Spuk auf Burg Dohlenfels - Marcel Naas - E-Book

Spuk auf Burg Dohlenfels E-Book

Marcel Naas

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Beschreibung

»Spukt es auf Burg Dohlenfels?«, fragen sich die MounTeens, denn aus dem verschütteten Verlies der Ruine dringen unheimliche Geräusche. Kurz darauf sorgen in Bad Lärchenberg zwei Einbrüche für Aufregung. Alles dreht sich offenbar um ein lange vermisstes goldenes Kreuz. Entschlossen nehmen die MounTeens die Ermittlungen auf und erhalten dabei Hilfe von Mia, der Nichte des Pfarrers. Welches Geheimnis birgt die Ruine? Und können die MounTeens dem Spuk ein Ende bereiten?

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Seitenzahl: 159

Veröffentlichungsjahr: 2024

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Band 7

Impressum

Copyright © 2024 boox-verlag, Urnäsch

Alle Rechte vorbehalten

Coverillustration und Covergestaltung: Natalie Behle

Innenillustrationen: Tael Gomes

Korrektorat: Beat Zaugg

ISBN

978-3-906037-90-5 (ebook)

Auch erhältlich als:

978-3-906037-89-9 (Hardcover)

978-3-906037-91-2 (Taschenbuch)

MounTeens ist eine eingetragene Marke von Feigenwinter Strategy & Creation

www.boox-verlag.ch

(Mit 1% seiner Einnahmen unterstützt der Verlag eine Umweltschutzorganisation)

Marcel Naas

Spuk auf Burg Dohlenfels

Der siebte Fall für die MounTeens

boox-verlag

Für Elin

Inhalt

DIE MOUNTEENS SIND …

GRUSELIGE ÜBERRASCHUNG

UND ES SPUKT DOCH …

KUSSHAND UND HANDYKUSS

ES IST EIN KREUZ!

EINBRUCH FÜR EIN BUCH?

EIN DUBIOSES PAAR

FINGERZEIG AUF FINGERNAGEL

HYSTERISCHER HISTORIKER

DIEBIN ODER OPFER?

MUND ZU MUND

KREUZEHRLICH ODER KREUZFALSCH?

DOPPELT BESCHATTET

WENN SICH RACHE RÄCHT …

GRABESSTILLE

ZU KREUZE GEKROCHEN

LETZTE WORTE ZUM KREUZRÄTSEL

Die MounTeens sind …

Sam

Samuel Winter, von seinen Freunden Sam genannt, ist für seine dreizehn Jahre groß, kräftig und ein richtig guter Sportler. Er ist stets voller Tatendrang, wagemutig und besitzt einen ausgeprägten Sinn für Gerechtigkeit. Vielleicht liegt das ja daran, dass sein Vater, Wachtmeister Jan Winter, als leitender Polizist in Bad Lärchenberg arbeitet.

Seine Mutter Sarah ist Englischlehrerin im örtlichen Sportgymnasium und hofft insgeheim, dass sich Sam in der Schule noch etwas mehr anstrengt, um nicht nur im Eishockey erfolgreich zu sein. Sam hat wilde blonde Locken und blaue Augen. Die vereinzelten Sommersprossen und sein spitzbübisches Lächeln machen ihn unwiderstehlich sympathisch. Sam ist selbstbewusst, spontan und unbekümmert, sodass er sich oft ohne zu überlegen in neue Abenteuer stürzt.

Lena

Lena Sander ist blitzgescheit und gilt als Denkerin der MounTeens. Gemeinsam mit ihren Freunden besucht sie die siebte Klasse in Bad Lärchenberg, wobei sie den Schulstoff eher als lästige Pflicht sieht. Viel lieber stillt sie ihren großen Wissensdurst, indem sie in ihrer Freizeit das Internet nach allen möglichen Informationen durchsucht. Mit ihren schulterlangen, roten Haaren, der frechen schwarzen Hornbrille und ihrem leicht spöttisch wirkenden Gesichtsausdruck gilt Lena als pfiffiger, kaum zu bändigender Wirbelwind. Was andere über sie denken, kümmert sie wenig. Das zeigt sich auch in ihrem ausgefallenen Kleidungsstil. Sie legt sich – zumindest mit Worten – mit jedem an und ist dabei nicht auf den Mund gefallen. Ihre Mutter, Anna Sander, ist alleinerziehend und als Tourismusdirektorin von Bad Lärchenberg zeitlich stark beansprucht, weshalb Lena viele Freiheiten genießt.

Matteo

Matteo Bertone, kurz »Berti«, ist ausgesprochen hartnäckig – und dies nicht nur beim Fußballspielen, wenn er dem Ball nachjagt. Auch bei den MounTeens kann er sich so richtig in einen Fall verbeißen. Besonders auffallend ist Matteos positive Ausstrahlung – sein allzeit spürbarer Optimismus und die ansteckend gute Laune, welche seine Freunde Matteos italienischen Wurzeln zuschreiben. Mit seinem wachen Blick, den dunkelbraunen Augen und seiner temperamentvollen Art versprüht Matteo jedenfalls viel Charme. Als Einziger der MounTeens wohnt Matteo nicht in Bad Lärchenberg, sondern mitten im Ski- und Wandergebiet, da seine Eltern Claudio und Monica Bertone das Hotel Regina auf der Lärchenalp führen. Matteos Bruder Diego ist bereits achtzehn, was ihn aber nicht daran hindert, seinen Bruder und die MounTeens immer wieder mal tatkräftig zu unterstützen.

Amélie

Amélie Richard ist humorvoll und unkompliziert. Ihr Lachen steckt an und macht sie, gepaart mit ihrer herzlichen Art, zur unverzichtbaren »Seele« der MounTeens. Amélie ist sehr sportlich, was wenig verwundert, da ihr Vater Tim Richard im Winter als Skilehrer und im Sommer als Bademeister in Bad Lärchenberg arbeitet.

Ihrer Mutter Lou Richard hilft sie manchmal im familieneigenen Friseurgeschäft, weshalb sie über Klatsch und Tratsch in der kleinen Bergstadt gut informiert ist. Amélie hat lange blonde Haare, blaue Augen und ist wie alle MounTeens dreizehn Jahre alt. Mit ihrer eher zurückhaltenden und bisweilen ängstlichen Art weckt sie den Beschützerinstinkt der Jungs – insbesondere jenen von Sam. Mit allen MounTeens verbindet sie eine enge Freundschaft, wobei sie sich selbst nicht sicher ist, ob der Begriff »Freundschaft« ihre Gefühle für Sam wirklich treffend beschreibt …

Gruselige Überraschung

Blutrot verabschiedete sich der schwüle Sommertag am Horizont. Die MounTeens saßen auf einer der noch intakten Mauern von Burg Dohlenfels und ließen ihre Füße baumeln. Fasziniert beobachteten sie, wie sich der Abendhimmel immer intensiver färbte, bis sich schließlich die Nacht über das Tal legte und die Luft merklich kühler wurde.

Amélie schmiegte sich an Sam und genoss neben seiner Nähe auch die Wärme, die sich tagsüber in den Steinen der Ruine gespeichert hatte und selbst durch die Kleider spürbar war.

Sam wagte kaum, sich zu bewegen. So viel ungezwungene Berührung hatte es zwischen Amélie und ihm noch selten gegeben, stellte er fest. Ob sie jetzt tatsächlich ein Paar waren, auch wenn sie einander nie gefragt hatten? Jedenfalls würde er sich hüten, nun eine falsche Bewegung zu machen. Amélies Kopf an seiner Schulter fühlte sich großartig an. Er konnte sogar den Duft ihrer Haare riechen. Sam blickte hinunter auf Bad Lärchenberg, wo nach und nach die Lichter angegangen waren. Von hier oben, knapp hundert Höhenmeter über der Alpenstadt, ließ sich deutlich erkennen, wo um halb zehn Uhr abends noch etwas los war. Der kleine Bergsee, an dem sich tagsüber Erholungssuchende und Sportbegeisterte tummelten, lag nun dunkel und verlassen da. Auch das Thermalbad und das Sportzentrum, wo man das ganze Jahr eislaufen konnte, waren verwaist. Stattdessen drängten sich Einheimische und Gäste durch die hell erleuchtete Fußgängerzone zwischen Bahnhof und Kongresszentrum. Vermutlich versuchten sie, an einem der draußen aufgestellten Tische noch einen freien Platz zu ergattern, dachte Sam. Vor allem die Bars und Restaurants rund um die Kirche waren äußerst beliebt, wie er selbst von hier oben erkannte.

»Endlich Sommerferien!«, murmelte Amélie.

»Und es ist sogar erst Freitagabend vor den Sommerferien«, frohlockte Matteo. »Die schulfreien Wochen haben also noch nicht einmal begonnen.«

»Cool, dass es geklappt hat mit unserer gemeinsamen Übernachtung hier auf der Ruine!«, sagte Lena. Sie rückte auf der Mauer nach hinten, zog die Beine an und legte ihre Arme um die Knie. »Hätte allerdings nicht gedacht, dass ich nach so einem heißen Tag am Abend frösteln würde.«

»Das muss an der unheimlichen Umgebung liegen.« Amélie löste sich von Sams Schulter und setzte sich auf. »Wusstet ihr eigentlich, dass es der Sage nach hier oben auf Burg Dohlenfels spuken soll?«

»Welche Sage?«, fragte Sam neugierig, obwohl es ihm einen Stich ins Herz versetzt hatte, dass der romantische Moment so schnell vorbei war. Konnte Amélie nicht wenigstens heute noch ihre Zweisamkeit genießen? Bereits morgen wäre sie ja weg. Familienferien in Frankreich – bloß eine Woche, aber Sam wusste, dass Amélie ihm fehlen würde.

»Du kennst sie nicht?«, antwortete Lena. »Die Sage von Burg Dohlenfels wird bei uns doch schon kleinen Kindern erzählt.«

Sam schüttelte den Kopf. »Ich habe noch nie davon gehört, aber legt mal los. Hoffentlich ist es eine Gruselgeschichte. Die liebe ich.«

»Seht ihr die Dohlen dort?« Amélie zeigte auf einen Schwarm Vögel, der sich auf den obersten Zinnen der ehemaligen Burg niedergelassen hatte. »Manche sagen, dass ihr Krächzen nichts anderes sei als die Schreie der hier Gefolterten.«

»Um Himmels willen«, entfuhr es Matteo. »Wer wurde denn hier gefoltert?«

»Hexen«, sagte Lena fast tonlos. »Im Mittelalter wurden viele Frauen, die den Machthabern nicht geheuer waren, als Hexen bezeichnet. Meist warf man ihnen Zauberei oder einen Pakt mit dem Teufel vor. Manche waren aber weise Kräuterfrauen und kannten sich mit Heilpflanzen aus. Von Zauberei keine Spur. Anderen Frauen wurde vorgeworfen, sie hätten Tiere oder die Ernte vergiftet. Man berichtete, sie beim Hexentanz oder auf Besen fliegend gesehen zu haben.« Lena senkte die Stimme. »So auch hier. Im Jahre 1567, als eine Dürre sogar die Mächtigen sterben ließ, brauchte es Schuldige. Man hat deshalb vier alleinstehenden Frauen, die unterhalb der Burg nach Kräutern gesucht haben, Hexerei vorgeworfen und ihnen den Prozess gemacht. Die Frauen wurden hier oben gefoltert und schließlich auf dem Scheiterhaufen verbrannt.«

Sam schluckte leer. Das alles war ungeheuerlich.

»Man erzählt sich, dass die Schreie der Frauen bis hinunter ins Städtchen zu hören waren«, fuhr Lena grimmig fort. »Und als die Schreie verstummten, sind kurz nach dem Tod der angeblichen Hexen vier Dohlen aufgetaucht.«

»Du meinst, vorher gab es hier keine Dohlen?«, fragte Matteo, dessen zunehmendes Unbehagen spürbar war.

»Nein.« Lenas Stimme klang unheilvoll. »Die Dohlen tauchten erst nachher auf und galten fortan als Zeugen der Toten.« Sie schaute in die Runde, dann setzte sie zum Finale an. »Man sagt, dass seither im Krächzen der Dohlen von Burg Dohlenfels die Klagen der Toten zu hören seien und nachts deren Seelen durch die Ruinen streifen.«

»Das hättest du auch sagen können, bevor wir beschlossen, hier zu übernachten.« Sam lachte nervös. Beim Anblick des aufflatternden Vogelschwarms blieb ihm das Lachen aber jäh im Halse stecken.

Das Krächzen einer Dohle durchschnitt die Stille.

Die MounTeens fuhren zusammen.

»Bestimmt bloß ein Zufall«, versuchte Sam die anderen zu beruhigen.

»Ich glaube nicht an Zufälle«, erwiderte Amélie leise.

Weitere Vögel krächzten.

Matteo schauderte. »Sind das vielleicht die Stimmen der vier Hexen?«

Der Lärm schwoll an.

Lena sprang von der Mauer und zeigte zu einem der noch fast intakten Türme. »Das scheint von dort drüben zu kommen. Lasst uns nachsehen.«

Sam rutschte das Herz in die Hose. Alles hätte er vorgeschlagen, bloß das nicht, aber wenn Lena so viel Mut hatte, wollte er auf keinen Fall Schwäche zeigen. »Ja, auf zum Turm«, sagte er etwas ängstlicher als geplant.

Die MounTeens folgten den Schreien der Dohlen. Als sie beim gähnend schwarzen Eingang zum Turm angekommen waren, veränderte sich das Gekrächze plötzlich.

»Hört ihr das auch?«, fragte Sam mit weit aufgerissenen Augen.

»Frau…en…stimm…en!«, stotterte Matteo. Er machte einen Schritt rückwärts.

»Was sagen sie?«, zischte Amélie.

»RACHE!«, forderte eine krächzende Stimme, die man unter anderen Umständen auch mit dem Schrei einer Dohle hätte verwechseln können.

»Die … wollen … Rache«, stammelte Sam. Alles in ihm schrie nach Flucht. Nur mit größter Selbstbeherrschung blieb er stehen. Verwundert beobachtete er, wie Amélie ihren Fuß auf die erste Stufe des Turmaufgangs setzte. Ihr schien der Hexenspuk weniger Angst einzujagen als ihm. Er schluckte leer, nahm seinen ganzen Mut zusammen und stieg hinter den anderen die steinerne Treppe hoch.

»WER WAGT ES, UNSERE TOTENRUHE ZU STÖREN?«, krächzte die Stimme nun.

»Schnell weg hier!« In Matteos Augen blitzte Panik auf.

Lena hielt ihn zurück. »Komm!«, drängte sie. »Die Dohlen müssen hier oben bei den Turmzinnen sitzen.«

Sam und Matteo sahen sich an. Was war bloß in die Mädchen gefahren? Fürchteten die sich nicht?

»Weshalb zögerst du, Sam?«, fragte Amélie. »Gehen wir dem Spuk auf den Grund oder nicht?«

Matteo und Sam gaben sich einen Ruck. Sie waren ja nicht umsonst Teil einer Detektivbande, die sich nicht so schnell einschüchtern ließ. Also weiter!

»Könnt ihr vorgehen, Jungs?«, bat Lena.

Mit Genugtuung stellte Sam fest, dass er offenbar doch nicht der Einzige war, dem der Schreck in die Glieder gefahren war. Gemeinsam mit Matteo nahm er die letzte Stufe zur obersten Plattform des Turms.

Keine Spur von Dohlen oder Gespenstern!

Im Schein von Sams Taschenlampe schlichen die MounTeens vorsichtig den zerfallenen Zinnen entlang. Sie folgten einem der noch gut erhaltenen Wehrgänge hinüber zum anderen Turm, der allerdings zur Hälfte eingestürzt war.

»MÖRDER!«, schrie es plötzlich direkt vor ihnen.

Instinktiv warfen sich Sam und Matteo zu Boden, während sich Amélie und Lena an die Mauer drückten.

Am ganzen Körper zitternd stemmte sich Sam hoch, um zwischen zwei Zinnen über den Rand der Mauer zu schauen. »Woher kam das?«

Matteo rappelte sich neben ihm auf, bevor er in eine kleine Maueröffnung griff und einen etwa dreißig Zentimeter langen, zylindrischen Gegenstand herauszog.

Fassungslos starrte Sam auf Matteos seltsamen Fund, dann begriff er.

Die Mädchen prusteten los. »Eure Gesichter hättet ihr sehen müssen!« Sie hielten sich die Bäuche vor Lachen.

»Hexendohlen!«, gluckste Lena. »Ich kann nicht mehr! Ihr glaubt aber auch echt alles!«

Sam und Matteo konnten ihren Blick noch immer nicht vom kabellosen Lautsprecher lösen. Nur langsam beruhigte sich ihr Herzschlag, während die Hände weiterhin zitterten.

»Ihr Hexen!«, flüsterte Matteo schließlich und schaute die Mädchen kopfschüttelnd an.

Amélie grinste schuldbewusst. »Na ja, so eine Burgnacht brauchte natürlich ein bisschen Vorbereitung.«

»Hereingelegt habt ihr uns!« Sam lächelte erleichtert. Er konnte den Mädchen nicht böse sein. »Habt ihr das alles erfunden oder gibt es die Sage wirklich?«

»Der Streich war Lenas Idee.« Amélie legte Sam und Matteo entschuldigend die Hand auf die Schulter. »Die Geschichte haben wir uns dann zusammen ausgedacht.«

»UND VIEL SPAß BEI DER AUFNAHME GEHABT«, ergänzte Lena krächzend, sodass die Jungs nochmals kurz zusammenzuckten. Lena zeigte auf ihr Handy. »Wir haben erst das Krächzen von Dohlen aufgenommen und dann so circa im Minutentakt die gesprochenen Worte hineingemixt. Heute Abend war alles eine Frage des Timings und es hat wunderbar geklappt.«

»Wann habt ihr den Lautsprecher hier platziert?«, fragte Matteo, dessen Angst mittlerweile in Bewunderung für den gelungenen Scherz umgeschlagen war.

»Vorher, als ihr unser Schlaflager neben dem Turm eingerichtet habt, musste ich doch mal für kleine Mädchen.« Lena zwinkerte Matteo zu. »Das war gelogen. Ich habe den Lautsprecher hier deponiert, darauf geachtet, dass wir uns später nicht weiter als zwanzig Meter entfernt auf die Mauer setzten und dann im richtigen Moment die Aufnahme abgespielt.«

»Der Lautsprecher war die ganze Zeit über mit Lenas Handy verbunden«, erklärte Amélie. »Wir wollten aber warten, bis die Dunkelheit einsetzt, damit es etwas gruseliger wird.«

»Das ist euch gelungen«, gab Sam zu. »Ich hatte echt Angst und habe mich gewundert, weshalb ihr euch kaum gegruselt habt. Aber auf einen von euch versteckten Lautsprecher wäre ich nicht gekommen.«

»Wir tun es nie wieder!«, sagte Lena mit gespieltem Ernst, während sie demonstrativ ihre Finger kreuzte, um den anderen zu zeigen, dass sie jederzeit mit einem neuen Streich rechnen mussten.

»Lasst uns zum Lagerplatz hinübergehen«, schlug Amélie vor. »Ich bin müde.«

»Keine Ahnung, ob ich noch schlafen kann«, scherzte Sam. Die MounTeens hatten die Treppe erreicht und stiegen vom Turm hinunter.

»Dafür gibt es eine einfache Lösung.« Lenas ironischer Unterton war unüberhörbar. Kurz überlegte sie sich, ob sie den frechen Spruch nicht machen sollte, dann gewann ihre unbekümmerte Seite die Oberhand. »Am besten hält dich Amélie einfach die ganze Nacht fest.«

Matteo lachte, während Sam und Amélie peinlich berührt schwiegen und froh waren, dass in der Dunkelheit niemand sah, wie ihnen die Röte ins Gesicht gestiegen war.

Wenig später lagen die MounTeens in ihren Schlafsäcken gleich neben dem eingestürzten Turm, wo sie zwischen zwei Mauern ein windgeschütztes Plätzchen im Gras gefunden hatten.

Amélie schaute hinauf in den dunklen Nachthimmel. Schon eindrücklich, wie gut man die Milchstraße und unzählige Sterne sehen konnte, wenn es nicht so viele störende Lichtquellen wie sonst gab. Sie sog die kühle Luft ein. Es roch nach Gras, leicht faulig nach alten Mauern und ein bisschen auch prickelnd frisch nach Sam, der gleich neben ihr lag. Sie schloss die Augen, vergegenwärtigte sich den Duft seines Deos und Duschmittels von irgendeiner berühmten Sportmarke und dachte an vergangene Abenteuer mit den MounTeens.

Vor all die aufregenden Erlebnisse schoben sich dabei immer wieder die Bilder von kurzen romantischen Momenten mit Sam. Amélie lächelte und spürte ein Kribbeln im Bauch, wie sie es noch nie gefühlt hatte, dann lauschte sie Sams regelmäßigen Atemzügen, bevor sie selbst einschlief.

Und es spukt doch …

Matteo schreckte hoch. Weshalb war er aufgewacht? Er sah sich um – alles dunkel. Mit pochendem Herzen legte er sich wieder hin und horchte in die Stille. Seine Freunde hatten offenbar nichts gehört. Ihm war aber, als hätte ihn ein Geräusch geweckt. Vielleicht war es ja nur eine krächzende Dohle gewesen, dachte Matteo, der beim Gedanken an den Streich vom Vorabend trotz seiner Anspannung grinsen musste. Er schloss die Augen und war gerade kurz davor, wieder einzuschlafen, als er das Geräusch hörte: ein dumpfes Klopfen in unregelmäßigen Abständen. War es nur ein Specht oder spukte es in den Gemäuern eben doch? Er setzte sich auf, zog sich Hose und Pullover über, bevor er in seine Schuhe schlüpfte und sich vorsichtig von den anderen wegschlich. Sie mussten ja nicht unbedingt aufwachen, nur weil er ein Angsthase war, dachte er sich. Matteo warf einen Blick aufs Display seines Handys. Vier Uhr neunzehn. Am Horizont waren erste helle Vorzeichen des anbrechenden Morgens zu sehen. Es würde erneut einen wolkenlosen Tag geben, stellte Matteo fest und bewegte sich in Richtung des Klopfens. Es schien aus dem Innern des noch intakten Turms zu kommen. Matteo zögerte. Wenn er nun bloß nicht wieder auf einen von Lenas Scherzen hereinfiel! Aber nein, die anderen schliefen ja, wie er kurz zuvor festgestellt hatte. Vorsichtig ging Matteo weiter. Jetzt, wo er allein unterwegs war, wirkte der türlose, dunkle Eingang zum Turm noch bedrohlicher. Er dachte mit einem Schaudern daran, wie sie am Vorabend den Lautsprechertönen gefolgt waren. Die Schießscharten im Turm erinnerten Matteo an zusammengekniffene, gefährliche Augen. Und der Eingang glich dem Schlund eines gierigen Raubtiers, das bereit war, alle unvorsichtigen Opfer zu verschlingen. Einen Moment lang zögerte Matteo, dann trat er durch das steinerne Eingangstor.

Ein Knacken ließ ihm das Blut in den Adern gefrieren. Was war das gewesen? Nur ein morsches Stück Holz unter seinen Sohlen oder war er nicht allein hier? Hastig tastete er sich zu einer Ecke des Raumes und blieb mit Blick Richtung Eingang stehen. So war er nicht zu sehen, konnte aber selbst jede Bewegung gut ausmachen. Wenn jemand vorbeischlich, würde sich die Silhouette der Person gegen den etwas helleren Nachthimmel abzeichnen, dachte Matteo und konzentrierte sich auf das Eingangstor, durch das er vor wenigen Sekunden getreten war.

Da war das Klopfen wieder! Lauter als zuvor, stellte Matteo fest, aber noch immer so dumpf, dass es nicht aus dem Turm stammen konnte, in dessen Erdgeschoß er sich befand. Vielmehr klang es so, als würde das Geräusch aus dem Untergrund kommen. Matteo kniete sich hin und legte das Ohr auf den Boden. Tatsächlich! Wie ein Schlossgespenst, das im Keller herumpolterte, dachte er und merkte, wie sich seine Nackenhaare sträubten.

Aus den Augenwinkeln nahm er eine Bewegung wahr. Schnell drehte er den Kopf zur Seite. Alles sah aus wie vorher. Aber war da nicht jemand vorbeigehuscht? Lautlos stand Matteo auf und drückte sich in die dunkle Ecke. Mit pochendem Herzen konzentrierte er sich auf den Eingang. Vor dem heller werdenden Morgenhimmel zeichneten sich schwarze Baumwipfel ab, die sich sacht im Wind bewegten. Hatte er sich davon täuschen lassen? Sein Puls beruhigte sich wieder.

Alles bloß eingebildet, sagte er sich und löste sich langsam von der Wand. Gerade als er sich Richtung Ausgang aufmachen wollte, sah er beim Türrahmen erneut einen Schatten.

Matteo erstarrte. Diesmal war er sich ganz sicher, dass soeben jemand den Kopf um die Ecke gestreckt hatte. Seine Gedanken überschlugen sich. Er musste fliehen!

Der Ausgang kam nicht in Frage, also blieb nur die Möglichkeit, die Treppen hochzurennen. Seine Augen hatten sich mittlerweile so weit an die Dunkelheit gewöhnt, dass er es wagen konnte.

Er sprintete los.

Vom Eingang her blitzte eine Taschenlampe auf. Das grelle Licht blendete Matteo, sein rechter Fuß blieb an einem großen Stein hängen und er fiel der Länge nach hin.

Panisch versuchte er, sich aufzurappeln, doch es war zu spät. Schnelle Schritte hatten sich ihm genähert und er spürte eine Hand auf der Schulter.

»Matteo?«, hörte er Sam sagen. »Was in Teufels Namen tust du hier?«

»Sam?«, presste er hervor. »Warum erschreckst du mich so?«