STARTUP.mord - Tobias Kollmann - E-Book

STARTUP.mord E-Book

Tobias Kollmann

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Beschreibung

AudioKing.com ist ein Startup, das wie für die Träume seiner Gründer und Investoren gemacht ist. Tolle Idee, ambitionierter Businessplan, skalierbares Geschäftsmodell, exponentielles Wachstum und eine Investment-Story, die ihres gleichen sucht. Und das Beste ist, die zugehörige Plattform funktioniert auch noch! Alle sind zufrieden und am Horizont winkt das große Geld. Doch dann geht etwas schief und alle Grundlagen des Startups werden in Frage gestellt. Und das kurz vor dem so wichtigen Börsengang. Der große Traum scheint zu platzen und alle Beteiligten werden nicht nur nervös, sondern fangen an, nur an sich zu denken. Als dann noch einer der beiden Gründer ermordet in seiner Wohnung aufgefunden wird, droht das gesamte Kartenhaus vollkommen in sich zusammenzufallen. Die Öffentlichkeit, die Presse und die Konkurrenz wetzen schon die Messer. Soll der Börsengang abgesagt werden? Doch Rette sich wer kann, bedeutet in diesem Zusammenhang Rette das Investment und Erfolg kennt bekanntlich keine Grenzen. Auch wenn man dafür über Leichen gehen muss. STARTUP.mord ist der erste Teil einer neuartigen Trilogie, die in einer einzigartigen Vermischung von realen und fiktiven Bezugspunkten dem Leser einen besonderen Einblick in die Welt der Startups ermöglicht. Dabei gleicht die Geschichte von AudioKing.com mit allen Chancen und Risiken sowie der Hoffnung und Verzweiflung der verschiedenen Protagonisten sprichwörtlich einer Achterbahnfahrt. Eine Fahrt, beschleunigt mit Kapital und den enormen Erwartungen der Investoren, die sich zusammen mit den Gründern auf den Weg machen, um das große Ziel zu erreichen: den Börsengang als ultimativen Exit und Zahltag. Eine schonungslose Geschichte über Gewinner und Verlierer, Experten, Glücksritter, Geldgeber, Business Angels und Business Devils im Wettrennen um die Macht im Internet.

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Seitenzahl: 528

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Tobias Kollmann

 

 

 

 

 

STARTUP.mordErfolg kennt keine Grenzen

 

 

 

 

 

 

 

 

Gründerroman

 

Prolog

 

Die Glocke lag schwer in seiner Hand. Eigentlich hätte er sie in dem Blitzlichtgewitter der Fotografen auf dem Börsenparkett in Frankfurt am Main mit einer Leichtigkeit läuten sollen, die für diese traditionsreiche Symbolik angemessen war. Schließlich war es der größte Tag in der Geschichte seines Startups - es war der Tag vom IPO von AudioKing.com, einer Plattform für das Aufnehmen und Abspielen von Audiodateien. Quasi das YouTube für die Ohren.

Wer mit seinem Gesicht überzeugen konnte, war bei YouTube, wer es „nur“ mit der Stimme konnte, war bei und damit ein AudioKing. Die drei magischen Buchstaben IPO standen dabei für Initial Public Offering und bedeuteten nichts Anderes als die Erstplatzierung der Aktien eines Unternehmens an der Börse. Für die Gründer, Investoren und anderen finanziellen Wegbegleiter bedeutete es aber schlichtweg eins: Zahltag!

Doch das Gewinnerlächeln von Alexander König, der in der Startup-Szene in Analogie zum Firmenname gerne auch „Der King“ genannt wurde, war nur gespielt. Hinter seiner Stirn machte sich Unsicherheit breit. Sah man ihm den Verlust seines Freundes und Mitgründers Moritz Hansen an, der erst vor wenigen Wochen ermordet wurde und dessen Tod den heutigen Tag überschattete? Durfte er sein Gewinnerlächeln, welches über die Zeit zu seinem Markenzeichen geworden war, genau vor diesem Hintergrund überhaupt zur Schau stellen?

Der Automatismus der Öffentlichkeit zwang ihn doch dazu und die Bilder würden länger wirken, als die Frage nach dem immer noch ungeklärten Ableben seines Kollegen. Also schwang er die Glocke, lächelte in die Kameras und feierte den guten Start auf dem Börsenparkett. Gut war dabei eigentlich keine passende Beschreibung, denn die Aktien waren nicht nur im Vorfeld des IPO gefragt, sondern der Kurs explodierte geradezu direkt nach dem Beginn des Handels.

Das erste digitale Unicorn aus Deutschland mit einer weltweiten Relevanz, welches zudem dem Lockruf der NASDAQ widerstehen konnte und den Börsengang nicht in New York, sondern vor Ort in Frankfurt wagte. Welches schon vorher die Kaufangebote von Google und Facebook ablehnte und seinen eigenen Weg gehen wollte. Welches als das Vorzeigeprojekt einer bis dato sehr schwachen europäischen Digitalszene galt und welches viele Personen heute mit dem Börsengang reich machte. Sehr reich machte!

Die beteiligten Business Angels aus der Anfangszeit, die Venture Capital-Geber aus der Wachstumsphase, die beteiligten Banken und Private Equity-Investoren im Zuge des Börsengangs und natürlich die Gründer selbst. Zumindest die, die noch am Leben waren. Moritz Hansen war es nicht mehr...

Natürlich war sein Handy voll mit SMS- und WhatsApp-Nachrichten, die ihm mehr oder weniger ehrlich gratulierten. Die üblichen Speichellecker, die ihm in den Hintern kriechen und mit ihm Geschäfte machen wollten, andere Gründer, die ihn als Business Angel für die eigenen Startups gewinnen wollten und Vermögensberater, die jetzt unbedingt mit ihm sprechen mussten. Er schenkte diesen Mitteilungen nur wenig Beachtung.

>>Wir müssen jetzt nach draußen gehen!<< holte ihn Anna-Maria Abrams aus seinen Gedanken. Offiziell war sie die PR- und Pressesprecherin von AudioKing.com, inoffiziell war sie wohl eher die persönliche, man munkelte hinter vorgehaltener Hand sogar „sehr persönliche“ Assistentin vom „King“. Im Moment war sie aber auf die exakte Einhaltung des Zeitplans bedacht und so schob sie Alexander König sanft aber bestimmt in Richtung Ausgang, nicht ohne den Wink an die Pressemeute, ihnen zu folgen.

Auf dem Weg zum obligatorischen Foto mit der bekannten Bullen-Skulptur vor dem Börsengebäude fiel dessen Blick aber doch noch auf eine Nachricht auf seinem Handy, die ihm das Blut in den Adern gefrieren lies:

„Du Schwein! Ich mache Dich fertig! MfG Moritz“

Der Absender war die ihm mehr als bekannte Mobilfunk-Nummer von seinem ermordeten Mit-Gründer. Ihm wurde schlecht und ein mehr als ungutes Gefühl überkam ihn. Dieses wurde noch verstärkt, als er beim Verlassen des Foyers der Frankfurter Börse aus den Augenwinkeln heraus die blauen Lichter der Einsatzwagen der örtlichen Polizei bemerkte.

Etwa zeitgleich pingte bei ihm und allen anderen um ihn herum eine Eilmeldung der bekannten Online-Plattform startup.news auf, die es mehr als in sich hatte. Er überflog nur kurz die Überschrift und in diesem Moment wusste er, dass er die Bronze-Plastik auf dem Börsenplatz, die seit 1985 dort stand und die mit Bulle und Bär den ewigen Kampf von Auf und Ab am Aktienmarkt symbolisierte, nicht mehr erreichen würde.

Zu diesem Zeitpunkt fing auch der Börsenkurs von AudioKing.com massiv an zu sinken. Panik machte sich unter den Anlegern breit und die Aktie kannte in der Folge nur eine Richtung: abwärts…

Die beteiligten Investoren konnten nur fassungs- und tatenlos zusehen, wie ihr Kapital und ihre Exit-Träume zunehmend vernichtet wurden. Die rechtlich verbindliche Lockup-Periode verbot ihnen einen direkten Verkauf ihrer Anteile direkt zu Beginn des Börsengangs.

Alexander König hörte noch schwach den aufkommenden Tumult aufgrund der eingegangenen Eilmeldung durch das erneut aufkommende Rauschen in seinen Ohren, dann sackten seine Knie weg und ihm wurde schwarz vor Augen…

Seed-Phase 1

 

>>Die Digitalisierung ändert alles!<< Es war dieser Satz seines Professors im Grundkurs zum Thema „Digital Transformation“ an der bekannten privaten Universityof Digital Business in Düsseldorf, welcher sich in das Gedächtnis von Alexander König einbrannte. Die UDB residierte durchaus nobel im angesagten Medienhafen der Landeshauptstadt und bot exklusive Masterstudiengänge für die Digitale Wirtschaft an.

Nichts erinnerte hier an eine klassische Hochschule. Die Sitze im Hörsaal waren aus Leder mit verstellbaren Lehnen und individuell ausklappbaren Tischelementen für Laptop oder Tablett, die jeder Student am Anfang als Willkommensgeschenk bekam. Die Seminarräume waren im hippen Co-Working-Style ausgestattet und einen exklusiven Fitnessraum gab es ebenso wie ein hippes Kaffee als Meeting-und Networking-Station. Ultraschnelles und freies WLAN war eine Selbstverständlichkeit und eine Chill-Area mit Kickertisch und Tischtennisplatte erzeugte eine digitale Startup-Kultur, die durchaus gewollt war.

Düsseldorf war dabei gut gewählt, denn während die Hochschulen im Rheinland führend für die klassische Betriebswirtschaft waren, konnten die Ruhruniversitäten in den Bereichen Informatik und Wirtschaftsinformatik punkten. Düsseldorf lag somit geografisch im bestmöglichen Schnittpunkt, wo sich das informationstechnische „Digital“ und das anwendungsorientierte „Business“ trafen und so zum innovativen „Digital Business“ wurden. Ein exklusiver Ort des digitalen Wissens für eine exklusive Auswahl an begabten Digital Natives, welche die reale Welt ins digitale Zeitalter transformieren bzw. aus den Angeln heben wollten.

Und noch eine Besonderheit konnte man an der UDB beobachten: Die innovative Hochschule hatte sich neben dem Grundstudiengang zum allgemeinen „Bachelor of Digital Business“ und dem weiterführenden „Master of Digital Business“ noch einen einzigartigen Sonderstudiengang zugelegt, der in Deutschland und auch Europa seines gleichen suchte. Für den speziellen „Master of Digital Entrepreneurship“ bewarben sich die Studenten nicht nur mit den Noten aus dem Bachelor, sondern mit einem Businessplan für eine eigene Geschäftsidee.

Das anschließende Studium drehte sich neben seinen allgemeinen Vorlesungen in seinen speziellen Kursen dann nur und ausschließlich rund um diese Idee und deren Umsetzung in eine tatsächliche Unternehmensgründung. Dabei kam es durchaus vor, dass sich einige Studenten von ihrer ursprünglichen Idee trennen und sich anderen Kommilitonen anschlossen, was durchaus gewünscht war.

Am Ende stand der über die Grenzen hinweg bekannte „Battle of Ideas“ vor dem hauseigenen nationalen und internationalen Investorenclub auf dem Programm, wo die besten Ideen auch direkt eine Finanzierung bekommen konnten. Der Weg dorthin war lang und in regelmäßigen „Ideas Slams“ versuchten sich die Teams ständig mit ihren Gründungsideen untereinander zu messen.

Am Ende stand somit für die Studenten nicht nur der Mastertitel, sondern auch der Start des eigenen Unternehmens oder ein lukratives Angebot für eine Position in einem schon bestehenden Startup im Portfolio der Kapitalgeber im Raum. Die suchten nämlich nicht nur neue Startups, in die sie investieren konnten, sondern auch vielversprechenden Nachwuchs für die schon laufenden Investments.

Die UDB wurde somit zur Kaderschmiede für die nächste Gründergeneration in der digitalen Wirtschaft. Der Track-Record, also die individuelle Referenzliste, die über die Erfolge von den bisherigen Startups der UDB eine Auskunft gibt, spricht für sich. Mit einem Gesamtwert von fast 3,5 Mrd. Euro waren die Ausgründungen aus der Düsseldorfer Hochschule die erfolgreichsten in ganz Europa und die Hochschule hatte sprichwörtlich ihren Anteil daran.

>>Die University of Digital Business ist die TOP-Adresse für Gründer, Investoren und Unternehmen, die im Bereich der Digitalen Wirtschaft aktiv sind oder es werden wollen.<< Mit diesem Satz ließ sich der Rektor der UDB, Prof. Dr. Andreas Baumann, immer gerne zitieren. Er war selbst einmal ein erfolgreicher Gründer in der Zeit der New Economy gewesen und verstand seine Hochschule schlichtweg als Business Modell.

Studiengebühren gab es vor diesem Hintergrund nicht, aber die Studenten mussten sich im Rahmen der Unternehmensgründung verpflichten, 5% der Anteile an die UDB und 5% an deren Professoren als Pool-Beteiligung abzugeben. Man nannte es „Das UDB-Prinzip“ und die zugehörige Titelstory aus dem Manager-Magazin mit Baumann auf dem Cover überstrahlte im überdimensionalen Großformat alle anderen Einrichtungsgegenstände im Büro des Rektors.

So gab es für alle Beteiligten einen besonderen Anreiz, dass die Startup-Ideen ein Erfolg wurden. Mehr noch, es spannte das Band einer eingeschworenen Gemeinschaft zwischen Hochschule, Professoren und Studenten. Das hatte inzwischen einen Kult-Status. Man duzte sich, man unterstütze sich... Die Profs waren mehr Mentoren als Lehrer und mussten im Rahmen der Berufung nachweisen, dass sie selbst ein erfolgreiches Unternehmen gegründet hatten und über ein wertvolles Netzwerk verfügten.

>>Mit tollen Publikationen in amerikanischen A-Journals alleine kommt hier niemand an die UDB. Wir wollen Persönlichkeiten, die auch außerhalb der Hochschulen bewiesen haben, dass sie etwas vom Unternehmertum verstehen. Alle anderen können sich gerne an eine staatliche Universität auf die Pensionierung vorbereiten.<< sagte Baumann gerne mit einem Seitenhieb auf die öffentlich-rechtlichen Kollegen.

Wer an der UDB als Hochschullehrer nicht spätestens nach jeweils 5 Jahren nachweisen konnte, dass er erfolgreich die Startups der Studenten begleitet hatte, der war schneller wieder weg, als er vielleicht zum Einstieg dachte. Erfolg war dabei klar definiert: Wie viele Gründer hatten für ihre Gründungsideen eine Finanzierung bekommen.

Damit wurden die Abschlussprüfungen in Form von Pitches vor den Investoren nicht nur zum Prüfstein für die Studenten, sondern auch für die Professoren, die sich aus den jeweiligen Master-Bewerbungen analog zur amerikanischen Football-Liga NFL im Draft-Verfahren ihren individuellen Betreuungspool auswählen konnten. Unterricht gab dann jeder Professor für alle Studenten, aber die konkrete Betreuung der resultierenden Gründerteams mit ihren Startups lag in den einzelnen Händen der jeweils beteiligten Hochschullehrer.

Durch dieses System standen alle unter Druck, konnten im Erfolgsfall über das besondere Beteiligungsmodell aber auch sehr reich werden. Entsprechend war das Verhältnis zwischen der UDB und den normalen Universitäten geprägt von einer Mischung aus gegenseitigem Neid bezüglich der Verdienstmöglichkeiten an der UDB bzw. der Stellensicherheit im öffentlich-rechtlichen Sektor einerseits und dem Mitleid bezüglich des permanenten Stresses der UDB-Kollegen bzw. dem geringen Grundgehalt eines normalen FH- oder Uni-Professors andererseits.

Aber das Modell funktionierte und die Investoren standen Schlange und bezahlten der Hochschule viel Geld, nur um im Rahmen der Abschlussprüfung den ersten Blick auf die aktuellen Absolventen und ihre Ideen werfen zu dürfen. Neben dem Beteiligungsmodell eine weitere gute Einnahmequelle.

Nationale und internationale Venture Capital-Unternehmen, reiche und renommierte Business Angels, staatliche und halbstaatliche Fonds und große Industrie-Unternehmen pilgerten regelmäßig zweimal im Jahr zu den Präsentationen der Studenten nach dem jeweiligen Winter- oder Sommersemester. Es war das „Who-is-Who“ der digitalen Szene. Nur die Presse war unerwünscht und es war den Studenten strengstens verboten, über ihre Ideen vor der Abschlusspräsentation öffentlich zu berichten.

Es war die Regel, dass noch vor Ort die ersten exklusiven Letter of Intents, also unverbindlichen Absichtserklärungen unterschrieben wurden, die bestätigten, dass man in anschließende Verhandlungen über eine Beteiligung eintreten wollte. Die Wahrscheinlichkeit, dass die LOIs auch in eine tatsächliche Beteiligung umgewandelt wurden, lag in der Vergangenheit durchschnittlich bei 91,47 Prozent.

Es war das Ziel eines jeden Gründerteams an der UDB,am Ende des Tages die meisten dieser LOIs zu bekommen. Damit verbunden war der Titel des „UDB-Startup of the Year“, mit dem man gleichzeitig zum Jahrgangsbesten wurde und sein Teamfoto ab diesem Tag vor dem Büro des Rektors sehen durfte.

Das war der Traum eines jeden neuen Studenten, dann hatte man es geschafft und durfte sich seine Investoren aussuchen. Dort hing man dann neben den großen Vorbildern, die in zwei Fällen als „IPOler“ einen Börsengang geschafft oder in vielen weiteren Fällen als „TradeSaler“ ihre Startups erfolgreich an Industrie-Unternehmen verkauft hatten. Der Weg zum großen Geld war damit quasi vorprogrammiert...

Und da saßen sie nun Seite an Seite und hatten genau diesen Traum: Alexander König und sein Kommilitone Moritz Hansen. Der eine als 21-jähriger Bachelor der Betriebswirtschaft aus Köln und der andere als Bachelor der Informatik aus Dortmund, der gerade einmal den 20. Geburtstag hinter sich hatte.

Alexander war dabei nahezu ein Prototyp eines zukünftigen Chief Executive Officer und damit CEO eines Startups. Gutaussehend, überzeugend, selbstbewusst mit leichtem Hang zum Narzissmus, aber eben auch fundierten Kenntnissen in BWL mit dem Schwerpunkt Marketing. Ein zukünftiger „Digital Leader“ wie ihn Kapitalgeber in einem Gründerteam suchen und selten finden.

Das Haar immer gut frisiert und die Kleidung immer tadellos in Form der Startup-Uniform schlechthin: Boss-Anzug, weißes oder blaues Hemd mit zwei offenen Knöpfen, natürlich keine Krawatte… Mit einem gnadenlosen Talent für die Kommunikation und Präsentation zu seiner Idee und natürlich auch zu sich selbst. Es überraschte kaum, dass er als Lebensmotto in seinen Bewerbungsunterlagen für die UDB den bekannten Überfliegersatz „The Sky is the Limit!“ eingetragen hatte.

Demgegenüber kam Moritz Hansen deutlich stiefmütterlich daher und erinnerte somit eher an die Nerds aus der bekannten US-Serie „The Big Bang Theory“. Jeans und T-Shirts mit Aufdrucken amerikanischer Comic-Symbole und den obligatorischen Birkenstock-Sandalen. Er war eben keine Rampensau, die sich auf die Bühne stellte und überzeugend reden konnte.

Seine Welt war eine andere – seine Welt bestand aus Nullen und Einsen, aus denen er Programmzeilen bevorzugt für mobile Anwendungen schrieb. Er war die Fachkraft bzw. der potenzielle Chief Technology Officer und damit CTO, nach der bzw. dem alle suchten und die kaum zu finden war. Er war ein Coder!

Moritz war einer der wenigen hochbegabten Menschen, die reale Probleme technisch in digitale Lösungen übersetzen konnten. Ein Virtuose der Kombination von binären Programmzeilen mit einer gnadenlosen Effizienz und Effektivität, mit der eine resultierende Anwendung genau das tat, was sie tun sollte. So wie andere Menschen ein Brief schrieben, so schrieb er die Codes für ein digitales Programm. Codes, die der Schlüssel zu einer neuen Dimension waren – der digitalen und damit virtuellen Dimension des Internets. Das war sein Reich, seine Spielwiese und sein Selbstverständnis…

Moritz Hansen überzeugte die UDB mit einer Startup-Idee, welche ein neue Streaming-Möglichkeit für Audio- und Videodateien beinhaltete und in Zukunft das mp3-File als Kompressionsverfahren ablösen sollte. Alexander König war angetreten mit der Idee einer Plattform für redaktionellen Audio-Content, bei dem die Podcasts einzelner Akteure zu individuellen Channels gemischt werden konnten.

Schon beim ersten internen „Idea Slam“ wurde beiden klar, dass sie in die gleiche Richtung weitergehen und sich ergänzen konnten. Seitdem saßen sie in allen Veranstaltungen zusammen und arbeiteten weiter an ihrer Idee. Beide hatten aus dem Professoren-Draft denselben Mentor bekommen. Es war Prof. Dr. Nikolas Krüger und der war eine seltene Mischung aus Verbandspräsident und Investmentmanager.

Dieser Dozent strahlte auf der einen Seite vollkommende Seriosität aus, schlug sich aber auf der anderen Seite mit dem Gerücht herum, dass er durchaus dazu neigte, nicht unerhebliche Summen an der Börse einzusetzen und damit nicht sonderlich erfolgreich zu sein. Als ehemaliger Chief Financial Officer und somit CFO eines FinTech-Startups hatte er nach dem erfolgreichen Exit aber auch das notwendige Spielgeld dazu. Entsprechend egal war ihm das Gerücht.

Prof. Krüger war nach seiner aktiven Startup-Zeit mit der obligatorischen Pause vor vier Jahren an die UDB gekommen und unterrichtete hier Finanzen und Investment-Management. Er war durchaus beliebt bei den Studenten und sein Fachwissen war unbestritten. Als Finanzmann hatte er aber nicht immer das Gespür für gute Geschäftsmodelle und deswegen war seine Ausbeute beim Investionsvolumen in die von ihm betreuten Absolventen und deren Startups überschaubar.

Prof. Krüger war vor diesem Hintergrund auch alles andere als ein Gewinner des UDB-Prinzips und blickte durchaus mit etwas Unbehagen auf die demnächst anstehende 5-Jahres-Evaluation. Mit Alexander König und Moritz Hansen hatte er aber endlich nach einer langen Zeit mal wieder ein heißes Eisen im digitalen Startup-Feuer, dass spürte er...

>>Und denkt immer daran, mit Gedanken alleine hat man noch nie ein Fenster eingeschlagen.<< Der Dozent beendete gerne seine Vorlesungen mit einer mehr oder weniger literarischen Bemerkung, die als Motivation und Antrieb für die Studenten gedacht war. Im gleichen Zuge winkte er seine Schützlinge Alexander und Moritz zu sich nach vorne ans Rednerpult. >>Sehen wir uns nachher in der Chill-Area auf einen Kaffee?<<, fragte er die beiden.

>>Na logo, wir wollten sowieso einen neuen Gedanken zu unserer Geschäftsidee mit dir diskutieren<<, antwortete Alexander. >>Dann so um 11:00 Uhr? Ich habe vorher noch einen wichtigen Conference-Call mit Strangeway Venture zu einem neuen heißen Scheiß aus dem Valley.<< rief Krüger den beiden noch im Weggehen zu, ohne auf dieses Name-Dropping verzichten zu wollen. >>Geht klar!<< meinte Alexander aber wohl mehr zu sich selbst als zum bereits enteilten Professor.

>>Glaubst du ihm den Call?<< fragte Moritz seinen Kommilitonen fast schon beiläufig. >>Keine Ahnung. Die Jungs von Strangeway Venture sind drüben in den USA eine ganz große Nummer.<< meinte Alexander und schaute sich im Hörsaal verschwörerisch um, bevor er sich leise flüsternd wieder zu Moritz wandte und meinte >>Da würde es mir persönlich schon reichen, wenn er nur mit dem Pförtner telefoniert. Hauptsache er kann mal unseren Businessplan auf deren Tisch befördern.<<

Der sah Alexander an und fragte sich, warum sein Freund für diese Information so leise sprechen musste. Er wollte aber dann ebenso cool sein wie sein Kollege und flüsterte zurück >>Mal sehen, ob das am Ende des Tages nur heiße Luft oder eine echte Investment Opportunity für unser Startup ist.<< Doch der rief ihm als Antwort nur sehr laut zu >>Warum flüsterst Du eigentlich?<<

Moritz erkannte damit sofort, dass Alexander ihn mit seinem Geheimnis-Gehabe nur aufgezogen hatte. Während sein Studienfreund lachend an ihm vorbeizog, schaute Moritz doch etwas pikiert hinterher. Und damit schlenderten die beiden Gründer in Richtung Ausgang und verließen gemeinsam den Hörsaal.

Seed-Phase 2

 

Er schaute aus dem Fenster. Es war ein besonderes Fenster, denn es erlaubte ihm den Blick aus seinem Büro in seine Garage. Es war eine Spezialanfertigung gewesen, wie eigentlich das gesamte Haus als Mischung von Privat- und Geschäftsräumen eine Spezialanfertigung gewesen war. Und eigentlich betraf dies auch sein gesamtes Leben. Es war in allen Belangen speziell und er selbst war es auch. Georg von Falkenhorst hatte es eigentlich geschafft. Er hatte ein erfolgreiches Unternehmen fortgeführt, nachdem er das Erbe seiner Traditionsfamilie in Form von mehreren Geschäften für den Handel mit Eisenwaren in Hamburg und Umgebung als einziger männlicher Vertreter übernehmen musste.

Sein Traum war das nicht, aber Adel verpflichtet ja, wie es immer hieß. Und die Familie von Falkenhorst gehörte schon immer zu den herausragenden Namen in der hanseatischen Kaufmannschaft. Als aber im Zuge der Digitalisierung der reale Handel immer weiter ins Internet abwanderte, geriet die Falkenhorst Eisenwaren GmbH& Co. KG unter Druck und Georg war mit seinen 55 Jahren nicht mehr derjenige, der das Unternehmen ins digitale Zeitalter führen konnte. Zu schnell, zu dynamisch und mit Spielregeln, die sich eher an Wildwest-Methoden als an der hanseatischen Kaufmannsehre orientierten.

>>Früher konnte man seinem Wettbewerber noch von Angesicht zu Angesicht gegenübertreten. Heute versteckte er sich hinter den binären Codes eines amerikanischen oder asiatischen Web-Shops im Internet.<< klagte Georg von Falkenhorst einmal bei einer Diskussion zum Thema „Internet und Handel“ im renommierten Übersee-Club, wo er seit vielen Jahren ein geschätztes Mitglied war.

Ja, unpersönlich war das Netz, aber eben viel günstiger als das Personal in seinen Läden. Und dem Kunden war es zunehmend egal, ob er die Schrauben und Beschläge mit einem persönlichen Schnack mit einem Verkäufer in einem der Falkenhorst-Läden oder per Paket von UPS nach einer Online-Bestellung nach Hause bekam. Der Online-Handel bedeutete schon seit vielen Jahren eine massive Veränderung. Eine Veränderung, die Gewinner und Verlierer produzieren würde und die Falkenhorst Eisenwaren GmbH & Co. KG gehörte zu den Verlierern. Das Internet nahm keine Rücksicht auf Tradition!

Als die Zahlen im Geschäft nicht mehr stimmten und auch die Mitarbeiter zunehmend unruhig auf die Entwicklung schauten und sich diese Unruhe auch auf die Kunden übertrug, war es Zeit, die Reißleine zu ziehen. Sollten sich doch andere mit dem neumodischen Computer-Kram herumschlagen, er war zu alt und unbeweglich dafür. Eigentlich wäre das der perfekte Zeitpunkt gewesen, um das Geschäft an die nächste Generation zu übergeben, an die Digital Natives, die mit den digitalen Technologien groß geworden waren.

Aber da war niemand. Eigenen Nachwuchs hatte er nicht, was zum einen daran lag, dass er sowohl schwul als auch aufgrund einer zurückliegenden schweren Krankheit zeugungsunfähig war. Keine guten Voraussetzungen also, um die Familientradition fortzuführen und in die Hände seiner Nachkommen zu geben. Zähneknirschend musste er also das Kaufangebot einer anderen Handelskette annehmen, die aber weniger an dem eigentlichen Geschäft als an den zugehörigen Immobilien interessiert war.

Er wusste also, dass Falkenhorst Eisenwaren mit dem Verkauf zur Geschichte wurde. Die Läden würden nach der Abwicklung des Personals verschwinden und durch Filialen austauschbarer Markenketten ersetzt werden. „Handel im Wandel“ nannte man das und er war nicht mehr dabei. Der Kaufpreis konnte den damit verbundenen Schmerz nicht kompensieren. Er war raus...

Und so schaute er auf seine Oldtimer-Sammlung, die er auf der anderen Seite des Fensters von seinem Büro aus beleuchtet vorfand. Einen schwarzen JaguarXK 150 von 1957 als DHC aus der ersten Serie, die damals das Werk verlassen hatte. Einen roten Triumph GT6 MK1 von 1968 hatte er dabei ebenso wie einen dunkelblauen Aston Martin V8 Coupe von 1974 und noch ein paar andere Schätze von Porsche und Maserati. Was aber kaum einer wusste, die Substanz seiner nach dem Verkauf gegründeten Investmentfirma von Falkenhorst AG bröckelte ebenso, wie seine Oldtimer an Rost gewannen.

Sein zugehöriges Family Office bestand nur noch aus ihm selbst und viele seiner Beteiligungen, die er als Business Angel gemacht hatte, waren Flops gewesen. Als Business Angel bezeichnete man in diesem Zuge vermögende Privatpersonen, die mit Kapital und Know-how in junge Firmen investierten und hofften, dass die damit verbundenen Anteile am Unternehmen mal sehr viel mehr wert sein würden als zum Zeitpunkt des Einstiegs.

>>Man sollte nur das Geld investieren, welches man auch bereit ist zu verlieren!<<, hatte noch sein Bankberater gesagt. >>So ein Idiot…<< dachte Georg, denn er wollte ursprünglich ja nichts verlieren, sondern neben dem Geld vor allen Dingen eines gewinnen: Ansehen und Respekt! Er konnte die mitleidigen Blicke im Übersee-Club nicht mehr ertragen, die ihm nach seinem Zwangsverkauf der Eisenwaren-Geschäfte mehr und mehr zugeworfen wurden. Er schämte sich, fühlte sich nicht mehr richtig zugehörig zum Kreis der erfolgreichen hanseatischen Kaufmannsfamilien und wollte das ändern. Das Problem war nur, dass er vom Investment-Geschäft ebenso wenig verstand wie von der Digitalisierung.

Die bittere Erkenntnis in diesem Zusammenhang war, dass er Geld verlor und mit jedem gescheiterten Investment auch noch mehr Ansehen: ein Teufelskreis. Die abgetragene Kleidung war bei ihm kein Zeichen für seinen Adelsstand, sondern ein notwendiges Übel. Der ausgefranste Ellenbogenschoner auf seinem viel zu oft getragenen Tweed-Sakko war ebenso ein sichtbares Zeichen seines Niedergangs wie die Tatsache, dass schon die Hälfte seiner edlen Oldtimer zum Verkauf auf einer Auktion angemeldet waren.

Er brauchte einen Befreiungsschlag. Ein Unicorn-Investment, bei dem man früh einsteigen konnte und dessen Bewertung noch vor dem Börsengang auf 1 Mrd. Euro hochschoss. Ein Facebook-Investment halt. Der Traum, den jeder Business Angel hatte. Einmal wie Peter Thiel sein, der der erste externe Investor vom weltweit führenden Social-Network von Mark Zuckerberg war und dessen Vermögen heute auf über 2,7 Mrd. Dollar geschätzt wurde.

Und wenn das Internet ihm schon sein Traditionsgeschäft und Familienunternehmen kaputt gemacht hatte, dann sollte wenigstens ein Startup-Unternehmen aus dem Netz ihm diesen Schaden auch gefälligst ersetzen. Mit so einem monetären Ergebnis aus dem zugehörigen Börsengang dieses Startups würde er dann den Übersee-Club kaufen und alle rausschmeißen, die heute nur noch Mitleid ihm gegenüber zum Ausdruck brachten. Ja, dass würde er tun...

Blieb nur noch das Problem, wo er ein solches Startup finden könnte, nachdem sprichwörtlich ja alle anderen auch suchten und es offenbar genauso selten fanden wie er selbst. Nach einem Vortrag von Prof. Dr. Andreas Baumann im Übersee-Club wusste er es: Beim Battle of Ideas an der UDB!

Seed-Phase 3

 

Pünktlich um 11:00 Uhr waren Alexander König und Moritz Hansen in der Chill-Area an eben dieser UDB und warteten auf ihren Mentor. Der Erholungsbereich an dieser privaten Hochschule war mit einer normalen Mensa, Bistro oder Cafeteria an einer staatlichen Universität natürlich nicht zu vergleichen. Hier standen das edle Ambiente und der zugehörige Wohlfühlfaktor im Mittelpunkt und nicht die nackte Funktionalität einer Massenabfertigung.

Angefangen von einer mit Holz verkleideten Theke mit großer aufgesetzter Glasvitrine, in der die hochwertigen Snacks und frischen Backwaren die Besucher ebenso zum Verweilen einluden wie die große und original italienische Espresso-Maschine, an der ein professioneller Barista alle nur erdenklichen Köstlichkeiten aus den verschiedenen Kaffee-Sorten zubereitete. Hier wurde zur Veredlung der schwarzen Köstlichkeit das Logo der UDB mit einem 3D-Printer auf den Kaffeeschaum gedruckt. Ansonsten erinnerte die Einrichtung an eine Mischung von Starbucks und Edel-Italiener.

An der Wand montierte Holzkisten präsentierten zum einen in großen Glaskuben die verwendeten Kaffee-Bohnen, die natürlich auch zum Verkauf angeboten wurden oder beherbergten die neusten digitalen Gadgets aus dem Internet, die gerade auf den Markt geworfen wurden. Auf einer großen Kreidetafel standen die Tagesangebote und Getränke, die gerade in der Startup-Szene angesagt waren. Also Club-Mate, Fritz-Cola und ayurvedischer Tee.

Das Mobiliar war hauptsächlich in Teak-Holz gehalten und neben den Bistro-Tischen mit ihren ledergepolsterten Stühlen lockerte der eine oder andere Stahl-Hocker in knalliger Farbe das Gesamtbild auf. Von der Decke hingen Lampen, die im Design an die alten Glühbirnen erinnerten, und verschiedene Sitzecken mit in Grautönen gehaltenen Stoff-Möbeln luden zum Entspannen ein. Wobei „Entspannen“ natürlich ein altmodisches Wort war. Bei den Digital Natives hieß das heutzutage natürlich „Chillen“ und genau daher kam auch der Name für diesen besonderen Aufenthaltsort an der UDB.

Wie es sich für einen Aufenthaltsraum innerhalb der Digitalen Wirtschaft gehörte, durften auch ein paar notwendige Accessoires natürlich nicht fehlen. Dabei war der obligatorische Kicker-Tisch ebenso Standard wie die Tischtennis-Platte und die bunten Sitzsäcke in einem mit dicken Glasscheiben abgetrennten Nebenraum. Es gehörte ferner zum guten Ton, dass sich die ehemaligen Studenten mit einer Unterschrift an den Wänden in der Chill-Area verewigten.

So real diese Tradition auch war, so digital war das große OLED-Display hinter der Theke, auf dem alle aktuellen und ehemaligen Studenten mit einem speziellen Zugang über eine zugehörige App ihre textlichen und bildlichen Kurznachrichten posten konnten.

Ob man eine neue Finanzierung für sein Startup bekommen hatte oder einfach weitere neue Mitarbeiter suchte, ob man den Kontakt zu einem Vorstand eines Industrie-Unternehmens brauchte oder einfach nur das neuste Bild von einem Treffen mit einem anderen UDB-Absolventen zum Besten gab, das „UDB-Newsboard“ war der richtige Ort dafür. Eine ständige Mischung aus Eitelkeiten, Networking und Karrierechancen machte es so interessant.

Aus den Lautsprechern klang leichte Lounge-Musik und neben der leiblichen Versorgung konnte man hier auch die diversen Merchandising-Produkte der Hochschule erwerben. Vom T-Shirt über die Hoodies bis hin zum Designer-Hemd mit UDB-Monogramm gab es so ziemlich alles, was man brauchte, um zu dokumentieren, dass man dazu gehörte. Meist in den Grundfarben rot, blau, braun und grau mit dem farblich passenden Aufdruck des inzwischen durchaus bekannten UDB-Logos gehalten.

Besonders beliebt bei den IT-Leuten, also den besonders technisch begeisterten Anhängern digitaler Technologien, war das Shirt mit dem Binär-Code der Buchstaben UDB, also der 01010101 - 01000010 - 01000100 in einem dreizeiligen Block-Aufdruck. Die kaufmännisch orientierten BWL-Leute hielten sich eher an das Motto-Polo „UDB – totally digital since 2010“.

Ein solches hatte auch Alexander König an, als er zusammen mit Moritz Hansen an der Theke stand, um sich einen normalen Cappuccino zu bestellen. Bezahlt wurde natürlich digital mit dem Studentenausweis der Hochschule. Moritz orderte dagegen einen Death Wish Coffee. Dieses Getränk war speziell für Programmierer gemacht, die noch eine längere Nacht vor sich hatten und nicht müde über ihren Codes zusammenbrechen wollten. Mit 186mg Koffein auf 100ml war es der stärkste Kaffee der Welt und der aufgedruckte Totenkopf auf der Verpackung kam nicht von ungefähr. Zudem brauchte die Zubereitung mehr Zeit, was Moritz die Gelegenheit gab, mit Emma ein paar Worte zu wechseln.

Emma Bartel war quasi der Prototyp des netten Mädels hinter einer Theke, wie es nicht besser in einem Schlager hätte besungen werden können. Hübsch, natürlich und mit einem Charme, dem man sich kaum entziehen konnte. Ihre naturgegebenen rötlichen Haare waren zu einem Zopf gebunden und mit ihren leichten Sommersprossen und der kleinen Stubsnase versprühte sie ein einzigartiges Signal: Geborgenheit.

Sie war sicherlich nicht das, was man einen Mega-Schuss nennen würde, dafür war sie nicht schlank genug, was sie bei den meisten eher oberflächlichen BWL-Studenten für einen schnellen Flirt nicht in Frage kommen ließ. Aber in der Kombination aus den tiefblauen Augen und einem ehrlichen Lächeln verzauberte Emma mit den passenden weiblichen Rundungen den eher schüchternen Moritz von Anfang an. Der schaute sie auch heute wieder träumend an…

Mit einem lauten >>Hallo!<< meldete sich Alexander und riss seinen Kommilitonen damit aus seinen Gedanken zu seiner heimlichen Liebe. Wobei Moritz aufgrund der wenigen kurzen Gespräche mit Emma zu seinen Bestellungen überhaupt nicht einschätzen konnte, ob es tatsächlich schon Liebe war. Vielleicht war es auch nur eine Schwärmerei für die nette „Theken-Fee“ und nicht mehr.

Moritz nahm nach diesem Weckruf endlich seinen Death Wish Coffee und verabschiedete sich dem üblichen Smalltalk von „seiner“ Emma. Die war natürlich zu allen Kunden nett. Nett, aber unverbindlich… Er aber spürte, dass bei ihm etwas dazu kam: Interesse an seiner Person. Aber vielleicht war das auch nur Einbildung. Oder eben nur ein Wunschtraum.

>>Sag mal, läuft da was zwischen Euch?<< fragte Alexander ihn, als sie mit ihren Getränken auf die zentrale Sitzecke in der Chill-Area zusteuerten. >>Keine Ahnung.<< antwortete Moritz mehr ausweichend als zu einem weiteren Gespräch anregend. War ja auch egal, denn im Mittelpunkt stand ja sowieso das gemeinsame Startup-Projekt und da konnte man Ablenkung kaum vertragen.

Und so ließen sie sich in die „Creative Couch“ fallen, nachdem sie ihre Erfrischungen auf dem zugehörigen Couchtisch abgestellt hatten. Bei der Creative Couch handelte es sich um eine Designer-Couch, die mitten im Raum positioniert war. Sie bestand aus einem großen 3D-Schriftzug, der über die zugehörigen Buchstaben des Modellnamens die Sitzfläche ergab, wobei das erste C von Creative und das letzte H von coucH die größeren Armlehnen an den Seiten repräsentierten.

Die Sitzfläche, die Rückenlehne und die beiden Armlehnen hatten die gleichfarbigen grau-beigen Kissenauflagen, die zwar flach im Design und dennoch sehr bequem waren. Auf dieser Creative Couch sollte man angeblich die besten Ideen haben. Der zugehörige Couchtisch bestand aus zwei übereinander gestapelten und miteinander verbundenen Holzpaletten auf denen eine dickere Glasplatte als Auflage verankert war.

Mit 5 Minuten Verspätung schlenderte nun wie angekündigt Prof. Krüger auf die beiden zu. Er setzte sich demonstrativ zwischen die beiden Gründer auf die Creative Couch, die dafür groß genug war und legte sein Handy und seine Kopfhörer auf die Glasplatte des Couchtisches. Er klopfte beiden kumpelhaft auf die Oberschenkel und eröffnete mit einem lockeren >>Also, was gibt es?<< das Gespräch.

>>Wir haben nochmals über unsere Audio-Plattform nachgedacht und die Idee ein wenig gestresst und weiterentwickelt.<< sagte Alexander. Er klappte demonstrativ seine Unterlagen auf, sortierte kurz seine Notizen und fuhr dann mit seinen Ausführungen fort >>Wenn wir mal Ihr Tool für den Aufbau von digitalen Geschäftsmodellen durchspielen wollen, dann muss am Anfang ja ein relevantes Problem stehen, welches wir mit Hilfe eines digitalen Prozesses besser lösen, als es bereits bekannte und/oder elektronische Lösungen tun. Richtig?<<

Prof. Krüger fühlte sich geschmeichelt, dass die beiden Studenten auf seinen EBG, seinen E-Business-Generator zurückgriffen. Mit Hilfe dieses innovativen Tools für den Aufbau von elektronischen bzw. digitalen Geschäftsmodellen und -prozessen konnten sowohl Gründer ihre neuen Startup-Ideen entwickeln, aber auch bestehende Unternehmungen sich mit bestehenden Geschäftsprozessen einer umfassenden Digitalen Transformation unterziehen.

Der Dozent hatte es schon vor Jahren entwickelt, um dem Anwender quasi eine Anleitung zu geben, wie er Schritt für Schritt ein digitales Geschäftsmodell basierend auf Wertschöpfungsprozessen durch innovative Informationstechnologie (IT) verstehen, entwerfen, implementieren und kontinuierlich evaluieren konnte. Er antwortete trotz seines Stolzes auf dieses Tool jedoch nur kurz und knapp >>Richtig und weiter?<<

Alexander meinte >>Wir beobachten das Problem, dass es keine individuellen Radiosender gibt. Alle klassischen Angebote besitzen ein lineares Programm, welches der Hörer nicht beeinflussen kann.<<Er legte an dieser Stelle eine bewusste Pause ein, damit sich sein Zuhörer auf dieses Problem einlassen konnte. Nach einem zugehörigen Schluck Kaffee fuhr Alexander dann fort >>Sowohl die Musik als auch die redaktionellen Beiträge können vom Hörer nicht gesteuert werden. Der kann sich zwar mit dem Radiosender grob für eine gewisse Richtung im Hinblick auf Region, Musik und weitere Inhalte entscheiden, aber das war es dann auch schon.<<

Auch Moritz wollte sich nun aktiv an dem Gespräch beteiligen und zog damit die Aufmerksamkeit von Prof. Krüger auf seine Seite der Creative Couch. >>Andererseits haben wir über die Podcasts und die verschiedenen Streaming-Portale für Musik eine höchst individuelle Komponente für auditiven Content, die aber kein zusammenhängendes Programm ergeben und immer wieder einzeln angesteuert werden müssen.<< meinte der Coder.

Beide Studenten ließen nun eine schöpferische Pause und gaben somit Prof. Krüger die Zeit, sich das resultierende Bild im Kopf selbst zusammenzusetzen. Es war in dem Gesicht des Dozenten klar erkennbar, dass er den Einstieg in die zugehörige Ideenreise gefunden hatte. Trotzdem fragte er noch relativ nüchtern >>Und? Was bedeutet das konkret?<<

Alexander nahm den Ball gerne auf. >>Das bedeutet, es gibt keine Plattform für individuellen Audio-Content als Mischung von eigener Musik und redaktionellen Beiträgen, die der Nutzer zu einem persönlichen Radiosender zusammensetzen kann.<< Krüger rieb sich die Stirn, erkannte zunehmend die Zusammenhänge und fragte dennoch zunächst simpel weiter. >>Wozu brauche ich das?<<

Jetzt war Moritz wieder am Zug und Prof. Krüger musste den Kopf erneut in die andere Richtung drehen. >>Radio wird hauptsächlich im Auto gehört und da habe ich einen Digital Captive Moment, bedeutet, ich bin gefangen in einer Situation, in der ich die Hände nicht frei habe, um über die Steuerung meines digitalen Endgerätes meinen Content individuell abzurufen.<< Der Coder winkte mit seinem Smartphone und meinte >>Schließlich ist der Griff zum Handy während des Fahrens verboten und das autonome Fahren noch nicht da.<< wobei er sich nicht sicher war, ob Prof. Krüger nicht noch zu der Generation gehörte, die mit dem Telefon in der Hand ein Auto fuhr.

Moritz nippte kurz an seinem Kaffee und fügte anschließend dennoch noch hinzu >>Eine reine Sprachsteuerung als Lösung ist kompliziert für das wirklich individuelle Picking von einzelnen Inhalten, zumal das zwar für bekannte Musik, aber kaum für den noch unbekannten redaktionellen Inhalt gehen würde.<<

Nach dem bewährten Ping-Pong-Spiel war jetzt Alexander wieder an der Reihe, so dass Prof. Krüger einmal mehr seinen Kopf drehen musste. >>Mal abgesehen davon, dass dieser Digital Capitive Moment noch beim Joggen, Training und weiteren Tätigkeiten vorkommt, schlägt dieses Problem auch beim normalen Radiohören in der Küche oder sonst wo zu.<< Der zukünftige CEO lehnte sich bewusst zurück an die Rückenlehne der Creative Couch und ergänzte>>Hier ist es insbesondere die Bequemlichkeit, die uns von einem ständigen Umschalten abhält, wenn mal nicht das läuft, was wir mögen.<<

Und jetzt war es soweit, denn nun musste das junge Startup-Team den einen Satz bringen, der alle bisherigen Vorbemerkungen zusammenfassend auf den Punkt brachte. >>Wir wollen deswegen eine Plattform bauen, auf der sich die eigene Musik und ein redaktioneller Content zu einem personalisierten Radio zusammensetzen lassen.<<

Als Krüger scheinbar nicht direkt ansprang, legte Alexander nach. >>Nie mehr Musik, die man nicht mag und nur redaktionelle Beiträge, die vom Interesse auf einen zugeschnitten sind. Kein Umschalten mehr, keine Langeweile mehr, kein lineares Radio mehr.<< Der junge angehende Gründer straffte den Rücken, öffnete einladen die Arme und sagte euphorisch >>Wir machen das Radio, so wie man es bisher kannte kaputt und schaffen ein neues Radio der Zukunft. 100% digital und für jeden nutzbar. Innovativ, disruptiv und skalierbar!<<

Es waren die drei Zauberworte, die jede Idee im Resultat bedienen musste. Die Idee musste neu sein, sie musste zerstörerisch sein und sie musste technisch handhabbar sein, so dass ein digitales System die wachsenden Zugriffe auf der Plattform verarbeiten konnte, ohne dass dies zu einem höheren Einsatz von teuren menschlichen Arbeitskräften führte.

Damit war die zweite Stufe im E-Business-Generator von Prof. Krüger bedient. Die digitale Geschäftsidee war hinterlegt mit dem Digitalisierungs- und Innovationsgrad, einer Massentauglichkeit, der Skalierbarkeit und Nachhaltigkeit. Der Dozent war nun auch offensichtlich aktiviert, wollte aber noch das gewisse Etwas. >>Alle gut und schön, aber wo ist darüber hinaus der besondere Kick?<<

Es gehörte zur Dramatik, dass man als Gründer im Hinblick auf seine Idee dafür immer noch einen Trumpf im Ärmel hatte. Jetzt war der Zeitpunkt, um ihn zu ziehen. Und Moritz zog in.

>>Unsere Plattform ermöglicht nicht nur, dass man seine persönliche Musik über Spotify, Apple Music oder Deezer zusammen mit den Lieblingspodcasts zu einer individuellen Playlist kombinierte...<< Er machte eine bedeutungsschwere Pause und zeigte in einem Kreis auf alle Studenten in der Chill-Area und ergänzte >>... jeder Teilnehmer kann auch seinen eigenen redaktionellen Content aufnehmen, hochladen und allen anderen Hörern zur Verfügung stellen. Wir nennen das Social Media Radio!<< vollendete Moritz den Satz.

>>Damit sind wir nicht nur ein reiner Verwerter von schon vorhandenen, sondern werden auch zum Produzenten von neuen Inhalten. Beziehungsweise unsere Nutzer tun das, während wir nur die technische Plattform zur Verfügung stellen.<< ergänzte Alexander und fügte im Anschluss eher spontan als geplant eine Anmerkung hinzu, die das zugehörige Startup in der Folge prägen sollte, wie keine andere. >>Wir werden das YouTube für die Ohren!<<

Bäm!... Da war er, dieser besondere und magische Moment. Der Moment, in dem es nicht nur beim Zuhörer, sondern auch im Kopf eines jeden Gründers „klick“ macht und auch ihm selbst die Tragweite der eigenen Idee bewusst wird. Es ist ein Moment, wo einem die pure Begeisterung wie eine Überdosis durch die Adern schießt und in den festen Glauben versetzt, dass man gerade das nächste Unicorn geboren hat.

Dabei passieren in den Köpfen durchaus ganz unterschiedliche Dinge. Die einen denken an Ruhm und Ehre, dies anderen an Macht und Geld. Alexander dachte in diesem Moment einfach an alles und malte sich den zugehörigen IPO aus, Moritz begeisterte sich an dem besonderen Algorithmus, den er für die automatische Zusammensetzung des Contents auf der Plattform programmieren würde und Prof. Krüger an die Chance, es seinen Kollegen bei dem großen Pitch zum Abschluss des Jahrgangs zu zeigen und seine Verlängerung als Professor an der UDB zu sichern.

Die Investoren würden die Analogie zu YouTube lieben. Das dachten alle drei und die Creative Couch hatte offensichtlich mal wieder funktioniert...

Seed-Phase 4

 

Dr. Jörg Lehmann klappte einen weiteren Businessplan zu, den er auf seinem Tisch liegen hatte. >>Was für ein Schrott<< dachte er, während er kurz aus dem Fenster schaute. >>Gibt es eigentlich keine gute Ideen mehr?<< fragte er mehr sich selbst und war durchaus überrascht, dass er diesen Gedanken dann doch etwas zu laut und verärgert im modernen und hippen Großraumbüro der Digital Investment Company aussprach, so dass es die Kollegen mitbekamen.

Die DIC war ein größeres Venture Capital-Unternehmen mit Sitz in Berlin, welches ausschließlich in elektronische Geschäftsmodelle und die zugehörigen Plattformen im E-Business investierte. Als sogenannter VC residierte man in unmittelbarer Nähe zum Sankt Oberholz am Rosenthaler Platz. Das Oberholz war schon fast ein Mythos für die Startup-Szene in der Hauptstadt. In diesem Kaffee arbeiten die Gründer gerne an ihren Ideen und quasi an jedem Platz schlugen sie dafür ihre Laptops auf. Der öffentlich zugängliche Raum wurde ergänzt durch einen Member-Coworking-Space auf der zweiten Etage, in der laut Legende erfolgreiche Startups wie SoundCloud oder Brands4Friends gegründet wurden.

Ein perfektes Umfeld also für die DIC, die gerade mit dem exzellenten Zugang zur Gründerszene im Startup-Hotspot der Hauptstadt für ihren Fonds geworben hatte. „Egal welche neue Geschäftsidee in Berlin geboren wird, wir wissen es zuerst!“, war entsprechend die Werbebotschaft des Venture Capitalisten, der mit viel Mühe erstmals einen eigenen Fonds aufgebaut und das Geld von vermögenden Privatpersonen, aber auch großen Firmen und Institutionen eingesammelt hatte.

Insgesamt 80 Millionen kamen so zusammen, von denen aber bislang nur zwanzig mehr oder weniger gut investiert werden konnten. Das lag zum einen daran, dass man wahrlich nicht der einzige VC vor Ort war und deswegen schon seit längerem die Angel für Beteiligungen auch in den anderen Regionen Deutschlands ausgeworfen hatte und zum anderen, dass eben auch für die DIC nicht jedes Investment funktionierte. Aber wo und bei welchem Investor war das schon der Fall?

Denn auch für das Unternehmen von Jörg Lehmann und seinen Partnern galt die alte Regel, dass von 10 Investments nun einmal sechs kaputtgingen und abgeschrieben werden mussten, zwei weitere mehr oder weniger ohne großen Wertzuwachs überlebten und weiter zwei Beteiligungen dann aber so gut waren, dass sie alles andere über einen tollen Exit wieder ausglichen. Und das war ja schließlich das Geschäftsmodell eines VCs. Einem vielversprechenden Startup am Anfang das benötigte Kapital geben und dafür zu einem frühen Zeitpunkt möglichst viele Anteile am Unternehmen mehr oder weniger „günstig“ bekommen, die man dann später über ein erfolgreiches Wachstum für deutlich mehr Geld wieder verkaufen konnte.

Den Verkauf der Anteile und damit den Ausstieg aus der Startup-Beteiligung nannte man eben im Fachjargon „Exit“. Und dieser war umso erfolgreicher, je höher das zugehörige „Multiple“ war. Dieser Indikator beschrieb das Verhältnis vom eingesetzten Kapital zu Beginn der Beteiligung zum resultierenden Erlös zum Zeitpunkt des Exits. Ein guter Exit hatte einen Multiple von 20 oder höher. Für 1 Mio. Euro mussten am Ende also mindestens 20 Mio. Euro wieder zurückkommen. Es musste also wirklich deutlich mehr sein, um auch die nicht erfolgreichen Investments im Portfolio auszugleichen. Dafür brauchte man aber eben mindestens zwei Hotshots und die hatte die DIC im Moment nicht.

Unangenehm war das für alle Beteiligten, denn so ein VC-Fonds hatte nur eine bestimmte Laufzeit, in der das Kapital investiert werden und die Exits realisiert werden mussten. Danach erwarteten die Geldgeber des Fonds ihr Geld mit einer stattlichen Rendite als Basis plus einem variablen Anteil an den darüberhinausgehenden Gewinnen zurück. Und diese Restlaufzeit betrug nur noch 3 Jahre. Nicht mehr viel Zeit, um die Hotshots zu finden, aufzubauen und nach erfolgreichem Wachstum einen Käufer zu überzeugen, für die Anteile den zwanzigfachen Wert zu bezahlen.

Am besten ging das über einen Börsengang, wo man nicht nur den einen Käufer finden, sondern gleich die vielen Anleger mit einer großen Story ansprechen konnte, die sowieso nach neuen und vielversprechenden Emissionen Ausschau hielten. Die aktuellen Startups im Portfolio der DIC konnten diese Erwartungen bislang nicht erfüllen. Man stand also zunehmend unter Druck und Jörg Lehmann wusste das und die Partner und Investoren des VC-Gebers wussten es auch. Die Rakete musste also bald zünden und fliegen.

Dabei war es eigentlich gut losgegangen. Er hatte Karriere gemacht. Ausbildung an der European Business School in Oestrich-Winkel mit einem Abschluss in Finanzwissenschaften. Anschließend Promotion zum Thema „Venture Capital als Beteiligungschance für Corporates – Eine institutionelle Betrachtung auf Basis der Spieltheorie“ mit einem summa cum laude. Danach konnte er sich die Positionen fast aussuchen und landete schließlich im Corporate Venture-Bereich eines großen Energie-Unternehmens im Ruhrgebiet. Jahresgehalt um die 120.000 Euro plus Bonus.

Immer wieder hatte er das Angebot als CFO, also als Chief Financial Officer, zu einem Startup zu gehen und viele seiner ehemaligen Kommilitonen versuchten auch immer wieder ihn zu überreden. Aber er war konservativer, als er vielleicht zugeben wollte. Und das strategische Zeitfenster seines Alters schloss sich zunehmend, als er 30 Jahre alt wurde. Zu alt für Risiko, zu alt für ein junges Startup. Eine Frau und zwei Kinder taten ihr Übriges, um ihn von dem Abenteuer abzuhalten. Doch dann konnte er doch irgendwie nicht wiederstehen.

Als der Energie-Konzern entschied, aus dem Beteiligungsgeschäft auszusteigen, beschlossen die Mitarbeiter eine eigene Venture Capital-Gesellschaft aufzumachen. >>Corporates müssen auch darüber nachdenken, was sie verlieren können. Startups dürfen nur darüber nachdenken, was sie gewinnen können.<< hatte der Vorstand des Konzerns zum Abschied gesagt und schob noch hinterher >>Deswegen passen Corporates und Startups in der Kultur nicht zusammen.<<

Viele waren anderer Ansicht und sahen in dieser Aktion lediglich eine Bankrott-Erklärung eines alten Tankers, der nicht mehr die Substanz hatte wie ein junges Schnellboot zu denken. Dabei war der Track Record, also die Erfolgsgeschichte aus den bisherigen Beteiligungen, eigentlich ganz in Ordnung und man konnte für die neue VC-Gesellschaft sogar die Anteile in die bereits investierten Startups zu einem guten Preis mitnehmen. Auf dieser Basis funktionierte auch das Fundraising für den neuen Fonds ganz gut, aber ohne einen Konzern im Rücken war die neue Aktivität halt mit einem Risiko verbunden. Doch Lehmann dachte „Jetzt oder nie“ und wurde Partner bei der resultierenden Digital Investment Company. Umzug nach Berlin inklusive.

Doch er tat sich schwer mit der hippen Gründerszene. Er, der immer Anzug und Krawatte trug, der zwar digital im Kopf aber weder auf Twitter noch Instagram täglich um Aufmerksamkeit buhlte, er tat sich schwer in Berlin. Daran konnte auch das obligatorische Tragen von Jeans und T-Shirt, das Nutzen von Carsharing-Angeboten oder der 3-Tages-Bart nichts ändern. Er fühlte sich als analoger Fremdkörper in einer digitalen Welt, in der andere Regeln galten. Ob die besser waren oder besser funktionierten als die alten, war egal. Entscheidender war, ob man nach ihnen spielen konnte. Aber er konnte nicht mehr zurück und die DIC musste ein Erfolg werden, darüber war er sich im Klaren.

Er schnappte sich also seine Jacke und machte das, was man in Berlin so machte, wenn man keinen heißen Deal hatte oder in keinem wirklich spannenden Startup arbeitete. Man ging zu einem der mehr als zahlreichen Networking-Events, die gefühlt hundertfach pro Abend für die Gründerszene angeboten wurden. Dort traf man sich, nur um sich zu erzählen, dass „alles Super“ laufen würde. Interessant war aber eigentlich nicht wer da war, sondern wer nicht da war und warum.

Heute war mal wieder das lässige Soho House an der Torstraße Ecke Prenzlauer Allee dran. Wer hier dazugehören wollte, der muss vor allen Dingen „Cool“ sein. Eine Krawatte gehörte deswegen nicht dazu und wer sich trotzdem dem Fauxpas hingab und mit einer erschien, wurde mit einem abwertenden Lächeln am Eingang gebeten, diese doch bitte an der Garderobe abzugeben. Es zeichnete das zugehörige Hotel im kühlen Bauhausstil aus, dass im zugehörigen Club nur eingekaufte Member und ihre Gäste zugelassen waren. Ausnahme waren die zahlreichen Events, zu denen der Club auch mal vollkommene Frischlinge mehr oder weniger akzeptierte. Denn eigentlich wollte man unter sich bleiben.

Promis waren hier ebenso normal wie die Vorstände der Dax-Unternehmen und die CEOs der Startups, die es schon geschafft hatten oder meinten, es geschafft zu haben. Natürlich war auch Jörg Lehmann über die DIC ein Member und genoss den besonderen Status in einem Club, in dem es hieß „Wer in dem zugehörigen Pool auf der Dachterrasse schwimmen ging, war cooler als das Wasser, in dem er sich befand.“

Eigentlich war der Club ein großes Wohnzimmer mit Esstischen, Sitzecken mit schweren Ledermöbeln und einer gut sortierten Bar. Edel, sehr edel ausgestattet sogar und mit einer umlaufenden Fensterfront, die vom achten Stock aus einen weiten Ausblick auf die Hauptstadt ermöglichte. Das Gefühl über den Dingen und den Menschen da unten zu stehen inklusive.

Doch heute war der Club wieder einmal offen und die Community-Plattform startup.news hatte „die Szene“ zum informellen Austausch geladen. Und so trafen sich die üblichen Verdächtigen und berichteten untereinander von dem nächsten ganz großen Ding, an dem sie gerade arbeiten würden. Es war wieder Zeit für das zugehörige Buzzword-Bingo und Jörg Lehmann hatte im Kopf schon die zugehörige Tabelle parat gelegt und strich gelangweilt die gehörten Treffer gedanklich ab.

Big Picture, Out of the Loop, Leverage Effect, Conversion Rate, Disruption, KPI, Big Data... Bingo! Normalerweise dauerte es nur 30 Minuten und 3 Small-Talks bis man die in der Gründerszene üblichen Begrifflichkeiten gesammelt hatte. Und trotzdem hoffte man immer wieder, dass man auf diesen Treffen einmal ein neues unverbrauchtes Gesicht sah, eine unkonventionelle Idee zu hören bekam oder einen wirklich heißen Tipp für ein neues Startup abstauben konnte, welches man noch nicht kannte.

Also ging man hin und Jörg Lehmann machte da keine Ausnahme. Doch er wurde wieder einmal enttäuscht. Keine neue Investment Opportunity zeichnete sich ab. Nur ein Gespräch mit der Chefredakteurin Corinna Ohlsen von startup.news blieb ihm in dann doch in Erinnerung.

Sie berichtete, dass sie aus gut unterrichteten Kreisen im Valley erfahren hatte, dass Facebook demnächst auch den Audio-Bereich adressieren wolle. Unter dem Projektnamen Facebook Live Audio wolle man auch zum Broadcaster werden und damit die Echtzeit-Übertragung von Radio-Inhalten und verschiedenen Podcasts ermöglichen. Zunächst soll das Feature den exklusiven Partnern von Facebook vorbehalten sein. Dazu zählten der BBC World Service und der Verlag Harper Collins. >>Später wird das Format aber natürlich für alle Nutzer und Publisher ausgerollt.<< meinte die Chefredakteurin.

„Facebook, immer wieder Facebook…“ dachte Lehmann. Der Online-Gigant war Fluch und Segen zugleich. Auf der einen Seite war es der Stoff aus dem die Investorenträume sind, zum anderen lies dieses Unternehmen anderen Startups aber kaum die Luft zum Atmen und expandierte mit seiner Nutzer- und Datenmacht in alle angrenzenden Bereiche. Wenn man dennoch als Startup eine Lücke erkannte, eine gewisse Relevanz erreichte und Glück hatte, dann wurde man von Facebook aufgekauft. Wenn man Pech hatte, machte Zuckerberg einen als Konkurrenten einfach platt. Und trotzdem nahm Lehmann etwas mit aus dem Gespräch. Es war der Begriff Audio-Plattform…

Seed-Phase 5

 

>>Das wird richtig groß!<< sagte Alexander König zu seinem Kommilitonen Moritz Hansen, nachdem das Treffen mit Prof. Krüger zunächst zu Ende gegangen war. Er bekam das Grinsen kaum noch aus dem Gesicht. Die beiden UDB-Studenten schlenderten in den nächsten Meeting-Raum, um die spontanen Eindrücke aus dem Gespräch mit ihrem Mentor zu verarbeiten.

Überall auf dem Campus waren diese Räume eingerichtet worden, wo man sich auf wenigen Quadratmetern mit einem Tisch und wenigen Stühlen, einem großen Whiteboard und einem Flipchart so seine Gedanken über die eigene Gründungsidee machen konnte. Natürlich durfte auch ein großer Sitzsack für die kreativen Momente nicht fehlen. >>Das YouTube für die Ohren. Megastark! Diese Analogie war ganz großes Facebook, King<< antwortete Moritz unter der Verwendung des Spitznamens seines Freundes.

Schon in der Schule wurde Alexander als „King“ angesprochen, was nicht nur der englischen Übersetzung seines Nachnamens entsprach, sondern auch seinen Charakter widerspiegelte. Immer vorn dabei, sportlich in fast allen Schulmannschaften ein Führungsspieler, manchmal mit einem leichten Hang zur Arroganz, aber fast immer mit einer vollen Portion Selbstvertrauen, welches von seinen Kritikern gerne als selbstverliebter Egoismus interpretiert wurde. Im Ergebnis mochte man ihn oder eben nicht, ein Dazwischen gab es nicht.

>>Der König dankt!<< gab Alexander zurück und ergänzte mit einem Siegerlächeln >>Und der König hat nachgedacht und beschlossen, dass das Startup-Baby AudioKing heißen wird. AudioKing.com<< Moritz sah das Glitzern in den Augen seines Freundes und erwiderte >>Das ist ein Knaller! Kurz, international und direkt den Inhalt beschreibend. So wie ein Markenname im Internet sein muss. Ist die Domain noch frei?<<

Sie klappten ihre Laptops auf und recherchierten schnell mal auf einer der zahlreichen Registrierungsseiten für nationale und internationale Domains. Die wenigen Sekunden die eine solche Abfrage dauerte, kamen ihnen vor wie Stunden. Aber dann war das Ergebnis da. <<Scheiße, natürlich nicht.>> sagte Alexander mit einem enttäuschten Blick auf den Bildschirm.

Welche gute Domain war heutzutage noch frei? Rund 329 Millionen Domains waren weltweit registriert und fast alle sinnvollen Namenskombinationen entsprechend weg. Das war auch der Grund, warum immer mehr Markennamen mit einem Doppel-Konsonanten auftauchen wie das oo bei swoodoo, einem Zahlenzusatz wie bei Tipp24.de oder den mal mehr, mal weniger originellen Übersetzungen in exotische Sprachen wie Hawaiianisch wie bei Wikipedia.

Moritz betrachtete sich das Suchergebnis noch einmal genauer. >>OK. Die .com-Adresse ist weg, aber frei wären noch .biz, .info oder .org sowie .net und .de Das geht doch auch, oder?<< Alexander war anderer Meinung. >>Die nimmt man doch nur, wenn man völlig verzweifelt ist. Viele Spam-Domains arbeiten mit diesen Endungen, daher sollte man es lieber sein lassen. Außerdem ist das einzige was international zählt eben die .com-Adresse und die ist weg!<<

Moritz versuchte es weiter. >>Was ist mit der .io-Domain? Die finde ich cool!<< was kein Wunder war, denn gerade bei Techies war diese Website-Endung, die geografisch eigentlich zur Inselgruppe des Britischen Territoriums im Indischen Ozean gehört, sehr beliebt. Der Grund war einfach. Das Kürzel .io stand für Input/Output. >>I/O bezeichnet in der Informatik die Kommunikation eines Systems mit dem Nutzer oder einem anderen System. Und das gilt auch für unsere Audio-Plattform! Also ich finde AudioKing.io passend…<< untermauerte Moritz seinen Vorschlag.

>>In der Kommunikation mit dem einfachen Kunden und Plattform-Nutzer einfach zu kompliziert.>> antwortet Alexander und hämmerte mit einem >>Scheiße, Scheiße, Scheiße…<< die Faust auf den Tisch. >>Es wäre ja auch zu schön gewesen.<< Er stand auf und lief enttäuscht im Raum umher.

Moritz ließ die Finger über die Tasten fliegen. Es kam ihm ein flüchtiger Gedanke, den er überprüfen wollte. Er gab die Domain AudioKing.com direkt in den Browser ein und schob seinem Freund das Display entgegen. Dort konnte der in der englischen Übersetzung lesen „Diese Webseite hat keinen Inhalt. Die zugehörige Domain steht zum Verkauf. Sie können die Domain für 4.900.- USD vom Eigentümer erwerben.“ Dahinter stand ein Link zu einer der größten Domain-Handelsplattformen im Netz.

Alexander wurde aktiviert. >>Also wir können alle anderen Domains für AudioKing bekommen, weil sie frei sind, oder?<< fragte er Moritz. Der Coder nickte. >>Und wie sieht es mit den Bindestrich-Namen aus, also Audio-King.com und andere?<< fragte Alexander weiter. Sein Freund checkte dies ebenso schnell wie alle anderen Domains. >>Alle verfügbar! Offenbar wurden die nicht angepackt, da alle wie wir denken, dass es ohne die Top-Domain AudioKing.com nicht geht.<< gab Moritz zurück.

Alexander wurde aktiv und Moritz war zwar nicht zum ersten Mal, aber durchaus mal wieder beeindruckt von der Tatkraft seines Kollegen. >>Du reservierst alle freien Domains und ich kaufe die .com-Adresse. Befehl ausführen.<< sagte er und zückte seine Kreditkarte, folgte dem Link und drückte den Kauf-Button.

Nun waren die rund fünftausend Dollar kein Pappenstiel, aber Alexander brauchte sich über seine finanzielle Ausstattung keine Sorgen machen. Erstens hatte er weitreichende Unterstützung aus seinem Elternhaus und zweitens konnte er über die diversen Praktika in einigen Großunternehmen schon etwas auf die Seite legen.

>>Aye, Aye, Captain!<< antwortete Moritz und machte sich ans Werk. Wenige Minuten später hatten sie die jeweiligen Bestätigungen über die erfolgreichen Registrierungen und den Kauf von AudioKing.com als ihren Startup-Namen. Beide sahen sich an, legten zwei Finger aufs jeweils linke Auge und riefen sich triumphierend den Piratengruß zu. >>Arrr!<<

Es war Nachmittag geworden und Alexander und Moritz packten ihre Sachen zusammen, nur um einige Minuten später im Hörsaal A der UDB den Ausführungen von Prof. Dr. Rüdiger Zenker zu lauschen. Er war Wirtschaftsinformatiker und bediente die Themen der digitalen Geschäftsmodelle und des zugehörigen strategisches IT-Management.

Prof. Zenker war Mitte fünfzig und hatte schon viele digitale Trends kommen und gehen sehen. Anders als seine Kollegen lief er schon fast traditionell, man könnte auch sagen schlampig über den Campus der UDB. Ein viel zu oft getragenes Woll-Sakko über einem schon längst aus der Mode gekommenen Streifen-Hemd mit Button down-Kragen ergänzten die ausgewaschene Jeans. Getoppt wurde dieses Bild aber noch durch die dicken Socken, die in den Birkenstock-Sandalen weithin sichtbar waren. Was die Barthaare an Länge aufweisen konnten, fehlte ihren Kameraden am Kopf.

Das Gesamtbild führte oft dazu, dass man ihn im ansonsten auf Cool getrimmten Kreis der UDB-Professoren unterschätze. Aber er kannte alle Tricks der Programmierung und der Modellierung von technischen Geschäftsprozessen, was ihm insbesondere den Respekt bei den technisch-orientierten Studenten einbrachte.

So stand der Dozent zwar als Mentor nie ganz vorne, da er aber immer wieder gerne von den Programmierern und Techies hinzugezogen wurde, bekam er immer ein Stück vom Kuchen der erfolgreichen UDB-Startups ab. So hielt er sich schon seit Jahren im internen Ranking und sein Vertrag wurde immer wieder verlängert. Inzwischen war er zum IT-Dinosaurier an der Hochschule geworden, der aber anders als seine ausgestorbenen Kollegen der Tiergattung immer noch da war. Nicht zuletzt, weil er sich selbst immer auf dem neusten Stand der Technik gehalten hatte.

Heute stand das Kapitel „elektronische Wertschöpfung“ für Startups im Internet auf dem Programm. >>Starten wir mit einer einfachen Frage.<< begann Prof. Zenker seine Ausführungen. >>Welche elektronischen Mehrwerte können überhaupt von einer Plattform im Netz angeboten werden?<< Eine rhetorische Pause gab den Studenten die Möglichkeit, sich für eine Antwort zu melden.

Natürlich blieb es ruhig, denn die Begeisterung sich aktiv zu melden war an der UDB nicht anders ausgeprägt, als an den staatlichen Hochschulen. >>Für eine elektronische Wertschöpfung können dies folgende Aspekte sein.<< fuhr Prof. Zenker fort. >> Da haben wir zunächst den Überblick. In diesem Fall schafft ein Online-Angebot einen Überblick über eine Vielzahl von Informationen, die sonst nur sehr mühselig zu beschaffen wären. Damit wird ein Strukturierungswert geschöpft.<<

Alexander übersetzte die Ausführungen des Dozenten direkt für AudioKing.com und schrieb sich in die Notizen seines Laptops, dass AK einen Überblick über den weltweit verfügbaren Audio-Content schafft. >>…und den seiner Nutzer, die diesen über eigene Radiokanäle aktiv einstellen.<< flüsterte Moritz ihm zu, der die Eingabe beobachtete. >>Es folgt die Auswahl. In diesem Fall schafft ein Online-Angebot die Möglichkeit, über Datenbank-Abfragen für die Nachfrager die gewünschten Informationen, Produkte oder Dienstleistungen gezielter und damit effizienter zu identifizieren. Damit wird ein Selektionswert geschöpft.<< hörten sie Prof. Zenker weiter sagen.

Alexander schaute zu Moritz. >>Das bezieht sich bei AK auf die Auswahl von Musik und dem redaktionellen Content. Bei offiziellen Titeln ist das relativ einfach, weil eine Verschlagwortung meist vorliegt.<< meinte der Coder zu seinem Partner und ergänzte>>Bei dem Audio-Content vom privaten Nutzer wird das schon deutlich schwieriger. Das System muss erkennen, dass dieser beim Stichwort „Essen“ wirklich über die Nahrungsaufnahme und nicht über die Stadt im Ruhrgebiet spricht. Das ist technisch komplexer.<< Er malte die zugehörigen Code-Strukturen auf den Notizblock von Alexander.

Alexander notierte sich, das „AK“ einen Selektionswert anbieten würde und Moritz dafür sorgen wird, dass das System es auch tun würde. Der zukünftige CTO von AudioKing.com verdrehte die Augen. >>Ne ist klar, der Maschinenraum muss mal wieder funktionieren<<. Alexander schmunzelte zurück >>So ist das, Scotty<< mit einer Anspielung auf den Ingenieur auf dem Raumschiff Enterprise, der alle Probleme mit dem Drücken von ein paar Knöpfen irgendwie lösen konnte und das meist schneller als es der Captain James T. Kirk erwarten konnte.

>>Es wäre schön, wenn auch die beiden Kommilitonen in Reihe 3 mir ihre Aufmerksamkeit schenken würden.<< rief Prof. Zenker durch den Saal und schaute irritiert zu Alexander und Moritz, die gar nicht gemerkt hatten, dass ihr Flüstern etwas zu auffällig geworden war. Entschuldigend hoben Sie die Hände und Zenker fuhr fort. >>Als nächstes haben wir die Vermittlung. In diesem Fall schafft ein Online-Angebot die Möglichkeit, Anfragen von Anbietern und Nachfragern effizienter und effektiver zusammenzuführen. Damit wird ein Matchingwert geschöpft.<<

Das wird das zentrale Thema von AudioKing.com dachte Moritz, der sich im Kopf schon im Hinblick auf den zugehörigen Algorithmus so den einen oder anderen Gedanken gemacht hatte.

Neben den gezielten Suchen und Zusammenstellungen der Audio-Clips mit der passenden Musik durch die Nutzer selbst wird es sicherlich darauf ankommen, dass AK auch immer wieder passende Vorschläge machen würde, welcher Content wahrscheinlich zum Geschmack des Nutzers passen würde. Man könnte bei AudioKing.com so was wie eine künstliche Intelligenz einbauen, so dass die Benutzer nur die Radio-Kanäle vorgeschlagen bekommen, die ihnen gefallen könnten.

Bei der zugehörigen Entwicklung würde man ein „Self-Enforcing Network“ verwenden, welches alle Nutzer anhand ihrer Favoriten-Kanäle in mehrere Nutzergruppen clustert und dann die Kanäle vorschlägt, die von vielen Nutzern abonniert worden sind, die sich in demselben Cluster befinden. >>Das wird mein Meisterstück!<< dachte Moritz und zeigte Alexander den erhobenen Daumen als Bestätigung, dass AK auch diesen elektronischen Mehrwert würde bieten können.

>>Dann hätten wir da noch die Abwicklung. In diesem Fall schafft ein Online-Angebot die Möglichkeit, ein Geschäft effizienter und effektiver zu gestalten (z. B. Kostenaspekt oder Bezahlmöglichkeit). Damit wird ein Transaktionswert geschöpft.<< referierte Prof. Zenker. An dieser Stelle machte Alexander in seine Notizen ein Blitzzeichen und fügte noch ein Fragezeichen hinzu, denn er war sich nicht sicher, ob dieser Punkt bei ihrer Startup-Idee eine Rolle spielen würde.