Spy School - In geheimer Mission - Jonas Boets - E-Book

Spy School - In geheimer Mission E-Book

Jonas Boets

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Beschreibung

Ein Held der Extra-Klasse: Sam Smith ist da!

Der 12-jährige Sam Smith ist ein ganz normaler Junge. Aber genau das qualifiziert ihn als Schüler der internationalen Agentenschule in London – denn, wem nützt schon ein Geheimagent, der jedem sofort auffällt? Und so findet sich Sam plötzlich im aufregendsten Abenteuer seines Lebens wieder, lernt Verfolgungs- und Vermummungstechnik, Bombendemontieren und Wie-befreie-ich-mich-aus-einer-verzwickten-Lage-Strategien. Als dann der Sohn des Direktors entführt wird, ist Sam das erste Mal unterwegs: In geheimer Mission!

Action, Spannung und Abenteuer von der ersten bis zur letzten Seite!

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Seitenzahl: 281

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Autor

Jonas Boets war immer schon ein großer Fan der Bücher von Anthony Horowitz. Diese und die James-Bond-Filme sowie »Mission Impossible« haben ihn zu seiner Serie Spy School inspiriert. Jonas Boets hat darüber hinaus etliche erfolgreiche Thriller für Jugendliche veröffentlicht.

Von Jonas Boets sind bei cbt erschienen:

Spy School – Diamantenfieber (Band 2)

Spy School – Giftige Dosis (Band 3)

Spy School – Operation schwarzer Regen (Band 4)

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JONASBOETS

In geheimer Mission

Aus dem Niederländischen von Verena Kiefer

Der Inhalt dieses E-Books ist urheberrechtlich geschützt und enthält technische Sicherungsmaßnahmen gegen unbefugte Nutzung. Die Entfernung dieser Sicherung sowie die Nutzung durch unbefugte Verarbeitung, Vervielfältigung, Verbreitung oder öffentliche Zugänglichmachung, insbesondere in elektronischer Form, ist untersagt und kann straf- und zivilrechtliche Sanktionen nach sich ziehen.

Der Verlag behält sich die Verwertung der urheberrechtlich geschützten Inhalte dieses Werkes für Zwecke des Text- und Data-Minings nach § 44 b UrhG ausdrücklich vor.Jegliche unbefugte Nutzung ist hiermit ausgeschlossen.

© 2006 der niederländischen Originalausgabe: Jonas Boets

Die Originalausgabe erschien 2006 unter dem Titel »Sam Smith«

bei Uitgerverij Manteau, Antwerpen

© 2012 für die deutschsprachige Ausgabe

cbt Kinder- und Jugendbuchverlag

in der Penguin Random House Verlagsgruppe GmbH,

Neumarkter Straße 28, 81673 München

Alle deutschsprachigen Rechte vorbehalten

Übersetzung: Verena Kiefer

Covergestaltung: Guter Punkt

Covermotive: iStockphoto (geengraphy, yanik88, Timothy, Stocksnapper)

skn · Herstellung: lw

Satz und E-Book-Konvertierung: GGP-Media GmbH, Pößneck

ISBN 978-3-641-30605-2V001

www.cbj-verlag.de

Inhalt

1 Normal auf der ganzen Linie

2 Die grauen Herren

3 Der Kandidat

4 Die Spy School

5 Wie man sich aus misslichen Lagen befreit

6 Bombenalarm

7 Das Rattennest

8 Ausgetrickst

9 Unter Verdacht

10 Top-Tricks

11 Spurensuche

12 Erwischt

13 Verfolger und Verfolgte

14 Herausgefordert

15 Gegner unter sich

16 Die Prüfung – Tag 1

17 Der Clou

18 Die Prüfung – Tag 2

19 Der Anschlag

20 Bonnie & Clyde

21 Sieg auf der ganzen Linie

1

Normal auf der ganzen Linie

»Wie war’s heute in der Schule?«

»Normal.«

»›Lief die Prüfung denn einigermaßen gut?«

»Ja, war ganz okay.«

»Viel zu tun für morgen?«

»Ziemlich.«

»Na, dann fang mal schnell an, wir essen in einer Stunde.«

Sam seufzte, schulterte seine Tasche und polterte die Treppe zu seinem Zimmer hinauf. So war es jeden Tag: Seine Mutter bekundete Interesse an den schulischen Aktivitäten ihres Sohnes und er antwortete immer mit denselben nichtssagenden kurzen Sätzen.

Sam war ein stinknormaler Junge. Er hatte ganz normale kurze braune Haare und mindestens ebenso normale blaue Augen. Er war weder besonders groß, noch besonders klein. Er besuchte eine ganz normale Schule mit lauter ganz normalen Schülern. Seine Noten waren nicht schlecht, aber auch nicht besonders gut. Sam hatte ein paar ganz normale Freunde, die ab und zu bei ihm vorbeikamen. Er mochte Fußball, war aber kein richtiger Fan, er spielte es manchmal, gehörte aber weder zu den Stars noch zu den Loosern. Das war es dann auch schon mit Sams Hobbys. Er sah einige Stunden pro Tag fern, wie man das eben so macht.

Sams Eltern waren schon seit ihrem Hochzeitstag ganz normal. Wahrscheinlich waren beide zuvor schon so gewesen, aber daran konnte sich niemand mehr erinnern. John Smith arbeitete als Vertreter für einen großen Seifenfabrikanten. Er fuhr tagelang in seinem ganz normalen Familienauto herum, um seine Produkte in Friseurgeschäften zu vertreiben – »Meine Liebe, wissen Sie, dass unser neustes Wash & Grow Shampoo beides enthält, Conditioner und Haarwuchsmittel? Noch bevor die Kunden den Laden verlassen haben, stehen sie wieder vor Ihrer Tür!«-.

Marie Smith – sie hatte ihren Mädchennamen Jones nach der Heirat sofort aufgegeben, weil er zu normal war –, führte ein Leben als Vollzeit-Hausfrau. Sie wusch, kochte, putzte und schaute sich Soaps an. Alle zwei Tage wurde das Haus von oben bis unten geschrubbt und jeden Abend stand das Essen dampfend auf dem Tisch, wenn Sohn und Ehemann nach einem Tag harter Arbeit nach Hause kamen. Außer am ersten Donnerstag des Monats: Da hatte Frau Smith ihren Frauenabend mit Freundinnen, und die Männer mussten sich ihr Essen selbst in der Mikrowelle aufwärmen. Vater und Sohn nutzten diese Gelegenheit immer und genossen sie ausgiebig: Mutter wusste nicht, dass sie jeden ersten Donnerstag im Monat auf dem Sofa rumlümmelten und vor dem Fernseher aßen.

Sam beförderte seine Schultasche in die Zimmerecke. Er hatte keine Hausaufgaben für den nächsten Tag zu erledigen, doch er wollte seine Mutter nicht verwirren. Vor einem Jahr hatte er einmal zum Spaß gesagt, er hätte eine Klassenarbeit versiebt. Diese Hiobsbotschaft hatte seine Mutter so aus der Bahn geworfen, dass sie wochenlang Spülmittel statt Olivenöl benutzte, um das Gemüse zu dünsten. Mit ein wenig Pfeffer und Salz gar nicht so übel, aber nach einem Monat hatte Sams Vater beschlossen, das Olivenöl in die Spülmittelflasche um-zufüllen, bis seine Frau diesen Scherz verdaut hatte.

Jetzt würde Sam bis zur Essenszeit einfach noch eine Stunde in seinem Zimmer auf dem Bett liegen und Comics lesen. Dann würde seine Mutter fragen, ob er seine Hausaufgaben schon gemacht habe. Er würde wie immer Ja sagen, woraufhin seine Mutter ihrem Mann wieder einmal mitteilen würde, was für einen schlauen Sohn sie doch hatten. Dann würde sie das Essen austeilen und Herrn Smith fragen, wie sein Tag gewesen sei. Der würde seinerseits einige seiner Meinung nach beste Anekdoten des Tages erzählen – »Ruft diese Friseurin mich an, um mir zu sagen, ich hätte einen Karton in ihrem Laden vergessen! Musste ich noch einmal ganz zurückfahren, man macht schon was mit!« –, wonach die Mahlzeit stillschweigend beendet werden würde. Jeden Tag, jede Woche, jedes Jahr aufs Neue.

Sam wünschte, sein Leben wäre nicht so stink-normal. Manchmal träumte er, dass seine Eltern nicht seine leiblichen wären und seine echten Eltern Zauberer, die von dunklen Mächten ermordet wurden. Und dass er danach von einer Pflegefamilie aufgenommen worden sei, doch bald zu einer Zauberschule geschickt werden würde, um in die Fußstapfen seiner Eltern zu treten.

»Sam, das Essen ist fertig!«, rief Frau Smith.

Vielleicht hatten sie ihn ja auch bei der Geburt vertauscht und in Wirklichkeit war er der Sohn zweier reicher Geschäftsleute. Dann bekäme er tausend Mal so viel Taschengeld wie jetzt, und könnte alles kaufen, was sein Herz begehrte. Vielleicht … Er schlenderte die Treppe hinunter und begab sich langsam ins Wohnzimmer. Keine hypermodernen Möbel zu entdecken, aber auch keine antiken. Ganz normale Selbstbau-Schränke, wie man sie überall findet. Auf den Schränken standen Fotos von jedem Familienmitglied: lachende Gesichter. Eine glückliche Familie.

Herr Smith war mittlerweile nach Hause gekommen und hatte es sich mit der Zeitung in seinem Sessel bequem gemacht. Mit einem kurzen Nicken begrüßte er seinen Sohn und blätterte dann weiter in seiner Tageszeitung. »Premierminister verweigert Kauf neuer Kampfhubschrauber«, lautete die Überschrift. Sam nahm einen Stuhl und setzte sich an den Tisch. Seine Mutter schwankte ins Zimmer, in den Händen einen großen und offensichtlich schweren Topf. Mit letzter Kraft stellte sie ihn auf den Tisch und wischte sich den Schweiß von der Stirn.

»Na, Junge«, sagte sie, »hast du deine Hausaufgaben schon gemacht?«

2

Die grauen Herren

Es war ein frischer Frühlingstag in London. Ein unangenehmer Nieselregen – man spürt ihn nicht, wird aber trotzdem nass – benetzte einen Mann, der schnellen Schritts durch die Straßen ging. Er war ganz in Grau gekleidet. Mantel, Anzug, Schuhe – alles grau, sodass er bei diesem Wetter kaum auffiel. Vor einem großen, grauen Gebäude blieb er stehen. Fenster waren nicht zu entdecken, die Fassade bestand aus einer einzigen grauen Fläche, nur von einer kleinen Pforte durchbrochen, die wohl als Eingang diente.

Der Mann klopfte: einmal, Pause, zweimal schnell hintereinander, Pause und noch ein Klopfen. Wie ein verabredeter Code. Ein kleiner Sehschlitz öffnete sich und zwei Augen musterten ihn.

»Parole?«

»Wer nicht weg ist, wird nicht immer gesehen.«

Das Portal schwang auf und der graue Mann betrat eine Halle. Der Pförtner, der ihn eingelassen hatte, war kräftig gebaut und trug eine graue Uniform. Nachdem er das Tor hinter dem Besucher abgeschlossen hatte, setzte er sich an den Schreibtisch, um in der neusten Ausgabe eines Gala-Magazins weiterzulesen.

»Na, Herr Summer, Sie sind bestimmt hier, um einen neuen Kandidaten vorzuschlagen?«, fragte er.

»So ist es, mein lieber Herr Portman, und einen sehr geeigneten, möchte ich wohl sagen«, antwortete der Mann. »Ich glaube, dieses Mal wird Autumn ihn nicht ablehnen können.«

»Ich hoffe es für Sie, in den letzten Monaten war er ja ungeheuer wählerisch. Es wird gemunkelt, er will die Schule so wieder ganz an die Spitze bringen.«

»Das habe ich auch gehört. Das ist ja ein nobles Ansinnen, aber wenn er so weitermacht, haben wir bald zwar eine Eliteschule, nur leider ohne Schüler.«

Summer entfernte sich einige Schritte von Portman und drückte die Aufzugtaste. »Aber wie gesagt, ich bin davon überzeugt, dass mein Kandidat zugelassen wird. Ihnen noch einen angenehmen Tag, Herr Portman«, sagte Summer und bestieg den Lift.

Summer fuhr in den vierten Stock. Dort stieg er aus und begann seinen Weg durch ein Labyrinth steri-ler Flure. Vor einer Tür mit dem Schild Autumn, Präsident & Generaldirektor blieb er stehen. Er klopfte leise und fast augenblicklich rief eine barsche Stimme »He-rein«.

Summer drückte die Tür auf und betrat das Büro seines Vorgesetzten. Der Raum war wie das übrige Ge-bäude eingerichtet. Oder besser: wie das übrige Gebäu-de nicht eingerichtet. Das Zimmer war bis auf einen Schreibtisch vollkommen leer. Die Wände waren grau und kahl. Hinter dem Schreibtisch saß ein kleiner Mann mit einer viel zu großen Brille. An seinem Hinterkopf zeigten sich bereits erste Spuren von Haar-ausfall. Zum Glück hatte er einen Stuhl, der nach Wunsch in eine höhere oder tiefere Position gebracht werden konnte, sonst hätte er kaum über die Tischkante blicken können. Sein Anzug war grau. Bei Summers Anblick breitete sich ein Lächeln auf seinem Gesicht aus.

»So, so, Summer, da bist du also wieder mal. Du wirkst verändert, hast du deinen Schnurrbart abrasiert? Nein, warte, du hattest nie einen. Aber irgendetwas ist anders. Neuer Mantel? Neue Schuhe? Oder warst du beim Friseur?«

Summer schüttelte den Kopf. Autumn inspizierte Summer etwas gründlicher.

»Ah, jetzt hab ich es: Du hast so ein seltsames Glitzern in den Augen. Das hab ich schon seit Jahren nicht mehr an dir gesehen. Zweifelsohne hast du gute Nachrichten für mich?«

Summer nickte zustimmend.

»Aber setz dich, mein lieber Summer. Oh nein, da ist kein Stuhl. Na, dann bleib doch einfach gemütlich stehen. Nun, erzähl, was verschafft mir die Ehre?«

Summer war das Geplapper seines Chefs bereits gewohnt. Der Mann verbrachte so viele einsame Stunden in seinem Büro, dass er jeden menschlichen Kontakt nutzte, um seine Gedanken mitzuteilen. Noch bevor Summer antworten konnte, begann Autumn erneut: »Summer, trödele nicht so herum, ich habe doch nicht den ganzen Tag Zeit! Und selbst wenn dem so wäre, würde ich sie bestimmt nicht damit verbringen wollen zu warten, bis du etwas sagst. Ich könnte mir eine Million Sachen ausdenken, die ich lieber täte, als auf deine Mitteilung zu warten. Ach, was sage ich, eine Milliarde!«

Summer war clever genug, seinem Vorgesetzten so schnell wie möglich das Wort abzuschneiden.

»Der Grund, weshalb ich hier bin, Herr Präsident-Generaldirektor, ist, dass ich einen neuen Kandidaten für die Spy School vorschlagen möchte. Ich glaube, dass er Ihnen aufs Vortrefflichste gefallen wird und …«

Noch bevor er seinen Satz beenden konnte, hatte Autumn ihn schon unterbrochen.

»So, so, ein neuer Kandidat, das sind gute Neuigkeiten. Momentan scheint es fast, als traute sich niemand mehr, noch jemanden vorzuschlagen. Man könnte fast meinen, unsere Mitarbeiter scheuten sich, zu mir zu kommen. Bin ich denn so kritisch? Nein, oder? Also ein neuer Kandidat, Summer; versuch mich zu überzeugen.«

Summer schluckte kurz und zog nach ein wenig He-rumkramen einige Dokumente aus seiner Aktentasche. Bevor sein Chef zu einem neuen Wortschwall ansetzen konnte, begann er seine Erörterung.

»Nun, der Junge, den ich für die Spy School vorschlagen möchte, heißt Sam Smith. Zunächst einmal prädes-tiniert ihn schon sein Name: Smith, wunderbar neutral und unauffällig …«

»Du wagst es, jemanden vorzuschlagen, weil er einen passenden Namen hat?« Autumn musste sich sehr be-herrschen, um nicht gleich laut loszupoltern.

»Moment, Moment. Sein Name ist längst nicht alles«, nahm Summer seine Präsentation wieder auf, »ich erwähnte ihn nur als hübsche Dreingabe.«

»Hm. Gut, weiter, aber fass dich kurz.«

Summer reichte Autumn die Dokumente, wischte sich den Schweiß von der Stirn und begann wieder zu sprechen.

»Okay, also Sam Smith: ein stinknormaler Junge, kurze, braune Haare, mittelmäßige Schulnoten, in nichts herausragend, wenige Freunde und ganz normale Eltern. Kurzum, er hat das passende Profil.«

»Alles gut und schön, aber solche Kinder gibt es millionenfach. Was sage ich, milliardenfach! Was macht diesen Sam Smith anders als die anderen? Warum sollten wir ihn an unserer Schule zulassen?«

Autumn machte schon Anstalten, Summers Papiere durch den Reißwolf neben seinem Schreibtisch zu schicken.

»Ich beobachte ihn nun seit einem Monat und spüre, dass er etwas Besonderes hat. Dieser Junge weiß zwar, dass er ein stinknormaler Junge ist, aber er hadert da-mit von ganzem Herzen. Er weiß nur nicht, wie er eine Veränderung erreichen kann. Gib ihm eine Chance und er wird sie mit beiden Händen ergreifen. In ihm schlummert diese Leidenschaft etwas zu bewirken, diese Leidenschaft, die ihn meiner Ansicht nach als Kandidaten für die SpySchool geradezu unumgänglich macht.«

Autumn lehnte sich in seinem Stuhl zurück und starrte vor sich hin.

Summer wusste nicht, ob sein Chef über seinen Vorschlag nachdachte oder darüber, was er am Abend essen sollte. Autumn konnte zu den unpassendsten Augenblicken von Essen träumen.

Nach einer Weile hob Autumn den Kopf und sah Summer ins Gesicht.

»Ich muss ehrlich zugeben, dass ich nicht ganz von Sam Smiths Kandidatur überzeugt bin. Aber weil die Spy School durchaus einen neuen Schüler gebrauchen kann, und du der Einzige in diesem ganzen Gebäude bist, der mich noch nie enttäuscht hat, habe ich beschlossen, dem Jungen eine Chance zu geben. Allerdings unter Vorbehalt und auf deine Verantwortung. Ich hoffe, dass dich deine Intuition nicht im Stich gelassen hat, Summer, denn ich würde ungern einen meiner besten Mitarbeiter verlieren. Lass alles bei Herrn April, damit er die notwendigen Formulare ausfüllen kann. Danach nimmst du am besten Spring mit, um den Jungen abzuholen. Der Kollege kann ein wenig frische Luft gut gebrauchen, der arme Teufel sitzt schon wochenlang hier und arbeitet an dem Bericht über seine Operation in Weißrussland. Bombenanschläge verhindern kann er wie kein anderer, aber tippen mit mehr als zwei Fingern ist ihm nicht gegeben. In Ordnung, Summer, du kannst gehen.«

Autumn wartete, bis Summer sein Büro verlassen hatte und rief dann seine Frau an, um ihr zu sagen, sie solle für den Abend Schnitzel zubereiten.

3

Der Kandidat

»Sam, warte!«

Sam drehte sich um und sah David Toile auf sich zu rennen. Das Gesicht seines blonden Klassenkameraden war gerötet vom Laufen.

»Du hast es ja vielleicht eilig, Mensch. Ist es okay, wenn ich mit dir nach Hause gehe?«

Sam hatte kein Problem damit und die beiden Jungen schlenderten schweigend durch die Straße. Es war Freitag nach Schulschluss und die meisten Schüler machten zu diesem Zeitpunkt eifrig Pläne fürs Wochenende, aber Sam nicht. Wahrscheinlich würde er wie immer ein wenig für dieSchule lernen und vor allem viel fernsehen. Und Sonntag natürlich Oma besuchen. David versuchte, das Schweigen zu durchbrechen und riss ihn aus seinen Überlegungen.

»Und, wie war dein Zeugnis?«

»Hm, nicht überwältigend, aber auch keine Fünf. Und bei dir?«

»Sechs ungenügend. Aber ich hab zu Hause einfach keine Ruhe zum Lernen.«

Sam war vage über die Familiensituation bei den Toiles im Bilde. An der Schule war bekannt, dass Davids Vater im Rollstuhl saß und seine Mutter die meiste Zeit mit der Situation überfordert und depressiv war. Deshalb musste David immer wieder mit einspringen und einen guten Teil der Last mittragen. Plötzlich verlangsamte Sam seinen Schritt und drehte sich um.

»Was ist?«, fragte David.

»Ich weiß nicht. Ich habe das Gefühl, dass uns jemand folgt, seit wir dieSchule verlassen haben. Aber das bild ich mir wahrscheinlich nur ein.«

»Natürlich. Wer sollte dir schon nachspionieren?«

»Du hast recht. Ist sicher meine Fantasie.«

Sam schaute sich noch einmal kurz um und beschloss dann, einfach David zu folgen, der unterdessen schon weitergelaufen war.

»Er passt tatsächlich ins Profil«, sagte Spring, »aber bist du sicher, dass du deine Karriere für ihn aufs Spiel setzen willst?«

Spring und Summer saßen in einem alten grauen Mercedes und schauten zu, wie Sam und David die Straße hinunter gingen. Es war schon einige Jahre her, seit sie zuletzt gemeinsam an einem Auftrag gearbeitet hatten. Summer genoss es, noch einmal mit seinem Partner unterwegs zu sein. Weil es in den letzten Jahren kaum noch Agenten gab, mussten sie zunehmend allein arbeiten. Es wurde Zeit für einen starken neuen Jahrgang.

»Wenn man nicht bereit ist, Risiken einzugehen, kommt man nicht weit in diesem Beruf, das weißt du so gut wie ich, Spring. Ich bin davon überzeugt, dass der Junge es hat. Ich weiß nicht genau, warum, aber meine Intuition hat mich noch nicht oft im Stich gelassen.«

»Bis auf dieses eine Mal in Rumänien, weißt du noch? Da warst du davon überzeugt, dass es eine Bombe im Regierungsgebäude geben müsste. Eine Woche lang haben wir ein ganzes Viertel geräumt und das Alltagsleben vollkommen zum Erliegen gebracht, aber zu einer Explosion kam es nicht. Ich weiß noch, dass ich am Ende der Woche wünschte, diese verfluchte Bombe ginge endlich hoch, damit wir weg könnten. Ich habe mich damals ganz schön weit aus dem Fenster lehnen müssen, damit du deine Stelle behältst.«

Summer wurde nicht gern an diesen Vorfall erinnert. Er war noch immer sicher, dass es eine Bombe gegeben hatte, die nur zufällig nie explodiert war. Ein kleiner Fehler im Zündmechanismus oder so. Die rumänische Regierung sollte nur aufpassen, vielleicht würde die Bombe zehn Jahre später ja doch noch hochgehen. Er wechselte das Thema, als er sah, wie sich Sam umdrehte und die Umgebung musterte.

»Hast du das gesehen? Der Junge weiß, dass er verfolgt wird. Diese Eigenschaft wird ihm in seiner Ausbildung dienlich sein. Ich habe es dir gesagt: Der Bursche hat was.«

»Hm. Und wie ist das mit dem Freund, der da bei ihm ist?«

»David Toile. Kein Problem, ihre Gespräche drehen sich nur um schulische Aktivitäten. David kennt Sam nicht besonders gut, sie wohnen zufällig in derselben Gegend. Es gibt nur drei Jungs, die Sam ab und zu besuchen, aber auch von dieser Seite droht keine Gefahr. Sie werden Sam nicht sofort vermissen, wenn er ein Weilchen verschwindet. Dann suchen sie sich einfach einen anderen Klassenkameraden, um sich die Zeit zu vertreiben. Ich sage doch, er hat das perfekte Profil.«

»Und die Eltern?«

»Ein einfacher Vertreter und eine Hausfrau, beide ohne Geschwister, darüber brauchen wir uns also keine Sorgen zu machen. Von den Eltern lebt nur noch ihre Mutter, aber die hat ein Gedächtnis wie ein Sieb. Wenn sie Sam eine Woche lang nicht sieht, hat sie schon vergessen, dass sie überhaupt einen Enkel hatte.«

»Und was, wenn Sam sich weigert?«

»Wird er nicht. Darf er nicht. Wie ich April kenne, ist der Brief an seinen Direktor wegen des Schulwechsels schon unterwegs und der Name Sam Smith beim Einwohnermeldeamt bereits gestrichen. Wir können nicht mehr zurück, aber mein Gefühl sagt mir, dass das auch nicht notwendig sein wird.«

»Ich hoffe es für dich. Wird dieser David Toile Sam den ganzen Weg begleiten oder läuft er auch noch ein Stückchen allein?«

»Gleich trennen sich ihre Wege und dann greifen wir uns Sam. Bist du bereit?«

»Jederzeit.«

»Bis Montag!«

»Alles klar, viel Spaß am Wochenende!«

Sam schaute David noch kurz nach und bog dann nach links in seine Straße ab. »Viel Spaß«, yeah right, genau das hatte sein Leben ja auch zu bieten. Aber das konnte David ja nicht wissen, dazu kannte er ihn zu wenig. Wie ihn alle zu wenig kannten.

Wieder hatte er das Gefühl, verfolgt zu werden. Beim Blick über die Schulter entdeckte Sam einen grauen Mercedes, der langsam in die Straße einbog. Normalerweise hätte er ihn nicht beachtet, aber wegen des selt-samen Gefühls, das ihn beschlich, beobachtete er den Wagen weiterhin aus dem Augenwinkel. Der Mercedes überholte ihn und stoppte nach einigen Metern. Sam ging ein Stückchen weiter und erschrak, als plötzlich eine der Wagentüren aufschwang und eine Hand ihm winkte. Neugierig und mit klopfendem Herzen trat er näher. Aus dem Wagen erklang eine leise Stimme: »Guten Tag, Herr Smith, würden Sie bitte einsteigen?«

Sam ließ sich auf die Rückbank des Wagens fallen. Trotz der reichlich ungewöhnlichen Situation hatte er keine Angst. Seine Neugier war viel größer. Neben ihm saß ein Mann und ein weiterer lenkte den Wagen. Sie trugen graue Anzüge und irgendwie vermittelte ihm das ein vertrautes Gefühl. Grau war die Farbe seines Lebens.

»Ich freue mich, Sie endlich zu treffen, Herr Smith«, sagte der Mann neben ihm. »Mein Name ist Summer und vorn im Wagen sehen Sie Herrn Spring. Ich werde nicht lange um den heißen Brei herumreden, sondern so schnell wie möglich zum Kern unserer Begegnung kommen. In den letzten Monaten habe ich Ihr Leben intensiv studiert. Ich bin zu dem Schluss gekommen, dass Sie es für langweilig halten, richtig?«

»Äh … ja, vielleicht«, antwortete Sam zögernd, überrascht von der Direktheit der Frage. Es ist eine Sache, sich der Tatsache bewusst zu sein, dass das eigene Leben langweilig ist, aber das anderen gegenüber zuzugeben, ist nicht so selbstverständlich.

»Gut, aber ich meine auch erkannt zu haben, dass Sie einem Vorschlag, der dies ändern würde, aufgeschlossen gegenüber stünden, stimmt’s?«

Summer sprach sehr schnell, sodass Sam nicht viel Zeit hatte, darüber nachzudenken, was gerade passierte.

»Äh …Ja?«, schien ihm die logischste Antwort. Mittlerweile war sein Blick auf ein herzförmiges Muttermal in Summers Nacken gefallen. Unwillkürlich musste Sam kurz lächeln.

»Fantastisch, wir sind nämlich hier, um Ihnen solch einen Vorschlag zu unterbreiten. Und ich sehe auch, dass Sie das Mal in meinem Nacken entdeckt haben. Ich werde nur zwei Dinge dazu sagen: Erstens, ja, ich habe es immer schon gehabt und zweitens, ja, es hilft ausgezeichnet dabei, Frauen zu verführen, denn die finden das oh so niedlich. Aber jetzt zur Sache: Was hielten Sie davon, wenn wir Ihnen die Chance gäben, dieses Leben gegen ein neues voller Spannung und Abenteuer zu tauschen? Ein Leben, in dem Sie etwas für andere Menschen bewirken können. Ein Leben, in dem Sie dazu beitragen, die Welt zu einem besseren Ort zu machen?«

Die letzten Sätze hatte Summer aus einem kleinen grünen Buch abgelesen. »Entschuldigen Sie den albernen Ton, aber gemäß unseren Statuten müssen wir Ihnen den genauen Wortlaut mitteilen. Es wird Zeit, dass jemand sie neu schreibt, denn so können wir die Jugend von heute doch wirklich nicht mehr begeistern. Spring, erinnere mich daran, dass ich Autumn darauf anspreche.«

»Wird erledigt«, antwortete Spring, der sich zum ersten Mal ins Gespräch mischte.

Sams Gehirn arbeitete auf Hochtouren: Sein Leben aufgeben? Ein Leben als Weltverbesserer führen? Vielleicht waren das ja Leute von den Zeugen Jehovas oder so, die ihm eine Zukunft als Missionar vorschlugen? Dann doch lieber das Leben, das er jetzt führte. Er hatte nicht vor, seine Tage damit zu verbringen, Menschen an der Haustür zu belästigen – »Hallo, was halten Sie vom Ende der Welt, darf ich kurz hereinkommen?« Andererseits hatte er sich ein abenteuerliches Leben ja insgeheim immer gewünscht. Vielleicht sollte er den beiden Männern doch einfach eine Chance geben, ihn zu überzeugen.

»Und was für ein Leben wäre das dann? Ich will ja nicht unhöflich sein, aber Sie überfallen mich schon etwas mit dieser Frage. Ich spaziere von der Schule nach Hause, und schwupps sitze ich im Wagen bei zwei fremden Männern, die mir vorschlagen, ein neues Leben anzufangen. Könnten Sie mir vielleicht ein paar weitere Informationen geben?«

»Gut«, sagte Summer, »diese Frage hatten wir erwartet. Alles kann ich Ihnen noch nicht sagen, aber ich werde mein Bestes tun, um Ihre Zweifel auszuräumen. Wir sind hier, um Ihnen einen Platz an unserer Spy School anzubieten. Dort werden Sie zu einer der wichtigsten Personen des Landes ausgebildet: einem Ge-heimagenten. Wenn Sie einwilligen, werden Sie nie wieder ein Leben führen wie jetzt, Sie werden mit allem brechen müssen. Viel Bedenkzeit können wir Ihnen dabei allerdings nicht einräumen. Noch Fragen?«

Sam brauchte einen Moment, um das alles zu verarbeiten. Er rieb sich die Augen, um sicher zu sein, dass er wach war. »Also, angenommen, ich würde Ja sagen, dann sehe ich meine Eltern nie wieder?«

»Stimmt.«

»Aber sie werden mich doch vermissen? Sie werden mich bestimmt suchen. Und dann wird Ihre Organisation entdeckt und Sie müssen wegen Entführung eines Minderjährigen ins Gefängnis, oder?«

Summer lächelte seinem Partner zu. »Spring?«

Spring brummte zustimmend und Summer fuhr fort: »Ihre Eltern werden Sie überhaupt nicht vermissen. Und zwar nicht, weil sie Sie nicht lieben, denn das tun sie, auch wenn sie es nicht oft zeigen. Nein, Ihre Eltern werden nur nicht mehr wissen, dass sie jemals einen Sohn gehabt haben, dafür werden Spring und ein Team von der Schule sorgen. Früher mussten wir unsere neuen Schüler gewissermaßen sterben lassen, damit niemand Argwohn schöpfte, aber dank einer neuen Hypnosetechnik, die Herr Spring mit entwickelt hat, können wir den Eltern dieses Leid ersparen. Wir suggerieren ihnen – und eventuellen Verwandten – einfach, dass sie niemals ein Kind hatten, sodass sie nie einen Verlust empfinden müssen. Außerdem werden alle Spuren Ihrer Existenz gelöscht, und dann können Sie ohne Sorgen die Spy School besuchen und eine neue Identität erhalten.«

Sam stellte sich das Leben seiner Eltern ohne Sohn vor. Viel würde sich für sie nicht ändern. Mutter würde weiterhin waschen, putzen und kochen, eventuell etwas weniger, und Vater würde auch in Zukunft seine täglichen Termine wahrnehmen. Und sie bräuchten ihn nicht zu vermissen, sie hätten also keinen Kummer, zumindest sagte das doch dieser Herr Summer. Sam hatte das Gefühl, ihm durchaus trauen zu können.

Aber was war mit seinem eigenen Leben? Trotz der seltsamen Situation fand Sam das Angebot sehr verlockend. Er hatte auch nicht viel zu verlieren, denn viel langweiliger als sein Leben jetzt konnte das eines Geheimagenten nicht sein. Er brauchte auch keine Angst zu haben, echte Freunde zurückzulassen, denn die hatte er nicht. Wenn er diese Chance nicht ergriff, würde es ihm später leidtun. Sam holte tief Luft und sagte: »Einverstanden, ich mache es.«

Summer nickte zufrieden. »Sie werden es nicht bereuen, Herr Smith.«

Das Auto fuhr an Sams Elternhaus vorbei. Vor der Tür stand ein grauer Transporter und Männer in grauen Anzügen kamen mit Sams Besitztümern aus dem Haus. Seine Kleidung, sein Computer, seine Schulsachen und sogar sein Bett wurden eingeladen.

»Warten Sie!«, rief Sam. »Was passiert denn mit meinen Eltern?«

Spring hielt den Wagen an und drehte sich um. Er sah Sam tief in die Augen.

»Sie werden morgen früh aufwachen und ihr Leben einfach weiter leben, ohne zu wissen, dass sie jemals einen Sohn hatten. Im Augenblick befinden sie sich im Tiefschlaf. Und Sie werden Ihrem Beispiel folgen, Herr Smith.«

Noch bevor Sam klar wurde, dass Spring ihn hypnotisierte, fielen ihm die Augen zu und er rutschte tiefer in die Rückbank. Während der nächsten vierundzwanzig Stunden würde er einen glückseligen Traum genießen, in dem er die Welt im allerletzten Moment vor dem Untergang rettete.

4

Die Spy School

Sam erwachte in einem Zimmer von der Größe einer Gefängniszelle. Er schaute sich um. Es gab keine Fenster und das wenige Licht kam von einer brummenden Neonröhre an der Decke. Im Zimmer standen ein Bett, ein Stuhl und ein Schreibtisch mit einem Computer. In der Wand war ein Einbauschrank. Sam streckte sich, kletterte aus dem Bett und zog den Schrank auf. Er fühlte sich merkwürdig erfrischt, als hätte er einen Winterschlaf gehalten. Der Schrank war randvoll mit Kleidung, alles nagelneu: Sportkleidung, Freizeitkleidung und ein vornehmer grauer Anzug. Genau so einer, wie ihn Summer und Spring getragen hatten, nur kleiner. In seinem neuen Leben würde er jedenfalls wissen, was er anziehen sollte.

Plötzlich öffnete sich die Tür und er hörte eine Stimme: »Guten Morgen, Herr Smith, gut geschlafen?«

Sam sah zur Tür, konnte aber niemanden entdecken. Gab es hier am Ende Leute, die sich unsichtbar machen konnten?

»Hier unten, Herr Smith«, sagte die Stimme. »Es ist unhöflich, eine Frage nicht zu beantworten und Höflichkeit ist für Geheimagenten eine wichtige Eigenschaft . Aber weil Sie hier neu sind und mich auch noch nicht kennen, werde ich es diesmal so hinnehmen. Normalerweise steht darauf zwei Tage Einzelhaft.«

Sam schaute nach unten und erschrak kurz, als er sah, dass er es mit einem kleinen sprechenden Roboter zu tun hatte. Er bewegte sich wie ein Panzer auf Raupenketten. Der restliche Körper war einem menschlichen nachempfunden: An seinem Rumpf waren zwei Greifarme befestigt, in denen er einige Papiere hielt. Sein Kopf hatte die Größe eines Tennisballs, auf dem Sam zwei Augen und einen Mund ausmachen konnte. Die Augen waren zwei Kameras, die sich nach allen Seiten bewegen konnten, und der Mund war ein schwarzer Lautsprecher. Daraus kamen erneut Töne.

»Nur ein Scherz, haha, das ist hier kein Gefängnis. Sie sind aus freien Stücken hier, solche Strafen verhängen wir nicht. Aber ich muss hinzufügen, dass doch sehr nachdrücklich Wert auf Höflichkeit gelegt wird, Sie werden sie bei späteren Aufträgen noch oft genug brauchen. Aber ich greife vor, das erfahren Sie alles im Unterricht. Ich bin hier, um Sie in der Schule herumzuführen. Mein Name ist Spyro 42, nennen Sie mich einfach Spyro.«

»Guten Morgen, Spyro«, sagte Sam, in einem Versuch, doch noch höflich zu wirken, »mein Name ist Sam Smith, sagen Sie ruhig Sam.«

»Das darf ich nicht«, erwiderte Spyro. »Auf dieser Schule wird jeder Schüler mit Nachnamen angesprochen und gesiezt. Höflichkeit, wie ich schon sagte, ist eine wesentliche Eigenschaft eines Agenten. Nur die Schüler untereinander duzen sich. Sprechen Sie also niemals einen Ihrer Lehrer mit ›Du‹ an, Herr Smith, denn darüber sind diese nicht sehr erfreut.«

»Und wie spreche ich dich dann an?«, fragte Sam und spürte sofort, wie er errötete. »Oh, Entschuldigung, wie spreche ich Sie dann an?«

»Sie brauchen sich nicht zu entschuldigen, Herr Smith«, sagte Spyro. »Alle sagen Du zu mir, ich bin ja ein Roboter. Ich wurde gebaut, um Ihnen zu Diensten zu sein und ich bin Ihnen unterstellt. Aber wir schweifen ab und man hat mich nicht zum Schwätzchen-halten erschaffen. Ziehen Sie sich erst einmal an, dann suche ich Ihren Tagesplan heraus.«

Sam war froh, dass Spyro endlich zur Sache kam, denn er fror schon eine Weile in seiner Unterwäsche und wusste immer noch nicht, was ihn erwartete. Er schaute in den Schrank und entschied sich für ein einfarbiges schwarzes T-Shirt und eine markenlose Jeans. Die Kleidungsstücke passten ihm wie angegossen, offensichtlich war seine Größe bestens bekannt.

»Nein, nein, nein, nein, nein, nein!«, rief Spyro. »Nicht das! Das tragen Sie nachher, wenn Sie in den Unterricht gehen, erst müssen Sie noch zum Direktor. Er besteht darauf, seine neuen Schüler immer persönlich zu begrüßen. Und Sie wollen ihm doch nicht in Freizeitkleidung gegenübertreten, hoffe ich?«

»Entschuldigung«, murmelte Sam lautlos, »das konnte ich doch nicht wissen.«

Er drehte sich wieder zum Schrank und beschloss, dann eben den grauen Anzug anzuziehen. Er vermutete, dass er dem Direktor in diesem Outfit am genehmsten wäre. Seltsamerweise saß auch der Anzug perfekt. Er fiel weich und bequem, fast wie Sportkleidung. Mit diesem Anzug könnte er einen Hundert-Meter-Sprint gewinnen, wenn er nicht so lahm wäre wie eine Schildkröte auf drei Beinen.

»Sind wir so weit?«, fragte Spyro ungeduldig. »Entschuldigen Sie, wenn ich dränge, aber der Boss wartet nun einmal nicht gern. Pünktlichkeit ist eine wichtige Eigenschaft eines Geheimagenten.«

Noch bevor Sam antworten konnte, war Spyro bereits zur Tür hinaus und Sam folgte ihm so schnell er konnte. Wenn er schon auf dieser Schule war, wollte er von Anfang an einen guten Eindruck machen. Er betrat einen Gang, der von langen Neonröhren beleuchtet wurde. Als sein Blick nach unten wanderte, hatte er eigentlich eine Art Laufband erwartet, wie er es einmal in einem Film gesehen hatte. Aber leider musste er ganz normal gehen. Es war, als hätte Spyro seine Gedanken gelesen: »Machen Sie sich keine falschen Hoffnungen, Herr Smith. Für solchen überflüssigen Schnickschnack gibt die Spy School kein Geld aus. Das setzen wir besser für nützliche Dinge ein. Und jetzt beeilen Sie sich, wir sind fast da.«

Zwei Gänge, ein leises Türklopfen und ein mürrisches »Herein!« später stand Sam vor dem Direktor, der ihn freundlich plappernd begrüßte.

»Aha, der Herr Smith, nehme ich an. Aber natürlich darf ich das annehmen, denn wenn Sie es nicht wären, dürfte Spyro 42 seine restlichen Tage als Toaster verbringen, nicht wahr, Spyro? Aber seien Sie willkommen auf dieser Schule, Herr Smith. Ich bin Herr Autumn, Präsident & Generaldirektor, aber das hatten Sie sicher schon erraten?«

Sam nickte zustimmend.

»Aber natürlich hatten Sie das schon erraten, sonst hätte ich Sie mitsamt allem Hab und Gut und was weiß ich noch allem hinausgeworfen, denn dumme Schüler können wir hier nicht gebrauchen. Doch Sie sind nicht dumm, denn Sie haben es erraten, jedenfalls tun Sie so, Sie könnten auch gelogen haben. Aber auch das wüsste ich zu schätzen, denn das würde bedeuten, dass Sie so schlau sind, Ihre Dummheit zu verbergen, und das hieße, dass Sie doch schlauer sind als dumm und deswegen auf die Spy School gehören. Aber gut, ich schweife ab, wo war ich noch stehen geblieben? Oh ja, willkommen auf dieser Schule also. Haben Sie lange gezweifelt, bevor Sie den Entschluss fassten, hierher zu kommen?«

Sam öffnete den Mund und konnte kaum »Nein, ich …« hervorbringen, als Autumn auch schon be-schloss, noch ein wenig mehr Atemluft zu Worten zu formen.

»Sehr gut. Ich mag keine Zweifler, wissen Sie. Zweifler haben einen schwachen Punkt, und den darf ein guter Geheimagent nicht haben. Wer zweifelt, ist ver-loren. Immer eine resolute Entscheidung treffen, Herr Smith, ob sie nun richtig oder falsch ist. So bin auch ich hierher gekommen: Ich habe viele falsche Entscheidungen gefällt, aber ich habe dann immer zu hundert Prozent hinter ihnen gestanden. Nehmen Sie sich ruhig ein Beispiel daran.«