabra
Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:
Seitenzahl: 535
Veröffentlichungsjahr: 2025
Titel
Zu diesem Buch
Leser:innenhinweis
Playlist
Widmung
1
2
3
4
5
6
7
8
9
10
11
12
13
14
15
16
17
18
19
20
21
22
23
24
25
26
27
28
29
30
31
32
33
34
35
36
37
38
39
40
41
42
43
44
45
Epilog
Danksagung
Die Autorin
Die Bücher von Bal Khabra bei LYX
Impressum
BAL KHABRA
Spiral
OFF THE ICE
Roman
Ins Deutsche übertragen von Larissa Bendl
Am Nova Ballet Theatre studieren und die Hauptrolle in Schwanensee ergattern – davon träumt Ballerina Sage Beaumont. Doch ohne große Social-Media-Reichweite hat sie kaum Chancen auf ein Casting. Der verschlossene Eishockeyspieler Eli Westbrook hingegen kämpft mit dem Medienrummel um seine Person und den Spekulationen über sein Liebesleben. Zusätzlich steht er unter Druck, als Neuzugang bei den Toronto Thunder endlich sein erstes NHL-Tor zu schießen. Als Sage bei einer Benefizveranstaltung ihres Onkels beobachtet, wie Eli mal wieder von einer seiner unzähligen Verehrerinnen bedrängt wird, lässt sie sich von dessen besten Freund dazu überreden, ein Date mit dem Eishockeyspieler zu ersteigern. Sie werden zusammen fotografiert, und die plötzliche mediale Aufmerksamkeit bringt die Ballerina auf eine Idee: Eine Fake-Beziehung könnte die perfekte Lösung sein! Sage bekommt die Follower, die sie für ihre Karriere braucht, während Eli die Gerüchte um sein Privatleben loswird. Doch je länger ihr Arrangement andauert, desto mehr verschwimmen die Grenzen zwischen Fake und Realität …
Liebe Leser:innen,
dieses Buch enthält potenziell triggernde Inhalte.
Deshalb findet ihr hier eine Triggerwarnung.
Achtung: Diese enthält Spoiler für das gesamte Buch!
Wir wünschen uns für euch alle
das bestmögliche Leseerlebnis.
Euer LYX-Verlag
TAKE CARE | Beach House
WASH. | Bon Iver
FALLEN STAR | The Neighbourhood
WILLOW | Taylor Swift
SATURN | SZA
RYDER | Madison Beer
CRY BABY | The Neighbourhood
MATILDA | Harry Styles
BE MY BABY | The Ronettes
WHEREVER YOU GO | Beach House
MOONLIGHT | Chase Atlantic
STARGIRL INTERLUDE | The Weeknd, ft. Lana Del Rey
BE HONEST | Jorja Smith, ft. Burna Boy
LET THE LIGHT IN | Lana Del Rey, ft. Father John Misty
FADE INTO YOU | Mazzy Star
REDBONE | Childish Gambino
EVERYWHERE, EVERYTHING | Noah Kahan
REAL LOVE BABY | Father John Misty
LOVE GROWS (WHERE MY ROSEMARY GOES) | Edison Lighthouse
FOLDIN CLOTHES | J. Cole
Du bist ein Licht in dieser Welt,
verschwende es nicht an diejenigen, die das nicht sehen können.
Finde diejenigen, die es können.
DER GOLDEN BOY DER TORONTO THUNDER MACHT DAS EIS KALT UND DIE FRAUEN HEISS!
Rookie in der NHL zu sein, ist in etwa so schlimm, wie man es sich vorstellt. Aber ein Rookie zu sein, der noch kein einziges Tor geschossen hat und ständig durch die Presse geistert, ist noch schlimmer.
In der Lobby meines Hotels gibt es eine ganze Palette an Zeitschriften, doch die auf dem Couchtisch hat meinen Namen auf dem Cover. Darunter prangt das unscharfe Bild einer Frau, die einen Club verlässt, ich direkt hinter ihr. Ein einziges Mal lasse ich mich dazu überreden, einen Sieg zu feiern, und werde direkt mit einer Frau erwischt – war ja klar. Wenn sie etwas Mühe in die Recherche gesteckt hätten, wüssten sie, dass es sich um unsere Teamfotografin Brandy handelt. Ich hatte ihr angeboten, sie nach Hause zu fahren, und nicht erwartet, dass jemand Fotos davon schießen würde.
Ich vermeide Partys und öffentliche Auftritte nicht absichtlich, aber es fällt mir schwer, etwas zu feiern, an dem ich nicht mal beteiligt war. Stattdessen ziehe ich es vor, das vergangene Spiel durchzugehen und meine Fehler zu analysieren, um herauszufinden, was mich davon abgehalten hat, mein erstes Tor zu schießen. Und genau das habe ich für heute Abend geplant.
Nur sind wir gerade in Dallas, und ich warte immer noch in der Hotellobby auf mein Zimmer. Wider besseres Wissen nehme ich die Zeitschrift genauer in Augenschein und lese die Unterüberschriften.
VERLIERT WESTBROOK SICH SELBST AN DEN RUHM? EIN WEITERER SCHLECHTER SCHACHZUG FÜR TORONTO?
»Mr Westbrook?«
Ich lasse die Zeitschrift fallen, als hätte man mich bei der Lektüre von etwas Unanständigem erwischt, und gehe zur Rezeption. Als ich mich beim Concierge für den Schlüssel bedanke, zwinkert er mir wenig diskret zu, was mich verwirrt. Ich beschließe, die merkwürdige Interaktion zu ignorieren, und fahre mit dem Aufzug nach oben zu meinem Zimmer. Dort schiebe ich die Schlüsselkarte in die Tür und gehe schnurstracks in Richtung Dusche.
Das heiße Wasser löst die verspannten Muskeln in meinem Rücken und die Gedanken an die blöde Zeitschrift. Hinter mir steigt Dampf auf, während ich mir ein Handtuch um die Taille wickle und mir mit einem zweiten die Haare trocken rubble. Gerade noch wollte ich unbedingt ins Bett und mir die Highlights des Spiels ansehen, doch als ich sehe, was – oder besser gesagt wer – in meinem Bett liegt, halte ich inne.
What the fuck?
Das Handtuch fest umklammert, weiche ich einige Schritte zurück.
»Sorry, bin ich im falschen Zimmer?«
Das bin ich nicht. Da bin ich mir sicher, denn mein Gepäck steht nur zwei Meter von mir entfernt. Plötzlich ergibt das Zwinkern des Concierge Sinn. Auf dem Kingsize-Bett liegt eine Frau mit langem blondem Haar und roten Lippen, die zu einem strahlenden Lächeln verzogen sind. Sie trägt einen der Bademäntel, die das Hotel zur Verfügung stellt, und vor ihr auf der Decke verstreut liegen mehrere aufgerissene Snackverpackungen von der Minibar.
»Du bist hier goldrichtig.« Sie richtet sich auf und schenkt mir ein verschmitztes Grinsen, bei dem mir ganz mulmig zumute wird.
»Keine Ahnung, nach wem du suchst, aber ich bin es definitiv nicht.«
»Vertrau mir, Eli« – mit ihrem Blick tastet sie jeden Zentimeter meines Oberkörpers ab und verweilt auf den Wassertropfen, die mir über den Bauch rinnen – »ich will nur zu dir.«
Wenn das hier ein Streich von meinen Teamkollegen ist, bringe ich sie um.
»Ich dachte, du würdest den heutigen Sieg feiern wollen«, säuselt sie und macht einen Schritt auf mich zu.
Der einzige Grund zum Feiern wäre, wenn ich ein Tor geschossen hätte, und das ist bislang noch nicht passiert. Ich weiche weiter zurück in Richtung Tür. »Du findest bestimmt jemand anderen, der daran interessiert ist.«
Sie zieht die Augenbrauen so weit hoch, dass klar ist, sie wurde noch nie abgewiesen.
Allerdings führt meine Zurückweisung nicht wie gehofft dazu, dass sie sich anzieht und geht. Also drehe ich mich um und verlasse kurzerhand das Zimmer. Nackt bis auf ein Handtuch durchquere ich den Flur und steuere auf eine der angrenzenden Türen zu. Aidens Zimmer ist nie weit von meinem entfernt, da die Rookies stets zusammen untergebracht werden. Mit ein bisschen Glück ist er noch wach.
Aiden Crawford, mein bester Freund und Teamkollege, ist nicht so wie ich. Kaum hatte er bei unserem allerersten Profispiel das Eis betreten, hat er auch schon sein erstes Tor erzielt. Sein zweites Tor schoss er am darauffolgenden Tag mit einer Vorlage von mir. Seit er bei den Toronto Thunder spielt, ist er einfach überragend, und ich bin unfassbar stolz auf ihn. Aber Aiden ist keiner, der für jedes Tor eine Party schmeißt. Sein Ehrgeiz geht über einzelne Spiele hinaus, und mit genau diesem Antrieb hat er bereits unser Team an der Dalton University angeführt.
Deshalb hoffe ich, dass er sich heute auch vor dem Feiern drückt, denn auf dem Flur laufen Hotelgäste herum, und einer von ihnen zeigt besonderes Interesse an meinem halb nackten Zustand. Wenn mich irgendjemand erkennt, klicken jeden Moment die Kameras.
»Aiden!« Ich hämmere fester an seine Tür, als ich sollte, wofür ich noch mehr Blicke ernte, denn gerade öffnet sich der Aufzug, und eine neue Gruppe von Hotelgästen strömt in den Flur. Fantastisch.
Mitten im Klopfen schwingt die Tür auf, und Aiden sieht mich misstrauisch an. »Was ist los?«
Bevor ich die Situation erklären kann, schlendert der Grund für meine Flucht aus meinem Zimmer und scannt den Flur nach mir ab. »Das da.« Ich gestikuliere in Richtung der Frau und stürme dann in sein Hotelzimmer.
»Schon wieder?« Glucksend schließt Aiden die Tür. Erst da fällt mir das Handy in seiner Hand auf, auf dessen Display seine Freundin Summer zu sehen ist.
»Hey, Brooksy.« Sie winkt mir aus der Ferne zu, und ich winke zurück, muss dabei jedoch den Griff um mein Handtuch straffen. Obwohl Summer gegen den Anblick wahrscheinlich immun wäre, denn seit sie und Aiden Anfang des Jahres zusammenkamen, hat sie weitaus mehr gesehen, als uns beiden lieb ist. Seitdem ist unsere Freundschaft gewachsen, und es gibt nichts, was ich nicht für sie tun würde.
»Du brauchst dringend einen Bodyguard, Mann«, sagt Aiden. »Ich bin mir ziemlich sicher, dass die Leute im Flur eben ein Foto von dir gemacht haben.«
Ich setze mich auf sein Bett und lasse den Kopf gegen das Kopfteil sinken. Alles, was ich jemals wollte, war, Eishockey-Profi zu werden, aber jetzt fühlt es sich an, als würde mir mein Traum durch die Finger rieseln. Die ganze Aufmerksamkeit und die Meinungen fremder Leute würden mich weniger stören, wenn ich endlich den Leistungszwang abschütteln könnte. Die Last, die mir permanent auf den Schultern ruht, raubt mir die Fähigkeit, das zu tun, worin ich sonst immer gut war.
»Hat Eli uns gerade virtuell die Tour versaut?«, fragt Summer.
Aiden zuckt mit den Schultern und schaut grinsend auf sein Handy. »Ich wäre immer noch bereit.«
Ich stöhne. Man sollte meinen, ihre Fernbeziehung würde mir eine Pause von ihrem ständigen Geturtel verschaffen.
»Danke, ich verzichte.« Summer lacht. »Viel Spaß bei eurer Übernachtungsparty!«
Ich stütze den Kopf in die Hände. »Wie soll ich mich aufs Spielen konzentrieren, wenn ich jetzt schon weiß, was morgen in den Schlagzeilen stehen wird?«
Aiden legt sein Handy auf den Nachttisch und wirft mir einen mitleidigen Blick zu. Den, mit dem er mich jedes Mal bedenkt, wenn so etwas Dummes passiert. »Du hast echt verdammtes Pech, Mann. Ich kann nicht fassen, dass man der Presse ernsthaft die Geschichte vom Golden Boy, der zum Playboy wird, abkauft.«
Vor Kurzem ging ein Video auf unserem Team-Account unverhofft viral. Ich hatte mich zögernd bereit erklärt, einen Tag im Leben eines NHL-Rookies zu filmen, und die Fans waren begeistert. Keine Ahnung, ob sie die ganzen Versprecher liebenswert fanden oder ob mein Trainingsprogramm einfach so inspirierend war. Doch sobald die Presse wusste, was die Fans wollen, wurde sie hungrig nach mehr. Und als ich nach zwei Spielen immer noch kein Tor vorzuweisen hatte, hagelte es Kritik. Innerhalb weniger Tage wurde mir mein Talent abgesprochen, indem vermutet wurde, mein Vertrag sei nur durch den Einfluss meiner Eltern zustande gekommen. Über Nacht wurde ich vom liebenswerten Rookie zum reichen Playboy, dessen einziges Ziel es ist, flachgelegt zu werden.
»Das ist alles meine Schuld. Ich hätte das zusätzliche Marketing ablehnen sollen, als ich noch die Möglichkeit dazu hatte.« Als unser Social-Media-Team mit Ideen für mehr Inhalte an mich herangetreten war, hätte ich Nein sagen können. In der Annahme, dass es meinem Image eher nützen als schaden würde, habe ich dummerweise zugestimmt.
»Sie hätten dich so oder so dazu überredet. Sie wollen um jeden Preis Aufmerksamkeit generieren, vor allem seit die Einschaltquoten letztes Jahr gesunken sind.«
Ich seufze. »Hübscher Eishockeyspieler schießt ums Verrecken kein Tor. So wird die nächste Schlagzeile lauten.«
»Du hattest schon so viele erfolgreiche Torvorlagen. Glaub mir, bald netzt du selber ein«, versichert er mir. »Du musst einfach etwas finden, das dich mal so richtig durchatmen lässt. Irgendwas, das dir den Druck nimmt.«
»Leichter gesagt als getan. Nicht jeder hat eine Summer«, murmle ich.
Er lächelt. »Stimmt, aber die Presse lässt mich nur wegen ihres Vaters in Ruhe. Er würde die Sache beenden, bevor sie überhaupt angefangen hat.«
Summers Vater ist in der NHL Hall of Fame, weshalb wir alle ziemlich beeindruckt waren, als wir ihn bei unserem letzten Frozen Four kennengelernt haben. »Vielleicht sollte ich ihn daten«, schlage ich vor.
Aiden kichert und wirft mir eine Jogginghose zu. »Viel Glück dabei.«
Als ich mich umziehe, vibriert mein Handy mit einer eingehenden Nachricht von unserem Coach. Seine sechste Erinnerung an die morgige Veranstaltung, auf der Dates mit Spielern des Teams für den guten Zweck versteigert werden.
»Gehst du zu der Spendenaktion morgen?«, frage ich Aiden.
»Wir müssen hin. Der gesamte Thunder-Verband wird dort sein«, sagt er.
Großartig.
* * *
Unser Rückflug nach Toronto heute Morgen verlief ereignisloser als erwartet. Keine neuen Schlagzeilen und keine weiteren Überraschungsbesuche von Fans. Das Hotel hat sich sogar dafür entschuldigt, die Frau nach oben gelassen zu haben, aber sie hatte sich angeblich als meine Verlobte vorgestellt. Anscheinend besucht sie jedes Spiel, ob zu Hause oder auswärts. Ihr Engagement wäre lobenswert, wenn es nicht so unheimlich wäre.
Als wir die Event-Location betreten, ist der Kragen meines Hemdes gerade dabei, mich zu erwürgen.
»Entspann dich, Mann.« Aiden rempelt mich mit der Schulter an, damit ich aufhöre, daran herumzunesteln. »In ein paar Stunden können wir abhauen.«
»Das sagst du nur, weil du nicht derjenige bist, der versteigert wird.«
Die Auktion findet jedes Jahr statt, und da meist ältere Frauen bieten, dachte unser PR-Team, es wäre eine tolle Idee, mich mit einzubeziehen. Oder aber das Ganze gilt als seltsames Aufnahmeritual für Neulinge. Aiden hat seine Freundin als Ausrede benutzt und somit den Kopf aus der Schlinge gezogen.
»Ich steh hinter dir, aber denk einfach dran, dass du jemandes Großmutter sehr glücklich machen wirst.« Er grinst.
Ich verdrehe die Augen, da stellt Coach sich neben mich. Seine bloße Anwesenheit löst eine Welle der Panik in mir aus.
»Westbrook. Auf ein Wort.« Er gestikuliert in Richtung Bar.
Man muss kein Genie sein, um herauszufinden, worum es hier geht.
Als ich mich zu ihm an den Tisch setze, legt er sein Handy vor mir ab und zeigt auf einen Artikel und das zugehörige Foto der Frau von gestern Abend, die im Bademantel unser Hotel verlässt. Darunter prangen mein Gesicht und eine weitere Schlagzeile.
TORONTO THUNDERS ROOKIE AUF DER SUCHE NACH DEM COOKIE
Ernsthaft? Lassen sie die Überschriften vom Praktikanten schreiben?
»Ich les den Scheiß ja normalerweise nicht, aber wenn der GM fragt, warum mein Rookie öfter auf Zeitschriften glänzt als auf dem Eis, bleibt mir keine andere Wahl.«
So ein Mist. Marcus Smith-Beaumont, der General Manager unseres Teams, ist knallhart. Wenn er davon gehört hat, bin ich sicher Gesprächsthema Nummer eins des Vorstands – derjenigen, die entscheiden, ob ich den Vorschuss wert bin, den sie mir gezahlt haben.
Als ich rekrutiert wurde, kam mir das Gerücht zu Ohren, er sei dagegen gewesen, mich den Thunder zu verpflichten. Zwar ist es eher ungewöhnlich, innerhalb eines Jahres zwei Spieler vom selben College auszuwählen, aber bahnbrechend ist es auch nicht.
»Allein diesen Monat sind mehrere Artikel über dich erschienen. Sehr empfehlenswert, falls du eine Gutenachtlektüre suchst.« Seine Worte klingen weniger wütend, als sie sollten. Ich allein beschmutze das Image sämtlicher Rookies, und darüber kann der Verband nicht glücklich sein. »Ein weiterer Skandal und ein weiteres Spiel ohne Tor. Ich weiß nicht, wie viele Pressekonferenzen wir noch unter Kontrolle halten können, wenn das so weitergeht.«
Der Barkeeper bietet mir einen Drink an, aber ich lehne ab. »Das ist alles erfunden. Ich hab keine Ahnung, warum die solche Geschichten spinnen.«
»Weil du beliebt bist. Das Video von dir in den sozialen Medien ist der Renner, und die Leute wollen mehr davon. Wenn du der nächste Playboy wirst, ist das zwar tolle Publicity, aber nicht gut für deine Karriere.«
»Ich bin kein Playboy.«
»Das glaub ich dir, aber es zählt einzig und allein die Wahrnehmung der Fans. Auf dem Eis musst du dich ranhalten, und deine Hotelzimmer müssen leer bleiben.«
Ich fahre mir mit der Hand durchs Haar und spüre, wie sich ein dumpfes Pochen in meinem Schädel breitmacht. »Verstanden.«
»Bring das erste Tor endlich hinter dich, und ich spiele solange die Berichterstattung über dich runter. Der Verband darf nicht daran zweifeln, dass es die richtige Entscheidung war, dich unter Vertrag zu nehmen. Du bist ein starker Spieler, Eli, dafür kann ich mich verbürgen, aber das geht nur, wenn du auch Beweise lieferst.«
Er schnappt sich den Drink, den ich abgelehnt hatte, kippt ihn in einem Zug runter und lässt mich stehen. Das Echo seines Ratschlags und das Klirren der Gläser benebeln meinen Geist. Der Druck auf mir wächst ins Unermessliche.
Wenn ich noch eine Sekunde länger hierbleibe, platzt mir der Schädel. Während ich auf die Flügeltüren zustürme, bedeute ich Aiden, dass ich eine Pause brauche.
Und eine Lösung für all meine Probleme.
Bankrotte Ballerina.
Klingt gar nicht so übel.
»Im Frühjahr wird es wieder ein Vortanzen geben. Wir brauchen keine Background-Tänzer mehr.« Aubrey Zimmerman stürmt in Windeseile durch die gläserne Drehtür.
Nächstes Jahr? Dann ist eine ganze Tanzsaison vorbei. Ein weiteres Jahr älter. Ein weiterer Stapel unbezahlter Rechnungen. Ein weiteres Auslaufmodell.
Bankrotte, abgewrackte Ballerina.
Nicht ganz so einprägsam.
»Mr Zimmerman, ich bin hier, um für die Schwanenkönigin vorzutanzen.«
Entweder er hört die Verzweiflung in meiner Stimme, oder meine Aussage ist so verblüffend, dass sie ihn zum Stillstand bringt. Mein Blick fällt auf seinen kahlen Hinterkopf, der im Sonnenlicht glänzt. Er ist nicht alt, aber dafür, dass er erst in den Dreißigern ist, wirkt er ganz schön mitgenommen. Das ist wohl der Branche zuzuschreiben. An manchen Tagen fühle ich mich so, wie er aussieht.
Als er sich umdreht, weiß ich erst nicht, wie ich den Zug um seinen Mund deuten soll. Doch dann entweicht ihm ein eindeutiger Laut, und ich lasse die Schultern hängen.
Aubrey Zimmerman lacht mich aus. »Die Schwanenkönigin? Sie halten den Intendanten des Nova Ballet Theatre auf, um sich selbst für die Hauptrolle von Schwanensee vorzuschlagen?«
Nun, wenn er es so sagt, klingt es lächerlich. Aber trotz der Verachtung, die aus seinen Worten trieft, knicke ich nicht ein. Ich habe drei Stunden gebraucht, um zu diesem Vorsprechen anzureisen. Der Mann auf dem Sitzplatz neben mir war erkältet, und ich bin mir ziemlich sicher, dass er mich mit seinem Geniese angesteckt hat. Wie aufs Stichwort läuft mir ein Schauer über den Rücken, wobei dafür auch Zimmermans eisiger Blick verantwortlich sein könnte.
»Ja«, quieke ich. Ich hoffe, dass meine Körperhaltung genug Selbstvertrauen ausstrahlt, denn mein Gesichtsausdruck ist in die Tiefen der Hölle gesunken.
Er gluckst. »Wenn ich anfange, auf irgendwelche dahergelaufenen Personen zu hören, lasse ich es Sie wissen. Aber danke für den Lacher. Das habe ich heute wirklich gebraucht.«
Zimmerman geht an sein klingelndes Handy und lässt mich stehen, während er irgendetwas darüber murmelt, nie wieder am Arsch der Welt Castings abhalten zu wollen. Huntsville, Ontario, war die einzige Stadt, in der es ein offenes Vortanzen gab, da Castings in Toronto nur auf Einladung stattfinden. Deshalb musste ich, obwohl ich zwei Stunden zu früh hier war, in der Schlange warten, die sich um das Gebäude herum zog. Als ich es endlich bis zur Tür geschafft hatte, wurde das Vortanzen vorzeitig beendet. Sie machten sich nicht die Mühe, dem Rest von uns einen Ausweichtermin anzubieten.
Ärger macht sich in meinem Bauch breit, während ich ihm dabei zusehe, wie er davongeht. Sein kahler Schädel und die geraden Schultern brennen sich in mein Gedächtnis ein. Wenigstens hat mein Schlafparalyse-Dämon ab sofort eine neue Silhouette.
Ein paar Passanten werfen mir mitleidige Blicke zu, die meine Lage nur noch verschlimmern. Den gleichen Blick habe ich drinnen von der Assistentin des Intendanten bekommen.
Nichts hat sie davon überzeugt, mich vortanzen zu lassen, nicht einmal die Erzählung über meine schreckliche Anreise und schon gar nicht meine Kindheitsgeschichte über meine Liebe zum Ballett. Letztere hat vergangenes Jahr dafür gesorgt, dass ich für ein Winter-Showcase gebucht wurde, weshalb ich mir Hoffnungen gemacht hatte, dass es auch diesmal klappen würde. Allerdings wurde besagtes Showcase an Highschools und Colleges aufgeführt und war keine besonders große Produktion.
»Entschuldigen Sie.« Als mich eine Stimme aus den Gedanken reißt, drehe ich mich zu einer Frau in Blazer und Bleistiftrock um, die mich zu sich heranwinkt. »Ich glaube, Sie haben das hier verloren«, sagt sie und hält mir ein einzelnes Blatt Papier hin.
Ich nehme es ihr ab und sehe meinen Namen in fetten Buchstaben am oberen Rand. »Das ist mein Lebenslauf. Die Assistentin meinte, ich könne ihn an der Rezeption abgeben.«
Da ist er wieder, dieser mitleidige Blick. »Ich habe ihn auf dem Boden neben der Recycling-Tonne gefunden«, sagt sie.
Ihre Worte treffen mich wie eine Rasierklinge ins Herz. Mir entweicht ein Geräusch, halb Wimmern, halb Stöhnen, doch ich setze ein Lächeln auf, um sie davon abzulenken, wie krampfhaft ich meinen Lebenslauf umklammere.
»Wissen Sie«, flüstert sie und scannt vorsichtig unsere Umgebung. »Für das Theater sind diese Auditions eine bloße Formalität. Die meisten Ballerinen, die sie diese Saison angestellt haben, haben eine riesige Fangemeinde in den sozialen Medien.«
Mein Mund verzieht sich vor Schreck. Sie wählen die Tänzerinnen nach ihrer Beliebtheit aus? Inwiefern ist das bitte ethisch vertretbar?
»Sie scheinen eine engagierte Tänzerin zu sein, deshalb wollte ich Sie vorwarnen«, fügt sie hinzu, bevor sie ins Gebäude eilt.
Ihre Vorwarnung sorgt nur dafür, dass sich das Loch in meinen Eingeweiden vergrößert. Meine dreiundneunzig Follower sind gar nichts. Wenn die Auswahl von der Reichweite abhängt, werden sie mich nie für die Rolle in Betracht ziehen. Verzweifelt werfe ich meinen zerknitterten Lebenslauf in den nächstgelegenen Mülleimer und mache mich auf den Weg zum Bahnhof, wobei ich eine Welle von Tränen zurückhalte, die ich erst heute Abend unter der Dusche brechen lassen werde. Erst als mein Handy klingelt, gebe ich mein Bestes, die deprimierenden Gedanken abzuschütteln.
»Ich hab einen Last-Minute-Job für dich.« Die Stimme meines Onkels dringt durch den Lautsprecher.
»Soll ich wieder die Kinder von einem deiner Spieler babysitten? Die sind ja ganz süß, aber letztes Mal hat mich eines gebissen. Davon hab ich immer noch eine Narbe am Finger.«
Nach dem Studium war ich verzweifelt auf der Suche nach einem Job und erlebte ein böses Erwachen, als ich feststellte, dass man auf diesem Markt nicht mal mit einem Wirtschaftsabschluss Karriere machen kann. Ein Hoch auf die Hochschulbildung!
Mein Onkel, der für die NHL arbeitet, hat mir angeboten, während der regulären Saison in seinem Eishockeyteam auszuhelfen. Dazu gehören Babysitting und Hundesitting, und einmal habe ich sogar für das Team gekocht.
Das erste und letzte Mal.
»Diesmal nicht.« Er gluckst. »Wir brauchen eine Tänzerin für unsere Benefizveranstaltung heute Abend. Wir hatten einen kurzfristigen Ausfall, und ich dachte, du würdest dich vielleicht über einen Auftritt freuen, bei dem du das tun kannst, was du liebst.«
Mein Onkel hat mich in meiner Ballettkarriere immer unterstützt. Als ich jünger war, fürchtete ich mich stets davor, in die Menge zu schauen, weil mir die Eltern fehlten, die mich anfeuerten, aber er war immer da.
»Danke, aber ich bin nicht gerade motiviert –«
»Tausend Dollar für einen dreißigminütigen Auftritt.«
Meine Kehle wird trocken, und mir fehlen die Worte. Drei Nullen für eine halbe Stunde meiner Zeit? Ich bin vielleicht entmutigt, aber ganz bestimmt nicht bescheuert.
»Ich komme.«
Meine einzige Einnahmequelle sind derzeit die Ballettkurse, die ich in der Nähe der Universität gebe. Doch auch die bringen meine Karriere nicht voran, denn die Anmeldungen sind peinlich gering. Warum sollte man sein Kind von einer ewigen Solistin unterrichten lassen, wenn man erfahrene Lehrer haben kann, die bereits für zahlreiche Hauptrollen gebucht wurden?
»Ich schick dir die Adresse.«
Kurz darauf suche ich nach dem nächstgelegenen Uber-Fahrer, denn die dreistündige Busfahrt kann ich mir heute nicht noch einmal antun. Außerdem ist das Geld, das ich heute verdienen werde, genug, um diese eine Fahrt zu rechtfertigen.
Notiz an mich selbst: Eine schlechte Situation muss nicht gleich zu einem schlechten Tag werden.
* * *
Einige Stunden tauche ich ins Getuschel hinter der Bühne und die letzten Proben ein und entledige mich zusammen mit meinen Kleidern der Last der Ablehnung des heutigen Tages. Sobald ich in meinen Ballettanzug und meine Spitzenschuhe geschlüpft bin, spüre ich ein Kribbeln, das meinen Körper elektrisiert, während ich auf mein Stichwort warte.
Die ersten zarten Töne von Ravels Boléro dringen an mein Ohr, als ich den anderen Tänzern auf die Bühne folge und meinen Platz hinter der zweiten Reihe finde. Unter den grellen Lichtern, die auf der polierten Holzbühne schimmern, sind vom Publikum nur Umrisse zu erkennen, und schon bin ich in die eine Sache vertieft, die mir immer wieder hilft, dem Alltag zu entfliehen. Meine Gedanken verflüchtigen sich wie Nebel, als ich mich in perfekter Formation mit den anderen Tänzern bewege und jeden Schritt so wiederhole, wie ich ihn erst vor einer Stunde gelernt habe.
Ich habe ein besonderes Talent, mir Schrittfolgen zu merken, was wahrscheinlich der Grund ist, warum mein Onkel so zuversichtlich war, dass ich in letzter Minute einspringen könnte. Ich konzentriere mich auf die Musik, doch mein Blick schweift durch das Publikum, um einen Blick auf ihn zu erhaschen. Vielleicht liegt es an dem achtjährigen Mädchen in mir, aber als ich meinen Onkel links von der Bühne entdecke, nahe genug, dass er trotz der hellen Lichter zu erkennen ist, muss ich lächeln.
Die Gruppe formiert sich zu einem Tableau, und als das Finale naht, stürzen wir uns in Grand Jetés und Hebungen, bis die Bühne nur noch aus wirbelnden Tutus und balancierenden Ballerinen besteht. Der Applaus holt mich in die Realität zurück, und aus irgendeinem Grund hoffe ich, dass Aubrey Zimmerman, wo auch immer er stecken mag, weiß, dass ich nicht so schnell aufgeben werde.
Sobald der Vorhang fällt, werden aufmunternde Worte und High Fives getauscht, und ich verspüre den gleichen Rausch der Aufregung, der mich schon im Alter von acht Jahren eingenommen hat, als ich das Ballett für mich entdeckte.
Bis zu diesem Zeitpunkt hatte ich mich nur darum geschert, dass die Hausarbeit erledigt war und mein jüngerer Bruder Sean alles hatte, was er brauchte. Ich schätze, dieses Verantwortungsgefühl kommt daher, dass ich schon früh sehr reif sein musste. Zumindest hat mir das jeder Erwachsene gesagt, dem ich je begegnet bin. Irgendwann wird einem klar, dass das kein Kompliment ist. Es ist ein Fluch.
In meinem Leben gibt es nur eines, was niemals ein Fluch sein wird: das Ballett.
Als ich jünger war, war der Gang zum Supermarkt in der Nähe unseres Zuhauses der Höhepunkt meiner Sonntage, aber schon bald wurde er zum Beginn meines restlichen Lebens. Die Kasse war immer vollgestopft mit Zeitschriften, auf deren Titelseiten es berühmte Gesichter und den wildesten Klatsch und Tratsch zu entdecken gab. Doch an diesem einen Tag stach ein ganz bestimmtes Magazin aus der Masse hervor. Unter dem Staub und den ausgefransten Rändern der Plastikhülle sah ich ein Poster. Das Poster. Misty Copeland zierte das Cover der neuesten Inszenierung von Schwanensee, elegant und schön wie immer. Da wusste ich es: Wer auch immer sie war und was auch immer sie tat, ich wollte so sein wie sie.
Das Poster hängt bis heute an meiner Wand.
»Sage!« Ich drehe mich um und sehe meinen Onkel die Treppe hinter der Bühne heraufsteigen. »Wenn du so weitertanzt, wollen sie dich bald fest einstellen.«
Ich schüttle den Kopf. »Ich werde sicher keinem armen Mädchen den Job wegnehmen, Onkel Marcus.«
»Ich könnte meine Kontakte spielen lassen«, bietet er an, mit einem Hoffnungsschimmer in den Augen, wie jedes Mal, wenn er versucht, mir zu helfen. Schon mein ganzes Leben lang fühlt sich mein Onkel verpflichtet, für meinen Bruder und mich zu sorgen, aber ich lehne seine Hilfe jedes Mal ab. Wir sind nicht sein Problem, und ich möchte ihm nicht zur Last fallen.
»Das Vortanzen lief super. Bald hab ich den Platz am NBT in der Tasche«, lüge ich.
Sein Lächeln erreicht nicht ganz seine Augen. »Ich habe keine Sekunde an dir gezweifelt.« Sein Handy vibriert, doch er bringt es zum Schweigen. »Zieh dich um, ich besorg dir was zu essen.«
Ich drücke ihn kurz, dann husche ich in den Backstagebereich.
Nachdem ich mich für die Spendengala umgezogen habe, wartet am Tisch meines Onkels ein Teller mit all meinen Lieblingsspeisen auf mich. Erst als ich den Nachschlag verschlungen habe, fällt mir ein, dass ich Sean anrufen muss.
Mein kleiner Bruder lebt ein paar Stunden entfernt auf einem Internat. Die Eingewöhnungsphase war schwierig, und ich habe versprochen, ihn jeden Abend anzurufen. Ich verlasse den Tisch, um ein ruhiges Eck zu finden, doch in dem Moment startet die Auktion und macht es mir praktisch unmöglich.
Draußen schickt der Regen eine kühle Brise über meine erhitzte Haut. Ich trage ein Kleid aus Seide – das einzig schöne, das ich besitze. Es muss ja niemand wissen, dass ich es bereits auf dem Prom anhatte. Und auf meiner Abschlussfeier.
Es klingelt ein paarmal, dann springt die Mailbox an, ein Stich der Enttäuschung bohrt sich in mein Herz. Heute ist bereits der zweite Tag ohne Anruf, und beide Male lag es an meinem beschissenen Zeitmanagement. Kurzerhand tippe ich eine Nachricht.
Bin ich die schlechteste Schwester aller Zeiten? Morgen rufe ich früher an, versprochen. Ich vermisse dich, Kleiner.
Ich starre in den Nachthimmel und versuche, mein Selbstmitleid im Zaum zu halten. In dem Moment bemerke ich in einer dunklen Ecke ein Paar, das sich gerade streitet. Ihre Nähe zueinander suggeriert ein intimes Gespräch, doch der Mann weicht zurück, seine Haltung ist starr und abweisend.
»Ich hab kein Interesse«, sagt er.
Er ist selbstbewusst, aber nicht selbstbewusst genug, um die Frau loszuwerden. Es wirkt, als würde sie seine in sich gekehrte Körpersprache nicht mal bemerken.
Auf keinen Fall sind die beiden ein Paar.
»Nicht mehr lange«, sagt sie mit purer Entschlossenheit in der Stimme.
»Hör zu … Lana, oder?« Sie scheint zu nicken, denn er fährt fort. »Du wirkst ja echt nett, aber ich kenn dich nicht. Dass du einfach so in meinem Hotel und auf meinen Arbeitsveranstaltungen auftauchst, spricht auch nicht gerade für dich.«
Sie lacht. Es ist ein süßes, sanftes Lachen, auf das die meisten Männer wahrscheinlich abfahren würden, doch er steht da wie eine Statue. Sein dunkler Anzug lässt vermuten, dass er für die Toronto Thunder arbeitet, aber seine Größe und sein Körperbau wären eine Verschwendung, wenn er kein Sportler wäre.
»Irgendwann reicht es mit den Spielchen, findest du nicht?«, säuselt sie. Die Frau ist echt schwer von Begriff.
»Ist es auch ein Spiel, mich nackt in meinem Hotelzimmer zu überfallen?«
Entsetzt reiße ich die Augen auf und unterdrücke ein Keuchen.
Lana scheint diese Unterhaltung weniger unangenehm zu sein als mir, denn sie schnaubt. »Weißt du mich ernsthaft zurück?«
Ja! Ich fange das Wort gerade so ab, bevor es mir über die Lippen kommt. Doch als er den Kopf hängen und die Schultern sinken lässt, treiben mich meine Beine nach vorne.
Konfrontationen sind eindeutig nicht seine Stärke. Meine allerdings schon.
Bevor die beiden mich bemerken, öffnen sich mit einem Quietschen die Flügeltüren, und ein schwarz gekleideter Angestellter mit einem Knopf im Ohr tritt heraus.
»Eli, in fünf Minuten bist du dran«, sagt er und winkt ihn herein.
Ich bleibe stehen, und Eli atmet erleichtert auf, bevor er sich an der Frau vorbeidrängt. Dabei fällt sein Blick auf meine erstarrte Gestalt und verweilt für den Bruchteil einer Sekunde, als hätte er soeben bemerkt, dass ich die ganze Zeit gelauscht habe. Dann verschwindet er im Gebäude. Lana beobachtet seinen Rückzug mit einem lodernden Feuer in den Augen, und als unsere Blicke sich kreuzen, drehe ich mich um und schlüpfe ebenfalls durch die Tür. Die Auktion hat bereits begonnen, und gerade als ich mich auf meinen Platz zurückfallen lasse, entschuldigt mein Onkel sich, um auf die Toilette zu gehen. Ich werfe einen Blick nach rechts und ersticke fast an meiner eigenen Spucke.
Aiden Crawford sitzt an meinem Tisch – oder ich sitze an seinem. Wie auch immer, ich flippe aus. Nicht weil ich persönlich Fan bin, sondern weil Sean ausrasten wird, wenn ich ihm davon erzähle. Ich interessiere mich nicht sonderlich für Eishockey, aber da mein Onkel Aiden Crawford so lobt und Sean sich ein Trikot mit seinem Namen zum Geburtstag wünscht, weiß ich, dass er eine große Nummer ist.
»Alles in Ordnung?« Seine tiefe Stimme zwingt mich, ihn wieder anzuschauen, nur um zu sehen, dass er mir ein Glas Wasser hinhält. Ich nicke ein wenig zu energisch und nehme einen Schluck, um mich dahinter zu verstecken.
»Du bist Sage, oder? Marcus hat uns erzählt, dass seine Nichte heute Abend auftritt. Ich bin Aiden.«
Ich schüttle seine ausgestreckte Hand und versuche, mich zu räuspern. »Mein Bruder ist ein großer Fan.«
»Echt?« Er lächelt. »Ich könnte – Scheiße!«
Ich reiße den Kopf hoch, doch Aidens Blick ist auf eine Stelle hinter mir gerichtet. Als ich mich umdrehe, entdecke ich Lana, die Frau von draußen, die ein Bietertäfelchen hält und glücklicher aussieht als noch vor ein paar Minuten.
Der Auktionator lenkt meine Aufmerksamkeit auf die Bühne. »Als Nächstes, liebe Gäste, haben wir ein Date mit Elias Westbrook, dem Verteidiger der Toronto Thunder, im Angebot. Haltet die Tafeln bereit, und lasst uns sehen, wer die glückliche Gewinnerin sein wird!«, fordert er die Interessierten auf, sich zu überbieten.
Ich bin schockiert, als ich den Mann von draußen auf der Bühne ausmache. Seinem angespannten Kiefer und der steifen Körperhaltung nach zu urteilen, hat er sich nicht freiwillig für diese Sache gemeldet.
Laut und aufgeregt schallt die Stimme des Auktionators durch den Saal. »Lasset die Auktion beginnen – wer ist bereit für einen unvergesslichen Abend mit Elias?«
»Sage? Könntest du mir vielleicht einen Gefallen tun?«, fragt Aiden plötzlich.
Ich löse meinen Blick von Elias und begegne Aidens verlegenem Lächeln. Welchen Gefallen könnte ich schon jemandem wie Aiden Crawford tun? »Kommt drauf an, was es ist«, sage ich misstrauisch.
»Das hört sich jetzt verrückt an, aber du musst sie überbieten.« Aiden zeigt auf Lana, und meine Augen weiten sich. Er drückt mir ein Täfelchen in die Hand und tippt etwas in sein Handy, bevor er es mir zeigt. Auf dem Display steht eine Summe. Eine große Summe.
»I-ich«, stottere ich verblüfft. Obwohl die Bitte in Anbetracht dessen, was ich draußen beobachtet habe, wohl nicht ganz abwegig ist.
Seine grünen Augen fixieren mich. »Hör zu, ich hab Eli versprochen, dass ich ihm den Rücken freihalte, und diese Frau darf kein Date mit ihm gewinnen. Sie –«
»Hat ihm in seinem Hotelzimmer aufgelauert?«, frage ich, und er hält inne. »Ich hab draußen ihre Unterhaltung mitbekommen«, füge ich hinzu.
Er lässt die angespannten Schultern sinken. »Gut, du weißt also, dass es übel wäre, wenn sie gewinnen würde. Ich zahl dafür, aber da ich Teil des Verbands bin, darf ich nicht mitbieten. Könntest du das also übernehmen?«, fragt er erneut.
Ich zappele mit dem Täfelchen herum, da ruft Lana: »Zweitausend!«
Hat sie gerade zwei gesagt? Wie in Tausende von Dollar? Der Betrag, den Aiden in sein Handy getippt hat, erscheint mir gar nicht mehr so abwegig. Allerdings bin ich mir nicht sicher, ob mein Mund die motorischen Fähigkeiten besitzt, die nötig sind, um diese Zahl laut auszusprechen.
An einem anderen Tisch tuscheln zwei ältere Frauen, dabei halten sie die Täfelchen in der Hand, als würden sie sich auf einen Krieg vorbereiten. »Zwei zwei«, wirft eine andere in den Raum.
Ein Anflug von Erleichterung kühlt meine Panik, als ich mich an Aiden wende. »Jemand anderes könnte sie überbieten. Er scheint ziemlich beliebt zu sein«, sage ich auf der verzweifelten Suche nach einem Ausweg.
Aiden nickt. »Hoffentlich, aber wenn nicht, dann musst du mitbieten.«
»Zwei fünf«, schreit eine Frau, woraufhin zwei ebenso eifrige Damen auf den Plan treten, um den Betrag zu erhöhen. Mit jeder Steigerung steht mir der Mund etwas weiter offen, und als mir klar wird, dass ich bald mein Täfelchen heben muss, werden meine Handflächen schweißnass.
Der Auktionator wiederholt den letzten Betrag und scannt dabei den Raum nach weiteren Angeboten ab.
»Zwei acht.« Lanas sanfter Stimme wohnt eine Autorität inne, vor der die übereifrigen Damen zurückschrecken. Oh, oh.
»Wow! Zweitausendachthundert Dollar, meine Damen und Herren. Können wir das toppen?«
Elias steht selbstbewusst da, sein dunkles Haar ist perfekt gestylt, und seine muskulöse Gestalt ist in einen teuren Anzug gehüllt. Es ist kein Geheimnis, warum diese Frauen zwei Riesen für ein Abendessen mit ihm hinblättern würden.
Dennoch kann ich die subtile Anspannung in seinem Körper nicht übersehen, die in Wellen von ihm ausgeht. Es gelingt ihm gerade so, geradeaus zu starren und Lanas selbstgefälliges Grinsen zu ignorieren.
»Zum Ersten …«
Aiden stupst mein Täfelchen an, und ich schlucke und suche nach einer Ausrede. »Ich kenne ihn doch nicht mal«, flüstere ich.
»Zum Zweiten …«
»Bitte?« Aiden schenkt mir ein strahlendes Lächeln, bei dem ich nachdenklich auf meiner Lippe kaue. Verdammt, ist er gut.
Ich seufze, denn ich weiß, dass Sean mich ausschimpfen würde, sollte ich mich weigern, seinem Idol aus der Klemme zu helfen. Also schießt mein Arm nach oben. »Fünftausend!«
Elias Westbrook dreht ruckartig den Kopf in meine Richtung. Ich zwinge mich zu einem wackligen Lächeln, als noch mehr Leute mich anstarren, doch ich kann den Blick nicht von den tiefbraunen Augen abwenden, die mich mit Neugier und einem Hauch von Wiedererkennen mustern.
Der Auktionator lässt ganze drei Mal den Blick durch den Raum wandern, bevor er den Hammer schwingt. »Und verkauft an die schöne Frau in Schwarz!«
Ich habe gewonnen. Heilige Scheiße, ich habe gewonnen.
Sie ist definitiv keine Großmutter.
Als ich von der Bühne gehe, rempelt Aiden mich mit der Schulter an. »Hab ich gut gemacht, was?«
Gut?
Ihr braunes Haar ist zu einem Dutt hochgesteckt, eine einzelne Locke umrahmt ihr herzförmiges Gesicht und ihre haselnussbraunen Augen. Ihr Blick huscht umher, als würde sie sich fehl am Platz fühlen – da sind wir schon zwei –, während sie ihre volle Unterlippe zwischen die Zähne zieht. Mein Blick fällt auf den seidigen Stoff ihres schwarzen Kleides, das von zwei dünnen Trägern gehalten wird. Ihre Körperhaltung ist perfekt.
Das ist mir bei einer Frau noch nie aufgefallen, doch ihre aufrechte Haltung betont die Länge ihres Halses und lässt sie auch im Sitzen irgendwie anmutig erscheinen.
Dann richtet sie die hellen Augen auf mich, und ich schaue weg. Ich hätte gar nicht erst hinsehen sollen.
Es ist vier, vielleicht fünf Jahre her, dass mir jemand derart ins Auge gestochen ist, und diese sittsame Frau sollte nicht diejenige sein, die so leicht meine Aufmerksamkeit auf sich zieht. Noch nie bin ich in Versuchung geraten, die Regeln zu brechen, die ich mir selbst auferlegt habe. Nicht mal am College, wo ich praktisch in einem Partyhaus gelebt habe. Aber mein Mund ist immer noch ganz trocken.
»Hättest du nicht jemand anderen finden können?«
Aiden schnaubt. »Ich kann gern deine nicht ganz so heimliche Verehrerin rufen, wenn du dich beschweren willst.«
Ich schüttle den Kopf und vermeide es um jeden Preis, zu Lana hinübersehen, die wahrscheinlich gerade schmollt.
»Du solltest ihr danken. Sie hat dir einen Gefallen getan«, ruft er mir ins Gedächtnis.
Zögernd und mit wild klopfendem Herzen steuere ich auf ihren Tisch zu, doch als Marcus Smith-Beaumont sich auf den Stuhl neben ihr sinken lässt und ihr ein Stück Kuchen reicht, erstarre ich auf der Stelle.
Es kann nicht wahr sein, dass ich es geschafft habe, ein Date mit der einzigen Person zu ergattern, die den Mann zu kennen scheint, der mich zutiefst verabscheut. Ich bin ihm den ganzen Abend aus dem Weg gegangen, und nach der Standpauke, die mir Coach vor einer Stunde verpasst hat, ist klar, dass mir eine weitere droht, sollte Marcus Smith-Beaumont mich entdecken. Und seine wird deutlich unsanfter ausfallen.
Ich drehe mich um und steuere auf direktem Weg die Terrasse an, werde aber von unserem Torwart Socket aufgehalten, der gerade nach seiner Versteigerung von der Bühne kommt. In der Menge steht eine ältere Frau, die ihn eifrig beäugt, und da er winkt und ihr zuzwinkert, nehme ich an, sie ist sein Date.
»Wohin des Weges, Westbrook?«
Ich räuspere mich. »Ich hol mir einen Drink.«
Er hebt eine Augenbraue, aber zum Glück stellt er keine weiteren Fragen und gibt den Weg an die frische Luft frei. Als einer der Kellner mir sein Tablett hinhält, entscheide ich mich für ein Glas Wasser. Ich muss dringend das Feuer ersticken, das droht, meine Eingeweide zu verbrennen.
Die Unterarme auf dem Balkongeländer abgestützt, nippe ich an meinem eisgekühlten Getränk, da tippt mir jemand auf die Schulter. Als ich mich umdrehe, entdecke ich denselben braunen Haarschopf, dasselbe herzförmige Gesicht und dieselben braungrünen Augen, die mir eben schon aufgefallen sind.
Sie lächelt. »Hi, ich bin Sage Beaumont.«
Beaumont? Verdammt, ist Marcus etwa ihr Vater? Ich mache Aiden kalt.
Ich starre auf ihre ausgestreckte Hand, als hätte sie eine ansteckende Krankheit, und sie verweilt einen unangenehmen Moment zu lange in dieser Position.
»Ist dir ein Fistbump lieber?«, bietet sie an und krümmt die Finger, als wäre ich fünf und hätte noch nicht gelernt, wie man jemandem die Hand schüttelt. Wobei, meine zurückhaltende Körpersprache lässt mich wahrscheinlich genau so rüberkommen. Ich habe es immer noch nicht geschafft, mich ihr ganz zuzuwenden, weshalb mein Oberkörper unbeholfen verdreht ist. Die Worte stecken irgendwo in meiner Kehle fest.
Mein Agent Mason muss mir gefolgt sein, denn er eilt mir zu Hilfe, bevor ich meine Stimme wiederfinde. Mit einem abschätzigen Blick mustert er Sage. »Ich bin Mason, und du bist?«
Ihr Lächeln rutscht ihr vom Gesicht, als sie zwischen uns hin und her schaut. »Ernsthaft? Du brauchst deinen Assistenten, um mit mir zu reden?«
Mason tritt einen Schritt nach vorne. »Seinen Agenten, um genau zu sein.«
Sie gibt ein ungläubiges Schnauben von sich. »Na dann, Mason, kannst du deinem Klienten mitteilen, dass ich das nicht für ihn getan habe«, sagt sie. »Sein Freund hat mich um einen Gefallen gebeten, und mein kleiner Bruder ist zufällig ein riesiger Crawford-Fan. Du bist mir also nichts schuldig, schon gar kein Date, Elias.«
Ihre Worte sind scharf, aber die Art, wie sie meinen vollen Namen ausspricht, ist wie ein Pfeil, der ins Schwarze trifft. Niemand nennt mich Elias, weder meine Freunde noch die Fans und schon gar nicht eine Person, die mich gerade erst kennenlernt.
»Ich heiße Eli.«
Sie erstarrt, dann dreht sie sich um und schaut mir direkt ins Gesicht. »Es spricht! Ein Wunder ist geschehen«, ruft sie aus. »Tja, Mason, sieht so aus, als wärst du deinen Job los.«
Mason lacht nicht, ich allerdings schon. Erst wirft er mir einen unbeeindruckten Blick zu, dann Sage, anschließend wendet er sich zum Gehen ab. Ich nehme an, dass er die Bedrohung für ausgeschaltet erklärt hat, denn Sage scheint nicht der Typ Frau zu sein, der dafür sorgen wird, dass mein Name morgen früh die nächste Schlagzeile ziert.
»Danke«, sage ich schließlich.
»Nicht nötig. Ich hab es nicht für dich getan, schon vergessen?«
Als sie sich zum Gehen aufmacht, komme ich mir wie ein Arschloch vor. »Aber ich schulde dir trotzdem ein Date.« Keine Ahnung, warum ich das sage, und ihrem Gesichtsausdruck nach muss sie das Gleiche denken, denn sie zieht verwirrt die Brauen zusammen.
Vor wenigen Sekunden hat sie mir den perfekten Ausweg bereitet, aber ich will nicht, dass sie mich für ein Arschloch hält – nicht nur, weil ich Angst vor Marcus habe, sondern weil sie etwas Nettes für mich getan hat.
»Nein, danke. Ich steh nicht mehr wirklich auf Hockeyspieler, und du hast mich gerade daran erinnert, warum.« Ihre Stimme klingt süß, doch die Beleidigung trifft mich trotzdem.
»Du warst mal mit einem Eishockeyspieler zusammen?«
»Leider«, murmelt sie. »Du bist also aus dem Schneider.«
»Aber das Ganze dient einem wohltätigen Zweck.« Warum kann ich es nicht einfach gut sein lassen?
Ihre Geduld scheint erschöpft zu sein, doch schließlich gibt sie nach. »Von mir aus, du kannst deine Nummer einspeichern.«
Erst als ich ihr Handy in der Hand halte, wird mir klar, was ich hier eigentlich tue, aber ich tippe trotzdem meine Nummer ein.
»Man sieht sich, Elias.« Diesmal korrigiere ich sie nicht, und sie verschwindet durch die Tür.
Um dem nagenden Unwohlsein in meinem Bauch zu entkommen, ziehe ich mein Handy aus der Tasche und sehe, dass es mit Nachrichten aus dem Gruppenchat überflutet ist. Zugunsten der NHL vom College abzugehen, brachte eine große Umstellung mit sich. Aber Aiden und ich hatten bereits im November bei den Thunder unterschrieben, deshalb hatten wir vor Ende des Frühjahrssemesters einen Monat Zeit, um alle unsere Kursarbeiten zu beenden. Obwohl wir Dalton bereits vor ein paar Wochen verlassen haben, fühlt es sich noch immer surreal an, vor allem da wir andauernd von unseren Freunden hören, die noch dort studieren.
Bunny-Patrouille
Dylan Donovan: Schon wieder eine Frau in Elis Hotelzimmer? Ich bin beeindruckt.
Aiden Crawford: Er ist nicht gerade glücklich darüber.
Kian Ishida: In Aidens Hotelzimmer schleicht sich niemand.
Dylan Donovan: Wahrscheinlich, weil sie Angst vor Summer haben.
Kian Ishida: Ich find das alles nicht schlecht. Elis Fanschar hat meinen Account gefunden.
Dylan Donovan: Kian hatte noch nie so viele Frauen in seinen DMs. Gestern Abend hab ich ihn sogar kichern hören.
Aiden Crawford: Gut so. Dann kann er ja aufhören, jede freie Minute damit zu verbringen, meine Freundin zuzutexten.
Kian Ishida: Zu deiner Information: Sunny war zuerst meine Freundin, bevor ihr beide ein Paar wurdet.
Dylan Donovan: Wer stimmt für die Wiedereinführung von Bunny-Patrouille 2.0?
Sebastian Hayes: Ich
Cole Carter: Ich
Aiden Crawford: Ich
Eli Westbrook: Ich
Kian Ishida: Ach, jetzt antwortest du?!
Als Kian herausfand, dass wir einen Gruppenchat ohne ihn führten – genannt Bunny-Patrouille 2.0, Dylans Idee –, hörte er mit dem Schmollen gar nicht mehr auf, also löschten wir den Chat und versprachen, ihn nie wieder auszuschließen.
Dylan und Kian sind Seniors, wurden bisher jedoch nicht von der NHL verpflichtet. Deshalb lassen sie sich bis zum Ende des Jahres Zeit, um ihr Studium abzuschließen, damit ihre Spielerkarrieren keine Lücken aufweisen. Keiner von beiden weiß, für welches Team sie nach dem College spielen werden – oder ob sie überhaupt spielen werden.
Sebastian und Cole sind Juniors und konzentrieren sich auf nichts außer Eishockey und Partys, wie es für Spieler der National Collegiate Athletic Association – kurz: NCAA – eben so üblich ist.
Inzwischen ist das Eis in meinem Wasserglas geschmolzen, und als ich mich gerade wieder auf den Weg nach drinnen mache, um meine Flucht zu organisieren, blinkt auf meinem Handy eine eingehende Nachricht von meiner Bank auf.
Der monatliche Dauerauftrag wurde erfolgreich auf das entsprechende Konto überwiesen, und der Name, der in der Benachrichtigung steht, drückt schwer auf meine Brust. Nicht der Betrag sorgt für ein mulmiges Gefühl, sondern die Erinnerung an die Person, die das Geld erhält. Zu dem in mir aufsteigenden Grauen gesellen sich Schuldgefühle, als ich die aufmunternden Nachrichten meiner Eltern lese, die sie mir nach dem Spiel gestern Abend geschickt haben. Eine weitere Torvorlage, nichts, worauf man stolz sein könnte, und trotzdem feuern sie mich an, als hätte ich den Stanley Cup im Alleingang gewonnen.
Meine Eltern sind gut darin, die Boulevardpresse zu meiden, daher muss ich mir wenigstens keine Sorgen machen, sie könnten etwas Schändliches über mich lesen. Als die ersten verleumderischen Schlagzeilen auftauchten, riefen sie mich sofort an, und ich musste ihnen erklären, dass es sich um den Versuch der Medien handele, sich durch Schockmeldungen Aufmerksamkeit zu verschaffen. Ein äußerst unangenehmes Telefonat, aber besser so, als dass sie glauben, ich wäre in den wenigen Wochen, die ich hier bin, mit halb Toronto ins Bett gestiegen.
Mich erreicht eine weitere Nachricht, diesmal von Aiden, der mir sagt, dass es an der Zeit ist abzuhauen. Ich verschwende keine weitere Sekunde und mache mich auf den Weg zum Ausgang.
»Fünf Minuten.« Die schrille Stimme unseres Bühnenarbeiters erregt meine Aufmerksamkeit, und schon geht ein Licht nach dem anderen an. Die grellen Scheinwerfer tun mir in den Augen weh, und ich spüre, wie mein Hirn neu hochfährt. Der Rest der Tänzerinnen und Tänzer strömt derweil für den ersten Akt auf die Bühne.
Fluchend atme ich tief ein und ziehe die Satinbänder an meinen Spitzenschuhen ein drittes Mal nach. Diese banale Aufgabe ist mir inzwischen in Fleisch und Blut übergegangen, aber heute bin ich mit den Gedanken woanders. Genauer gesagt, bei der Nummer, die in meinem Handy darauf wartet, von mir angerufen zu werden.
Elias Westbrook ist womöglich der erste Mann, den ich nicht sofort gedanklich in seine Einzelteile zerlegen konnte, und diese Tatsache nagt an mir. Bis jetzt kommt er mir leicht neurotisch vor, vielleicht ist er so ein Typ, der sein Zuhause immer ordentlich hält und bei dem alles seinen Platz hat. Sogar für diese kleinen Plastikverschlüsse, mit denen man angebrochene Lebensmittel frisch hält. Wahrscheinlich hat er einen strikten Zeitplan, von dem er nie abweicht, und isst jeden Tag das Gleiche. Haferflocken zum Beispiel.
Gleichzeitig hat er etwas an sich, das suggeriert, ich läge mit meiner Einschätzung komplett daneben, hätte ich ihn nur zu einem anderen Zeitpunkt in seinem Leben kennengelernt. An dieser Stelle stoße ich mit meiner leicht übertriebenen Analyse seines Charakters gegen eine Mauer, und jetzt will meine neugierige Seite so lange herumschnüffeln, bis ich all seine Geheimnisse aufgedeckt habe.
Vielleicht habe ich einen Hang dazu, Menschen, die ich faszinierend finde, Schicht für Schicht zu entblättern. Zum Teil liegt das an der Fülle meiner eigenen Probleme. Vaterkomplex? Mutterkomplex? Älteste-Tochter-Komplex? Sucht euch was aus.
Seit der Spendenaktion sind zwei Tage vergangen, und der Rookie ist in meinem Kopf noch immer präsent. Obwohl ich meine Lektion in Sachen Sportler gelernt habe, als ich Owen Hart gedatet habe.
Owen und ich lernten uns im ersten Studienjahr kennen und waren bis zu meinem zweiten Jahr zusammen. Als ich am Seneca College in Toronto studierte, wurde er vom Entwicklungsteam der Vancouver Vultures unter Vertrag genommen. Die letzte Hälfte unserer enttäuschenden Beziehung war daher eine Fernbeziehung.
Owen wollte, dass ich ihm nach Vancouver folge, aber ich würde nie Sean zurücklassen. Also entschied ich mich für ein Studium an einem billigeren örtlichen College, nachdem ich für Seans erstes Jahr an der York Prep bezahlt hatte. Sobald mein Onkel erfuhr, dass ich an der University of Toronto angenommen wurde, bot er mir an, für unser beider Studium zu bezahlen. Dass er für mich bezahlt, konnte ich nicht annehmen. Aber selbst mein Dickkopf ließ nicht zu, dass ich sein Angebot, Sean zu helfen, ablehnte. Dank der Hilfe meines Onkels kam ich außerdem in einem der schmuddeligen Studierendenwohnheime unter, anstatt für eine Unterkunft außerhalb des Campus meinen letzten Penny zusammenkratzen zu müssen.
Das letzte Jahr meiner Beziehung mit Owen war für mich der Knackpunkt, denn durch die große Entfernung wurde er herrisch und kontrollierend. Es gefiel ihm nicht, wie viel Zeit ich dem Ballett oder Sean widmete. Gleichzeitig hielt Owen sein Streben nach einer Karriere im Eishockey für absolut vernünftig, obwohl er nicht mal in ein richtiges Team berufen wurde. Er ist der Grund dafür, dass ich während unserer On-off-Beziehung am College keine Freundschaften geschlossen habe. Sogar meine Mitbewohnerin bat um ein neues Wohnheimzimmer, nachdem sie uns jede Nacht am Telefon streiten hörte.
Für manche wäre die Trennung wohl noch frisch, immerhin liegt sie erst ein paar Monate zurück, aber ich will mit jeder Faser meines Seins nach vorne blicken. Ich würde nicht behaupten, dass ich aktiv eine Trennung durchlebe, doch vielleicht würde eine Therapeutin das entkräften und mir sagen, dass es keine gesunde Bewältigungsstrategie ist, wöchentlich in seiner rostigen Dusche zu weinen. Aber ich weine nicht wegen ihm.
Mit jemandem auf ein Date zu gehen, der, offen gesagt, der heißeste Typ ist, dessen Nummer ich je in meinem Handy gespeichert hatte, scheint mir also eine gute Idee zu sein.
»Beeil dich, Beaumont«, fordert die Intendantin.
Ich reiße mich aus meiner Träumerei und reihe mich in meinen Spitzenschuhen neben den anderen Tänzerinnen und Tänzern ein. Als Solistin nehme ich jede sich mir bietende Rolle an, um als Ballerina aktiv zu bleiben. Als meine alte Ballettlehrerin mich für einen Gastauftritt als Titania in der jährlichen Sommernachtstraum-Aufführung ihres Ensembles einlud, konnte ich daher nicht ablehnen. Heute findet die erste der Schulaufführungen statt, die wir vor unserem großen Auftritt zur Übung nutzen. Es ist nichts Besonderes, und ich werde auch nicht dafür bezahlt, aber es hilft mir, motiviert zu bleiben.
Den Blick nach vorne gerichtet, warte ich auf meinen Einsatz, während zwei der Haupttänzer, die Hermia und Lysander spielen, ihre Abfolge beenden. Und da sehe ich ihn.
Marcus Smith-Beaumont sitzt im Publikum und beobachtet die Aufführung mit einem zärtlichen Lächeln und einem stolzen Glanz in den Augen, der mich gegen das Brennen in meinen eigenen Augen ankämpfen lässt.
Die Rolle der Titania, Königin der Feen, ist ätherisch und besteht darin, dass sie durch einen Liebestrank in einen Zauber verwickelt wird, bei dem sie sich in Zettel, eine Figur mit Eselskopf, verliebt. Unser Pas de deux ist romantisch, trotz seines Eselskostüms, das die Lacher des Publikums auf sich zieht. Meine Brust hebt und senkt sich schnell, als wir unsere letzten Schritte im Ensembletanz ausführen und der Akt zu Ende geht, woraufhin sich der Vorhang schließt.
Den Rest der Vorstellung verfolge ich auf dem Monitor hinter der Bühne. Mir juckt es in den Fingern, mein unbequemes Outfit auszuziehen, das meine Kopfschmerzen verstärkt, und als einer der Tänzer mir eine Schmerztablette anbietet, nehme ich sie an. Sobald der letzte Akt zu Ende geht, kehren wir alle auf die Bühne zurück, um uns zu verbeugen.
Kurz nachdem wir uns endlich aus unseren engen Kostümen geschält haben, steckt die Intendantin den Kopf in die Umkleide. »Trinkt was, dann gehen wir meine Anmerkungen durch.«
Nachdem ich mein Haar gelöst, den Großteil meines Make-ups abgewischt und mir die restlichen Edelsteine vom Gesicht gepult habe, mache ich mich auf, um ihr Feedback entgegenzunehmen.
Ein Mangel an musikalischer Phrasierung, Ausdruck und Koordination scheinen die größten Kritikpunkte zu sein.
»Sage, du musst dich für ein Gefühl entscheiden und dabei bleiben. Entweder hypnotisiert, vernarrt oder verspielt – deine Entscheidung.« Schnellen Schrittes geht sie weiter, und ich mache mir eine mentale Notiz, meinen nächsten Einsatz entsprechend anzupassen.
Als ich durch die Metalltüren an die warme Nachmittagsluft trete, entdecke ich meinen Onkel bei seinem Auto am Ende des Parkplatzes. Sobald ich ihn erreiche, zieht er mich in eine begeisterte Umarmung. In solchen Momenten denke ich nicht über ein Paralleluniversum nach, in dem meine gesamte Familie im Publikum sitzen würde, um mich anzufeuern und mit Blumen zu erwarten. Der Schmerz ihrer Abwesenheit ist so greifbar, dass selbst das Heraufbeschwören eines fiktiven Szenarios mich nicht davon ablenken kann.
Die jüngste Erinnerung, die mich jede Nacht vor dem Einschlafen verfolgt, stammt aus der Zeit, als ich vierzehn war. Ich nahm einen nicht ganz legalen Job als Tellerwäscherin im örtlichen Café an, um meine Ballettstunden zu finanzieren, und versteckte meinen Verdienst unter meinem Bett. Als ich gerade genug für ein neues Paar Spitzenschuhe gespart hatte, die mir nicht bei jedem Plié Blasen an den Zehen verursachten, sowie für einen Ballettanzug, der meinem wachsenden Körper passte, verlor ich alles, zusammen mit meinen Eltern. Das Einzige, was blieb, waren die schwere Last der Enttäuschung, die auf meine Brust drückte, und ein verstaubter Pappkarton.
»Du warst fantastisch. So gut wie noch nie«, sagt mein Onkel.
»Das sagst du jedes Mal.«
Er gluckst und zuckt unschuldig mit den Schultern. »Dieses Mal war irgendetwas anders an dir. Als hättest du etwas zu beweisen gehabt.« Sein Blick durchbohrt mich.
Ich konzentriere mich darauf, die blauen Lidschattenflecken an meinen Fingern abzurubbeln. Um der Befragung über meine Lebensentscheidungen zu entgehen, ziehe ich mein Handy heraus und entschuldige mich für einen Moment. Keine Ahnung, ob ich leichtsinnig oder impulsiv bin, aber ich wähle die Nummer, die mir schon den ganzen Tag im Kopf herumspukt.
Es klingelt ein paarmal, doch als endlich abgenommen wird, erklingt nicht die Stimme des Rookies.
»Hallo, kann ich bitte mit Elias sprechen?«, frage ich unbeholfen.
»Wer spricht bitte?«, fragt die kehlige Stimme, die mir irgendwie bekannt vorkommt. Der Kerl klingt ruppig und erschöpft, als hätte er den ganzen Tag Anrufe entgegengenommen und ich hätte ihn zufällig nach einem besonders schlimmen erwischt.
»Sage«, antworte ich. »Elias hat mir diese Nummer bei der Spendenaktion gegeben.«
Es entsteht eine Pause, und das Rascheln von Papier ist zu hören. »Auktionsmädchen. Ja, hier ist Mason, sein Agent.«
Mich überschwemmt eine Welle des Ärgers. Er hat mir die Nummer seines Agenten gegeben? Das kann ja wohl nicht sein Ernst sein. Erst besteht er darauf, das Date mit mir durchzuziehen, und jetzt zerstört er das letzte bisschen Hoffnung, das ich für ihn gehegt habe.
»Könnten Sie ihm bitte das Telefon geben?«, murmle ich.
»Nein. Er trainiert heute in der Arena. Da hast du leider Pech, Kleine.«
Die herablassende Antwort zehrt an meinen Nerven.
»Ich kann ihm eine Nachricht schicken und ein Gespräch vereinbaren, vorausgesetzt, er will mit dir korrespondieren.«
»Nein, ist schon gut.« Ich lege auf, und ein unruhiges Feuer lodert unter meinen Rippen. Ich wende mich an meinen Onkel, der bei seinem Auto steht. »Kannst du mich mitnehmen?«
Die Überraschung steht ihm ins Gesicht geschrieben, immerhin bestehe ich sonst immer darauf, den Bus zu nehmen. Je weniger ich mich auf Menschen verlasse, desto seltener werde ich enttäuscht.
»Klar, aber ich muss erst in der Arena vorbeischauen«, sagt er schnell.
Ich lächle. »Genau das hatte ich gehofft.«
Beim Fahren hört er einen Radiosender, der nur Oldies spielt, und schon bald kann ich die blau-weißen Lichter der Arena ausmachen, die die Innenstadt erhellen.
Er fährt auf einen Mitarbeiterparkplatz in der Tiefgarage, dann dreht er sich zu mir. »Willst du hier warten oder mit hochkommen?«
»Ich komme mit hoch. Es wäre schön, mal wieder deine Kolleginnen und Kollegen zu sehen.« Und einen gewissen Eishockeyspieler.
Wir nehmen den Aufzug nach oben und gehen direkt ins Büro meines Onkels. Während er eine Akte studiert, tue ich so, als würde ich mich für die Zeitungsartikel interessieren, die eingerahmt an seinen Wänden hängen. Die Stanley-Cup-Siege der Thunder, die Berichte über Seans Jugendliga und meine erste Ballettkritik. Als mein Onkel sich seinem Computer zuwendet, gehe ich langsam zurück zur Tür.
»Die Toilette ist doch hier ums Eck, oder?«
Er nickt abwesend, also schleiche ich mich aus seinem Büro und den Flur entlang.
Entschlossen gehe ich in Richtung Umkleidekabine, in der sich die Jungs nach dem Training aufhalten. Die Flure sind menschenleer, mir begegnet nicht mal jemand vom Sicherheitsdienst. Ich stürme durch die Tür der Umkleide, denn nicht mal der Anblick der nackten Jungs, die über meine plötzliche Ankunft erschrecken, kann mich aus der Ruhe bringen.
Nur eine Handvoll Spieler ist noch da, und unter ihnen erkenne ich Socket, den Torwart, der mich anglotzt. Ich mache mir nicht die Mühe, den Raum weiter abzusuchen, mein Ziel fällt mir schnell ins Auge – die etwas zu langen Haare im Nacken und die unverkennbar breiten Schultern sprechen für sich. Er wühlt konzentriert in seiner Sporttasche und bemerkt mich nicht.
»Du.« Ich zeige auf Elias’ nackten Rücken, bin jedoch nicht auf die nasse Brust vorbereitet, die sich mir offenbart, als er sich zu mir umdreht. Wassertropfen gleiten über seine glatte Haut, und wie in Trance beobachte ich ihren Abstieg. Sie verschwinden in der Spur aus Haaren unter seinem Bauchnabel und sickern in das Handtuch, das er um seine Taille gewickelt hat.
Irgendwie gelingt es mir, meinen Blick auf eine weniger heikle Stelle zu lenken, zum Beispiel auf sein Gesicht, aber das ist genauso ablenkend. Das nasse Haar klebt ihm in der Stirn, seine gepflegten Brauen wölben sich sanft über seinen Augen, und sogar seine schmale Nase ist seltsam perfekt, obwohl die bei Eishockeyspielern selten unversehrt bleibt.
Elias’ Blick gleitet an mir herab. Er schaut nur kurz weg, um über die Schulter zu seinen halb nackten Teamkollegen zu blicken, die auf meinen unerbittlich auf ihn gerichteten Finger starren.
Die Stille wird immer unangenehmer.
Endlich finde ich meine Stimme wieder. »Lässt du Mason deine ganze Drecksarbeit erledigen?«
Er zieht die dunklen Brauen zusammen. »Was?«
Unglaublich. »Dein Agent? Bei der Auktion hast du seine Nummer in mein Handy getippt, weil du zu viel Schiss hattest, mich einfach wie ein anständiger Mensch abzuweisen.«
Seine Mannschaftskameraden, von denen ich einige kennengelernt habe, als ich meinen Onkel in der Arena besucht oder einen der Gelegenheitsjobs angenommen habe, geben missbilligende Geräusche von sich.
Elias’ Adamsapfel hüpfen zu sehen, gießt ein kühles Gefühl der Befriedigung auf das Feuer, das eben noch unter meinen Rippen loderte. Der Teil von mir, der sich gefragt hat, ob er sich überhaupt an meinen Namen erinnert, löst sich in Luft auf, als er sich mit einer Hand peinlich berührt den Nacken reibt.
»Können wir draußen reden?«, fragt er.
Ich nicke, da ich verstehe, dass es nicht der beste Zeitpunkt für eine Konfrontation ist, wenn man halb nackt vor einem ebenso entblößten Publikum steht. Leid tut es mir allerdings nicht.
Ich verlasse die Umkleide, laufe im Flur auf und ab und hoffe, dass mein Onkel mich nicht entdeckt.
Gerade als ich am Wasserspender einen Schluck trinke, ertönt hinter mir Elias’ Stimme. »Du hast jedes Recht, wütend zu sein, Sage.«