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Der ewige Kampf zwischen Gut und Böse ... Dieses Buch vereint zehn spannende Storys über die tapferen Jedi und ihre heimtückschen Widersacher, die Sith. Zehn Autoren und Autorinnen präsentieren ihre ganz eigenen Erzählungen zu kultigsten Star Wars-Charakteren aller Zeiten, von Luke Skywalker über Darth Vader und Obi-Wan Kenobi bis hin zu Darth Maul.
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Seitenzahl: 274
Veröffentlichungsjahr: 2022
AUSSERDEM VON PANINI ERHÄLTLICH:
Star Wars: Die Hohe Republik – Die Bewährungsprobe
Justina Ireland – ISBN 978-3-8332-3944-1
Star Wars: Die Hohe Republik – In die Dunkelheit
Claudia Gray – ISBN 978-3-8332-3943-4
Star Wars: Poe Dameron – Freier Fall
Alex Segura – ISBN 978-3-8332-3942-7
Star Wars: Bürde der Königin
E. K. Johnston – ISBN 978-3-8332-3941-0
Star Wars: Schatten der Königin
E. K. Johnston – ISBN 978-3-8332-3636-5
Star Wars: Hoffnung der Königin
E. K. Johnston – ISBN 978-3-8332-4082-9
Star Wars: Ahsoka
E. K. Johnston – ISBN 978-3-8332-3450-7
Star Wars: Meistgesucht
Rae Carson – ISBN 978-3-8332-3637-2
Star Wars: Journey to Star Wars: Der Aufstieg Skywalkers – Der Sammler
Kevin Shinick – ISBN 978-3-8332-3831-4
Star Wars: Galaxy’s Edge – Schicksalsschlag
Zoraida Córdova – ISBN 978-3-8332-3830-7
Star Wars: Journey to Star Wars: Die letzten Jedi – Leia, Prinzessin von Alderaan
Claudia Gray – ISBN 978-3-8332-3569-6
Star Wars: Blutlinie
Claudia Gray – ISBN 978-3-8332-3354-8
Nähere Infos und weitere Bände unter:
www.paninibooks.de
GESCHICHTEN VON JEDI UND SITH
Herausgegeben von Jennifer Heddle
Mit Illustrationen von Jake Bartok
Ins Deutsche übertragen von Marc Winter
Bibliografische Information der Deutschen NationalbibliothekDie Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.
Titel der Amerikanischen Originalausgabe: „Star Wars: Stories of Jedi and Sith“ published by Disney, Lucasfilm Press, an imprint of Buena Vista Books, Inc., June 2022.
© & TM 2022 LUCASFILM LTD.
Deutsche Ausgabe 2022 by Panini Verlags GmbH, Schloßstr. 76,
70176 Stuttgart. Alle Rechte vorbehalten.
Geschäftsführer: Hermann Paul
Head of Editorial: Jo Löffler
Head of Marketing: Holger Wiest (E-Mail: [email protected])
Presse & PR: Steffen Volkmer
Übersetzung: Marc Winter
Lektorat: Andreas Kasprzak
Umschlaggestaltung: tab indivisuell, Stuttgart
Satz und E-Book: Greiner & Reichel, Köln
YDSWSS003E
ISBN 978-3-7367-9839-7
Gedrucktes Buch:
1. Auflage, Oktober 2022,
ISBN 978-3-8332-4256-4
Findet uns im Netz:
www.starwars.com
www.paninibooks.de
PaniniComicsDE
INHALT
Einleitung
Was einen Jedi ausmacht
Entschlossenheit
Das Auge des Betrachters
Die Pflicht eines Jedi
Nutzlos
Die Geister von Maul
Blutmondaufstand
Luke auf der Sonnenseite
Meister
Durch die Turbulenzen
EINLEITUNG
Was bedeutet es, gut zu sein? Das ist eine der ewigen Fragen des Lebens, auf die es vielerlei Antworten gibt, und so kann sie auch in dieser kurzen Einleitung kaum abschließend beantwortet werden! Doch wenn ich an das Bemühen denke, ein guter Mensch zu sein, kommen mir direkt die Jedi in den Sinn – als Beispiel für jene, die zumindest stets versuchen, gut zu sein. Niemand von uns ist perfekt, auch die Jedi nicht, aber Jedi-Ritter bieten uns ein Ideal, nach dem wir streben können. Sei es Luke, der standhaft bleibt und sich weigert, seinen Vater niederzustrecken, sei es Obi-Wan, der einen jungen Padawan annimmt, weil er es für das Richtige hält, oder Rey, die gegen das von Palpatine personifizierte Böse kämpft – Star Wars wartet mit vielen Helden auf der Seite des Lichts auf, die alles in ihrer Macht Stehende tun, um die Dunkelheit zu vertreiben.
Aber natürlich gibt es dieses Licht nicht ohne die Dunkelheit – und das Gute nicht ohne das Böse. Auch in Star Wars mangelt es nicht an eindrucksvollen Schurken. Vom dämonisch aussehenden Darth Maul über den finsteren Palpatine bis hin zu dem Dunklen Lord der Sith schlechthin, Darth Vader, das Böse ist immer da, damit die Jedi sich ihm im Kampf für das Licht stellen können. (Und dann gibt es da noch jene wie Asajj Ventress, die in den Schatten dazwischen leben und uns daran erinnern, dass bei der Festlegung auf „gut“ und „böse“ nicht immer alles schwarz und weiß ist.)
Ich freue mich sehr, zehn aufregende neue Geschichten von einer Gruppe unglaublicher Autorinnen und Autoren präsentieren zu dürfen – Geschichten, die der Antwort nachspüren, was es heißt, gut, böse oder was auch immer dazwischen zu sein. Dabei werden einige wichtige Fragen aufgeworfen: Was macht einen Jedi aus? Was bedeutet es, für Gerechtigkeit einzutreten? Was ist in einer derart komplexen Galaxis wirklich das Richtige? Daneben gibt es jedoch auch spannende Action, Abenteuer und Humor – in zeitlosen Star-Wars-Geschichten, bei denen man das Gefühl hat, sie seien direkt der Kinoleinwand entsprungen. Viel Vergnügen also – und wähle deine Seite!
Jennifer Heddle
Es war einmal vor langer Zeit in einer weit, weit entfernten Galaxis …
WAS EINEN JEDI AUSMACHT
VON MICHAEL KOGGE
Der Tempel ragte vor ihm auf, erschien ihm rosarot in der Morgendämmerung, genauso wie es in den Träumen des Jungen gewesen war. Es war ein gewaltiges Gebilde aus Stein – ein trapezförmiger Korpus auf einer rechteckigen Grundfläche. Fünf Türme krönten das Flachdach, vier an den Ecken, während der fünfte und zugleich höchste sich in der Mitte erhob. Der Legende nach war er auf dem Gipfel eines Berges errichtet worden, als Gebirge noch das Landschaftsbild des Planeten prägten. Nach Jahrtausenden des Wachstums war der Tempel selbst der einzige verbliebene Berg in diesem Stadtbezirk, der aus jeder Richtung die Blicke auf sich zog.
Doch was im Inneren vor sich ging, konnte man von außen nicht wahrnehmen. In den abschüssigen Seitenmauern des Tempels gab es nur wenige Fenster. Die Scheiben am vorderen Bogengang ließen nur Tageslicht herein, keine neugierigen Blicke. Hin und wieder konnte man eine robetragende Gestalt auf einem Balkon der Türme ausmachen, doch diese fernen Silhouetten verrieten wenig.
Das hieß jedoch nicht, dass die Bewohner des Tempels zurückgezogen lebten. Tatsächlich waren sie sogar einige der am schnellsten erkennbaren Individuen der Republik, Mitglieder einer rätselhaften Gemeinschaft von Kriegern, Heilern, Diplomaten und Denkern, die mit außerordentlichen geistigen und körperlichen Kräften gesegnet waren. Doch anstatt ihre Talente für selbstsüchtige Zwecke zu nutzen, hatten sie in einer Galaxis, in der stets Gefahren drohten, ihr Leben der Verteidigung von Frieden und Gerechtigkeit verschrieben. Wie sie allerdings ihre erstaunlichen Fähigkeiten erlangten, blieb in weiten Teilen ein Mysterium. Von den Billionen von Wesen in der Galaxis war es nur wenigen Auserwählten vergönnt, die Geheimnisse zu meistern, die im Tempel gelehrt wurden.
Der Junge sollte sich alsbald dieser kleinen Schar anschließen. Er sollte Zugang zum Tempel erhalten und die Wahrheit über das lernen, was „die Macht“ genannt wurde. Er sollte das werden, wovon er schon immer geträumt hatte: ein Jedi.
Als er sich dem Tempel näherte, hielt sich der Junge in den Schatten, wo er nur konnte, ging durch Gassen und hüpfte über Dächer, vermied Fußgängerbrücken und krabbelte an Rohrleitungen entlang. Jemand wie er war in den oberen Ebenen Coruscants nicht willkommen. Im Gegensatz zu den Reichen, die an der Oberfläche des Stadtplaneten lebten und sich das Beste leisten konnten, was die Mode zu bieten hatte, war er in Lumpen gekleidet und stank nach Jauche. Seine Füße waren nackt und schmutzig und seine Haare mit einer stumpfen Klinge ungleichmäßig geschnitten. Dreckspritzer ließen sich nicht von den Sommersprossen in seinem Gesicht unterscheiden, und das, was man an Haut unter all dem Siff erkennen konnte, war blass und hatte selten die Sonne gesehen. Obwohl er biologisch ein Mensch war, hätte ihn kaum ein anderer Vertreter seiner Spezies als solchen betrachtet. Er gehörte einer Klasse von Wesen an, die die Gesellschaft mied. Der Junge war eine Waise aus der Unterstadt.
Die Oberste Kanzlerin Lina Soh pflegte zu sagen: „Wir alle sind die Republik“, aber in Wirklichkeit gab es viele, die an den Rändern der Gesellschaft verblieben, egal wie sehr Soh sich bemühte, mit alten Vorurteilen aufzuräumen. Die reichen Oberflächenbewohner Coruscants fürchteten noch immer, Aussätzige wie der Junge würden Krankheiten, Armut und Kriminalität in ihre Viertel bringen. Hätte man ihn beim Herumspazieren erwischt, wäre er sofort als Taschendieb gebrandmarkt und zurück nach unten in die Slums verbannt worden. Niemand hätte ihm eine Träne nachgeweint.
Den Jedi jedoch war seine niedere Herkunft egal. In all den Dateien und Nachrichtenvids, die er gelesen und geschaut hatte, und den Geschichten, die er gehört hatte, zeigten die Jedi Wesen aller sozialen Schichten gegenüber Respekt. Die Vielfalt innerhalb ihrer Reihen spiegelte diese Offenheit wider. Einige ihrer größten Ritter waren Adlige gewesen, andere vollkommen unbedeutend. Ein paar lebten gar einst in Sklaverei. Ein Straßenkind wie er wäre dort in guter Gesellschaft.
Der Junge flitzte an einem Block von Regierungsgebäuden vorbei und erreichte den Prozessionsweg, den Hauptzugang, der zum Tempel führte. Dort konnte er sich nirgends verstecken, es gab keine Schatten und Winkel, aber er war nicht besorgt. Für gewöhnlich tummelten sich alle möglichen Leute auf der Prachtstraße – Jedi, Bürokraten, Aktivisten und Touristen –, doch zu so früher Stunde waren noch nicht einmal die Andenkenhändler da, um ihre Stände aufzubauen. Der Junge war allein und das machte ihn glücklich. Mit erhobenem Haupt stolzierte er auf den Tempel zu. Schicksal und Bestimmung waren ein und dasselbe, so sagten es die alten Meister.
„Halt!“
Ein Mädchen in beigefarbener Robe eilte auf ihn zu. Der Junge konnte nicht genau sagen, welcher Spezies sie angehörte, schien es sich doch um einen nicht näher definierbaren Mix zu handeln. Sowohl Schädeldornen als auch Kopftentakel ragten aus ihrem schulterlangen nussbraunen Haar hervor. Ihre goldenen Augen schillerten und ihre smaragdgrüne Haut strahlte im Morgenlicht. Sie war ebenso wunderschön wie wild und er gehorchte ihr aufs Wort und blieb stehen.
„Waffen fallen lassen, Ganzee-Bengel, und nicht bewegen!“, sagte sie und zündete ein Lichtschwert mit blauer Flammenklinge.
Der Junge streckte offen die Hände vor sich aus. „Ich habe keine Waffen. Und ich bin kein Ganzee, ich schwöre!“ Die Ganzee waren eine berüchtigte Verbrecherbande aus der Unterstadt, die Waisen wie ihn für ihre Drecksarbeit rekrutierten. Er hatte sich all ihren Versuchen entzogen, ihn anzuwerben, und war dabei so weit gegangen, sich sogar in der Kanalisation zu verstecken, wenn er jemanden von ihnen erblickte.
„Aber du siehst wie ein Ganzee aus und riechst auch wie einer.“ Das Mädchen verzog das Gesicht und fächerte die Luft fort. „Bei den Sternen, badest du mit Banthas?“
Der Junge wollte anmerken, dass der Geruch chemischer Reinigungsmittel ähnlich unangenehm sei, behielt es aber lieber für sich. „Tatsächlich hab ich noch nie ein Bantha gesehen. Ich bin von Ebene 13–12 der Unterstadt. Ich bin gekommen, um ein Jedi zu werden.“
Das Mädchen wirkte verdutzt. „Von einem Neuankömmling habe ich gar nichts gehört. Welcher Meister hat nach dir schicken lassen?“
„Ich bin aus eigenem Antrieb gekommen.“
Sie musste prusten. „Das soll wohl ein Streich sein, was? Irgendwas, das dir Meister Elzar aufgetragen hat, um mich zum Narren zu halten und von meiner Aufgabe abzulenken. Niemand spaziert einfach so zum Tempel und will unterwiesen werden.“
„Ich bin nicht hier, um jemandem etwas vorzumachen oder etwas zu fordern“, sagte der Junge. „Hierherzukommen, ist mehr wie … ein Traum, den ich schon immer hatte. Ich habe sogar Unterlagen hier, um zu zeigen, dass ich einen guten Anwärter abgebe.“
„Unterlagen?“
„Bluttests. Mit meinem Midi-Chlorian-Wert.“ Der Junge zog ein Flimsi unter seinem Lumpengewand hervor. Bei seinen Recherchen war er darauf gestoßen, dass die Jedi oft das Blut möglicher Anwärter nach mikroskopisch kleinen Lebensformen untersuchten, die sie Midi-Chlorianer nannten. Je höher der Wert, desto größer die Wahrscheinlichkeit, in den Orden aufgenommen zu werden. Da der Junge annahm, die Jedi würden seinen Wert wissen wollen, bezahlte er einen ortolanischen Aderlasser dafür, einen Test durchzuführen. Stolz zeigte er dem Mädchen die Ergebnisse. „Wie man sehen kann, ist mein Wert recht hoch.“
Das Mädchen warf nur einen kurzen Blick darauf. „Kein Meister, der nur etwas bei Verstand ist, interessiert sich für Bluttests. Bei der Suche nach Jünglingen kommt es auf Anzeichen von Talent an, nicht auf … Papierkram.“
Ihre Kritik sorgte ihn nicht. Er war vorbereitet auf derartige Erfordernisse. „Selbstverständlich“, sagte er. „Wie ist es damit?“ Er steckte das Flimsi wieder in die Tasche, atmete tief ein und tat, was er so lange in der Kanalisation geübt hatte. Er sprang so hoch, wie er konnte, zog die Knie bis zur Brust an und vollführte einen Salto in der Luft, wie er es bereits den einen oder anderen Jedi in Holovids hatte tun sehen. Als er wieder an Höhe verlor, vermasselte er die Landung durch einen Fehltritt, rappelte sich aber gleich wieder auf und lächelte.
Das Mädchen zuckte die Schultern. „Jeder Akrobat kann das. Wonach die Meister suchen, ist die Fähigkeit, Dinge zu vollbringen, die gewöhnlichen Wesen nicht möglich sind. Und ganz davon abgesehen, werden sie eh sagen, dass du zu alt bist.“
„Zu alt? Wie alt bist du?“
„Vierzehn Standardjahre.“
„Ich auch“, sagte der Junge. „Wo ist da also der Unterschied?“
„Nun, ich wurde zum Tempel gebracht, als ich noch ein Kleinkind war. Du bist zu alt, um mit der Ausbildung zu beginnen.“
Ihre Einstellung wurde ihm allmählich lästig. „Kannst du nicht für mich mit den Meistern sprechen? Ich kann ihnen zeigen, dass ich bereit bin.“
„Es ist nicht an mir, so etwas zu tun. Ich bin nur eine Anwärterin. Mich hat bisher noch nicht einmal ein Meister als Padawan angenommen.“
„Dann lass mich es tun“, sagte der Junge. „Mit wem muss ich sprechen?“
Das Mädchen deaktivierte ihre Klinge. „Sieh mal, ich gehe einer ernsten Bedrohung nach und soll die Sicherheit verständigen, wenn mir etwas Verdächtiges auffällt. Du scheinst ein netter Junge zu sein, also werde ich davon absehen. Aber ich rate dir zu verschwinden, bevor Polizei und Tempelwächter hier ihre Runden drehen.“ Sie warf einen Blick auf ihr Armbandchrono. „Das sollte jeden Moment der Fall sein. Viel Glück!“
Das Mädchen schenkte dem Jungen noch ein kurzes – und in seinen Augen falsches – Lächeln, dann wandte sie sich ab und war mit ein paar flinken Sätzen verschwunden. Nun stand der Junge vollkommen verwirrt allein da. Er hatte eine harte Befragung erwartet, vielleicht etwas wie eine Aufnahmeprüfung, aber niemals, rundheraus abgelehnt zu werden, erst recht nicht von einer Gleichaltrigen. Dies war ganz sicher nie Teil seiner Träume gewesen.
Plötzlich hörte der Junge eine seltsame Melodie, die jemand am Rand der Prachtstraße summte, wo reihenweise Blumen blühten. Er ging hinüber und erblickte eine kleine Gestalt, die die gold-weiße Tempelrobe der Jedi trug und die Pflanzen goss. Eine knorrige Hand hielt einen gewundenen Gehstock und lange, spitze Ohren standen von einem rundlichen Kopf ab, den schütteres weißes Haar krönte. Der Junge kannte alle Mitglieder des Hohen Rats und hier konnte es sich nur um einen einzigen Jedi handeln. „Meister Yoda?“, entfuhr es ihm.
Die kleine Gestalt hörte auf zu summen und wandte sich dem Jungen zu.
Ja, er musste es sein! Kein anderer Jedi hatte so viele Runzeln und Falten vom Alter – oder war so klein und grün. Ganz zu schweigen von seinen winzigen spitzen Zähnen, die er mit einem schelmischen Grinsen zur Schau stellte. Der Junge trat vor. „Meister Yoda, ich …“
Am Himmel über ihnen sauste ein Gleiter mit drei Heckflossen und blinkenden Signalleuchten auf dem Cockpit heran. Über einen Außenlautsprecher ertönte eine dröhnende Stimme: „Hier spricht die Tempelbezirkspolizei! Wir suchen nach Verdächtigen in einer Strafsache. Für Befragung bereithalten! Wenn nötig, setzen wir einen Fangstrahl ein.“
Der Junge hatte keinen Zweifel daran, was ihm bevorstünde, sollte er den Anweisungen Folge leisten. Die Polizei würde ihm niemals glauben, dass er hergekommen war, um ausgebildet zu werden. Es würde heißen, dass er etwas stehlen wollte. Abrupt drehte er sich um und rannte los.
Seine akrobatischen Kunststückchen erwiesen sich als lebensrettend. Er duckte sich und sprang zur Seite, um dem auf ihn gerichteten Strahl zu entrinnen. Stattdessen erwischte dieser nur einige Blumen, was Yoda dazu veranlasste, seine Faust gen Himmel zu recken. Der Junge floh weiter in die Stadt hinein, bis er in Sicherheit war. Sein Traum jedoch war in Gefahr. Er wurde nun gesucht!
Stunden später kauerte der Junge hinter einem Esslokal der gehobenen Klasse. Das Schlaueste wäre es nun gewesen, sich weit von diesem Bezirk zu entfernen. Die Polizei wusste, wie er aussah, und würde weiter nach ihm Ausschau halten. Wenn man ihn schnappte, wäre seine Strafe weit schlimmer als ein Ticket ohne Rückfahrt zu den unteren Ebenen.
Doch der Junge machte keine Anstalten zu verschwinden. Nicht nach dem, was am Tempel geschehen war. Einer der größten Jedi seiner Zeit hatte ihn angelächelt! Ihn, eine Waise aus der Unterstadt. Einen Nobody. Sicher, das musste nichts weiter bedeuten. Er jedoch wollte es genauer wissen. Er wollte noch einmal sein Glück versuchen – und diesmal würde er auch angemessen aussehen.
Der Junge hockte sich unter einen Wasserauslass und wusch sich so viel Dreck ab, wie er nur konnte. Dann trug er Kleidung für sein neues Outfit zusammen. Er schnappte sich eine Hose aus dem Korb eines Wäschereidroiden, zog eine Tunika aus einem Altkleidercontainer und bastelte sich aus einem alten Komkabel einen Ausrüstungsgürtel. Dann ließ er ein Paar schwarze Schuhe mitgehen, das vor der Eingangstür eines Luxusapartments stand, und stopfte zusammengeknüllte Servietten in die Schuhspitzen, damit sie richtig passten. Für den sichtbarsten Teil seiner improvisierten Robe schlich er in einen Kostümladen und nahm sich einen braunen Mantel, der für Maskenbälle gedacht war.
Die Lumpen, die er trug, ließ er als Unterwäsche an und schlüpfte in seine neuen Kleider. Ein Blick auf sein Spiegelbild im Fenster eines Gleiters zeigte ihm, dass er darin halbwegs überzeugend wirkte. Nur ein wichtiges Detail fehlte noch.
Von einer Baustelle holte er sich einen Satz Werkzeuge, darunter ein Plasmabrenner. Er wagte sich in eine öffentliche Toilette und drehte das Abflussrohr unter dem Waschbecken ab. Auf einem Schrottplatz zog er einen Aktivatorknopf vom Instrumentenpult eines Frachters der YT-Serie ab und sicherte sich die Sammellinse einer Sensorschüssel. Zu guter Letzt schnappte er sich noch Magnetkupplungen aus den Säulen einer Betankungsstation.
Als er alles hatte, was er brauchte, zog er sich in eine dunkle Ecke einer Gleitergarage zurück. Binnen weniger Stunden fertigte er aus all den Teilen etwas an, das einem Jedi-Lichtschwert ähnelte. Natürlich war es weit davon entfernt, wirklich eines zu sein, und sollte niemals als Waffe eingesetzt werden. Der blaue Plasmastrahl, der aus dem Abflussrohr hervortrat, war unberechenbar und so instabil, dass er stets nach kurzer Zeit mit einem Zischen erlosch. Aber ein paar Sekunden waren besser als nichts, und die geringe Energie des Strahls stellte immerhin sicher, dass er sich nicht selbst versehentlich den Arm damit abtrennte, wenn er das Gerät nicht richtig hielt.
Nachdem er noch ein wenig an den Magnetkupplungen herumgespielt hatte, hängte er sich das Lichtschwert an seinen Gürtel, richtete seine Robe und verließ die Garage. Auf zum letzten Test!
Der Junge ging hinaus ins mittägliche Straßengetümmel. Zuerst hielt er noch Abstand zu den Leuten, aber als ihn niemand eines zweiten Blickes würdigte, wuchs sein Selbstvertrauen, dass die Verkleidung ihren Zweck erfüllte, und mischte sich unter das Volk.
Dann kam die Polizeistreife. Es war derselbe Gleiter mit den drei Heckflossen, der ihm am Tempel aufgelauert hatte. Er schlängelte sich durch den Verkehr und sank von den Luftstraßen hinab, um schließlich neben dem Jungen zu schweben. Eine Scheibe des Verdecks fuhr nach unten.
„He, Padawan!“, tirilierte der Pilot im Innern, ein Kadrillianer mit orangefarbenen Schuppen, der eine Polizeiuniform trug, die an seinen Schildkrötenpanzer angepasst war. „Wir suchen nach einem jungen Menschen etwa in deinem Alter, Typ dreckiger Unterstädter. Denke mal, er gehört zur Ganzee-Gang. Es heißt, die hecken irgendwas aus – keine Ahnung, was genau. Jemanden von der Sorte hier rumschleichen sehen?“
Der Junge schüttelte den Kopf und hielt nach der nächstgelegenen Gasse Ausschau, um gegebenenfalls schnell untertauchen zu können. Im Umkreis von fünfzig Metern war jedoch nichts zu finden.
„Nun gut, gib mir Bescheid, wenn du noch was siehst“, sagte der Polizist und lehnte den Kopf aus dem Fenster. „Sag mal, wir haben uns bisher noch nicht kennengelernt, oder? Ich bin Inspektor Tals Trilby von der Tempelbezirkspolizei. Mit wem habe ich das Vergnügen?“
Diese Frage hatte dem Jungen seit Jahren niemand mehr gestellt. Zum Glück meldete sich in diesem Moment das Kom des Beamten und bewahrte ihn davor, antworten zu müssen.
„Verflixt! Keine Zeit für ein Schwätzchen, ich muss los. Irgendein Diebstahl im Kostümladen Three-Yees“, sagte Trilby. „Aber hab ein Auge auf alles, was verdächtig wirkt. Mein weiser, alter Frühstückskumpel meint, ihr Jedi-Jünglinge seht Dinge, die anderen verborgen bleiben.“ Die Scheibe fuhr wieder nach oben und der Gleiter zischte von dannen.
Der Junge seufzte erleichtert. Außerdem verspürte er etwas, das er bislang nur selten verspürt hatte: Respekt. So fühlte es sich also an, ein Jedi zu sein. Die Polizisten kamen zu dir, um dich um Hilfe zu bitten.
Den Rest des Nachmittags verbrachte er damit, durch die Blocks rund um den Tempel zu streifen und auf die richtige Gelegenheit zu warten, dorthin zurückzukehren. Sie ergab sich, als eine Gruppe von Jedi-Jünglingen vorbeikam. Sie waren einige Jahre jünger als er und wurden von einer älteren Aufsichtsperson angeführt. Unter den Jünglingen waren ebenso Menschen wie krummzahnige Snivvianer, sternförmige Conjeni, Atemgeräte tragende Gands und rüsselnasige Kubaz. Die meisten trugen Jedi-Roben, obschon einige triefend nass waren und in Badesachen steckten, während sie ihre üblichen Gewänder unter dem Arm trugen. Sie hatten wohl einen Ausflug zu einem Schwimmbad in der Nähe gemacht – es war immerhin ein brütend heißer Tag. Die Hitze stieg vom Boden auf, und viele trugen Kapuzen, damit sie ihnen etwas Schatten spendeten.
Der Junge folgte der Gruppe und zog die eigene Kapuze tief ins Gesicht. Die Jünglinge waren derart aufgedreht und ihre Aufsicht so sehr damit beschäftigt, sie zu bändigen, dass niemandem auffiel, wie er sich ihnen anschloss. Das war auch gut so, denn es handelte sich dabei um das Mädchen, das ihn im Morgengrauen aufgehalten hatte.
Als sie sich dem Tempel näherten, spürte der Junge, dass andere ihrer Gruppe folgten. Seine Wahrnehmung war nicht mit der der Jedi vergleichbar, vielmehr spürte er es aus dem Bauch heraus – ein Instinkt, den er entwickelt hatte, um in der Unterstadt zu überleben. Der ein oder andere flüchtige Blick über die Schulter ließ ihn jedoch nur normale Passanten erkennen, die in der brütenden Hitze des Tages eilends ihrer Wege gingen. Niemand erschien ihm verdächtig – und doch ließ ihn dieses seltsame Gefühl nicht los.
Als die Gruppe den Prozessionsweg erreicht hatte, schnippte das Mädchen mit den Fingern, und die Jünglinge wurden still und reihten sich auf. Der Junge bildete das Schlusslicht. Die Prachtstraße endete an einer breiten Treppenanlage mit drei Aufgängen, die aus poliertem Marmor bestand. Den Abschluss bildeten oben vier riesige Statuen der Tempelgründer.
Die Gruppe nahm die mittlere Treppe, und der Junge erhaschte zum ersten Mal einen Blick auf den Eingang des Tempels. Statt Toren fanden sich dort drei Reihen von je vier nebeneinanderstehenden Steinpylonen, von denen die vorderen eingemeißelte Bildnisse der Vier Gründer zeigten. Zwischen den Monolithen standen drei maskierte Wächter, und er sah die zylindrischen Griffe der Doppelklingen-Lichtschwertpiken, mit denen sie bewaffnet waren. Dies waren die Tempelwächter, eine Elitetruppe von Jedi, die auserwählt waren, den Tempel gegen Eindringlinge zu verteidigen. Sie waren so gewieft im Kampf, dass man sich Geschichten davon erzählte, wie nur drei von ihnen in früheren Zeiten eine ganze Armee von dreitausend Mann zurückschlugen. Mit denen sollte man es sich besser nicht verscherzen.
Der Wächter in der Mitte trat zur Seite, um zwei Jedi vorbeizulassen, die aus dem Tempel kamen. Einer war ein Mensch – eine Frau, die ein weißes Gewand mit Umhang und einen Stirnreif in ihrem blonden Haar trug. Der Junge erkannte sie sofort als Avar Kriss, eine bekannte Jedi-Meisterin. Ihr Gefährte war viel kleiner – und grüner.
„Seid gegrüßt, Clan Kowak!“, sagte Meister Yoda, auf seinen Gehstock gestützt. „Mit dem Schwimmunterricht alles bestens war?“
Die Kubaz-Jünglinge schnaubten fröhlich, die Gands stießen hörbar Gas aus ihren Atemgeräten aus, und die Menschen, Conjeni und Snivvianer erwiderten in einem wilden Durcheinander Dinge wie „Klasse!“, „Reiner Zauber!“ und „Können wir morgen wieder hingehen?“.
Yoda gluckste vergnügt. „Gut es ist, den Körper zu ertüchtigen, doch nun für die Stärkung des Geistes Zeit es ist. Meditieren wir wollen und schwimmen durch die Strömungen der Macht. Kommt! Meisterin Kriss, von einer wichtigen Mission zurückgekehrt sie ist, und am heutigen Nachmittag unterrichten sie euch wird.“ Er gab seiner Begleiterin einen Wink.
Kriss lächelte, dann ging sie mit Yoda wieder zurück zwischen den Pylonen hindurch und die Initianden folgten ihnen.
Der Junge – das Schlusslicht in der Reihe – erreichte die letzten Stufen. Er hatte wieder dieses seltsame Gefühl und sah zurück, die Treppe hinunter und auf den Prozessionsweg. Dort war niemand zu sehen, nur das geisterhafte Schimmern der Hitze, die vom Boden aufstieg. Was ihm komisch erschien, war, dass die Hitzeschwaden erkennbare Formen hatten. Die Umrisse sahen aus wie zwei humanoide Körper – und sie bewegten sich in Richtung Treppe.
Plötzlich packte jemand den Jungen von hinten und stieß ihn gegen den Sockel einer der Statuen. „Du bist nicht Teil dieser Lerngruppe“, ertönte die Stimme des Mädchens.
„Lass mich los!“ Er wand sich aus ihrem Griff, doch dabei rutschte ihm die Kapuze vom Kopf.
Die Augen des Mädchens wurden groß, als sie erkannte, wer er war. „Du schon wieder?“
„Ich bin hier, um dir zu sagen, dass eure Gruppe verfolgt worden ist“, sagte er.
„Wie bitte? Wo? Von wem?“
Der Junge deutete die Treppe hinunter. „Siehst du den Schimmer dort, die Hitzeschwaden?“
Das Mädchen starrte in die angezeigte Richtung. „Ich sehe gar nichts.“
Der Junge reckte den Hals und hatte vollkommen ungetrübte Sicht auf den Prozessionsweg. Das Mädchen hatte recht. Dort unten gab es nichts Seltsames zu sehen. Nicht der geringste Schimmer von flirrender Hitze. „Aber sie waren gerade noch da! Ich hab sie gesehen. Wie sie uns folgen.“
„Der einzige Verfolger hier bist du.“ Das Mädchen zerrte leicht an seiner Robe. „Gekleidet wie ein Jedi, ganz offensichtlich, um dir den Zugang zum Tempel zu erschleichen.“
„Lass mich mit einem Meister sprechen! Ich kann das erklären.“
„Hast du mir heute Morgen nicht zugehört? So funktioniert das nicht. Selbst wenn du im richtigen Alter wärst, bräuchtest du einen Beweis für dein Talent, um in Betracht gezogen zu werden, und kein Kostüm.“ Sie deutete auf das Lichtschwert, das an seinem Gürtel hing. „Wo hast du das denn gestohlen?“
„Ich hab es selbst gebaut.“
„Unsinn!“
Er löste es vom Gürtel und reichte es ihr. „Probiere es aus.“
Anders als das Flimsi, nahm sie es und begutachtete es von allen Seiten. Dann drückte sie den Aktivator und ein bläulicher Strahl trat aus der Linse am Griff hervor. Er hielt seine Form, während sie ihn von links nach rechts schwang. „Du hast das gebaut? Beeindruckend …“
Der Junge lächelte ob des Kompliments. „Danke.“
Sie holte noch einmal weit aus, dann deaktivierte sie die Klinge. „Aber es ist kein Lichtschwert. Ein Lichtschwert hat eine Präsenz in der Macht. Das hier ist nicht mehr als ein Schweißbrenner mit eng fokussiertem Strahl.“
Der Junge wurde wütend. Für wen hielt die sich nur? Sie war noch nicht einmal eine richtige Padawanschülerin, geschweige denn eine Jedi-Ritterin. „Du liegst falsch. Die Macht ist stark in diesem Schwert“, sagte er und streckte eine Hand aus. „Und sie ist auch stark in mir.“ Das Lichtschwert entglitt ihrem Griff und flog ihm in die Hand. „Ist dir das Beweis genug?“
Sie verengte ihre Augen zu Schlitzen, als wollte sie durch ihn hindurch-, um ihn herum- oder geradewegs in ihn hineinsehen. Was immer es darstellen sollte, es nervte ihn.
„Hör auf damit!“, sagte er.
„Dann hör du damit auf, so zu tun, als seist du jemand, der du nicht bist.“ Sie blinzelte und hörte auf, ihn anzustarren. „Denn wenn du wärst, was du vorgibst zu sein, hätte dich einer der Meister längst gefunden.“
Der Junge wollte sich nicht damit abfinden, dass ein Mädchen – diese Anwärterin – über sein Schicksal entschied. „Tja, sie haben mich eben nicht gefunden. Sie haben mich übersehen. Deshalb komme ich nun zu ihnen.“
Das Mädchen hob die Hände. „Na schön, geh zu den Tempelwächtern. Lass sie über dich urteilen. Vielleicht sehen sie ja mehr in dir als ein Kind, das Jedi spielt.“
Am Eingang hielten die drei schweigsamen Wächter ihre Lichtschwertpiken fest im Griff. Der mittlere war auf seinen Posten zurückgekehrt, um den Weg wieder zu versperren, den Yoda und die Jünglinge zurück in den Tempel genommen hatten. Alle schienen sie in Richtung des Jungen zu schauen. Kein Zweifel, sollte er zu ihnen gehen, würden sie sofort die Polizei benachrichtigen.
Der Junge biss die Zähne zusammen. Diesmal würde er nirgendwo hingelangen. Er würde zurückkehren müssen, wenn dieses Mädchen nicht mehr da war. Also drehte er sich um und ging die Treppe hinunter.
„Möge die Macht mit dir sein“, sagte sie zum Abschied.
Der innerliche Schmerz stand ihm ins Gesicht geschrieben, doch er ließ nicht zu, dass sie es sah. Ihre Worte trafen ihn mitten ins Herz.
In der dunklen Ecke der Gleitergarage saß der Junge im Schneidersitz auf dem Boden. Sein improvisiertes Lichtschwert lag eine Armlänge entfernt. Er hatte die Magnetkupplung im Ärmel deaktiviert, sodass er auf sich allein gestellt war, um das Schwert zu bewegen – ganz ohne technische Tricks.
Der Junge schloss die Augen, entspannte den Körper und streckte die Hand aus, wie er es bei so vielen anderen Gelegenheiten zuvor schon getan hatte. „Der Jedi und das Lichtschwert“, sagte er ein Mantra auf, das er von einem aufgestöberten alten Datenband hatte, „das Lichtschwert und der Jedi. Die beiden sind eins. Die Macht … Die Macht hält uns zusammen.“ Er stellte sich vor, wie das Lichtschwert zu klirren begann, von einer Seite auf die andere rollte. „Die Macht ruft mein Lichtschwert“, fuhr er fort und streckte die Finger aus. „Die Macht ruft mein Lichtschwert … zu mir.“ In seinen Gedanken sah er, wie das Lichtschwert über den Durabeton schlitterte, sich in die Luft erhob und sanft in seiner Handfläche landete. Seine Hand kribbelte, die Finger zuckten. Zu guter Letzt war es ihm endlich gelungen!
Als der Junge die Augen öffnete, lag das Lichtschwert noch immer auf dem Boden, wo er es hingelegt hatte – an derselben Stelle, vollkommen unberührt. Es war genauso wie jedes Mal zuvor, wenn er es versucht hatte – ein Scheitern, ein Ding der Unmöglichkeit.
Er senkte den Kopf. Ihm war klar gewesen, dass es schlussendlich dazu kommen würde – dass er seine Fähigkeiten im Umgang mit der Macht würde demonstrieren müssen, um ein Jedi zu werden. Und doch hatte er bewusst seine ureigene Schwäche ignoriert. Wie sollte er je in den Jedi-Orden aufgenommen werden, wenn er nicht tun konnte, was alle Jedi konnten? Er hatte gelogen, als er dem Mädchen erzählt hatte, er sei stark in der Macht. Er konnte die Macht nicht einmal spüren.
Der Junge saß in der dunklen Ecke, allein mit seinen Gedanken, bis es auch draußen stockfinster war. Er war seinem Traum gefolgt, und der hatte ihn hierhergeführt, hierher an die Oberfläche, dennoch weilte er weiterhin – immer noch – im Dunkeln.
Mitten in der Nacht verließ der Junge die Garage. Die wenigen Wesen auf der Straße hielten sich fern von ihm, so wie auch er auf sicheren Abstand ging. Unglücklicherweise konnte er sich vom Prozessionsweg nicht fernhalten. Der Weg zum Zentrum des Bezirks führte ihn an dessen Rand vorbei, wo die Blumen wuchsen. Der Tempel, der sich wie ein Berg vor ihm erhob, war in der Nacht erleuchtet von Bodenstrahlern und Signalleuchten. Er sah nicht im Geringsten wie in seinen Träumen aus.
Er kehrte dem Tempel den Rücken zu und ging weiter Richtung Zentrum, wo er einen Turbolift zu den unteren Ebenen rufen konnte. Es war an der Zeit, seine Kindheitsfantasien hinter sich zu lassen. Es war Zeit zu akzeptieren, wer er war, und dorthin zurückzukehren, wo er hingehörte.
Dann überkam ihn wieder dieses seltsame Gefühl. Irgendjemand oder irgendetwas war hinter ihm her. Er wagte einen Blick über die Schulter. Etwas wie eine Wolke schimmerte auf der Prachtstraße und bewegte sich vom Tempel fort. Dies konnte kein Hitzephänomen sein. Die Temperatur war seit dem Nachmittag deutlich gesunken.
„Hilfe!“, ertönte ein Schrei aus der Wolke.
Der Junge hörte dort, wo er herkam, tagtäglich ähnlich flehentliche Bitten. Es war sinnlos, darauf zu reagieren, sosehr er es auch wollte. In der Unterstadt hing das eigene Überleben davon ab, sich aus fremden Angelegenheiten herauszuhalten. Wer anderen half, bekam die Repressalien am eigenen Leib zu spüren.
Als er ein paar Schritte weitergegangen war, erschallte der Schrei erneut, noch eindringlicher. Er erhaschte einen Blick auf eigenartige, geisterhafte Formen in der flirrenden Luft – Konturen eines Kopfes, eines Arms, von Beinen. Die Wolke bewegte sich vor und zurück, als versuche sie, etwas – oder jemanden – im Innern zu halten.
Der Junge ging weiter. Das war ein Problem für die Oberflächenbewohner, nicht für ein armes Waisenkind.
Ein dritter Schrei, sogar noch lauter: „Hilfe!“
Der Junge blieb stehen und riskierte einen letzten Blick. Die schimmernde Wolke schwebte dräuend über dem Straßenende. Nicht mehr lange und sie wäre aus dem Lichtschein des Tempels heraus in den Schatten verschwunden. Wenn er etwas unternehmen wollte, war dies seine letzte Chance. Und wenn er nichts tat, da war er sich sicher, würde er diese Schreie für den Rest seines Lebens hören. Er zog das Lichtschwert vom Gürtel und stellte sich der Wolke entgegen.
„Halt!“, sagte er.
Die Wolke rollte auf ihn zu.
Der Junge drückte den Aktivator am Abflussrohr und zündete den blauen Strahl. Er mochte nicht stark genug sein, um Knochen zu durchschneiden, aber er konnte auf andere Weise nützlich sein. Dann schleuderte der Junge sein Lichtschwert der Wolke entgegen.
Der Strahl traf knisternd auf schimmernde Wellen, als hätte er eine unsichtbare Mauer getroffen, und erlosch mit einem Zischen, als der Griff zu Boden fiel. Aber die Wolke begann zu wabern und löste sich schließlich auf, woraufhin drei humanoide Gestalten sichtbar wurden. Zwei von ihnen waren von Kopf bis Fuß in eng anliegende schwarze Anzüge gehüllt, die vor Elektrizität Funken sprühten. Teile ihrer Körper flackerten auf und wurden immer wieder unsichtbar, bis sie schließlich sichtbar blieben.