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Spocks erster Einsatz
Noch unter dem Kommando von Captain Chris Pike tritt ein junger Wissenschaftsoffzier den Dienst auf der Enterprise an: Der Vulkanier Spock ist, gegen den Willen seines Vaters, der Sternenflotte beigetreten. Schon bei seinem ersten Einsatz stellt er außergewöhnliche Fähigkeiten unter Beweis. Auf einem unbewohnten Planeten kann der einen riesigen Edelstein bergen, der für sein Volk mythische Bedeutung hat: "Vulkans Ruhm". Doch sobald sich der Smaragd an Bord der Entersprise befindet, stiftet er nur Unheil. Ein Geologe, der ihn untersucht, wird ermordet aufgefunden. Und den Indizien nach zu urteilen kann nur ein Vulkanier den Mord begangen haben.
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Seitenzahl: 303
Veröffentlichungsjahr: 2014
Noch unter dem Kommando von Captain Chris Pike tritt ein junger Wissenschaftsoffizier namens Spock seinen Dienst auf der Enterprise an. Entgegen dem Willen seines Vaters hat er sich für den Dienst bei Starfleet entschieden. Und bereits bei seinem ersten Einsatz stellt der Vulkanier seine außergewöhnlichen Fähigkeiten unter Beweis.
Spock kann auf einem unbewohnten Planeten einen vor Jahrhunderten verschollenen Edelstein bergen, der für sein Volk eine geradezu mythische Bedeutung besitzt. Dieser riesige Smaragd ging unter der Bezeichnung »Vulkans Ruhm« in die Geschichte ein. Doch sobald der Smaragd sich an Bord der Enterprise befindet, stiftet er nur Unheil. Ein Geologe, der den Stein analysieren will, wird ermordet aufgefunden. Und nach den Indizien kann nur ein Vulkanier diesen Mord verübt haben.
Dieser Roman spielt in den frühen Tagen der Enterprise
D. C. FONTANA
VULKANS RUHM
Star Trek™
Classic
Für Herb Wright und David Gerrold.
In Liebe.
Der Strand von Ka'a bot Ausblick auf einen prächtigen Sonnenuntergang. Rosarote Streifen und goldene Kumuluswolken schwebten ruhig über dem orangefarbenen Glühen am fernen Horizont, dort, wo sich Meer und Himmel trafen. Tropische Vegetation in verschiedenen, saftigen Schattierungen von Grün wucherte am steilen Hang des Berges, der hinter dem abgelegenen Strand aufragte. Einige Vögel segelten wie träge in der sanften, vom Meer her wehenden Brise. Für den späten Dezember überraschend niedrige Wellen rollten unablässig ans Ufer, krochen immer weiter über den Sand, als das Leuchten am Horizont allmählich verblasste.
Spock achtete nicht darauf, saß fast reglos und beobachtete seine nackten Füße – die Zehen steckten halb im gelbweißen Sand. Neben ihm standen die Stiefel, darin sorgfältig gefaltete Socken. Er war nach Ka'a gekommen, weil man hier allein und ungestört sein konnte. Über dreihundert Jahre hinweg hatten die hiesigen Behörden den Massentourismus verhindert, um die natürliche Schönheit von Kauai zu erhalten, der nördlichsten Insel des Hawaii-Archipels. Es gab noch einen zweiten Grund für Spocks Aufenthalt an diesem Ort: Die sogenannte Garteninsel bildete einen außerordentlich krassen Kontrast zu seiner Heimatwelt.
Er zog sich die Starfleet-Jacke enger um die Schultern, als der Wind vom Meer auffrischte. Kühles Wetter irgendeiner Art gefiel ihm nicht – in seinem Quartier wählte er immer Temperaturen, die fast alle Menschen als unangenehm empfanden. Auf Vulkan hatte es nie einen so kalten Wind gegeben, wie er ihm nun das Haar zerzauste. Das galt auch für die üppige Flora dieser tropischen Insel: Hier gediehen die Pflanzen, ohne dass sich jemand um sie kümmern musste. Was Vulkan betraf … Dort existierten ausgedehnte Parkanlagen unweit der Städte. Gepflegt wurden sie von vielen Freiwilligen, die folgende Ansicht vertraten: Jede zivilisierte Gesellschaft braucht Gelegenheit, inmitten von wachsenden Dingen Muße zu finden. Doch die Bäume und Ranken in den Parks, das Gras und die Blumen … Alles war entweder durch sorgfältig kontrollierte Mutationen und Kreuzungen in botanischen Laboratorien entstanden oder von anderen Welten importiert worden.
Der größte Teil von Vulkan bestand aus Wüsten und zerklüfteten Gebirgen. Hinzu kamen einige blutrote Meere. Die einheimische, natürliche Pflanzenwelt setzte sich zusammen aus widerstandsfähigen Sukkulenten, knorrigen Isuke-Büschen mit winzigen Blättern und Karanji, einer Spezies, die dem terranischen Säulenkaktus ähnelte. Induki-Bäume mit flammenartigen Blättern wuchsen dort in den Wüsten, wo es Oasen gab. Außer natürlich in Vulkans ›Schmiede‹. Nichts wuchs in der Schmiede, jenem gewaltigen Backofen aus sterilem Sand und totem Fels, den selbst die erfahrensten und zähesten Vulkanier mieden.
Spock dachte kurz an die eigenen Erlebnisse in der Schmiede zurück. Dort hatte sein Kahs-wan stattgefunden, ein Ritual, dem sich jedes vulkanische Kind am zehnten Geburtstag unterziehen musste. Es handelte sich um einen Ausdauer- und Überlebenstest, der individuelle Kraft, Mut und Logik beweisen sollte. (Der Hauch eines Lächelns umspielte Spocks Mundwinkel. Intelligenz brauchten vulkanische Jungen und Mädchen nicht extra unter Beweis zu stellen; man setzte sie voraus.)
In Bezug auf sein Kahs-wan entsann sich Spock an so viele besondere Zwischenfälle, dass er jenes Ritual manchmal für den wichtigsten Wendepunkt seines Lebens hielt. Ganz deutlich erinnerte er sich an alle Einzelheiten, die damit in Zusammenhang standen, auch an die Tatsache, dass er ohne Erlaubnis aufbrach, allein und zu früh. Um zu beweisen, dass er ein Vulkanier war, kein Terraner.
Er dachte nun an den von sturer Entschlossenheit veranlassten Marsch in die Schmiede – ein impulsiver Beschluss nach dem strengen Hinweis seines Vaters, dass er lernen musste, sich wie ein Vulkanier zu verhalten. Spock wusste natürlich, dass Sarek recht hatte. Damals gab er immer wieder dem Zorn nach und stritt mit vulkanischen Jungen, die ihn verspotteten, weil in seinen Adern auch menschliches Blut floss. Er ließ sich sogar dazu hinreißen, aus Enttäuschung und Kummer Tränen zu vergießen. Eine solche Schwäche konnte man beim Erben eines so ehrenwerten Clans nicht dulden. Spock rang sich bald zu der Erkenntnis durch, dass ihm gar keine andere Wahl blieb, als diese Schwäche zu überwinden. Er hoffte, sein Problem zu lösen, indem er vorzeitig mit dem Kahs-wan begann – eine Entscheidung, mit der er einmal mehr die menschliche Hälfte seines Wesens zeigte.
Der dicke I-chaya, sein Sehlat, war ihm in die Schmiede gefolgt und kehrte selbst dann nicht zurück, als Spock ihn ausdrücklich dazu aufforderte. Später hatte er allen Grund, für den Ungehorsam des Tiers dankbar zu sein: I-chaya rettete ihn vor einem Le matya. Der alte Sehlat warf sich dem Angreifer entgegen und hielt ihn von dem Jungen fern – bis wie durch ein Wunder Spocks Vetter erschien, um das tigerartige Raubtier mit einem geschickten Nervengriff außer Gefecht zu setzen.
Selek hatte erklärt, wie es ihm gelungen war, genau zum richtigen Zeitpunkt zur Stelle zu sein, und der Knabe sah keinen Grund, die Worte des Vetters in Zweifel zu ziehen. Er hielt alles für plausibel, und das Bestreben, dem schwer verletzten I-chaya zu helfen, beanspruchte seine ganze Aufmerksamkeit. Er holte einen Heiler, litt mit dem Sehlat und bat schließlich darum, ihn von seinen Qualen zu erlösen, dem Tier einen würdevollen Tod zu gewähren. Als Spock jetzt an die entsprechenden Ereignisse zurückdachte, fragte er sich, ob Seleks Erklärungen tatsächlich nur auf Logik basierten. Die Erleichterung seiner Eltern über das bestandene Kahs-wan hatte ihn abgelenkt, und außerdem war Selek bereit gewesen, ihm den vulkanischen Nervengriff beizubringen. Was hatte seinen Vetter damals in die Lage versetzt, praktisch aus dem Nichts zu erscheinen? Einige Jahre später befasste sich der junge Spock mit den vielen Zweigen seines Stammbaums, fand dabei jedoch keine ›fernen Verwandten‹ mit einem Sohn namens Selek. Das Sammeln zusätzlicher Informationen und Daten schien ihm nie wichtig genug zu sein, um andere Aufgaben zugunsten gründlicher Nachforschungen zurückzustellen. Im Lauf der Zeit geriet das Rätsel immer mehr in den Hintergrund. Wichtig war nur eins: Er hatte das Kahs-wan überstanden, und dieser Erfolg festigte Spocks Entschlossenheit, den vulkanischen Weg zu beschreiten, wie es Vater und Tradition von ihm verlangten.
Er seufzte und schüttelte den Kopf. Wenn er die terranische Hälfte seines Selbst ablehnte, so leugnete er damit die eigene Mutter – und sie hatte es nicht verdient, dass er ihr auf diese Weise Schande machte. Als Heranwachsender begann Spock damit, jene menschlichen Eigenschaften zu fördern, die vulkanischen Charakteristiken ähnelten. Was den Rest betraf … Er lernte, die peinlichsten Empfindungen zu unterdrücken. Aber manchmal kehren sie zurück, fuhr es ihm durch den Sinn, während er am Strand saß. Voller Stolz erinnerte er sich an I-chaya, doch gleichzeitig formte Kummer einen Kloß im Hals.
Spock bewegte die Zehen. Er hatte einem plötzlichen Impuls nachgegeben, als er entschied, Stiefel und Socken auszuziehen, um warmen Sand an den nackten Füßen zu fühlen. Er folgte damit dem Beispiel seiner Mutter, die an so etwas großen Gefallen fand. »Wer mit Schuhen über einen Strand geht, verzichtet auf viel Freude, Spock«, betonte sie häufig. »Man muss einen direkten Kontakt mit dem Boden herstellen, um sein Leben zu spüren.«
Er hörte leises Plätschern, gefolgt von einem Zischen, sah auf und beobachtete, wie der Sand unmittelbar vor ihm das Wasser einer kleinen Welle aufsaugte. Die Schatten wurden länger, und Dunkelheit tilgte die Farben aus der tropischen Vegetation hinter Spock. Über dem letzten und immer mehr verblassenden Glühen der Sonne am Horizont funkelten die ersten Sterne, kündeten von fernen Welten. Spock hob die Beine und strich Sand von den Füßen. Er zog Socken und Stiefel an, trat dann rasch einen Schritt zurück, um einer längeren Welle auszuweichen. Der Wind lebte auf, und die Temperatur sank. Spock strich mit der einen Hand über den Haftverschluss der Jacke, wanderte über den Pfad in Richtung Straße und merkte dabei, dass noch immer Sand an seinen Füßen klebte. Die Körner rieben ihm wie Schmirgelpapier über die Haut, als er sich dem Parkplatz näherte, auf dem der Bodenwagen stand. Er ignorierte das unangenehme Empfinden, bedauerte jedoch, dass er diesen speziellen Rat seiner Mutter beherzigt hatte.
Ein Aero-Bus brachte Spock von Lihues Shuttle-Terminal zu Honolulus Raumhafen. Er trug nur eine kleine Reisetasche bei sich, die einige persönliche Dinge sowie zwei Uniformen und einen traditionellen vulkanischen Umhang enthielt. Als er den Dienst an Bord der Artemis beendete, hatte ihm Captain Daniels befohlen, mehrere Tage lang auszuspannen, und Spock nahm nur wenig mit. Alles andere wurde automatisch zu seinem neuen Schiff geschickt.
»Sie arbeiten zu hart, Spock«, hatte Daniels behauptet. »Sie sind nicht immer im Dienst. Ein derartiger Eifer mag bei einem jungen Offizier lobenswert sein, aber er ist nicht immer praktisch.« Der Captain nahm seinen Worten die Schärfe, indem er lächelte. »Ruhen Sie aus, bevor es Zeit für Sie wird, sich an Bord der Enterprise zu melden. Entspannen Sie sich. Genießen Sie es, einmal keine Pflichten wahrnehmen zu müssen.«
»Nun, ich benötige etwas Zeit, um die Expeditionsberichte der Enterprise durchzugehen und die technische Struktur des Schiffes besser kennenzulernen«, erwiderte Spock nachdenklich. »Das gilt insbesondere für den Bibliothekscomputer und die wissenschaftliche Station. Ich habe mich noch nicht mit allen Einzelheiten der Bordsysteme befasst …«
»Offenbar wollen Sie mich falsch verstehen«, sagte Daniels.
Spocks Gesicht blieb ausdruckslos – er wölbte nur eine Braue. So reagierte er auf etwas, das ihn erstaunte, amüsierte oder verwirrte. »Sir?«
Der Captain erhob sich, stützte die Hände auf den Schreibtisch und beugte sich vor. »Ich gebe Ihnen hiermit einen Befehl, Mr. Spock.« Er sprach nun etwas lauter als sonst, betonte jede einzelne Silbe. »Suchen Sie einen hübschen Ort auf. Sie nehmen keine Forschungsdaten mit, um sie zu analysieren. Und Sie rufen auch keine diesbezüglichen Informationen aus Starfleet-Datenbanken ab. Sie werden sich entspannen. Schwimmen Sie. Gehen Sie spazieren. Reiten Sie. Legen Sie sich an irgendeinem Strand in die Sonne, falls Ihnen das gefällt. Aber arbeiten Sie nicht. Haben Sie verstanden?«
»Ja, Sir. Sie befehlen mir, mich zu entspannen.«
»In der Tat.«
»Sir?«, entgegnete Spock. Daniels musterte ihn argwöhnisch. »Captain Pike steht in dem Ruf, hohe Anforderungen zu stellen …«
»Chris Pike mag streng sein, aber er ist auch fair«, unterbrach Daniels den Vulkanier. »Vergessen Sie das nie.«
»Natürlich nicht, Sir.« Spock vergaß nie etwas. Er erinnerte sich immer an alles. »Allerdings vermute ich, dass er vom neuen Zweiten Offizier mehr als nur grundlegende Kenntnisse in Hinsicht auf sein Schiff erwartet.«
»Worauf wollen Sie hinaus?«
»Sie haben mir Entspannung befohlen, Sir. Wie viele Tage sind damit gemeint?«
Daniels dachte einige Sekunden lang nach, bevor er ernst antwortete: »Zwei Wochen stehen Ihnen zur Verfügung. Zehn Tage sollten genügen.«
»Ja, Sir. Zehn Tage ohne Arbeit. Ist das alles, Sir?«
»Nein, noch nicht ganz.« Der Captain streckte die Hand aus. »Sie sind mir ein ausgezeichneter Dritter Offizier gewesen. Ich habe Ihre Beförderung gern empfohlen und mich gefreut, als ich von Ihrer Versetzung zur Enterprise hörte. Es ist ein gutes Schiff, kommandiert von einem hervorragenden Captain. Ich wünsche Ihnen viel Glück.«
»Danke, Sir.« Spock schüttelte Daniels' Hand und drückte dabei ausreichend fest zu. Dann ließ er sie wieder los und legte die Hände auf den Rücken, nahm damit die übliche Haltung in der Gegenwart von Vorgesetzten ein. Die menschliche Form der Begrüßung oder des Abschieds erfüllte ihn noch immer mit vagem Unbehagen. Er zog den traditionellen Gruß von Vulkaniern vor: »Glück und langes Leben.« Diese Worte waren sowohl förmlich als auch höflich, brachten Respekt und gute Wünsche zum Ausdruck. Spock sah darin ein Zeichen für die vulkanische Effizienz: Wenige Worte genügten, um eine komplexe Botschaft zu übermitteln.
Der Aero-Bus landete auf dem Raumhafen, und Spocks Gedanken glitten aus der Vergangenheit ins Hier und Heute. Er nahm die Reisetasche aus dem Gepäckfach über dem Sitz und stieg aus. Eigentlich hatte er erst in vier Tagen hierher zurückkehren sollen, doch besondere Umstände beendeten die befohlene Entspannungsphase am Nachmittag des sechsten Tages auf Kauai. Die Subraum-Nachricht wurde von der Artemis weitergeleitet, und Spock empfing sie in der Herberge: »Komm sofort nach Vulkan. Dringende Angelegenheiten warten hier auf dich.« Die Mitteilung war schlicht und einfach mit ›Sarek‹ unterzeichnet, und Daniels hatte einen kurzen Kommentar hinzugefügt: »Tut mir leid. Ich schätze, dieser Befehl hat mehr Autorität als meiner.« Spock zögerte nicht, sofort die notwendigen Vorbereitungen zu treffen: Er buchte den Flug nach Honolulu, einen Shuttle-Transfer zum Armstrong-Lunaport und einen Platz an Bord des schnellsten Passagierschiffes nach Vulkan.
Er blickte nun auf die große Anzeigetafel, um sich zu vergewissern, dass die Raumfähre pünktlich startete, und dabei fragte er sich einmal mehr: Was konnte so wichtig sein, dass er persönlich auf seinem Heimatplaneten erscheinen musste? Warum genügte keine Subraum-Kommunikation? Daniels hatte recht: Es handelte sich tatsächlich um einen Befehl. Und ein seltsamer ›Zufall‹ wollte es, dass Spocks Vater die Rückkehr des Sohnes zu einem Zeitpunkt verlangte, zu dem es ihm möglich war, darauf zu reagieren.
Natürlich konnte es Sarek kaum schwerfallen festzustellen, dass Spock zum vollwertigen Lieutenant befördert und zur Enterprise versetzt worden war, dass er außerdem Urlaub hatte, bevor er den neuen Dienst antreten musste. Selbst ein Föderationsbotschafter ohne aktuellen diplomatischen Auftrag verfügte über genug Starfleet-Kontakte, um ständig über die berufliche Laufbahn seines Sohns informiert zu sein. Was nicht bedeutete, dass Sarek persönlich entsprechende Informationen sammelte. Sicher überließ er es einem Sekretär, Berichte zusammenzustellen, im Speicher seines Bibliothekscomputers abzulegen und in regelmäßigen Abständen Updates hinzuzufügen. Vielleicht rief Sarek die betreffenden Daten nie ab, doch wehe jenem Sekretär, der es aus irgendwelchen Gründen versäumte, die Berichte auf dem neuesten Stand zu halten.
Spock nickte nachdenklich. Ja, Sarek hatte die ganze Zeit über gewusst, wo er sich aufhielt und womit er beschäftigt war. Und deshalb rief er seinen Sohn gerade jetzt wegen ›dringender Angelegenheiten‹ nach Vulkan. Er hätte ihn nicht dazu aufgefordert, den normalen Dienst zu unterbrechen, um nach Vulkan zu kommen. Aber der Urlaub bot eine gute Gelegenheit.
Es gab keine Verzögerungen in Hinsicht auf das Shuttle, und Spock trat an den Ticket-Schalter heran, wo ein für Reservierungen zuständiger Roboter den gebuchten Platz an Bord der Raumfähre bestätigte. Natürlich beugte er sich dem Willen seines Vaters – etwas anderes kam überhaupt nicht in Frage. Trotzdem spürte er einen Hauch Unruhe, als er überlegte, warum seine Rückkehr in die Heimat ausgerechnet jetzt erforderlich wurde. Seit acht Jahren sprach Sarek von Vulkan nicht mehr mit seinem Sohn – und die Breite der geistigen Kluft zwischen ihnen ließ sich in Lichtjahren messen.
Der Nachmittag ging allmählich in den Abend über, und der grelle Glanz von Vulkans Sonne projizierte länger werdende Schatten in den Hof. Einige der Schemen krochen langsam über die sorgfältig geharkten Furchen und Rippelmarken des Sandgartens. Amanda beobachtete, wie der fingerförmige Schatten eines nahen Kerzenbaums den mittleren der drei großen Steine im Zentrum des Gartens berührte. Er kroch an dem Felsen empor und gab der Frau damit einen deutlichen Hinweis auf die Zeit.
Sarek kehrte bald heim. Und Spock … Amanda seufzte. Spock würde in zwei Tagen auf Vulkan eintreffen. Sie wusste, dass Sarek alles sorgfältig geplant und dabei nichts außer acht gelassen hatte. Zwei Tage: die maximale Zeit für Spock, um Sareks Mitteilung zu empfangen, zu zögern, gründlich nachzudenken und die Reise nach Vulkan zu arrangieren. Ja, er kam bestimmt. Eine Konfrontation zwischen ihm und Sarek stand bevor – wobei sich Vater und Sohn natürlich nicht von Angesicht zu Angesicht gegenüberstanden. Amandas Mann hatte bereits eine besondere Form der Kommunikation vorbereitet, und sie stimmte seinem Plan zu. Ihr Titel lautete T'Sai Amanda, Aduna Sarek. Man konnte diese Bezeichnung mit ›Lady Amanda, Lebensgefährtin von Sarek‹ übersetzen, obwohl sich noch mehr Bedeutung in den vulkanischen Worten verbarg. Sie akzeptierte ihre Rolle, obgleich sie von Sarek ausgewählt worden war. Sie hatte ihn sich mehr als alles andere gewünscht, doch nur seine Entscheidung konnte sie zu Lebensgefährten machen. Amanda versuchte ohne Einschränkungen, jener Rolle gerecht zu werden, und diesmal würde sie den damit einhergehenden Pflichten ebenfalls genügen – wenn auch widerstrebend.
Die Außentür öffnete sich genau zum erwarteten Zeitpunkt – der Schatten des Kerzenbaums ertastete die Spitze des höchsten Felsens im Sandgarten. Amanda wandte sich dem großen Foyer des Hauses zu und lächelte, obwohl noch immer die Last der Trauer auf ihren Schultern ruhte.
Vor dem Lampenschein zeichnete sich eine hochgewachsene Gestalt ab und blieb eine Silhouette, bis Amanda das große, kühle Zimmer betrat. Sarek trug einfache, ernst wirkende Kleidung, so wie immer. Heute hatte er einen dunkelgrünen Anzug gewählt, und der einzige Schmuck bestand aus dem großen goldenen Ring am Zeigefinger der linken Hand. Es handelte sich um den Clan-Ring, und er gebührte dem ranghöchsten männlichen Familienmitglied.
Sarek sah der Terranerin entgegen, und seine Augen offenbarten einen warmen Glanz. »Amanda.«
Seine volltönende Stimme schien in ihr widerzuhallen, und das Lächeln wuchs in die Breite. »Du bist pünktlich.«
»Andernfalls hätte ich dir Bescheid gegeben.«
»Ich weiß. Ich habe nur gescherzt.«
Das warme Schimmern in den dunklen Pupillen wurde noch etwas deutlicher. »Eine menschliche Eigenschaft, die ich nie zu ergründen vermochte, Gemahlin.«
»Mag sein, Gemahl«, erwiderte Amanda. »Aber du erlaubst mir, an ihr festzuhalten.«
»Es ist ein faszinierendes Hobby, den menschlichen Humor zu analysieren.« Sarek griff nach der Hand seiner Ehepartnerin. »Man hat mir mitgeteilt, dass Spock hierher unterwegs ist. Er hat den Raumhafen von Honolulu verlassen und fliegt mit einem Shuttle zum Armstrong-Lunaport. Dort erwartet ihn ein interstellares Passagierschiff, das um fünf Uhr irdischer Zeit starten wird.«
»Also trifft unser Sohn in zwei Tagen ein. Wie du es vorhergesagt hast.«
»Ja.«
Amanda zog die Hand zurück und drehte sich um. »Warum erzwingst du es jetzt, Sarek? Warum ausgerechnet jetzt?«
»Wir haben mehrmals darüber gesprochen, Amanda. Spock hat Verpflichtungen, die er nicht ignorieren kann. Familie, eine Partnerschaftsbindung, Traditionen, die es fortzusetzen gilt, seinem Eid gemäß … Darum muss er sich nun kümmern, auf die übliche Art und Weise.«
Manchmal hasste Amanda die Traditionen. Manchmal hasste sie den Umstand, dass der Lebensweg eines Vulkaniers nur wenig Bewegungsspielraum ließ. Aber damit hatte sie sich abgefunden, als sie Sareks Liebe erwiderte und sich bereit erklärte, seine Ehefrau zu werden. Damals akzeptierte sie die Rolle als Lebensgefährtin eines Vulkaniers und schenkte ihm einen Sohn, der an die gleichen Traditionen gebunden war. Amanda hatte Sarek versprochen, sich zu fügen, den vulkanischen Bräuchen Priorität einzuräumen. Sie hielt ihr Versprechen – womit sie einer eigenen, menschlichen Tradition gehorchte –, aber es bedeutete nicht, dass es ihr immer leicht fiel. Auch diesmal rechnete sie mit erheblichen Problemen.
Sie wandte sich wieder Sarek zu. »Auch Starfleet gegenüber hat er Pflichten. Das weißt du.«
»Seine hiesigen Obliegenheiten stehen keineswegs im Gegensatz zu der Verantwortung, die ihm bei Starfleet zukommt. Das eine hindert ihn nicht am anderen.«
»Ich glaube, du siehst die Dinge nicht aus der richtigen Perspektive«, erwiderte Amanda mit fester Stimme. »Es sind zwei verschiedene Aufgaben, und ich bezweifle, ob Spock sie beide gleichzeitig wahrnehmen kann. Auch seinem Leistungsvermögen sind Grenzen gesetzt. Vielleicht bleibt ihm nichts anderes übrig, als zwischen den Pflichten zu wählen.«
»Die Entscheidung liegt bei ihm. Ich bin sicher, dass er die richtige Wahl trifft.«
»Die richtige Wahl …«, wiederholte Amanda. »Welche Maßstäbe werden dabei angelegt? Deine? Oder Spocks?«
Sarek musterte sie und schwieg einige Sekunden lang. Dann setzte er sich abrupt in Bewegung und ging in Richtung des Flurs, der zu den Schlafzimmern führte. »Ich ziehe mich zur Meditation zurück«, verkündete er. »Das Abendessen findet zur üblichen Zeit statt, nehme ich an.«
»Natürlich, Gemahl«, bestätigte Amanda förmlich. Sie sah Sarek nach, bis er im Korridor verschwand, und dann schritt sie wieder zum Sandgarten. Sie öffnete die Verandatür und trat nach draußen.
Die abendliche Hitze von Vulkan wehte ihr entgegen, und jetzt, im Winter, war sie nicht so unangenehm. Schatten umhüllten nun den Sandgarten, der im Sommer das Licht der Sonne so grell reflektierte, dass Amanda ihn nur einige Sekunden lang betrachten konnte, bevor sie den Blick abwenden musste. Sie setzte sich auf den steinernen Rand der Terrasse, streifte die Sandalen ab und grub die nackten Zehen in den Sand.
Ihre Gedanken trugen sie in die Vergangenheit, zu jenem Strand, auf dem sie die Flitterwochen verbracht hatten. Typisch für Sarek, dass er damals Arbeit mitnahm: Nach dem Frühstück setzte er sich an den Computer, analysierte und korrelierte. Amanda beobachtete sich selbst, wie sie ihren vulkanischen Ehemann aufs spitze Ohr küsste, lachte und zum Strand ging. Die Ebbe ließ immer einige Tümpel zurück, und dort kniete sie, beobachtete den Mikrokosmos des Lebens im Wasser. Als sie den Kopf hob, bemerkte sie Sarek, der sich ihr näherte. Er stapfte über den Strand, in Stiefeln. Ab und zu verharrte er, um von den Wellen ans Ufer geschwemmte Dinge zu betrachten: Algen, Treibholz, Muscheln.
Amanda befürchtete plötzlich, dass sie schrecklich aussah: schmutzige Füße, zerzaustes Haar, kein Make-up. Sarek hatte sie noch nie auf diese Weise gesehen, nicht einmal im Bett. Aufgrund seiner Förmlichkeit achtete sie immer darauf, einen möglichst perfekten Anblick zu bieten. Später verriet er ihr, dass er an dem ungewohnten Erscheinungsbild großen Gefallen gefunden hatte. Er beschrieb sie: schlank wie eine Gazelle, das dunkle Haar wie ein zerfranstes, im Wind wehendes Banner, herrliche blaue Augen, ihr Blick voller Aufrichtigkeit und … Liebe.
Sie neckte ihn wegen der Stiefel – ein solcher Strand sei halb verschwendet, wenn man in Stiefeln auf ihm spazieren ging. Natürlich ließ sich Sarek nicht dazu bewegen, sie mitsamt den Socken auszuziehen, um die Zehen in den Sand zu stecken. Die vulkanische Würde verbot ein derartiges Verhalten. Amanda gelangte zu der Erkenntnis, dass den vulkanischen Traditionen etwas Ehernes anhaftete, das sich in allen Lebensbereichen auswirkte und von menschlichem Einfluss unberührt blieb.
Nicht nur Sarek war als Vulkanier an jene Traditionen gebunden, sondern auch Spock. Manchmal fühlte sich Amanda schuldig, weil sie ihrem Sohn menschliche Wesensaspekte gegeben hatte. Sie wusste, dass er deshalb litt, dass er die terranische Hälfte seines Selbst häufig als Belastung empfand, obgleich er sich davon nichts anmerken ließ und alles hinter der Maske aus vulkanischem Stoizismus versteckte. Aber hätte sie ablehnen sollen, als sich Sarek ein gemeinsames Kind wünschte? Sie schüttelte den Kopf und lächelte schief. Nein, natürlich nicht. Sie hatte sich Spocks Geburt mit der gleichen Intensität gewünscht wie Sarek. Amanda seufzte erneut und fühlte warmen Sand an den Zehen. Es ist mir nie gelungen, Sarek zu überreden, barfuß zu gehen, fuhr es ihr durch den Sinn. Das wäre viel zu menschlich gewesen.
ShiKahr glitzerte in der Mittagshitze, als die Distanz zwischen der Stadt und Spocks Bodenwagen schrumpfte. Hinter dem Fahrzeug ragten die dunklen, fast unheilvoll wirkenden Llangon-Berge auf, und ihre Düsternis betonte das Schimmern der Metropole. Der grüne Gürtel aus gepflegten Parkanlagen sorgte für einen eher sanften Übergang zwischen der Wüste einerseits und den attraktiven geometrischen Formen in der Stadt andererseits. Die Architektur unterlag einer strengen Kontrolle: Alle neuen Gebäude mussten sich ohne irgendwelche Disharmonien in den allgemeinen Rahmen des bereits Bestehenden einfügen. Die Straßen waren breit und wiesen einen großzügig gestalteten Mittelstreifen mit Gras, Blumen und Bäumen auf. Weitere Pflanzen säumten sie rechts und links. Es gab keine in die Bürgersteige integrierten Gleitflächen: Die Vulkanier gingen lieber. Hier und dort wichen die gepflasterten Bereiche Pfaden, die sich unter schattenspendenden, von Außenwelt importierten Bäumen erstreckten.
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