Stabile Banken in herausfordernden Zeiten -  - E-Book

Stabile Banken in herausfordernden Zeiten E-Book

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Beschreibung

Die internationale Finanzkrise 2008 hat gezeigt, wie groß die Gefahren einer ausgeprägten Schieflage des Finanzsystems sind – die Auswirkungen machen weder an Sektoren- noch an Ländergrenzen halt. Politik und Aufsichtsbehörden haben das erkannt und steuern dagegen an. Die zahlreichen Regulierungsbausteine haben allesamt das Ziel, die Stabilität und die Transparenz des Systems zu erhöhen und so das Vertrauen der Marktteilnehmer in Kreditinstitute wiederherzustellen. Die Anforderungen führen zu erheblichen Herausforderungen für die Marktteilnehmer: Strukturen müssen verändert, Geschäftsmodelle überarbeitet, Systeme auf ihre Funktionalität hin überprüft werden. Dr. Andreas R. Dombret hat in seiner achtjährigen Vorstandstätigkeit in der Deutschen Bundesbank das meiste hiervon miterlebt und große Teile des neuen Regulierungswerks mitgestaltet. Dabei hat er auch bei wichtigen Verhandlungen im Ausland nie die Interessen der deutschen Banken und Sparkassen aus dem Blick verloren und hat sich erfolgreich bemüht, zukünftige Entwicklungen wie beispielsweise den Klimawandel mit seinen Auswirkungen auf die Risikolagen in der Kreditwirtschaft in den Köpfen von Aufsehern und Beaufsichtigten zu verankern.

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Walter Kuna (Herausgeber)

Stabile Banken inherausfordernden Zeiten

Schwerpunkte von Andreas Dombretin der Deutschen Bundesbank 2010 – 2018

Mit Beiträgen vonAgustín Carstens, Sabine Lautenschläger,Axel Weber und Jens Weidmann

Besuchen Sie uns auch im Internet: www.kreditwesen.de

eISBN 978-3-8314-0900-6

© 2019 by Fritz Knapp Verlag GmbH, Frankfurt am Main

Gesamtherstellung: Fritz Knapp Verlag, Frankfurt am Main Bildquelle Umschlag: Deutsche Bundesbank

Inhaltsverzeichnis

Geleitwort

Foreword by Agustín Carstens

Vorwort Sabine Lautenschläger

Vorwort Axel A. Weber

Kapitel 1:

„Ich habe mich bemüht, eine Brücke zwischen Praxis und Aufsicht zu schlagen.“

Andreas Dombret im Gespräch mit Philipp Otto

Kapitel 2: Finanz- und Schuldenkrise

Finanzstabilität im Zeichen der Staatsschuldenkrise

Vortrag beim Center for Financial Studies, Frankfurt am Main, 19. Januar 2011

Immobilienmärkte und mikroprudenzielle Aufsicht

Vortrag beim 39. Symposium des Instituts für Bank- und Finanzgeschichte, Frankfurt am Main, 4. Mai 2017

Kapitel 3: Europäische Aufsicht und Regulierung

Moving together – one year of European banking supervision

Speech at the ESE Conference 2015 “Financial supervision in Europe – on the right track?” at the Czech National Bank in Prague, 1 October 2015

Failing or likely to fail? Die europäische Bankenunion auf dem Prüfstand

Rede an der Hochschule der Deutschen Bundesbank, Hachenburg, 21. August 2017

Banks – allowing them to fail

Statement at the Euromoney Conference on Germany, Frankfurt am Main, 29 April 2015

Baustelle europäische Bankenunion – Gemeinsame Aufsicht, gemeinsame Abwicklung, gemeinsame Einlagensicherung?

Vortrag beim Bundesbank-Symposium „Bankenaufsicht im Dialog“, Frankfurt am Main, 1. Juni 2016

Kapitel 4: Regulierung des Finanzsystems insbesondere des Bankensektors

Are we done now? Reflections on the post-crisis supervisory and regulatory regime

Speech at the University of Cape Town, Cape Town, South Africa, 1 September 2016

Über’s Ziel hinausgeschossen? Bankenregulierung und ihre Folgen für das Bankgeschäft

Vortrag beim Bankenverband Hamburg in der Bundesbank Hauptverwaltung Hamburg, Mecklenburg-Vorpommern und Schleswig-Holstein, 21. April 2016

Bankenregulierung – Nicht genug getan oder zu viel des Guten?

Rede beim Investmentgipfel der Wirtschaftswoche, Frankfurt am Main, 24. November 2015

Shaken but not stirred? The banking system seven years after the crisis

Speech delivered at the Financial Markets Group Research Centre of the London School of Economics and Political Science, London, 29 October 2015

Zu viel, zu wenig oder genau richtig? Die Reform der Bankenregulierung nach der Finanzkrise

Rede im 21. Kolloquium des Instituts für Bank- und Finanzgeschichte „Wege zu einem stabilen Finanzsystem“, Frankfurt am Main, 23. November 2017

To count or not to count – The future of internal models in banking regulation

Speech at the EBA Policy Research Workshop “The future role of quantitative models in financial regulation”, London, 28 November 2017

Währungsunion, Bankenunion, Kapitalmarktunion Finanzintegration in Europa

Vortrag bei der American Chamber of Commerce, München, 15. Juli 2015

Basel III – das Ziel vor Augen

Eröffnungsvortrag beim Bundesbank-Symposium „Bankenaufsicht im Dialog“, im Kongresshaus Kap Europa, Frankfurt am Main, 15. März 2017

Bankenvielfalt und Regulierung – Brauchen wir mehr Proportionalität in der Bankenregulierung?

Vortrag bei der Bankwirtschaftlichen Tagung der Volksbanken und Raiffeisenbanken, Berlin, 8. Juni 2016

Cui Bono? – Komplexe Regulierung und ihre Folgen

Vortrag beim 20. Banken-Symposium des European Center for Financial Services an der Universität Duisburg-Essen, Duisburg, 7. September 2016

Sometimes small is beautiful, and less is more: A Small Banking Box in EU banking regulation

Speech at a lunch debate on proportionality in banking regulation at the Representation of the State of Hesse to the European Union, Brussels, 19 October 2017

Banken und Vertrauen

Rede anlässlich der 58. Kreditpolitischen Tagung der Zeitschrift für das gesamte Kreditwesen, Frankfurt am Main, 9. November 2012

„Große Herausforderungen für Sparkassen – hohe Anforderungen an die Qualifikation“

Rede anlässlich der Verabschiedung von Herrn Dr. Gerlach als Präsident des Sparkassenverbandes Westfalen-Lippe, Jahrhunderthalle Bochum, 31. März 2017

Could less be more? The role of finance for the economy

Dinner speech delivered at the SAFE Conference on Regulating Financial Markets, Frankfurt am Main, 30 May 2016

More painkillers, please? Why more finance is the wrong medicine for our growth problem

Keynote remarks delivered at the Harvard Law School Symposium on Building the Financial System of the 21st Century: An Agenda for Europe and the US in Armonk, New York, 8 April 2016

Nicht genug oder zu viel des Guten? Die Bedeutung von Finanzmärkten für die Wirtschaft

Vortrag bei der Graduiertenfeier des Master of Finance an der Goethe Business School, Frankfurt am Main, 11. Juni 2016

Kapitel 5: Herausforderungen und Wandel im Bankensektor

Die Niedrigzinspolitik der EZB Fluch oder Segen für Wirtschaft, Verbraucher und Banken?

Vortrag beim Sparkassen-Gesprächsforum, Witten, 1. Februar 2017

Zins und Kreditwirtschaft – Verkehrte Welt?

Rede anlässlich der 63. Kreditpolitischen Tagung der Zeitschrift für das gesamte Kreditwesen, Frankfurt am Main, 10. November 2017

Gibt es zu viele Banken? Der Sektor nach der Finanzkrise

Vortrag bei der Generalversammlung der Österreichischen Bankwissenschaftlichen Gesellschaft, Wien, 27. September 2016

Under Pressure – Is Consolidation the Solution for Europe’s Banking Sector?

Speech delivered at the Conference “Doing M&A Deals around the World”, Frankfurt am Main, 13 October 2016

Banking sector in uncertain times – a challenge for whom?

Keynote speech at the British Bankers Association, Annual International Banking Conference, London, 20 October 2016

Banks Navigating Uncharted Waters

Speech at the Instituto de Estudos de Politica Economica, Rio de Janeiro, 2 December 2016

Deutschlands Banken – Die Stunde der Entscheider

Bain Bankers Lounge, Frankfurt am Main, 21. September 2017

Das richtige Maß – Konsolidierung im Bankensektor

Rede am Center for Financial Studies, Frankfurt am Main, 24. April 2018

Opt-in or Opt-out? Die Zukunft der Europäischen Union im Lichte des britischen Referendums

Rede bei der Atlantik-Brücke, Hamburg, 23. Juni 2016

What does Brexit mean for European banks?

Keynote Speech at a Conference of the Association of German Banks Center for Financial Studies, Goethe University Frankfurt, 13 July 2016

The possible impact of Brexit on the financial landscape

Speech delivered at zeb, London, 24 February 2017

The future relationship between Germany and the UK in finance after Brexit

Speech at UK Finance, London, 8 February 2018

Aussitzen ausgeschlossen Was bedeutet Digitalisierung für den Bankensektor in Deutschland?

Eröffnungsvortrag beim Bundesbank Symposium „Bankenaufsicht im Dialog“, Frankfurt am Main, 8. Juli 2015

Total digital? Die Zukunft des Bankgeschäfts

Vortrag beim Bayerischen Finanzgipfel 2015, „Chancen und Herausforderungen der Digitalisierung für Banken und Versicherungen“, Münchener Residenz, 26. Oktober 2015

Führungsaufgabe Cybersicherheit Anmerkungen aus der Sicht der deutschen Bankenaufsicht

Cyber-Sicherheitsrat, „Cyber-Sicherheit als Voraussetzung für den Betrieb Kritischer Infrastrukturen im Finanz- und Versicherungswesen“, Frankfurt am Main, 17. Februar 2016

Banken im Innovationsfieber? Lehren aus der Digitalisierung

Einführungsrede bei den Baden-Badener Unternehmensgesprächen, Baden-Baden, 22. März 2017

Digital natives? The future of banking in an era of digitalisation

Speech at the “Unlock the Block” Hackathon hosted by the University of Cape Town, 24 January 2018

Green Finance – What we know – and don’t know – about climate risks

Remarks at the Singaporean-German Chamber of Industry and Commerce, Singapore, 3 October 2017

Greener finance, better finance? Wie grün sollte die Finanzwelt sein?

Vortrag beim Bundesbank-Symposium „Bankenaufsicht im Dialog“, Frankfurt am Main, 7. März 2018

Kapitel 6: Weltwirtschaft, Globalisierung und darüber hinaus

Election time(s) in Europe – Challenges on the way to economic recovery

Keynote at a Public Seminar at the University of Tokyo, 23 May 2017

The Future of Global Economic Cooperation Brexit, Basel III and Beyond

Speech at a reception to welcome Olga Wittchen, Financial Attaché, as the Bundesbank’s representative, London, 23 February 2017

What’s the future of globalisation? What’s the future of free markets? European optimism in an uncertain world

Speech given at New York University, New York, 11 October 2017

A stairway to heaven? The promises and limits of global integration

Speech at the London School of Economics and Political Science, London, 8 February 2018

Haben wir einen (Lehr-)Plan? Ökonomische Bildung in Deutschland

Vortrag an der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster, 3. November 2017

Kapitel 7: Fazit

Vermitteln zwischen den Welten – 8 Jahre in der Bundesbank

Frankfurt am Main, 4. Mai 2018

Epilog und Ausblick Jens Weidmann

Geleitwort

Die internationale Finanzkrise 2008 hat gezeigt, welche Gefahren sich aus den komplexen und nur von wenigen Marktteilnehmern verstandenen Finanzprodukten entwickeln können. Politik und Aufsichtsbehörden haben das erkannt und versuchen über regulatorische Vorgaben, ähnliche Probleme künftig gar nicht erst entstehen zu lassen. Die zahlreichen Maßnahmen haben das Ziel, die Stabilität zu erhöhen und so das Vertrauen der Marktteilnehmer in Kreditinstitute wiederherzustellen.

Andreas Dombret hat in seiner achtjährigen Vorstandstätigkeit in der Deutschen Bundesbank diese Entwicklungen miterlebt und große Teile des neuen Regulierungswerks mitgestaltet. Er hat bei den wichtigen Verhandlungen im Ausland nie die besondere deutsche Banken-Struktur und unsere Interessen aus dem Blick verloren und erfolgreich vertreten.

Das vorliegende Werk dokumentiert die wichtigsten seiner vielen Vorträge in diesen bewegten acht Jahren, die nicht nur die Positionen der Deutschen Bundesbank aufzeigen, sondern auch politische Zeugnisse der spannenden Zeit nach der Finanzkrise sind. Durch ein offenes Interview mit Andreas Dombret werden interessante Einblicke eines aktiven Gestalters in die Entstehung wichtiger Entscheidungen gewährt, auch um manche Vorurteile zu korrigieren. Dieses Werk enthält weiterhin Beiträge von Weggefährten: Agustín Carstens, dem General Manager der Bank für Internationalen Zahlungsausgleich, Sabine Lautenschläger-Peiter, Direktoriumsmitglied der Europäischen Zentralbank, dem früheren Bundesbankpräsidenten und heutigem Chairman der UBS, Axel Weber, sowie dem amtierenden Bundesbankpräsidenten Jens Weidmann.

Bedanken möchten wir uns bei Annika Sattler, der früheren Büroleiterin von Andreas Dombret, ohne deren tatkräftige Mithilfe das vorliegende Werk kaum entstanden wäre. Ebenso gebührt unser Dank Philipp Otto, dem Verleger des Fritz Knapp Verlags, der die Idee von Anfang an unterstützte und mit Andreas Dombret das interessante Interview geführt hat.

Frankfurt am Main, Februar 2019

Hartmut Dietrich

Makoto Takashima

Walter Kuna (Hrsg.)

Eberhard Weiershäuser

Hans-Walter Peters

Norbert Winkeljohann

Foreword by Agustín Carstens

I first met Andreas in 2010, when we were both new to our respective roles as policymakers: I as Governor of the Bank of Mexico, and Andreas on the Executive Board of the Deutsche Bundesbank. Those first months were a baptism by fire for Andreas, dominated as they were by the sovereign debt crisis in Europe and global discussions about how to stop the wildfire spreading any further. Andreas has spoken of his first weekend in office in May that year, in Basel at the Bank for International Settlements, helping to craft the first Greek rescue package. I was also in Basel at that time, and it reminded me of the many crisis management episodes I had confronted, both in the Mexican government and at the International Monetary Fund. But this was unprecedented given the stakes: the fragmentation of the euro zone. Even at that time, Andreas was making very important contributions, mostly at the Financial Stability Board (FSB), where his broad banking experience was immediately noticeable.

Over the next eight years, we met regularly in Basel and at Group of 20 meetings, but primarily at FSB gatherings, where we represented our respective countries on the body responsible for identifying and assessing vulnerabilities in the global financial system. In the early part of this decade, the attention of the Standing Committee on Assessment of Vulnerabilities (SCAV) was firmly focused on the debt crisis in Europe and the periphery, and Andreas, with his background in the banking sector, was an important contributor to the debate. He could really read the dynamics at financial institutions and was able to leverage that private sector experience with his role at the central bank. It was a very powerful combination. From 2013 to 2015, when I chaired the SCAV, I found his contributions particularly helpful. It was also remarkable how quickly he assimilated the nuances of policymaking. By then, whenever you heard Andreas speak, you would have thought you were listening to a seasoned policymaker.

When you want to get to the bottom of an issue, it is important to have people with laser minds to focus the discussion, and Andreas has one of the sharpest. He is a smart person with a lot of experience. He is always very clear and structures his arguments well. He doesn’t circle around, he’s very straightforward. And he has a great knack for telling the truth with subtlety. When you’re discussing matters of global importance in an international forum, you need to think beyond the frontiers of your own country. There’s a nice saying in German: looking beyond the edge of your plate [“über den Tellerrand schauen”]. He was very good at that as well, as reflected in the speeches and interviews which are reproduced in this book.

As a child I attended a German-language school, and there is a German word which describes him really well: “tüchtig”. I’m brushing up my German now that I live in Basel, so perhaps I can finish by saying: Danke Dir, Andreas, für Deine Tüchtigkeit, Dein Engagement und all Deine Beiträge und Geleistetes während der letzten acht Jahre. Ich wünsche Dir viel Glück und Erfolg bei all Deinen künftigen Vorhaben.

Agustín Carstens

General Manager of the Bank for International Settlements

Vorwort Sabine Lautenschläger

Wer die Geschichte der Finanzmärkte und deren Regulierung in den Jahren 2010 bis 2018 nachvollziehen möchte, der findet in den hier veröffentlichten Reden von Andreas Dombret eine hervorragende Quelle. Andreas Dombret trat Anfang Mai 2010 in den Vorstand der Deutschen Bundesbank ein. Die globale Finanzkrise war anderthalb Jahre zuvor ausgebrochen, die Staatsschuldenkrise im Euroraum hatte gerade erst begonnen. Damit stand seine Amtszeit ganz im Zeichen dieser beiden Krisen und deren Aufarbeitung.

Aber auch darüber hinaus hat Andreas Dombret im Laufe seiner Amtszeit bei der Bundesbank viele relevante Themen angesprochen und angestoßen. Von der Finanzstabilität über die Bankenaufsicht, die Entwicklung des Euroraums bis hin zu vorausschauenden Themen wie Klimarisiken und ökonomischer Bildung hat Andreas Dombret in seinen Reden nahezu alles diskutiert, was die Finanzmärkte in den Jahren 2010 bis 2018 bewegt hat.

Als „Außenminister“ der Bundesbank wandte sich Andreas Dombret dabei nicht nur an das heimische Publikum, sondern vertrat die Position der Bundesbank rund um den Globus. Damit hat er dazu beigetragen, dass die Bundesbank auch auf internationaler Bühne einen ausgezeichneten Ruf genießt.

In den vergangenen acht Jahren habe ich mit Andreas Dombret eng zusammengearbeitet: nicht nur als Kollegen im Vorstand der Bundesbank, sondern auch als Kollegen im Aufsichtsgremium des einheitlichen Aufsichtsmechanismus oder kurz gesagt in der europäischen Bankenaufsicht. Dabei habe ich Andreas Dombret nicht zuletzt als herausragenden Netzwerker und als klugen und vorausschauenden Kommentator aktueller Ereignisse schätzen gelernt. Die hier abgedruckten Reden eröffnen seine Kommentare und Einsichten einem breiten Publikum.

Sabine Lautenschläger

Mitglied des Direktoriums der Europäischen Zentralbank

Vorwort Axel A. Weber

Als Andreas Dombret im Mai 2010 in den Vorstand der Bundesbank eintrat, kam mit ihm die richtige Person zur richtigen Zeit an den richtigen Ort. Als Bundesbankpräsident habe ich Andreas Dombret als fähigen, entschlossenen und nicht zuletzt eloquenten Kollegen kennengelernt, der durch seine Expertise der Bundesbank half, ihre Rolle in der Finanzstabilität und Bankenaufsicht kompetent wahrzunehmen. Heute, als Verwaltungsratspräsident einer internationalen systemrelevanten Großbank, schätze ich ihn als profunden Gesprächspartner mit einem tiefen Verständnis für Banken und Finanzmärkte.

Andreas Dombret trat sein Amt in bewegten Zeiten an: In den ersten Tagen seiner Amtszeit startete die EZB ihr erstes Programm zum Ankauf von Staatsanleihen des Euroraumes, das sogenannte SMP. In den darauffolgenden Jahren erlebte Andreas Dombret die Zuspitzung der Eurokrise, die bis heute anhaltende quantitative Lockerung der Geldpolitik sowie den Einsatz von Negativzinsen. Im Bereich Finanzstabilität, den er zunächst leitete, wie auch bei der Bankenaufsicht, welche er danach übernahm, brachten die letzten acht Jahre weltweit große Veränderungen, die er aus deutscher Sicht begleitete und mitprägte. Dazu gehören etwa die Kapitalmarktunion, welche er schon früh unterstützte, den Einheitlichen Aufsichtsmechanismus, bei dem er den Übergang der großen deutschen Banken unter die Aufsicht der EZB begleitete, die Diversifikation der Devisenreserven der Bundesbank, welche er vorantrieb, oder die Basel-III-Verhandlungen, welche er von deutscher Seite maßgeblich führte. In einer Vielzahl von internationalen Gremien rund um den Erdball vertrat er zudem mit Nachdruck und erfolgreich die deutschen Interessen und die Politik der Bundesbank im In- und Ausland.

Andreas Dombret wandelte sich vom Banker zum Zentralbanker – nach einer erfolgreichen Karriere in der Privatwirtschaft entschloss er sich für den öffentlichen Dienst. Ich selbst ging den umgekehrten Weg – vom öffentlichen Dienst in die Privatwirtschaft. Beide dürften wir uns einig sein, dass ein solcher Austausch zwischen Notenbank und Geschäftsbank enorm wichtig ist, um das gegenseitige Verständnis zwischen Regulator und Reguliertem, zwischen Notenbank und Finanzmärkten zu fördern, eine Balance zwischen den verschiedenen Interessen zu finden und damit letztlich dem Gemeinwohl zu dienen. Die Bedeutung dieses gegenseitigen Verständnisses wird in Zukunft noch ansteigen, ist das Finanzsystem in den vergangenen Jahren aufgrund der zunehmenden Regulierung doch nochmals deutlich komplexer geworden.

Ich möchte diese Gelegenheit nutzen, Andreas Dombret meinen Dank für seinen Einsatz für die Deutsche Bundesbank, die europäischen Banken und die globale Finanzindustrie auszusprechen und ihm für seine weitere berufliche und auch private Zukunft viel Erfolg zu wünschen. Einerseits wünsche ich ihm (und uns allen), dass es künftig an den Finanzmärkten weniger turbulent zugehen wird als während seiner Amtszeit bei der Bundesbank. Andererseits befürchte ich, dass die Welt der Geschäftsbanken, Notenbanken und Finanzmärkte in den kommenden Jahren noch viele weitere Überraschungen und Herausforderungen bereithält, etwa im Zusammenhang mit dem anstehenden Ausstieg der EZB aus der unkonventionellen Geldpolitik, der notwendigen Konsolidierung im europäischen Bankensektor oder dem Zusammenhalt der Eurozone. Jemand wie Andreas Dombret dürfte sich auch zukünftig beruflich in diesem Umfeld bewegen und seinen Beitrag zur Bewältigung von allfälligen Herausforderungen leisten, so wie er dies auch bei der Bundesbank und in seinen privatwirtschaftlichen Engagements in der Vergangenheit schon getan hat.

Axel A. Weber

Verwaltungsratspräsident der UBS Group AG

Kapitel 1

„Ich habe mich bemüht, eine Brücke zwischen Praxis und Aufsicht zu schlagen.“

Andreas Dombret im Gespräch mit Philipp Otto, Verleger und Chefredakteur der Zeitschrift für das gesamte Kreditwesen, Frankfurt am Main, Januar 2019

Herr Dr. Dombret, Sie haben in Ihren acht Jahren in der Deutschen Bundesbank vieles miterleben, vieles begleiten, vieles mitgestalten dürfen. Und Sie sind selbst ein erfahrener Banker. Ist es unter den herrschenden Rahmenbedingungen schwieriger geworden, ein erfolgreicher Banker zu sein?

Auf jeden Fall. Die Dinge haben sich grundlegend geändert. Zu meiner aktiven Zeit war das Bankgeschäft ertragreicher und auch noch deutlich akzeptierter in der Gesellschaft, als dies heute leider der Fall ist. Als ich 1987 nach der Universität in das Berufsleben einstieg, wollten viele der klügsten Köpfe eine Berufslaufbahn im Banking einschlagen. Es gab zum Beispiel einen heftigen Wettbewerb um Bankpraktika. Das ist heute sicherlich nur noch eingeschränkt der Fall.

Aufgrund der guten Perspektiven lockte das Banking damals nicht zuletzt auch viele Leute an, die auf das schnelle und viele Geld aus waren. Und so waren nicht nur gute und ordentliche Banker darunter, was zu den unerfreulichen Entwicklungen geführt hat, die schließlich in der Finanzkrise und dem Image- und Bedeutungsverlust der Banken mündeten.

Kam das für Sie überraschend?

Nur eingeschränkt. In jeder Berufssparte gibt es Brüche in der Entwicklung. Der entscheidende und vielleicht auch wichtigste Bruch war die weltweite Finanzkrise, die im Herbst 2008 ihren Höhepunkt erreicht hat. Allerdings haben sich die Risiken und Fehlsteuerungen schon in den Jahren zuvor aufgebaut, als die Welt nach außen noch in Ordnung schien. Sonst wäre es nicht zu einem solch heftigen Einbruch wie 2008 gekommen. Aber noch einmal: Solche Umbrüche sind grundsätzlich nichts Ungewöhnliches und ich bin mir völlig sicher, dass Banking in zwanzig Jahren noch einmal komplett anders aussehen wird, als dies heute der Fall ist.

Wie nehmen Sie die aktuelle Situation der Kreditwirtschaft war?

Aktuell leiden wir immer noch unter der Bewältigung der Finanzkrise. Es hat rund achteinhalb Jahre gedauert, bis sich die Kreditwirtschaft von den Verwerfungen einigermaßen erholt und wieder ein vergleichbares Vorkrisenniveau erreicht hat. Das zeigt: Wir sprechen nicht über eine klassische Rezession, sondern über eine wirklich tiefe Krise.

Besonders problematisch war schließlich, dass sich aus der geschäftlichen eine Vertrauenskrise entwickelte. Es ging nämlich das Vertrauen in das gesamte Finanzsystem ebenso wie natürlich auch in einzelne Banken verloren. Die gesellschaftliche Akzeptanz für Banken ist heute weitaus geringer, als sie es noch zu meiner Zeit als aktiver Banker war. All das macht es heute nach meinem Empfinden umso anspruchsvoller, Banker zu sein und Banken zu führen.

Würden Sie jungen Leuten trotzdem noch raten, eine Karriere im Bankgeschäft anzustreben?

Das ist eine sehr individuelle Entscheidung. Wer Interesse an diesem Beruf hat, sollte den Weg unbedingt einschlagen. Aber es gab und gibt natürlich auch reizvolle Alternativen zum Bankgeschäft, das bestimmt nicht das alle Seligmachende ist. Denken Sie zum Beispiel nur an die Welt der Fintechs.

Schade wäre es, wenn allein das aktuelle Image der Bankbranche junge Menschen von diesem Berufsweg abbringen würde. Denn nicht jede Bank und nicht jeder Banker ist schuld an den Verwerfungen der Finanzkrise. Es gab zweifellos schwarze Schafe in der Branche, aber wir sprechen da nur von einigen wenigen.

Wenn es nur einige wenige waren, die das System ausgenutzt haben, wie konnten die ausgelösten Verwerfungen so enorm sein?

Schuld waren verwerfliche Praktiken, wo die Aufsicht umgangen wurde oder die von der Aufsicht nicht erkannt beziehungsweise nicht geahndet wurden. Ich finde aber, man sollte nicht nur mit dem Finger auf andere zeigen, sondern sich immer auch an die eigene Nase fassen. Das gilt für Banker ebenso wie für Aufsichts- und Verwaltungsräte und nicht zuletzt auch für Bankaufseher. Überhaupt keine Frage: Es sind ganz erhebliche kollektive Fehler gemacht worden. Und die Reputation des Bankers hat darunter – teils zu Recht, teils übertrieben – erheblich gelitten, was mir durchaus Sorgen macht.

Kann es zu einem Risikofaktor für die Bankbranche werden, wenn der qualifizierte Nachwuchs ausbleibt?

Natürlich. Sehr sogar. Jeder Berufszweig lebt davon, eine große Auswahl an interessanten, leistungsstarken Persönlichkeiten in den eigenen Reihen zu haben. Und dies ist nicht nur eine Frage der Quantität, sondern ganz besonders auch der Qualität. Sicherlich gibt es immer noch genügend Banker und auch genügend junge Menschen, die diesen Berufsweg einschlagen. Es muss aber die Frage erlaubt sein, ob sie auch in der Lage sind, in schwierigen Situationen die richtigen Entscheidungen zu treffen und Menschen zu führen, oder ob solch herausragende Persönlichkeiten mittlerweile eher einen anderen Weg als das Banking einschlagen. Das kann in andere Branchen führen, das kann aufgrund der großen Attraktivität aber auch jenseits der deutschen Grenzen sein, denn das Banking hat längst eine internationale Dimension erreicht: Hier spielt sich der Wettbewerb um die großen Talente der Zukunft ab.

Hat der politische Einfluss auf Banken in den vergangenen Jahren zugenommen?

Banken sind schon immer ein Spiegelbild ihrer jeweiligen Volkswirtschaft, und zwar vor allem in solchen Ländern, in denen die Unternehmen bankenfinanziert sind. Dies ist stärker als dort, wo der Kapitalmarkt dominiert. Es hat also vor allem in kreditlastigen Volkswirtschaften direkte Auswirkungen auf die Kreditwirtschaft, welche wirtschafts-, finanz- und haushaltspolitischen Entscheidungen getroffen werden, denn diese Entscheidungen schlagen sich unmittelbar in den Bilanzen und damit auch in den Gewinn-und-Verlust-Rechnungen der Häuser nieder. Diese Abhängigkeit hat in den vergangenen Jahren nach meiner Beobachtung eher noch zugenommen.

Hat der Imagewandel des Bankers hin zum gierigen Abzocker, wie er gerne dargestellt wird, auch dazu geführt, dass der Austausch zwischen der Branche und den politisch Verantwortlichen nachgelassen hat? Und steckt hier nicht auch eine Gefahr, wenn eine so bedeutende Branche wie die Kreditwirtschaft mit ihren Anliegen kein politisches Gehör mehr findet?

Das kann ich aus meinen Erfahrungen als Zentralbanker und Bankenaufseher nur zum Teil bestätigen. Auf kommunaler oder Länderebene gibt es nach wie vor enge Verbindungen zwischen politischen Trägern und den Kreditinstituten, und damit meine ich nicht nur die Sparkassen und Landesbanken. Auf Bundesebene würde ich Ihnen Recht geben; hier hat eine gewisse Entfremdung stattgefunden, hier ist die Distanz tatsächlich in den letzten Jahren etwas größer geworden, was nicht zuletzt mit der Finanzkrise zu tun hat. Aber die politisch Verantwortlichen wissen um die Themen der Branche und kümmern sich drum – seien Sie versichert. Über alle Parteigrenzen hinweg.

Geht von dieser größeren Distanz ein Risiko aus? Für die deutsche Industrie ist es meines Erachtens jedenfalls unverändert wichtig, dass es hierzulande auch künftig wettbewerbsfähige Bankangebote und Bankdienstleistungen gibt, die in Deutschland und nicht nur in London, New York oder Singapur erzeugt werden. Das beeindruckt auch die Politik. Entsprechend wird vonseiten des Bundesfinanzministeriums auch wieder regelrecht Industrie- und Standortpolitik betrieben. Ich habe die Entfremdung also zwar wahrgenommen, aber nie als so massiv empfunden, dass es keine Gesprächsbereitschaft mehr geben würde. Das Gegenteil ist aktuell der Fall.

Aus Sicht der Bankenaufseher kommt noch ein wichtiger Faktor hinzu, den der ehemalige britische Governor Mervin King in folgendem Zitat treffend zusammengefasst hat: „Banks are global in life and national in death.“ Bei aller Europäisierung und Internationalisierung auch in der Bankenaufsicht und in der Bankenabwicklung bleiben große Bankschieflagen am Ende immer zuerst eine nationale Aufgabe. Dessen ist sich die deutsche Bankenaufsicht sehr wohl bewusst – genauso wie die deutsche Politik.

Die öffentliche Empörung über Banken und deren Fehlverhalten hat zugenommen, sagten Sie, teils zu Recht, teils übertrieben: Stellt das Bankmanager vor große Herausforderungen, denn diese öffentliche Empörung muss bei allen geschäftspolitischen, vor allem schwierigen Entscheidungen doch miteinkalkuliert werden?

Das große Problem ist, dass große internationale und systemrelevante Banken sowohl einen nationalen wie auch einen internationalen Resonanzboden haben. Entsprechend viele Adressaten für Botschaften beziehungsweise Handlungsoptionen gibt es. Allen kann man es nie recht machen. Von daher muss man als Bankmanager sehr genau abwägen, wann man welchen „Kampf“ aufnimmt. Was international akzeptabel ist, kann national schnell für einen Aufschrei der Empörung sorgen.

Hinzu kommt, wie eben bereits angedeutet, die hohe Bedeutung gesunder Banken und Sparkassen für die Realwirtschaft und damit für die wirtschaftliche Entwicklung unseres Landes. Eine gut funktionierende Finanzwirtschaft fördert, das Gegenteil hemmt Wachstum. Durch die Erfahrungen der Finanzkrise und die gewaltigen Summen, um die es dabei leider ging, ist ein tiefes Misstrauen entstanden. Das führt dazu, dass mit dieser Branche sehr kritisch umgegangen wird – in Deutschland, aber nicht nur hierzulande, sondern das ist letztlich ein weltweites Phänomen.

Wo ist die Grenze zwischen moralischer Legitimität und Legalität?

Diese gibt es natürlich, aber sie verwischt leider zunehmend in der öffentlichen Diskussion. Auch das hängt wieder mit dem Imageverlust des Bankgewerbes zusammen. Durch die Finanzkrise wurde das Bild des „ehrbaren Kaufmanns“, das von den Banken und Sparkassen über Jahrzehnte und Jahrhunderte mühsam aufgebaut wurde, nachhaltig beschädigt. Dadurch wird der Bankbranche sehr viel Schlechtes zugetraut und unterstellt. Nun liegt es an den handelnden Akteuren selbst, wieder für mehr Vertrauen zu sorgen.

Ist das nicht auch Sache der Aufsicht?

Keine Frage: Auf der Aufsicht lastet ebenfalls eine große Verantwortung. Von ihr wird erwartet, dass sie die Missstände beseitigt und im Ernstfall dann auch das entsprechende Institut zügig schließt. Dadurch entsteht natürlich auch eine gewisse Art von ungesundem Druck, dem man aber nicht erliegen darf. Objektivität ist sehr wichtig. Bei Joachim Würmeling und Felix Hufeld ist die Branche bestens aufgehoben.

Hilft es einem Aufseher eigentlich, wenn er früher selbst mal Banker war? Wird ihm dann mehr zugetraut?

Ein Länderfinanzminister sagte öffentlich anlässlich meiner Ernennung im Jahr 2010: „Ein echter Banker tut der Bundesbank gut.“ Und ich war tatsächlich der erste ehemals beaufsichtigte Banker, der in der Geschichte der Bundesbank die Geschicke der Bankenaufsicht verantwortet und geleitet hat.

Natürlich kennt man als gelernter Banker viele Dinge aus der eigenen Vergangenheit, sofern man früher eine verantwortliche Position in Kreditinstituten innehatte. Dies macht es sicherlich leichter, sich in der Fülle der Themen zurechtzufinden und in den Aufsichtsgesprächen die richtigen Fragen zu stellen. Genau mit dieser Begründung wurde mir immer viel Vertrauen von der Politik und der Bankbranche entgegengebracht, für das ich dankbar bin. Das ist schließlich alles andere als eine Selbstverständlichkeit, denn es könnte auch andersherum ausgelegt werden, und zwar in dem Sinne, dass man als Ehemaliger die Branche und ihre Gepflogenheiten beschützen will und damit Interessenkonflikten unterliegt – man hat ja Bekannte und Freunde in der Branche. Und wenn etwas schiefgehen sollte, kann natürlich schnell Stimmung gemacht werden, dass gerade ein ehemaliger Banker es doch hätte besser wissen müssen. Sie sehen also: ein durchaus zweischneidiges Schwert.

War für Sie von Anfang an klar, dass Sie einmal in das Bankgeschäft einsteigen wollen?

Mein Vater war Banker, von daher bin ich mit diesen Themen zu Hause groß geworden. Schon damals wurde übrigens meine Hochachtung vor der Institution Deutsche Bundesbank geprägt. Denn auf meine Frage nach den besten Banken antwortete mein Vater, der gebürtiger Kölner war: Sal. Oppenheim, da ist noch nie ein Scheck oder Wechsel geplatzt, und die Deutsche Bundesbank. Bei der Bundesbank hat er bis heute Recht.

Und irgendwie zog es mich in der Tat von Anfang an ins Banking. Ich habe direkt nach dem Abitur eine Banklehre bei der Dresdner Bank absolviert, bevor ich in Münster Bankbetriebslehre studiert habe. Meine Diplomarbeit war also ein Banking-Thema. Bei Professor Gerke habe ich natürlich mit einem Bankthema promoviert, nämlich über „Übernahmeprämien im Rahmen von M&A-Transaktionen“. Meine Stationen waren bei der Deutschen Bank, bei JP Morgan in London und in Frankfurt, als Partner bei Rothschild und schließlich als Chef der Bank of America in Deutschland und Vize-Chef in London.

Dann folgten acht spannende Jahre im Vorstand der Bundesbank, auf die ich stolz bin. Dankbar bin ich vor allem für die vielen unterschiedlichen Themen, mit denen ich mich in dieser Zeit beschäftigen durfte: Ich war jeweils vier Jahre sowohl für die Finanzstabilität als auch die Bankenaufsicht verantwortlich, habe in dieser Zeit daneben aber auch das Risikocontrolling, die Statistik, den Marktbereich und die ökonomische Bildung sowie die Auslandsvertretungen verantwortet. Das ist schon ein tolles Spektrum von Möglichkeiten. Ich empfinde dies als Privileg.

Werden Sie wieder in das Banking zurückkehren?

Das Banking hat mich immer fasziniert und wird mich sicherlich nie ganz loslassen. In irgendeiner Form werde ich mich daher auch künftig mit dieser Branche beschäftigen.

Verlief der Wechsel vom operativen Geschäftsführer einer Bank in den Vorstand der Deutschen Bundesbank reibungslos?

Mein offizieller Dienstbeginn war der 1. Mai 2010, meine Amtseinführung am 3. Mai 2010, ein Montag. Bereits am darauffolgenden Wochenende standen die Verhandlungen an, die zum ersten Griechenland-Programm der EZB geführt haben. An diesen Verhandlungen haben Präsident Weber und ich in Basel teilgenommen. Das heißt, schon in meiner ersten Woche in der Bundesbank habe ich täglich, meistens sogar zweimal täglich, Finanzkrisenstabssitzungen miterlebt. Der Start fiel also in eine wahrlich bewegte Zeit. Äußerst prägend, kann ich Ihnen verraten.

Mussten Sie sich von der Arbeitsweise sehr umstellen?

Nein, gar nicht. In der Bundesbank wird sehr effizient gearbeitet. Lassen Sie mich an dieser Stelle mit einem Vorurteil aufräumen: Die Bundesbank ist keine verstaubte Behörde. Und ich hatte das große Glück, mit zwei exzellenten Präsidenten – Axel Weber und Jens Weidmann – zusammenarbeiten zu dürfen. Von beiden konnte ich sehr viel lernen. Auch meine wirklich hervorragenden Kollegen in der Finanzstabilität, in der Bankenaufsicht und in den anderen Zentralbereichen haben mich hervorragend unterstützt. Das hat es mir ermöglicht, all die vielfältigen Aufgaben in dieser Form zu bewältigen.

Welche Ereignisse werden Ihnen in besonderer Erinnerung bleiben?

Als persönliche Highlights habe ich die G20- und G7-Treffen empfunden, wo hinter verschlossenen Türen auf höchster Ebene extrem offen und konstruktiv über die Krisen und über mögliche Gefahren gesprochen wurde. Das hat mein Verständnis für diese Themen sehr geschärft.

War es für Sie mitunter schwierig, über Dinge nicht reden zu dürfen, obwohl Sie meinten, davon müsste die Öffentlichkeit erfahren?

Nein, das hat für mich nie ein Problem dargestellt. Denn Diskretion hat mich meinen gesamten Berufsweg lang begleitet. Auch als M&A-Berater müssen Sie schweigen können.

Vertraulichkeit ist vor allem dann wichtig, wenn man versuchen muss, aus sehr unterschiedlichen Vorstellungen ein gemeinsames Ziel zu formulieren und dann auch umzusetzen. Und genau darüber wurde bei den G7 und den G20 mit Blick auf das globale Finanzsystem gesprochen. Hier kommt es darauf an, dass es gelingt, erst einmal eine gemeinsame Gesprächsebene herzustellen. Dies geht nur über gegenseitiges Vertrauen. Sonst führen solche Verhandlungen zu nichts. Das gilt im Übrigen auch für die Bankenaufsicht. Als Bankenaufseher erfährt man viele wichtige, vertrauliche Dinge. Und ganz sicher nicht alles davon ist für die Öffentlichkeit bestimmt.

Ich kann Sie aber beruhigen: So viel Geklüngel, wie Sie meinen, gibt es bei den Zentralbanken dann nun auch wieder nicht.

Können Sie sagen, was interessanter war: Das Wirken auf dem internationalen Parkett, also in Sachen Finanzstabilität, oder die Arbeit in der Bankenaufsicht direkt an der Front?

Beide Aufgaben kann man nur schwer vergleichen, und hier möchte ich ganz sicher keine Wertung abgeben. Um mit einem weiteren Vorurteil aufzuräumen: Finanzstabilität ist nicht ausschließlich international und Bankenaufsicht kann sehr wohl internationale Aspekte haben. Die Unterscheidung, die ich vornehmen möchte, ist die nach mikroprudenzieller und makroprudenzieller Aufsicht. Eine Lehre aus der Finanzkrise ist doch, dass die Summe aller Einzelrisiken im System viel größer ist als die aufaddierten Einzelrisiken. Von daher ist die Finanzstabilität ein äußerst interessantes und anspruchsvolles Thema. Die Tätigkeit in diesem Segment wurde schon vor meiner Zeit aus dem Komplex Bankenaufsicht herausgelöst. Gemeinsam mit Karlheinz Bischofberger, dem Zentralbereichsleiter, haben wir es dann ausgebaut und enger mit der BaFin und dem Bundesfinanzministerium verzahnt. Das ist uns, wie ich finde, recht gut gelungen. Wobei sich bei der Finanzstabilität immer erst nach einer längeren Zeit zeigt, ob man tatsächlich die richtigen Maßnahmen ergriffen hat.

Und hier liegt meines Erachtens der große Unterscheid zur Bankenaufsicht über einzelne Institute. Bei der Bankenaufsicht sind die Auswirkungen auch des eigenen Handelns viel schneller zu erkennen. Überhaupt ist diese Tätigkeit mit deutlich kürzeren Fristen auszuüben und damit viel operativer. Mir haben beide Aufgaben – mikro- wie makroprudenzielle – viel gegeben. Ich kenne nicht viele Kollegen in den Zentralbanken, die beide Aufgaben ausgefüllt und geleitet haben.

Wachsen die beiden Bereiche und Themenfelder enger zusammen?

Den Eindruck habe ich zurzeit leider eher nicht. Vielmehr ist der Austausch zwischen der mikro- und der makroprudenziellen Seite begrenzt. Ich würde mir wünschen, dass hier ein intensiverer Austausch stattfinden würde, und zwar auf nationaler als auch auf internationaler Ebene. In Deutschland arbeitet der „Ausschuss für Finanzstabilität“ daran – er wurde in meiner Zuständigkeitszeit eingeführt und ist fraglos das wichtigste Scharnier zwischen beiden Bereichen.

Die Bundesbank hat zunächst die Verantwortung für die Geldpolitik abgeben müssen, dann auch noch die Aufsicht über systemrelevante Institute: Kommt das einem Bedeutungsverlust gleich?

In Sachen Geldpolitik vielleicht ein klein wenig, weil die Notenbank der größten Volkswirtschaft nun nur noch eine Stimme von 19 bei der Gestaltung einer europäischen Geldpolitik hat. Aber die Bundesbank ist nach wie vor eine Plattform, die im Ausland hoch angesehen ist, sodass die deutsche Zentralbank allein aufgrund ihres Standings und der handelnden Personen nach wie vor gehört wird und Themen mitgestalten kann.

Erhöht aber genau dieser hohe Stellenwert der Bundesbank nicht den Druck auf jeden Verantwortlichen, vor allem die Vorstände, dieser Rolle auch gerecht zu werden?

Absolut. Daher habe ich mich anfangs so stark zurückgehalten, was öffentliche Auftritte angeht. Denn ich wollte mir erst einmal selbst über meine Rolle klar werden, wollte mich in die Themen komplett einarbeiten und nicht Positionen einnehmen, von denen ich hinterher nicht mehr herunterkomme. Im Jahr 2010 hatte ich also so gut wie keine öffentlichen Auftritte – von der Vorstellung des Finanzstabilitätsberichts einmal abgesehen – und habe erst im Januar 2011 damit begonnen. Das kann ich jedem nur empfehlen, der so wie ich von außen dazustößt und die Themen nicht schon lange aus dem Hause kennt, wie das zum Beispiel bei Joachim Nagel der Fall war.

Ich hatte es schon angesprochen, es waren bewegte Jahre zwischen 2010 und 2018. Welche Entwicklungen glauben Sie, haben Sie maßgeblich mitbeeinflussen, mitprägen können?

Auch das ist eine schwere Frage, denn es ist gar nicht so leicht, einzelne Themen herauszugreifen. Aber lassen Sie es mich einmal versuchen: Ich habe mich immer darum bemüht, eine Brücke zwischen der Praxis und der mikro- und der makroprudenziellen Aufsicht zu schlagen. Ein wichtiger Aspekt dabei ist der Dialog, gerade wenn es um Untersuchungen oder Studien zu bestimmten Themen geht. Da muss die Meinung der Praxis miteinfließen können.

Aber da Sie nach konkreten Entwicklungen fragen: Ich habe mich sehr früh für eine Europäische Kapitalmarktunion stark gemacht. Ich erlaube mir kein abschließendes Urteil darüber, ob eine kapitalmarkt- oder eine kreditbasierte Volkswirtschaft besser oder schlechter ist. Aber ich war und bin der Auffassung, dass man auf zwei Beinen besser steht als auf einem. Von daher sind mehr Kapitalmarktexpertise und ein breiteres Angebot über den Kapitalmarkt gut für die deutschen Unternehmen und damit die deutsche Volkswirtschaft. Das Werben für die Kapitalmarktunion hat mich anfangs nicht gerade beliebt gemacht, aber ich bin dankbar, dass dieses Vorhaben mittlerweile von allen Bankenverbänden unisono unterstützt wird.

Gibt es weitere Themen, die Sie herausgreifen können?

Ich bin der Überzeugung, dass die verschiedenen Größenklassen und die Heterogenität der Geschäftsmodelle die Stärke eines Bankenmarktes ausmachen. Von daher habe ich mich schon früh und sehr intensiv dem Thema Verhältnismäßigkeit in der Bankenaufsicht gewidmet. Es kann nicht richtig sein, dass kleinere Banken mit einem geringen Risikogehalt unter hohem administrativen Aufwand die gleichen Vorschriften erfüllen müssen wie internationale Großbanken. An dieser Stelle sind wir auf mein Betreiben hin relativ weit gekommen, was nicht zuletzt der exzellente Bericht des Europaabgeordneten Peter Simon deutlich macht.

Drittes wichtiges Thema meiner Amtszeit: Banken und Vertrauen. Hier habe ich mich auch von internen Bedenken nicht davon abbringen lassen, dieses Thema anzusprechen. Nach einer solch tiefen Vertrauenskrise, wie es das Finanzsystem durchleben musste und zum Teil immer noch durchlebt, finde ich es äußerst wichtig, dass sich eine Institution wie die Deutsche Bundesbank zu diesem Themenkomplex äußert und Stellung bezieht.

Und ich muss natürlich das Thema erwähnen, das mich zuletzt stark umgetrieben hat, nämlich der Klimawandel und die Folgen für die gesamte Gesellschaft. Wenn dieses Thema auf lange Sicht eine solch existenzielle Bedeutung für alle und solch große Folgen für die Gesellschaft hat, wie ich fest glaube, dann muss man sich als Bankenaufseher mit den Folgen des Klimawandels für die Kreditwirtschaft jetzt schon beschäftigen. Hier haben wir erste Anstöße gegeben, und ich bin dankbar dafür, dass mein Nachfolger im Amt, Joachim Würmeling, dies so aktiv fortsetzt.

Was ist mit der Finalisierung von Basel III, bei der die deutschen Vertreter von Bundesbank und BaFin einen doch ziemlich harten Kurs gefahren sind – und das erfolgreich?

Basel III war in der Tat ein ganz wichtiges Thema meiner Amtszeit und ich bin froh darüber, dass wir es trotz der einen oder anderen Verzögerung doch noch zu einem guten Ende gebracht haben. Der geschlossene Kompromiss kann sich allemal sehen lassen, auch aus deutscher Sicht. Hier hat es sich ausgezahlt, dass mit Felix Hufeld und mir Vertreter mit einer gewissen Seniorität schon in einem frühen Stadium der Ausgestaltung des Regelwerks im Baseler Ausschuss, der sonst eher von der Fachebene besetzt ist, mit dabei waren.

Überhaupt war die sehr vertrauensvolle Zusammenarbeit mit der BaFin – zunächst mit Jochen Sanio, dann mit Elke König und später mit Felix Hufeld und ich hatte es schon erwähnt mit dem BMF, hier allen voran Thomas Steffen – ein ganz wichtiger Faktor für die Weiterentwicklungen, die wir in Sachen Finanzstabilität und Bankenaufsicht erfolgreich betrieben haben. Und ich möchte in diesem Zusammenhang nicht nur Basel III erwähnen, sondern auch noch die Ausarbeitung des Finanzstabilitätsgesetzes sowie die Überführung der deutschen Banken von der deutschen Aufsicht in ein europäisches Regulierungsregime im Jahr 2014.

Wie würden Sie die Zusammenarbeit mit der EZB mittlerweile bewerten? Hat sich das eingespielt?

Die Zusammenarbeit mit der EZB in der Bankenaufsicht läuft gut. Ausgesprochen gut sogar. Meines Erachtens sind wir heute in Deutschland in der Bankenaufsicht besser aufgestellt, als wir es je waren. Mit Danièle Nouy und Sabine Lautenschläger hatten wir ein Dream-Team an der Spitze des SSM, und mit Andrea Enria gibt es einen würdigen Nachfolger für Danièle. Ich verrate kein Geheimnis, wenn ich sage, dass ich mir Andrea als Nachfolger von Danièle gewünscht und aktiv für ihn geworben habe.

Aber auch die Generaldirektoren beim Single Supervisory Mechanism – Stefan Walter, Ramon Quintana, Patrick Amis und Korbinian Ibel – leisten mit ihren Teams hervorragende Arbeit. Ich mache mir keine Sorgen um die europäische Bankenaufsicht – ganz im Gegenteil.

Gibt es mit EZB, EBA, EU-Kommission und nationalen Aufsichtsbehörden nicht zu viele Institutionen, die sich mit Bankenregulierung beschäftigen?

Sie haben natürlich recht: Es gibt keinen Mangel an internationalen Institutionen. Zu EZB, EBA, EU-Kommission et cetera könnten Sie auch noch das Financial Stability Board, den Baseler Ausschuss und andere hinzurechnen – die Rechnungslegungs-Standardsetzer nicht zu vergessen. Sie sehen: ein weites Feld. Umso wichtiger ist es bei der angesprochenen Vielzahl von Institutionen, über ein hohes eigenes Standing zu verfügen. Die Bundesbank tut dies und ist sehr anerkannt. Sie werden verstehen, dass ich mich darüber freue.

Um es zusammenzufassen: Es kommt meines Erachtens weniger darauf an, ob es zu viele Institutionen sind, sondern wie diese zusammenarbeiten.

Es wird vonseiten der Bankenaufsicht in Deutschland seit einiger Zeit immer wieder erklärt, dass man nicht immer nur neue Regeln aufstellen darf, sondern die bereits eingeführten Vorschriften auch auf ihre Wirkung und ihre Wechselwirkung hin untersuchen muss: Was wird da konkret geprüft und wann wird es zu Veränderungen kommen?

Vielen Dank, dass Sie mir diese Frage stellen, denn das Thema ist mir wichtig. Und zwar deshalb, weil ich exakt der gleichen Meinung wie Sie bin: Was an allen einzelnen Regelungen vielleicht sinnvoll sein mag, wirkt im Kontext mit all den anderen Vorschriften möglicherweise kontraproduktiv. Deswegen habe ich zum Ende meiner Amtszeit die wichtigsten Verbandspräsidenten und Bankchefs in die Bundesbank eingeladen, um dort mit ihnen und Felix Hufeld darüber zu diskutieren, welche Vorschriften entfallen können und welche administrative Erleichterungen möglich sind. Es wurden hierzu im März 2018 diverse Arbeitsgruppen eingerichtet, die hoffentlich für alle Seiten gute Ergebnisse erarbeiten.

Nahezu alles hängt davon ab, dass Institute die gleichen Regeln befolgen. Ist das gegeben? Oder nehmen protektionistische Tendenzen zu, was wiederum zu Wettbewerbsverzerrungen führen kann?

Protektionistische und auch nationalistische Strömungen hat es immer gegeben. Und es gab auch immer schon grundsätzliche Unterschiede beispielsweise bei der Stabilitätsorientierung oder bei den Zielen der Geldpolitik. Das ist aber kein grundsätzliches Hindernis für die Schaffung eines Level Playing Field und darf auch nicht als Entschuldigung dafür herhalten.

Nehmen Sie das Beispiel Europa: Vertreter einer europäischen Institution müssen zwar die europäischen Interessen vertreten. Aber natürlich ist auch da keiner völlig frei, die jeweiligen Interessen seines Heimatlandes besonders im Blick zu haben. Es darf meines Erachtens aber nie ausschließlich um die eigenen Interessen gehen, sonst geht das dringend erforderliche Vertrauen verloren. Hinzu kommt: Vertreter eines kleinen Mitgliedslandes halten es eher mit der Zentrale, in Europa also mit der EZB, diejenigen eines größeren Landes haben mehr den Anspruch und die personelle Ausstattung, mitzugestalten. Das bringt Spannungen, für deren Überwindung viel Zeit aufgewendet werden muss. Aber dies gelingt gar nicht so schlecht, wie ich meine. Auch weil natürlich die protektionistische Tendenzen bei Zentralbanken bei Weitem nicht so ausgeprägt sind wie beispielsweise in Handelsfragen. Entscheidend ist die Bereitschaft zuzuhören und eben nicht mit vorgefertigten Meinungen daherzukommen. Bei alldem sind persönliche Beziehungen extrem wichtig. Darum habe ich in diese persönlichen Beziehungen so viel meines Zeitetats investiert.

Es gibt hier also deutliche Unterschiede zwischen Zentralbankverantwortlichen und Politikern, höre ich das richtig heraus?

Agustín Carstens, der heutige General Manager der Bank für Internationalen Zahlungsausgleich, war früher Finanzminister und danach Zentralbankgouverneur in Mexiko. Er sagte mir einmal: Als Finanzminister fliegt man einen Starfighter: schnell, wendig, extrem mächtig. Als Zentralbankgouverneur dagegen eher einen Jumbo: Schwerfälliger, aber mit viel Publikum an Bord und daher mit einer enormen Verantwortung. Dieses Bild von Agustín trifft es meiner Ansicht nach sehr gut.

Gibt es hierbei Unterschiede zwischen Ländern, in denen allein die Zentralbank die Bankenaufsicht ausübt, und jenen, wo es eine zweigeteilte Bankenaufsicht gibt, wie beispielsweise in Deutschland?

Nein, den Eindruck habe ich nicht gewonnen. Während meiner Zeit habe ich nur Kolleginnen und Kollegen kennenlernen dürfen, die an einer Lösung interessiert waren, gleich aus welchem Aufsichtssystem sie kamen. In jedem Land bedarf es individueller Abstimmungsprozesse. Für Deutschland kann ich sagen, dass die Zusammenarbeit mit der BaFin eine lang geübte und professionelle ist.

Wie offen müssen Sie gegenüber den Kollegen in den internationalen Gremien sein?

Sehr offen. Denn nur aus Offenheit entsteht Vertrauen. Und man muss sich an seinen eigenen Empfehlungen auch messen lassen. Daher sollte man vorsichtig sein und sich nicht allzu häufig irren. Denn wenn Sie mehrfach Dinge versprochen oder in Aussicht gestellt haben, die dann so nicht eingetroffen sind, ist Ihre Glaubwürdigkeit schnell beschädigt.

Das wäre fatal. Denn wir wissen, dass es keine isolierten Krisen mehr geben wird, sondern wir immer alle betroffen sein werden und daher eng und vertrauensvoll zusammenarbeiten müssen. Man ist nur in der Gemeinschaft stark.

Stört da nicht die Vielstimmigkeit, die bei den Vertretern deutscher Banken und Sparkassen doch sehr ausgeprägt ist. Ist es hinderlich, dass die Vertreter der verschiedenen Bankengruppen nicht mit einer Stimme sprechen?

Bitte überschätzen Sie dies nicht. Auch wenn Sie etwas anderes glauben möchten: In den Sitzungen internationaler Gremien spielt eine derartige Begleitmusik eher eine untergeordnete Rolle. Entscheidend sind die Argumente, mit denen sich die Verantwortlichen für oder gegen eine Sache aussprechen. Man kann sich durchaus auch gegen die Mehrheit stellen, aber dann muss dies äußerst gut und stichhaltig begründet sein. Ist das der Fall, wird eine solche Haltung in der Regel respektiert. Zudem wird Lobbyarbeit durch Bankenverbände in allen Ländern betrieben. Das kennen die Kollegen und können es gut einschätzen.

Mich irritiert nur, wenn Vertrauen missbraucht wird. Es gibt kein Land, das einen intensiveren Austausch mit den Vertretern der Kreditwirtschaft in Sachen Basel III gesucht hat als Deutschland. Ich kann Ihnen nicht sagen, wie viele Gesprächsrunden es hierzu gegeben hat. Allerdings wurde die geschaffene Transparenz dann vom dem einen oder anderen benutzt, um spezifische Ziele seiner Institutsgruppe zu verfolgen. So etwas ist nicht hilfreich, gehört aber wohl zum Job als Bankenaufseher dazu. Ich habe das ausgehalten und insofern keine Klagen.

Weil Sie es gerade ansprechen: Wie bewerten Sie den gefundenen Kompromiss zu Basel III mit ein bisschen mehr Abstand?

Das Ergebnis ist alles in allem gut! Mit einem Outputfloor von 72,5 haben wir die Risikosensitivität des Ansatzes sehr viel besser erhalten, als dies beispielsweise die Amerikaner und ihre Verbündeten wollten, die auf einen Floor von 80 gedrängt haben. Natürlich werden Banken belastet – einige Institute mehr als andere. Das ist aber auch richtig, denn es gibt zweifellos riskantere und weniger riskante Geschäftsmodelle. Zudem ist die Übergangsphase bewusst lang gehalten. Voll implementiert ist Basel III erst 2027, also zwanzig Jahre nach Ausbruch der Finanzkrise. Der Baseler Ausschuss hat wirklich alles getan, um negative Auswirkungen möglichst zu begrenzen.

Im Vorfeld der Verhandlungen habe ich mit nahezu jedem Banker und jedem Verbandsvertreter, der in Deutschland Verantwortung trägt, Vier-Augen-Gespräche zu Basel III geführt. Die überwiegende Meinung war: Es ist besser, einen Abschluss zu haben als keinen. Wie wichtig eine solch international einvernehmliche Lösung ist, zeigt sich nicht zuletzt an den aktuellen protektionistischen und nationalistischen Strömungen. Man muss es sehr hoch bewerten, dass es gelungen ist, einen solchen Kompromiss auch mit der zum damaligen Zeitpunkt noch neuen Administration in den USA auszuarbeiten. Wie gut der Kompromiss gelungen ist, zeigt sich daran, dass sowohl die Fed als auch die Europäer ihn als Erfolg verkaufen. Nun liegt es an der Umsetzung, ob aus dem guten Kompromiss auch eine gute Regulierung wird.

Bitte lassen Sie mich Ihre Frage zu Basel III zum Anlass nehmen, mich bei Bundesbankpräsident Jens Weidmann für seine Unterstützung zu bedanken. Er hat immer und ohne Wenn und Aber zu 100 Prozent hinter mir gestanden – nur so konnte ich im Baseler Ausschuss den Kompromiss von 72,5 Prozent Output Floor mit den USA erfolgreich verhandeln und abschließen. Und ohne den Zentralbereichsleiter Erich Loeper von der Bundesbank hätte ich nie die Verhandlungsrolle einnehmen können, die zum erfolgreichen Abschluss geführt hat. Daher gebührt ihm und seinem Team ebenfalls größter Dank. Die deutsche Presse hat mir zusätzlich den Rücken gestärkt, was natürlich auch geholfen hat.

Können Sie Kritik an dem Abschluss nachvollziehen? Banken beklagen den enormen Aufwand und die steigenden Kosten.

Es ist in unser aller Interesse, das Finanzsystem stabiler zu machen und für vernünftige Wettbewerbsbedingungen zu sorgen. Das kostet Geld – ohne jede Frage. Ich habe volles Verständnis, dass die Banken darüber kritisch diskutieren. Die Institute müssen ihre berechtigten Forderungen vortragen und tun dies auch. Aber ich sehe nicht nur den Aufwand von Basel III, den ich alles andere als gering einschätze, sondern ich sehe auch die Vorteile: Nur wenn das Vertrauen in die Sicherheit des Bankensystems hoch ist, kann dieses seine Funktion erfüllen und damit zu Wachstum beitragen.

Eines kann ich Ihnen versichern, Herr Otto: Ich habe die Interessen deutscher Banken und Sparkassen über die gesamte Zeit der Verhandlungen nie aus dem Blick verloren. Keine Minute. Wenn Stefan Ingves, der damalige Chairman des Baseler Committee on Banking Supervision, sagt, dass am Ende nur noch Verhandlungen zwischen den USA in Person von Mark Van Der Weide und Europa in Person von Andreas Dombret geführt worden sind, dann zeigt das doch, wie intensiv ich mich eingesetzt habe. Ein großes Lob geht hier auch an Felix Hufeld, denn trotz zwischenzeitlich unterschiedlicher Ansichten in Einzelfragen waren wir uns einig, wo wir hinwollten und was als Ergebnis herauskommen sollte.

Überraschend kommt die Kritik dahingehend, da der größte Teil von Basel III schon 2012 eingeführt wurde und wir nun nur über einen relativ kleinen Teil verhandelt haben. Die Anforderungen an die Banken, diesen ersten Teil zu erfüllen, waren damals deutlich höher, als sie dies nun beim zweiten Teil sind. Damals hat aber keiner kritisiert. Vielleicht meinen die Institute, die Krise ist ein für alle Mal vorbei. Wenn sie sich da mal nicht täuschen.

Und ich betone es noch einmal: Nun müssen bei der Umsetzung die guten Positionen Europas und vor allem die Spezifika der deutschen Banken entsprechend gut berücksichtigt werden. Darauf sollte man sich jetzt konzentrieren, finde ich.

Wird die lange Übergangsfrist von den Instituten wirklich voll ausgeschöpft werden können oder wird von den Märkten und den Ratingagenturen nicht schon viel früher erwartet, dass mehr oder weniger große Teile des Regelwerks umgesetzt werden?

Die Transparenz beginnt erst 2022, also in einigen Jahren. Was dann passieren wird, lässt sich heute nicht seriös vorhersagen. Aus meiner Erfahrung heraus meine ich, dass natürlich schon vor dem Ende der Übergangszeit gerade von den Ratingagenturen entsprechende Fragen gestellt werden. Aber immerhin reden jetzt alle über das Gleiche, sodass sich der Korridor der Fragen einengt, was ich wiederum als Vorteil für die Branche und für die Institute werte.

Was macht Sie zuversichtlich, dass das internationale Level Playing Field, für das Sie erheblich gekämpft haben, Bestand hat?

Ein solches Level Playing Field darf man bitte nicht auf den Zentimeter genau sehen. Es gibt erhebliche Unterschiede zwischen einer kapitalmarktbasierten und einer kreditbasierten Volkswirtschaft. Es gibt darüber hinaus Strukturunterschiede und nationale Besonderheiten. Und es muss auch gar nicht alles zu 100 Prozent gleich sein. Entscheidend ist vielmehr eine Grundgemeinsamkeit. Die sehe ich derzeit im Großen und Ganzen noch gegeben, aber sie ist angesichts der Entwicklungen sehr, sehr schwer zu verteidigen – und zwar sowohl innerhalb Europas als auch weltweit. Viel Gemeinsamkeit ist durch die Krise entstanden. Je weiter diese Erfahrungen in die Vergangenheit rücken, desto weniger sieht man diese Notwendigkeit zu Gemeinsamkeit.

Zur immer wieder geäußerten Kritik an den Amerikanern in diesem Zusammenhang: Die Amerikaner sind „Basel II compliant“ und haben Basel II voll umgesetzt, während wir in Europa dies nicht getan haben. Die USA haben Basel II zwar nur bei den systemrelevanten Instituten angewandt, aber das ist nach den Statuten des Baseler Ausschusses absolut in Ordnung. Wir, die Europäer, hinken hinterher. Und das seit Jahren. Bitte berücksichtigen Sie diese für uns unangenehme Wahrheit bei Ihrer Einschätzung des Basel-III-Kompromisses.

Wer kann eine einheitliche Umsetzung von Basel III überhaupt sicherstellen?

Das wird sich über den Markt nach dem wirkungsvollen Prinzip „name and shame“ regeln. Wer aus der Gemeinschaft ausschert und laxere Regeln einführt, wird dies über höhere Sicherheitspuffer kompensieren müssen. Das kann am Ende mitunter teurer werden, als wenn man sich gleich an die Vorschriften hält. Daher meine Empfehlung: Basel III fristgerecht und vollumfänglich einführen.

Wie bewerten Sie die aufsichtsrechtliche Entwicklung in den USA?

Die meisten Veränderungen in den USA betreffen nationale Vorschriften. Beispielsweise sollen dort für gewisse Banken Erleichterungen durch mehr Proportionalität erreicht werden, was ich gut nachvollziehen kann. Eine Abkehr von internationalen Standards oder gar einen Trend in Richtung Deregulierung kann ich in den USA aber nicht erkennen. Die Bankenaufsicht in den USA war immer eine strenge und verantwortungsbewusste und wird dies auch weiterhin bleiben – davon bin ich überzeugt.

Was erwarten Sie vom Brexit? Wird das zu größeren Veränderungen an den Finanzmärkten führen?

Der Brexit macht mir Sorgen. Große Sorgen sogar. Sie erinnern sich vielleicht, dass ich von Anfang an dazu geraten habe, konservativ zu sein nach dem Motto „Hope for the best, prepare for the worst“. Der Grad an Übereinstimmung im Vereinigten Königreich, wie man sich gegenüber der EU aufstellen will, ist bedenklich niedrig, und die Gesellschaft ist gespalten. Und wenn ich Stimmen in Deutschland höre, man habe alles bedacht, macht mich das sogar noch mehr besorgt. Schön wäre es, aber es ist meine Erfahrung, dass man leider nie alles bedacht haben kann. Und schon gar nicht in solch einem Fall, denn wir bekanntlich noch nie erlebt haben.

Erwarten Sie Gefahren für die Finanzstabilität?

Man konnte sich sehr lange auf den Brexit vorbereiten. Aber ganz ausschließen kann ich gewisse Verwerfungen nicht.

Die deutsche Bankenaufsicht hat bereits eine Regulierung mit Augenmaß für die englischen Institute angekündigt, die auf das Festland übersiedeln werden. Wie lange kann so eine Übergangszeit gehen?

Das müssen die jetzt dafür zuständigen Personen entscheiden. Das bin nicht mehr ich. Aber meine Erfahrung sagt mir, dass wir mit einer vernünftigen und pragmatischen Lösung rechnen können – sowohl von der EZB, aber auch von den Kollegen der Bank of England.

Zurück zu Ihren Aufgaben in der Deutschen Bundesbank: Wo haben Sie das Haus intern verändert?

Als ich noch die Verantwortung für den Komplex Statistik hatte, wurde das House of Data gegründet. Die Bundesbank sitzt schließlich auf einem riesigen Datenschatz. Den besser zu nutzen, war mir ein großes Anliegen. Und auch wenn die technische Umsetzung nicht so einfach war, ist uns das gelungen.

Zweiter Punkt: Risikocontrolling. Früher brauchte eine Zentralbank kein Risikocontrolling, denn es gab schlicht keine nennenswerten Risiken. Doch mit der Veränderung in der Geldpolitik haben die Risiken für Zentralbanken leider bekanntlich zugenommen, und zwar erheblich. Entsprechend muss man sich mit diesem Thema intensiv beschäftigen, was wir auch getan haben. Die vielen Rückstellungen, die gebildet wurden, sind alle über meinen Schreibtisch gegangen.

Gibt es rückblickend Dinge, die Sie anders machen würden?

Ja, natürlich, alles andere wäre auch überheblich und unglaubwürdig. Das betrifft vor allem Themen, bei denen ich nicht fertig geworden bin. Beispielsweise das Stichwort Cybercrime. Dies hat die Aufsicht inzwischen sehr intensiv auf der Agenda. Aber ich wollte immer einen vorher abgesprochenen, simulierten Angriff auf die Banken in einem geschützten Raum durchführen lassen. Denn man lernt am meisten aus gemachten Erfahrungen. Hierzu ist es leider nicht gekommen. Ich kann die Anzahl der Vermerke, die ich hierzu aus der Bundesbank und von der BaFin bekommen habe, gar nicht zählen: Sei es, dass Cybercrime nicht in den Aufgabenbereich Bankenaufsicht falle, sei es, dass ein solcher gespielter Angriff nicht mit dem Kreditwesengesetz vereinbar sei und nicht im Bundesbankgesetz stehe. Über so viel Widerstand war ich natürlich nicht glücklich, gerade weil ich Cyberrisiken für eine essenzielle Gefahrenquelle für die Institute halte. Bemühungen in diese Richtung hätte ich vielleicht noch mehr intensivieren müssen. Das muss jetzt mein Nachfolger vorantreiben, der sich dieses Themas aber wirklich mit Hochdruck und viel Erfolg annimmt.

Auch beim Thema ökonomische Bildung bleibt noch viel zu tun. Die Bundesbank genießt eine hohe Glaubwürdigkeit. Die muss besser genutzt werden, um Bürger, insbesondere junge Menschen in Finanzdingen zu informieren, aufzuklären und weiterzubilden. Burkhard Balz ist da am Ball.

Sie wurden vom Vorstand auch zum „Kunstbeauftragten“ der Bundesbank ernannt – war das eher eine lästige Pflichtübung oder die Kür?

Diese Aufgabe habe ich mit sehr viel Freude wahrgenommen, denn es hat mir jede Menge Spaß gemacht, die Sammlung zu erweitern und zu arrondieren. Jetzt kümmert sich Jens Weidmann darum – bei seinem ausgeprägten Kunstsachverstand der Allerbeste für diese Aufgabe.

Bankenaufsehern sind per Gesetz Grenzen hinsichtlich der Befugnisse und Eingriffsmöglichkeiten gesetzt – zu Recht zweifellos. Aber sind diese Beschränkungen angesichts der neuen Herausforderungen noch zeitgemäß? Wo würden Sie eine Verschiebung dieser Grenzen befürworten?

Weder Staat noch Aufsicht dürfen bestimmen oder Einfluss darauf ausüben können, wie sich ein Bankensystem entwickelt. Das muss der Wettbewerb entscheiden. Diese sehr marktwirtschaftliche Auffassung ist zu Recht tief in der Bundesbank verankert. Aufgabe einer Aufsichtsbehörde wie der Bundesbank ist die Kontrolle der Risiken und die Schaffung eines Level Playing Field. Dafür ist das vorliegende Instrumentarium meines Erachtens absolut das Richtige und auch ausreichend. Wir sind nicht der Sheriff, sondern haben eine dienende Funktion. Und Aufseher müssen immer das Ganze im Blick haben, im diesem Fall die Finanzstabilität. Da kann man es nicht jedem recht machen.

Im Bereich der Finanzstabilität könnte ich mir dagegen noch die eine oder andere Nachbesserung vorstellen. Dies ist ein bekanntlich noch junger Bereich. Aber ich bin guten Mutes, dass der Ausschuss für Finanzstabilität in den kommenden Jahren noch Instrumente für die Systemaufsicht zum bestehenden Instrumentarium hinzufügen wird.

Ist die Datenbasis immer ausreichend, um drohende Risiken zu überblicken? Auch das Meldewesen ist immer wieder ein Thema, das nicht nur mit Wohlwollen betrachtet wird.

Die der Bundesbank vorliegenden Mikrodaten der Banken sind im Großen und Ganzen ausreichend. Natürlich kann man sich immer noch mehr granulare Daten wünschen, und vermutlich würde dann die in oder andere Erkenntnis noch etwas klarer zum Vorschein kommen. Aber am Ende des Tages müssen die Erkenntnisgewinne auch den Aufwand rechtfertigen. Und ich glaube, dass wir jetzt schon sehr vernünftig aufgestellt sind.

Sie sagen, man muss marktwirtschaftlich an die Dinge herangehen: Aber wird durch die Aufsicht nicht doch auch ein Stück weit Strukturpolitik betrieben?

Natürlich nimmt die Aufsicht Eingriffe in das Marktgeschehen vor. Wenn eine Straßenbaubehörde Straßen baut und Leitplanken einzieht, kann auch nicht mehr jeder querfeldein fahren, sondern muss sich auf den Straßen innerhalb der Leitplanken bewegen. Das ist ein Eingriff, der einengt, aber auch Vorteile hat, weil alle davon in Form geringerer Risiken und mehr Ordnung profitieren.

Führt Bankenaufsicht nicht auch zu einer ganz anderen Art von Systemrisiko, da sich die Institute durch die Erfüllung der Vorschriften immer ähnlicher werden? Geht ein Stück Heterogenität verloren und macht das das System verwundbarer gegen neue Schocks?

Sie haben recht: Tendenziell kann das zu einem zusätzlichen Risiko werden, weil Prozyklizität und Herdenverhalten forciert werden. Aber die Entwicklung allein auf die Regulierung zurückzuführen, wäre meines Erachtens zu kurz gesprungen und damit ungerecht. Banken haben sich auch alleine in diese Richtung entwickelt, weil ganz offensichtlich der Markt Veränderungen in die gleiche Richtung erwartet und erfordert. Der deutschen Bankenmarkt ist immer noch ausreichend diversifiziert; in anderen Ländern ist die Konzentration wesentlich höher.

Verstärken die neuen Regeln in der Bankenaufsicht, die seit der Krise eingeführt wurden, aber nicht gerade die Prozyklizität?

Leider ja. Aber nicht so stark, dass es Ihnen und mir schlaflose Nächte bereiten sollte.

Zu Beginn Ihrer Amtszeit gab es in Deutschland noch mehr als 2000 Institute, trotz Finanzkrise. Heute sind es weniger als 1700. Welche Faktoren haben zu der Beschleunigung des Konsolidierungsprozesses beigetragen?

Hier muss ich an erster Stelle die niedrigen Zinsen nennen. Die Geldpolitik der EZB hat auf der Ertragsseite leider zu starken Einbrüchen geführt. Das musste und muss zum Großteil über Einsparungen ausgeglichen werden. Da sind Fusionen eines von mehreren möglichen Mitteln, um den Aufwand auf einen größeren Apparat zu verteilen und so die Fixkosten zu senken.

Ein zweiter wichtiger Punkt scheint mir die enorme Komplexität des Bankgeschäfts zu sein. Hier spielt sicherlich auch Regulierung eine Rolle, die zugegebenermaßen deutlich komplizierter geworden ist. Kleine und mittelgroße Häuser tun sich insofern immer schwerer, die gestiegenen und weiter steigenden Anforderungen zu erfüllen. Eine kleine Bank oder Sparkasse ist hier eindeutig im Nachteil gegenüber größeren Instituten. Deswegen habe ich mich schon sehr früh für mehr Proportionalität, also für mehr Verhältnismäßigkeit in der Bankenaufsicht eingesetzt, um den administrativen Aufwand für die kleineren Institute zu verringern. Deutschland verfügt über ein diversifiziertes und kleinteiliges Bankensystem; da ist es Aufgabe der Aufseher, die eine Verantwortung für dieses deutsche Bankensystem haben, solche Themen proaktiv anzusprechen.

Und drittens haben große Häuser natürlich auch eine andere Einkaufsmacht. All das hat dazu geführt, dass Größe zu einem Wettbewerbsvorteil geworden ist.

Sie selbst haben die Kreditwirtschaft zur Konsolidierung aufgerufen und haben dafür Kritik einstecken müssen.

Darf ich da direkt einhaken: Erstens hat der Trend zur Konsolidierung schon lange vor meiner Amtszeit eingesetzt.

Zweitens habe ich in der von Ihnen angesprochenen Pressekonferenz, die ich gemeinsam mit Elke König von der BaFin anlässlich des ersten Asset Quality Review der EZB veranstaltet habe, lediglich gesagt, dass Konsolidierung kein Tabu sein darf. Ich habe mich also weder für noch gegen Fusionen ausgesprochen. Deutschland braucht ertragsstarke Banken und Sparkassen. Da darf es wirklich keine Missverständnisse geben. Aber es sind schließlich einzig die Institute, die über ihre Strategie entscheiden.