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Zwei spannende Wochen im Spätsommer in München: Gregor Wald liegt tot auf der Straße, er wurde auf dem Weg ins Büro dort erschossen. Kommissarin Andrea Sticker nimmt gemeinsam mit ihrer Kollegin Anita Kandum den Leser mit in ihre Arbeitswelt beim LKA, wo sie diesen Mord aufklären müssen. Wer kann der Mutter des Opfers so etwas angetan haben, und worin liegt das Motiv des Täters begründet? Die Beamtinnen finden zunächst keine Antworten und müssen frustriert erkennen, dass dies vielleicht ihr erster ungelöster Fall bleiben wird. Doch dann weckt ein weiteres ungeklärtes Tötungsdelikt in Augsburg ihr Interesse. In Zusammenarbeit mit der dortigen Mordkommission entdecken sie Parallelen zu ihrem Fall. Und langsam lichtet sich der Nebel ...
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Maria Hanz, Jahrgang 1957, veröffentlicht mit Sticker und Kandum: Mitten ins Herz ihren ersten Roman. Nach einem vielfältigen Arbeitsleben in Schulen, im Personalwesen und in der Informationstechnologie war schließlich die Zeit gekommen, den Traum von einer schriftstellerischen Tätigkeit wahr werden zu lassen. Die Autorin, aufgewachsen in dem Dorf Glan-Münchweiler in der Pfalz, lebt seit über dreißig Jahren in München.
Prolog
Kapitel 1
Kapitel 2
Kapitel 3
Kapitel 4
Kapitel 5
Kapitel 6
Kapitel 7
Kapitel 8
Kapitel 9
Kapitel 10
Kapitel 11
Kapitel 12
Kapitel 13
Kapitel 14
Kapitel 15
Kapitel 16
Kapitel 17
Kapitel 18
Kapitel 19
Kapitel 20
Kapitel 21
Kapitel 22
Kapitel 23
Kapitel 24
Kapitel 25
Kapitel 26
Kapitel 27
Kapitel 28
Kapitel 29
Kapitel 30
Epilog
»Schatz, bringst du mir bitte meine Strickjacke mit? Sie liegt noch auf der Couch.«
Es war weniger eine Frage, viel mehr eine freundliche Bitte. Mona saß am Küchentisch und half Marie bei den Hausaufgaben. Dabei musste sie ihrer Tochter nicht wirklich helfen, es ging mehr darum, die Kleine zu bestärken, während sie sich mit dem Siebener-Einmaleins beschäftigte.
»Danke, Ben, das ist lieb von dir.« Sie hängte sich die gestreifte Jacke über die Schultern. Es war nicht kalt, aber Mona fröstelte schon, wenn die Temperaturen unter 25 Grad Celsius fielen.
»Mach ich doch immer wieder gerne«, erwiderte Ben.
Mona freute sich, dass ihr Mann heute Nachmittag zuhause war. Das bedeutete zwar Nachtschicht, aber abends ging Marie früh ins Bett, und so hatten Vater und Tochter heute mehr voneinander.
Ben schaute Marie über die Schulter. Er liebte alles an ihr, aber ihre wasserblauen Augen hatten es ihm besonders angetan. Sie löste gerade die schwerwiegende Frage, wie viele Tage drei Wochen haben. Stolz präsentierte sie den Eltern mündlich das Ergebnis, bevor sie die Zahl 21 in das Arbeitsblatt eintrug.
Wenn in Bens Dienststelle die Personal-Einsatzpläne erstellt wurden, war er immer gerne bereit, die Nachtschichten zu übernehmen, damit er mehr Zeit mit seiner Familie verbringen konnte. Andere Kollegen spekulierten auf den Nachtzuschlag, aber darum ging es ihm nicht. Die Zeit, seit Marie ihre Familie vergrößerte, war wie im Flug vergangen. Jeder Tag, an dem er mit seiner Kleinen zusammen sein konnte, war kostbar für ihn. Drei Jahre lang hatten er und Mona versucht, Nachwuchs zu bekommen, aber erst nach einigen Terminen in der Kinderwunsch-Klinik war es endlich so weit gewesen, dass Mona beim Shoppen Ausschau nach Umstandsmode hatte halten können. Ihr Glück war perfekt, als sie erfahren hatten, dass sie ein Mädchen erwarteten. Und nun besuchte Marie schon die zweite Klasse in der Grundschule am Agilolfingerplatz.
Ben lobte Marie für ihre Rechenkünste.
»Das ist aber doch babyleicht, Papa«, wiegelte sie ab. Mathematik war ihr Lieblingsfach, und so gingen ihr auch kleinere und größere Textaufgaben recht leicht von der Hand. »Oh, ich vergaß: meine Tochter ist ja schon groß«, schmunzelte Ben. »Weißt du auch, wie viele Urlaubstage man braucht, wenn man drei Wochen Ferien machen will und kein Feiertag dabei ist?«
»Na klar, Papa. Da braucht man genau so viele Urlaubstage, wie man sonst arbeiten würde.«
»Ganz schön clever, mein Fräulein. Aber wie viele freie Tage musste ich nehmen, um mit euch drei Wochen nach Kroatien zu fahren? Ich arbeite im Schnitt fünf Tage pro Woche und habe insgesamt 30 Urlaubstage. Kriegst du das raus?«
Maries Blick suchte vorsorglich jenen ihrer Mutter. Mona nickte ihr aufmunternd zu. Und nach kurzer Zeit wusste Marie, dass nach der Rückkehr aus dem Süden schon die Hälfte von Papas Urlaub weg war.
»Schwingt da ein kleiner Vorwurf mit?«, fragte Mona. »Drei Wochen sind lang, ich weiß. Aber es hat dir doch gutgetan so lange Abstand von der Arbeit zu haben, oder?«
Mona wusste, dass Ben seinen Job bei der Polizei ausgesprochen gern ausübte. Er liebte die Abwechslung in seinem Beruf, kein Tag war wie der andere. Schon als kleiner Junge hatte er sich gerne an Fasching als Polizist verkleidet, und er wollte immer eine Aufgabe, bei der er es mit Menschen zu tun haben würde. Trotzdem tat ihm die jährliche Auszeit sehr gut. Zwei Wochen mit der Familie an einem sonnigen Strand sollten es auf jeden Fall sein, und dieses Jahr wollten sie noch ein paar Tage dranhängen, um ein paar Städte und Sehenswürdigkeiten zu besichtigen.
Marie heftete das Arbeitsblatt in ihre Hausaufgaben-Mappe. Sie war fertig für heute und endlich bereit für einen kleinen Papa-Tochter-Ausflug. Mona kümmerte sich in den Stunden, in denen die beiden in der Stadt oder im Münchner Umland unterwegs waren, gerne um ihr Äußeres und ihr Wohlbefinden, falls sie da gerade frei hatte. Es war ein ideales Zeitfenster für einen Friseurbesuch oder eine Massage. Dieses Mal wollte sie die Zeit nutzen, um ihre Fingernägel zu maniküren und weitere Schönheitsreparaturen durchzuführen.
»Was wollt ihr denn heute noch unternehmen, habt ihr schon einen Plan?«, fragte sie ihren Mann.
»Plan wäre zu viel gesagt, nur ein paar Ideen. Wonach steht dir der Sinn, Marie? Magst du in den Tierpark? Oder …« Er kam gar nicht mehr dazu das Oktoberfest als Alternative vorzuschlagen, weil ein begeistertes »Oh ja!« zu vernehmen war. »Ich will zu den Elefanten!«
»In vier Stunden muss ich erst zurück sein, da haben wir genügend Zeit für Hellabrunn.«
Das Wetter war ideal an diesem September-Tag für einen Ausflug in den Zoo. Weiß-blauer Himmel und angenehme Temperaturen, allerdings lag eine kleine Schwüle in der Luft. Falls sich der Himmel doch noch zuziehen sollte, könnten sie jederzeit in einem der Tierhäuser Schutz vor einem Gewitter finden. Ben und Marie nahmen ihre Sommerjacken von der Garderobe.
Mona verabschiedete die beiden an der Wohnungstür und schaute ihnen noch kurz nach. Sie hatte sich seinerzeit auch unsagbar über die Geburt ihrer gesunden Tochter gefreut, aber wenn sie Ben so sah, fragte sie sich jedes Mal, wie es mit ihnen weitergegangen wäre, wenn sich sein sehnlichster Wunsch nicht erfüllt hätte.
Andrea schloss die Tür hinter sich. Höchste Zeit für ein paar ruhige Stunden. Es war wieder einmal einer dieser anstrengenden Tage, an denen die Zeit nicht mal für ein ordentliches Mittagessen reichte. Zwei Portionen Studentenfutter stillten zwar auch den Hunger, aber so ganz ohne Pause durchzuarbeiten, verlangte ihr immer viel ab. Manchmal ging es halt nicht anders. So wie heute.
Nun gut. Jetzt war sie ja zuhause. Erst mal die Füße hochlegen und ein paar Minuten lang die Augen schließen. Warten, bis die aufziehenden Bilder verblassen. Bilder von geschundenen toten Körpern, blutigen Messern, in Tränen aufgelösten Angehörigen. Männer und Frauen, denen die Nachricht vom gewaltsamen Tod eines geliebten Menschen den Schmerz sichtbar ins Gesicht zeichnete, berührten sie immer wieder ganz tief. Dabei hatte sie heute noch nicht einmal zu einem Tatort fahren müssen, es reichte schon, dass sie sich mit den aktuellen Fällen beschäftigte, dass sie Berichte schrieb oder las. Dann durchlebte sie die Verbrechen gerade so, als wäre sie dabei gewesen. Die Schicksale der betroffenen Familien ließen sie niemals kalt. Manchmal, wenn sie an ihrem Schreibtisch saß und ihren trüben Gedanken nachhing, warfen ihr die lieben Kollegen mangelnde professionelle Distanz vor. Sie müsse sich schützen, hieß es dann, damit sie nicht an den Gräueltaten, die ihr Alltag mit sich bringe, zugrunde ginge. Da fiel dann gelegentlich das Stichwort Therapie. Nur was genau sollte sie denn therapieren lassen? Ihre Empathie, die sie befähigte, Menschen nicht nur mit dem Verstand, sondern auch mit dem Herzen zu begegnen? Da war sie schon eher bereit den Preis dafür zu zahlen und die grausamen Bilder fast jeden Abend Revue passieren zu lassen.
Sie überlegte kurz, ob ihr ein heißes Bad gefallen würde.
Nach Entspannung im warmen Wasser stand ihr der Sinn aber eher im Winter. Sie stand auf und ging zum CD-Player. Das schwarze Glanzstück ihrer Stereoanlage hatte wie die anderen Komponenten schon etliche Jahre auf dem Buckel, aber für sie gab es keinen Anlass, in modernere Technik zu investieren. Die tadellose Funktionsfähigkeit ihrer alten Anlage war der eine Grund auf Neuerungen wie Internet-Radio in ihren vier Wänden zu verzichten, der andere war die immer noch lebendige Liebe zu den Silberlingen. Erst, wenn sie die Komposition haptisch zu spüren bekam, wenn sie die Musik in Form einer kleinen Scheibe in ihren Händen hielt, konnte sie sich voll und ganz auf das baldige Musikerlebnis freuen.
Ihr war nach Mahler zumute. Heute sollte es die Symphonie No. 5 sein. Die Berliner Philharmoniker interpretierten den Trauermarsch zu Beginn ganz in ihrem Sinne. Und getragene Melodien in Moll, die eine traurige Stimmung transportierten, waren in diesem Moment genau das Richtige. Sie hatte es sich auf ihrem Ledersofa im Liegen bequem gemacht und lauschte den Klängen aus den Infinity-Boxen, und nach und nach entspannten sich ihre Nackenmuskeln. Sie konnte endlich Ruhe finden.
Noch keine dreißig der etwa siebzig Minuten Musikgenuss waren vergangen, als es an der Tür klingelte. Einen Moment zögerte sie, aber dann siegte die Vernunft, es konnte ja etwas Wichtiges sein. Sie stand auf und ging ein paar Schritte in Richtung Tür.
»Hallo Andrea, störe ich?«
»Komm rein, Rebekka. Nein, ich höre nur Musik.«
»Oh, Mahler! Ich ahne: dein Tag war mal wieder einer der weniger Erfreulichen.«
Rebekka kannte Andrea gut. Das lag nicht zuletzt daran, dass sie sich bereits vor knapp zwanzig Jahren zum ersten Mal begegnet waren.
Andrea hatte damals gerade ihr Abitur auf der Abendschule bestanden und mit drei Schulkameradinnen in einer lebhaften Bar in der Maxvorstadt in München gefeiert. Alle Vier hatten einen phantastischen Abi-Schnitt erzielt, da konnte man es schon mal krachen lassen. Nach dem dritten Mojito hatte sich ein junger Mann mit Bierglas in der Hand zu ihnen an die Theke gestellt. Dass er gerade einen Mädels-Abend mit seiner Aufdringlichkeit beendet hatte, störte ihn herzlich wenig. Für nichts in der Welt hätte er sich die Gelegenheit entgehen lassen, die reizende junge Frau mit den langen dunklen Locken und dem bezaubernden Lachen anzusprechen. Dabei war er überhaupt nicht darauf aus, was Großartiges für den Rest des Abends oder sogar der Nacht klarzumachen - er konnte einfach dem fröhlichen Lachen nicht widerstehen. Schnell kamen alle Fünf miteinander ins Gespräch. Michael stellte sich als Philosophie-Student der LMU vor.
Andrea hatte sich bis etwa ein Jahr vor dem Abitur ebenfalls für ein Studium an der Ludwig-Maximilian-Universität interessiert. Kunstgeschichte war seinerzeit ihr Favorit gewesen. Sie hatte es äußerst reizvoll gefunden, sich in die Entwicklung der bildenden Künste zu vertiefen, nachdem zahlreiche Reisen nach Italien mit ihren Eltern den Grundstein für ihr Bedürfnis nach mehr Wissen zu Antike, Renaissance und Neuzeit gelegt hatten. Architektonische und gemalte Schätze in Städten wie Florenz und Siena hatten sie nachhaltig beeindruckt. Ihr Berufsweg hatte dann aber doch ein anderer sein sollen.
Michael spendierte den Abiturientinnen eine Runde Prosecco.
»Ich wollte auch mal an die LMU«, gab Andrea zu, »aber nun habe ich mich für eine Karriere bei der Polizei entschieden.«
»Auch nicht schlecht«, erwiderte Michael, »Verbrecherjäger werden immer gesucht, da musst du dir um mangelnde Arbeit keine Sorgen machen.«
»Anders als du, denke ich.« Andrea hatte keine Idee davon, wie man mit Philosophie seinen Lebensunterhalt verdienen konnte.
Die Mädels hatten sich ebenfalls am Gespräch beteiligen wollen, merkten aber ziemlich schnell, dass es sich dabei definitiv um ein Zwiegespräch handelte. So ließen sie den beiden die Gelegenheit, sich ein bisschen kennenzulernen.
Einige Promille später verabschiedeten sich Andrea und Michael voneinander, aber nicht, ohne sich bereits für den nächsten Abend zum Essen zu verabreden.
Mit abendlichen Treffen war es noch ein paar Tage weitergegangen mit den Frischverliebten. Am Ende der folgenden Woche schließlich hatte Michael Andrea zu sich nachhause eingeladen. Er hatte damals noch bei seinen Eltern gewohnt.
Und so war es zur ersten Begegnung von Andrea und Rebekka gekommen.
»Ja, mir ist heute nach Mahlers Fünfter zumute, du hast recht. Es war einer dieser Tage, die nicht wirklich etwas neues Schlimmes ans Licht brachten, aber ich war trotzdem ziemlich angespannt, als ich nachhause kam. Jetzt geht es mir besser, ich stelle gleich Nudeln auf. Magst du mir Gesellschaft leisten und mit mir essen?
»Ja gerne, wenn es dir guttut.«
»Immer«, lächelte Andrea. »Deine Anwesenheit tut mir doch immer gut. Na ja, fast immer«, ergänzte sie augenzwinkernd.
Andrea spürte, wie ihre Lebensgeister und die gute Laune zurückkamen. Sie vermochte aber nicht zu sagen, ob es an der Vorfreude auf ihre geliebten Spaghetti alla carbonara lag oder an den fröhlichen Worten ihrer Schwiegermutter.
»Ich wollte dich fragen, ob du mir einen Hunderter kleinmachen kannst.« Rebekka streckte Andrea den Geldschein entgegen. »Der kam vorhin so aus dem Automaten. Wenn ich damit morgen früh zum Bäcker will, laufe ich Gefahr, ohne Semmeln nachhause gehen zu müssen.«
»Das kann ich gut verstehen. Dort sind kleinere Scheine immer gern gesehen.«
Andrea holte den Geldbeutel aus ihrer Handtasche und schaute nach. Sie hielt ihrer Schwiegermutter zwei Fünfziger hin. »Kleiner habe ich es nicht, ich könnte dir höchstens einen Zehner leihen.«
»Danke, das ist lieb. Aber auf fünfzig Euro werden sie hoffentlich rausgeben können. Obwohl - ich nehme doch besser den Zehner mit.«
Andrea entnahm ihrem Geldbeutel einen rosafarbenen Schein und verstaute die Börse wieder in der Tasche, während Rebekka das Geld in ihre Hosentasche steckte.
»Erzähl mir ein bisschen von deinem Arbeitstag«, bat Rebekka. Sie schaute Andrea bei den Vorbereitungen in der Küche zu.
»Ach, da gibts nichts Interessantes zu erzählen. Wir hatten einen recht ruhigen Tag, heute nur Innendienst. Zurzeit haben wir drei Fälle auf dem Tisch, wegen derer wir mit der Staatsanwaltschaft in Kontakt stehen. Schreibkram kann manchmal ganz angenehm sein, manchmal nervt er aber auch. Und was hast du heute so gemacht?«
Andrea setzte das Nudelwasser auf.
»Ich habe mir was Neues zum Anziehen gekauft.«
Rebekka drehte ihren Oberkörper mit vorgestreckter Brust leicht nach rechts und nach links, um auf ihre neue Bluse aufmerksam zu machen.
»Das ist ein richtig schöner Grünton, steht dir prima«, goutierte Andrea Rebekkas Geschmack.
Rebekka schilderte ihren Einkaufsbummel im Detail, während Andrea die helle Sauce zubereitete und sich um den Käse kümmerte. Sie hatte schon die Hoffnung auf ein neues Anzieh-Teil aufgegeben, als sie etwas abseits der Fußgängerzone doch noch fündig geworden ist. Andrea richtete die Spaghetti auf dunklen tiefen Tellern an und streute den frisch geriebenen Parmesan drüber. Die beiden Frauen nahmen am Esstisch Platz und ließen sich Andreas Lieblingspasta schmecken.
Nach dem Essen tranken sie Espresso und redeten noch ein Weilchen weiter über dies und das, danach verabschiedete Andrea ihre Schwiegermutter und machte sich bettfein.
Gut, dass sie inzwischen ein bisschen Abstand zum Tagesgeschäft bekommen hatte, so konnte sie auf angenehme Träume hoffen, die sie durch die Nacht begleiten würden. Dann würde ihre kurze Radtour zum LKA in der Maillingerstraße morgen früh wesentlich freudiger verlaufen als der heutige Heimweg.
Sie nahm wie jeden Morgen die Treppe. Den Lift benutzte Andrea für die drei Stockwerke höchstens als Lastenaufzug, wenn sie etwas zu transportieren hatte, zum Beispiel ein paar Flaschen Wasser aus dem Supermarkt um die Ecke.
Anita war schon vor ihr da, was eher selten vorkam.
»Ich wünsche dir einen schönen guten Morgen, liebe Anita.«
»Danke gleichfalls - du bist ja wieder gut drauf, wie ich sehe.«
Man konnte die beiden Kolleginnen nicht gerade als Freundinnen bezeichnen, aber sie mochten sich sehr, kamen gut miteinander aus und waren in der Arbeit als Team nahezu unschlagbar.
Andrea erzählte kurz von dem entspannenden Abend mit ihrer Schwiegermutter. Dabei erwähnte sie auch, dass ihr Rebekka nach Michaels Tod sehr ans Herz gewachsen war. Sie hatten schon immer ein gutes Verhältnis zueinander gehabt, aber in der dunklen Zeit der Trauer, in der sie monatelang demselben Mann nachgeweint hatten, hatte sich eine freundschaftliche Beziehung zwischen ihnen entwickelt.
»Das freut mich für dich, Andrea. Und dass du dich vom gestrigen Tag erholt hast, freut mich auch für uns«, fuhr Anita fort. »Ich brauche dich heute nämlich in Bestform.«
Andrea blickte fragend in ihre Richtung.
»Wir haben einen Toten.«
Kurze Zeit später trafen die beiden am Tatort ein. Vor einer Villa in dem südlichen Münchner Stadtteil Solln lag ein Mann in der Nähe der S-Bahn erschossen auf dem Gehweg. Die Kugel musste ihn im Gehen von hinten getroffen haben, denn er lag mit dem Gesicht auf dem Boden, an seiner Seite eine Aktentasche. Vermutlich war sie ihm beim Fallen aus der rechten Hand geglitten. Ein präziser Schuss aus mittlerer Entfernung hatte eine Kugel in seinem Oberkörper platziert.
Anita begrüßte die Kollegen der Spurensicherung, die bereits seit einer halben Stunde vor Ort ihrer Arbeit nachgingen.
»Was können Sie uns schon sagen?«, fragte Andrea.
»Noch nicht viel«, antwortete ein junger Mann im weißen Overall. »Ein Schuss von hinten, die Hülse haben wir dort gefunden.« Er zeigte in Richtung seines Kollegen, der ein paar Meter weiter mit einer älteren Frau redete.
»Der Tote heißt Gregor Wald«, fuhr er fort, »wir haben seinen Ausweis in seiner Hose gefunden, er steckte im Geldbeutel in der linken Gesäßtasche. Zu den Angehörigen haben Sie es nicht weit: Er wohnte hier in der Straße ein paar Meter weiter da hinten in dem Mehrfamilienhaus.« Wieder zeigte er in die Richtung seines Kollegen. »Vermutlich hatte er gerade die Wohnung verlassen, als er seinem Mörder begegnete. Oder besser gesagt: Als der Täter ihm auflauerte.«
Anita ließ sich die genaue Anschrift geben und ging dann mit Andrea zu dem Kollegen, der die Hülse gesichert hatte. Dabei schaute sie sich ein wenig um und betrachtete die architektonische Vielfalt in diesem Stadtteil. Stattliche Villen mit beachtlichem altem Baumbestand wechselten sich mit Betonklötzen ab, die jeweils zahlreichen Parteien Wohnraum zur Verfügung stellten.
»Guten Morgen, Anita Kandum vom LKA, das ist meine Kollegin Andrea Sticker. Sie haben die Hülse aus der Schusswaffe, mit der Herr Wald erschossen wurde?«, fragte Anita.
»Ja, Grundler mein Name. Aber wieso wurde das LKA eingeschaltet?«
Anita musste passen. Sie wusste nicht, wieso. Es stimmte: Es war schon ungewöhnlich, dass das LKA in einem solchen Fall ermitteln sollte, aber es gab sicher einen Grund dafür. Und wenn es die Überlastung der Kollegen vom Kriminalfachdezernat 1 in der Hansastraße war. Sei’s drum, dachte sie sich. Jetzt machen halt wir die Arbeit.
Grundler berichtete über ihre ersten Ergebnisse: »Es handelt sich um eine 9-mm-Kugel. Wir müssen die ballistische Untersuchung noch abwarten, aber wir gehen davon aus, dass aus einer Gunther geschossen wurde, vermutlich handelt es sich bei der Tatwaffe um eine Gunther PPS.«
Er nickte in Richtung der Frau, mit der er eben ein paar Worte gewechselt hatte.
»Das ist Frau Wald, die Mutter des Getöteten.«
Andrea und Anita bedankten sich und ließen den Kollegen weiter seiner Arbeit nachgehen. Sie wandten sich der Person zu, mit der Grundler zuvor gesprochen hatte. Die ältere Frau saß inzwischen etwas abseits auf einem Mauervorsprung und starrte still vor sich hin.
»Guten Morgen, Frau Wald, wir sind vom LKA, meine Kollegin Anita Kandum und mein Name ist Andrea Sticker. Wir sind hier, um den Mord an Ihrem Sohn aufzuklären. Zunächst: unser Beileid. Der gewaltsame Tod Ihres Sohnes muss ganz schlimm für Sie sein. Sehen Sie sich trotzdem in der Lage uns ein paar Fragen zu beantworten?«
Frau Wald sah sich zu gar nichts mehr in der Lage. Nicht, ein paar Fragen zu beantworten und nicht, auch nur einen Tag weiterzuleben. Sie starrte nur still vor sich hin und verstand die Welt nicht mehr. Wie konnte so etwas nur passieren, wie konnte nur jemand so etwas ihr und ihrem einzigen Kind antun? Sie schwankte zwischen tiefster Trauer und der Hoffnung, der bisherige Morgen sei lediglich ein Albtraum gewesen.
Gertrude Wald hatte wie jeden Morgen um viertel vor acht ihren Sohn verabschiedet und ihm einen angenehmen Arbeitstag gewünscht. Alles war wie immer. Er hatte zuvor sein Müsli gefrühstückt und das Pausenbrot in seiner Aktentasche verstaut, einen Blick zur Uhr geworfen, seine Mutter herzlich gedrückt und die Wohnung verlassen. Gertrude Wald hatte gerade das Fenster im Badezimmer geöffnet, als sie einen lauten Knall hörte. »Jetzt geht der Krach schon in der Früh los«, hatte sie sich gedacht. Immer häufiger musste sich die Achtundsechzigjährige über abendlichen Lärm in ihrer Wohngegend ärgern, die Jugend war halt nicht mehr das, was sie mal war.
Sie hatte sich gerade angezogen und die langen Haare zu einer Hochfrisur gesteckt, als es an der Haustür klingelte.
Über die Sprechanlage hatte sie von ihrem Nachbarn Siegfried Kuhn erfahren, dass Gregor schwer verletzt oder sogar tot auf dem Gehweg lag. Herr Kuhn hatte ihn auf dem Weg zur Arbeit dort in einer Blutlache liegend gefunden und sofort erste Hilfe leisten wollen. Seine Finger hatten keinerlei Puls an der Halsschlagader ertasten können, vermutlich war es bereits zu spät. Dennoch hatte er sofort den Notruf verständigt und natürlich kurz darauf auch Frau Wald, weil er Gregor sofort erkannt hatte. Er hatte nicht erst sein Gesicht umdrehen müssen, es hatte schon gereicht, dass er seine übliche Arbeitskleidung - Jeans und Sakko - und den antiken Aktenkoffer gesehen hatte. Er hatte nicht den geringsten Zweifel, dass es sich bei dem Toten um Gregor von nebenan handelte. Weitere Nachbarn, die er zum Teil kannte, waren auf dem Weg zur S-Bahn an ihm vorbeigekommen und geschockt stehengeblieben.
»Was für ein Glück, dass ich heute ein paar Minuten länger zum Fertigmachen gebraucht habe«, war es Siegfried Kuhn durch den Kopf geschossen, »sonst hätte es am Ende vielleicht noch mich erwischt.« Obwohl er noch überhaupt nichts von dieser abscheulichen Tat wusste, war er sich sicher, dass Gregor zufällig Opfer einer Straftat geworden war. So einer wie er hatte keine Feinde, es konnte nicht sein, dass jemand ausgerechnet ihm ans Leder wollte.
Frau Wald starrte immer noch teilnahmslos vor sich hin. Andrea rief den inzwischen eingetroffenen Rechtsmediziner zu sich und bat ihn darum, Frau Wald in Augenschein zu nehmen. Dr. Sennekamp erkannte, dass sie völlig neben sich stand und verabreichte ihr ein dämpfendes Mittel. Er hatte seinen Arztkoffer immer mit Benzodiazepinen bestückt, auch wenn solche Medikamente in der Forensik üblicherweise nicht benötigt wurden. Vor Ort hatte die entspannend wirkende Medizin schon oft gute Dienste bei Angehörigen von Todesopfern geleistet.
»Gut«, sagte Andrea, »wir lassen sie erst einmal in Ruhe. Die Fragen laufen uns nicht davon.« Anita stimmte ihr zu. »Ja, lass uns erst mal schauen, was wir ohnehin schon über das Opfer wissen.«
In Zeiten der Digitalisierung war es keine Frage, dass sie in Nullkommanix über ihren IT-Spezialisten einiges über Gregor Wald erfahren konnten. 38 Jahre alt, ledig, Versicherungskaufmann bei der Neuen Allgemeinen. Dort hatte er bereits gelernt, genau genommen bei der Versicherung, die vor sieben Jahren mit der Grünen Inc. zur Neuen Allgemeinen verschmolzen war. Sein Ruf war tadellos, er arbeitete im Vertrieb und verkaufte Versicherungen. Ein Motiv im Zusammenhang mit einem Schadensfall, den er bearbeitet haben könnte, schien zunächst also ausgeschlossen. Mit dem Gesetz war er bisher noch nicht in Konflikt geraten, zumindest war nichts aktenkundig. Lediglich im Bestand des Flensburger Kraftfahrt-Bundesamts war ein Eintrag gespeichert wegen Fahrens mit einer Blutalkoholkonzentration von 0,9 Promille. Das war nichts Besonderes.
Der Social-Media-Profi vom LKA hatte ruckzuck eruiert, dass Gregor Konten bei Everlook und Pixelgram pflegte. Seine diesbezüglichen Aktivitäten hielten sich in Grenzen, aber hier und da postete er mal ein Foto oder ein Video, meistens aus fröhlicher Stimmung heraus. Tobi bot den beiden Ermittlerinnen telefonisch an, Gregors Profile tiefergehend zu durchforsten. Die Damen dankten für das Angebot und behielten sich vor, darauf zurückzukommen.
Zunächst mussten sie aber wissen, ob jemand was gesehen hatte. Mittlerweile hatten sich zahlreiche Schaulustige auf dem Gehweg versammelt, darunter auch Nachbarn. Die Leute mussten außerhalb des rot-weißen Polizeibandes stehen bleiben, das den Tatort abschirmte. Die Damen und Herren bekamen nicht mehr viel zu sehen, die Leiche wurde inzwischen von einem weißen Tuch bedeckt.
»Alle mal herhören«, rief Andrea in die Runde, »wer von Ihnen war schon hier, als der tödliche Schuss gefallen ist?«
Keiner meldete sich. »Hat jemand von Ihnen etwas gesehen oder gehört, was uns weiterhelfen könnte?«, ergänzte Anita.
Ein älterer, weißhaariger Herr räusperte sich und ging ein paar Schritte auf die Kommissarinnen zu. »Ich habe einen Schuss gehört und dann gleich aus dem Fenster geschaut, ich hatte mir gerade in der Küche ein Glas Wasser geholt, die liegt nach vorne raus.«
»Und, ist Ihnen etwas aufgefallen?«, fragte Anita.
»Nur, dass ein Mann schräg gegenüber auf dem Boden lag. Ich war noch nicht angezogen, wissen Sie, sonst wäre ich gleich hinunter gegangen. Aber kurz drauf kam ja schon jemand und hat sich um den Mann am Boden gekümmert.«
»Dann haben Sie also weiter aus dem Fenster geschaut?«, fragte Andrea.
»Ja, ich war wie gelähmt. Mir war ja klar, dass da was Schlimmes passiert sein musste.«
Er schilderte: Nachdem immer mehr Leute zum Tatort gekommen waren, hatte er sich angezogen und das Haus verlassen. Er hatte ja nur ein paar Meter bis zu dem Toten. Mit den anderen Nachbarn, die schon da waren, hatte er ein paar Worte des Entsetzens gewechselt. Außer dem Mann, den er vom Sehen kannte und der nun da in seinem Blut lag, sei ihm aber nichts aufgefallen, ließ er Anita und Andrea wissen, er habe nichts Außergewöhnliches bemerkt. Sein Name sei Werner Maier, schloss er seinen kurzen Bericht mit Angabe seiner Hausnummer.
Von den anderen Anwesenden konnte niemand auch nur eine Kleinigkeit zum Tathergang sagen. Mancher kannte den freundlichen Herrn Wald mehr oder weniger flüchtig. Keiner konnte sich vorstellen, dass er irgendwie in kriminellen Kreisen unterwegs gewesen sein sollte.
Während ein Wagen der städtischen Bestattung neben dem Toten hielt, gingen die zwei Damen nochmal zu Frau Wald. Sie saß immer noch regungslos da, konnte noch nicht einmal weinen. Sie war aber nicht mehr alleine, immerhin. Neben ihr saß ihre Nachbarin Katharina Kuhn, sie hatte beschützend und tröstend den Arm um ihre Schultern gelegt.
Die beiden Ermittlerinnen erkannten, dass sie an diesem Morgen nicht mehr mit Frau Wald sprechen konnten. Sie verabschiedeten sich von ihr und von Frau Kuhn und kündigten an, dass sie im Laufe des Tages noch einmal vorbeikommen wollten. Frau Kuhn sicherte ihnen zu, dass sie sich frei nehmen und den ganzen Tag bei der trauernden Mutter bleiben wolle.
»Was meinst du«, sagte Anita, »kriegen wir den Täter zu fassen?«
Andrea beantwortete die Frage mit einem überzeugten Nicken. »Das sind wir Frau Wald schuldig. Machen wir einfach einen guten Job!«
Zurück in der Maillingerstraße machten sich die beiden Kommissarinnen an den Schreibkram. Das war der ungeliebte Teil ihrer Arbeit, um den sie aber nicht rumkamen.
Zunächst verfassten sie einen formalen Bericht, der die Ereignisse des Morgens beschrieb. Die Arbeit hielt sich in Grenzen, es gab ja nicht viel zu berichten.
Das Wenige visualisierten sie anschließend ordentlich an ihrer Fall-Wand. Kurze Zeit später standen da der Name des Opfers, Tatzeit und -ort und ein Hinweis auf die Tatwaffe. Das war ausgesprochen mager.
Um Frau Wald erneut anzusprechen, war es wohl noch zu früh. Zunächst nahmen sie Tobis Angebot an und baten ihn um weitere Informationen über das Mordopfer, soweit Everlook und Pixelgram dazu etwas hergaben. Vielleicht konnten sie sich auf diesem Weg über die sozialen Medien ein Bild über das Privatleben des Toten machen.
Tobis Arbeitsplatz lag ein Stockwerk unter ihrem Büro. Anders als die beiden Kommissarinnen arbeitete er nicht in einem eigenen Zimmer, sondern an einem Schreibtisch in einem Großraumbüro. Gleich nach dem Anruf von Andrea machte er sich ans Werk und durchforstete zunächst Gregor Walds Everlook-Konto. Es kostete ihn überhaupt keine Mühe, an die Bilder und Texte des Versicherungskaufmanns zu gelangen, denn der hatte alle Posts öffentlich geteilt. Das war auch schon der erste Hinweis: Nahm er billigend in Kauf, dass die ganze Welt seine Einträge lesen konnte, oder hatte er sich gar nicht erst die Mühe gemacht, etwas Privatsphäre in sein Profil zu bringen? Die Bewertung dieser beiden Optionen überließ er den Kommissarinnen, seine Aufgabe war es, alles für die Ermittlungen aufzubereiten, was eventuell einen Hinweis auf seinen Mörder geben könnte.
Zunächst war da die Liste seiner so genannten Freunde. Tobi fragte sich schon lange, was dieser inflationäre Freundschaftsgedanke wohl an gesellschaftlichen Folgen mit sich brachte. Wie schnell es doch heutzutage möglich war, Freunde zu gewinnen. In seiner Kindheit musste man dafür beispielsweise auf dem Fußballplatz Tore schießen können. Immerhin: Gregor Walds Freundesliste war mit 26 Personen äußerst dünn bestückt, er hielt sich offensichtlich zurück und ließ nicht jeden, der mal eben anfragte, in seinen virtuellen Freundeskreis Einzug halten. Oder gab es überhaupt keine Anfragen, weder von echten noch von Pseudo-Freunden? Auch die Antwort auf diese Frage überließ er seinen Kolleginnen.
Es machte ihm richtig Spaß, in der sozialen Plattform rumzuschnüffeln. Als Nächstes nahm er sich die Chronik von Gregor Wald vor. Er hatte schon interessantere Posts als diese gesehen. Tobi checkte Walds Einträge bis vor einem Jahr und kam auf insgesamt 32 Veröffentlichungen, die meisten waren geteilte Nachrichten oder Zeitungsartikel. Der letzte Beitrag stammte von Anfang Juni, lag also schon ein Vierteljahr zurück. Für Tobi war da klar eine politische Tendenz Richtung rechts außen zu erkennen. Die Masse an Flüchtlingen, die nach Auffassung des Opfers seit einiger Zeit das Land ›heimsuchten‹, war ihm nicht geheuer. Der IT-Spezialist las aus den Veröffentlichungen auch heraus, dass der Tote in Sachen Fußball nicht wie er zu den Fans der Grauen zählte, sondern eher als Anhänger der Bunten in München gelten konnte. Tobi fragte sich, ob ihm das Opfer wohl sympathisch gewesen wäre, wenn sie sich jemals getroffen hätten. Er versuchte, sich eine ehrliche Antwort zu geben und kam zu dem Schluss, dass er sicherlich nicht mit ihm ein Bier trinken gegangen wäre. Nicht wegen dessen Fußballliebe zum FC Rot-Weiß, sondern wegen seiner offensichtlichen politischen Gesinnung. Dennoch: Auch Gregor Walds Lieblingsclub trug dazu bei, dass sich Tobi nicht unbedingt mit ihm hätte treffen wollen. Im Laufe der Jahre hatte er festgestellt, dass er mit den Anhängern des TSV 1902 mehr gemeinsam hatte als mit den Freunden des Fußballvereins, der sich seine sportlichen Erfolge durchaus was kosten lassen konnte.
Er konzentrierte sich wieder auf seine Arbeit. Seine Ausbeute war also nicht so toll, aber er hatte manches ans Licht gebracht, womit sich Andrea und Anita befassen konnten.