Stilles Land und großes Kino -  - E-Book

Stilles Land und großes Kino E-Book

4,7

Beschreibung

Mecklenburg-Vorpommern bietet seit Langem und zunehmend die ideale Kulisse für nationale und internationale Film- und Fernsehproduktionen. Das Buch stellt über 200 Werke mit ihren Drehorten an der Küste und im Binnenland vor, berichtet von Stars, von fast 100 Jahren spannender Filmgeschichte. Friedrich Wilhelm Murnau zum Beispiel drehte 'Nosferatu – Eine Symphonie des Grau- ens' in Wismar. Hans Albers landete mit einem Flugzeug auf der Greifswalder Oie. Sean Bean, einer der sieben Gefährten aus 'Herr der Ringe', kämpfte in Torgelow. Roman Polanski wählte die Insel Usedom als Drehort für den 'Ghostwriter', Michael Haneke das kleine Johannstorf für seinen mit der Goldenen Palme ausgezeichneten Film 'Das weiße Band'. Bekannte Schauspielerinnen und Schauspieler wie Corinna Harfouch, Henry Hübchen, Götz George, Jutta Hoffmann und Manfred Krug haben hier gedreht. Eine Glie- derung nach regionalen Gesichtspunkten ermöglicht es, auf den Spuren berühmter Produktionen und Darsteller zu wandeln. Ein unterhaltsames Filmbuch und ein informa- tiver Reiseführer – voller Geschichten, Anekdoten, Fakten und mit zahlreichen Fotos.

Sie lesen das E-Book in den Legimi-Apps auf:

Android
iOS
von Legimi
zertifizierten E-Readern
Kindle™-E-Readern
(für ausgewählte Pakete)

Seitenzahl: 351

Das E-Book (TTS) können Sie hören im Abo „Legimi Premium” in Legimi-Apps auf:

Android
iOS
Bewertungen
4,7 (18 Bewertungen)
13
5
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Dreharbeiten zu »Pappa ante Portas«

»Jerichow« mit Benno Fürmann, Nina Hoss und Hilmi Sözer (v. l.)

STILLES LANDUND GROSSES KINO

Filme, Drehorte und Starsin Mecklenburg-Vorpommern entdecken

Marco Voss (Herausgeber)

Unter Mitarbeit von:Juliane Voigt | Frank Burkhard HabelFrank Schlösser | Christa Eichbaum | Heiko Kreft

Gojko Mitić am Set von »Das Herz des Piraten«

Inhalt

Übersichtskarte

Einleitung

 

Landkreis Nordwestmecklenburg

Hansestadt Wismar

Die Schaalseeregion

 

Landeshauptstadt Schwerin

 

Landkreis Ludwigslust–Parchim

 

Landkreis Rostock

Bad Doberan

Seebad Heiligendamm

Güstrow

 

Hansestadt Rostock

 

Landkreis Vorpommern–Rügen

Halbinsel Fischland–Darß-Zingst

Hansestadt Stralsund

Insel Rügen

Insel Hiddensee

 

Landkreis Mecklenburgische Seenplatte

Neustrelitz

 

Landkreis Vorpommern–Greifswald

Insel Usedom

Hansestadt Greifswald

Anmerkungen

Register der vorgestellten Filme

Bildnachweis

Die Autoren

Danksagung

Übersichtskarte mit vorgestellten Filmen (Auswahl)

Juliane Köhler und Hannelore Elsner in »Das Blaue vom Himmel«

Einleitung

»Was wird denn hier gedreht?«

Wo eine Filmkamera steht, wo Menschen mit dunklen Sonnenbrillen Scheinwerferstative in die Luft kurbeln, wo sich ein endloser Fuhrpark aus Wohnmobilen und LKWs aufreiht, da drängeln sich Neugierige in die erste Reihe vor der Absperrung und suchen das Set nach bekannten Schauspielern ab. Die Fragen sind meist die gleichen: »Was wird denn hier gedreht? Wer spielt dort mit? Wann kann man das sehen?«

Mit Kino und Fernsehen aufgewachsen, umgeben uns täglich bewegte Bilder. Via Internet steht jederzeit eine unendliche Filmauswahl zur Verfügung und dank Smartphones oder Tabletts spielt es keine Rolle mehr, ob wir unterwegs sind oder zu Hause auf dem Sofa sitzen – kein anderes Medium verschafft so einfach Unterhaltung, Bildung und Vergnügen. Und: Alle reden über Filme! Je nach Vorliebe ist es ein lockerer Gesprächs- und Diskussionsstoff. Erstaunlich ist, wie viele Menschen sich noch Jahre später genau an den Ort des Geschehens erinnern, wenn sie Dreharbeiten miterlebt haben. »Ich war dabei!«, dieses Gefühl hat eine bemerkenswerte Faszination. Man war mittendrin in der großen Filmgeschichte. Ob das Abgedrehte dann wirklich für das große Kino taugte, ist egal, Hauptsache, die Szene war später im Film zu erkennen. Vielleicht erklärt das die Neugier und Aufregung, die einem Filmteam bei der Arbeit im Zusammentreffen mit Publikum vor Ort immer wieder begegnen.

Dreharbeiten zu »Das weiße Band«

Im vorliegenden Buch haben sich sechs Autorinnen und Autoren aufgemacht, Mecklenburg-Vorpommern als Filmland zu entdecken. Dabei stießen sie wie Schatzsucher auf unbekannte Geschichten und auf eine überraschend lange Tradition als Drehort. Der Blick über das offene Meer und die dünn besiedelte weite Landschaft mit ausgedehnten Wald- und Seengebieten inspirierten schon Ende des 19., Anfang des 20. Jahrhunderts zahlreiche Maler und Schriftsteller, sich hier niederzulassen und Künstlerkolonien wie die in Ahrenshoop oder auf Hiddensee zu gründen. Schauspieler und Regisseure folgten den kreativen Vorreitern, verbrachten ihren Urlaub hier oder schufen sich Feriendomizile. Es ist bekannt, dass Stummfilmstar Asta Nielsen ein Haus auf Hiddensee hatte, vielleicht auch, dass Schauspieler wie Heinrich George und der spätere Hollywoodregisseur Billy Wilder Anfang der 30er-Jahre gern auf dieser Insel weilten. Das Gefühl der Freizügigkeit und Leichtigkeit, in Nachbarschaft zu den nach ihren Traditionen lebenden Bewohnern der Küste, übte auf Filmemacher und Mimen eine besondere Anziehung aus. In Drehbüchern wird das Meer bis heute oft als Synonym für Freiheit, Romantik, Fernweh und Stadtflucht genutzt.

Der Himmel über Mecklenburg-Vorpommern bringt ebenfalls Gutes für die Filmwelt, die immer nach schönen Lichtverhältnissen sucht. Durch klimatische Einflüsse der Ostsee ist das Bundesland, vor allem Vorpommern, die sonnenreichste Region in Deutschland mit durchschnittlich mehr als 2 000 Sonnenstunden im Jahr. Und noch ein Rekord: Nirgendwo gibt es in Deutschland so viel Küste – eine bei Filmlocation-Scouts ja sehr beliebte Landschaftsform.

Dass Mecklenburg-Vorpommern sich als reizvoller Drehort für Film- und Fernsehen anbietet, ist ein erfreulicher Trend, dem in den letzten Jahren immer mehr Aufmerksamkeit geschenkt wird. Zwischen den großen Medienmetropolen Berlin und Hamburg gelegen, galt die Region in filmischer Hinsicht lange als STILLES LAND. Diesen treffenden Titel erhielt das Spielfilmdebüt von einem der bekanntesten Regisseure Deutschlands – Andreas Dresen –, der in Anklam spielt und die Ereignisse der Wendezeit an einem Provinztheater erzählt.

Die Dreharbeiten zu STILLES LAND im Februar 1991 waren nicht nur thematisch aufregend, sie begründeten auch eine neue Herangehensweise an die Art, Filme zu machen. Die Ära der DEFA, des staatlichen Filmbetriebes der DDR, ging zu Ende und der Aufbruch in das Filmsystem des Westens, in dem unabhängige Produzenten frei waren, ihre Ideen umzusetzen, hatte begonnen.

Dreharbeiten zu »Krauses Kur« in Ahlbeck auf der Insel Usedom

Dreharbeiten zu »Stilles Land« in Anklam

Kaum eine gesellschaftliche Entwicklung, die in den vergangenen 25 Jahren nicht filmisch verarbeitet worden wäre. Ging es Anfang der 90er-Jahre um Geschichten der Wiedervereinigung, um neue Ost-West-Beziehungen und zwischenmenschliche Befindlichkeiten – wie es beispielsweise die schräge Komödie WIR KÖNNEN AUCH ANDERS zeigt –, kamen später bedrückende Filme über Arbeitslosigkeit, Rechtsradikalismus und sozialen Abstieg dazu. Dem entgegen bauten Vorabendserien wie EIN BAYER AUF RÜGEN oder HALLO ROBBIE! ein neues Image auf: Die Filmkulisse dieser beiden Langzeit-Projekte weckte bei den Fernsehzuschauern das touristische Interesse an der Insel Rügen und dem Osten.

ZDF-Erfolgsserie »Hallo Robbie!«

Einen kleinen Boom bescherte dem Land zwischen 2008 und 2012 das Programm der »Wirtschaftlichen Filmförderung«. In diesem Zeitraum drehten Hollywoodgrößen wie Roman Polanski und Pierce Brosnan an der Ostseeküste und mehrere aufwendige historische Kinoproduktionen wie 12 METER OHNE KOPF, DAS BLAUE VOM HIMMEL, BLACK DEATH oder DAS WEISSE BAND entstanden. Heute sind es besonders die öffentlich-rechtlichen Sender, die Mecklenburg-Vorpommern als Drehort nutzen. Sie haben die alten Hansestädte als Garant für gute Einschaltquoten ihrer Krimi-Serien SOKO WISMAR, STRALSUND oder POLIZEIRUF 110 (aus Rostock) entdeckt. Gerade neu im Programm ist der USEDOM-KRIMI.

Man könnte meinen, Krimis würden dem Image eines Landes eher schädigen, weil Gewalt und Verbrechen gezeigt werden. Doch die Erfahrungen, die mit skandinavischen Krimireihen gemacht wurden, sind andere. Ihr Mix aus moderner Großstadtpolizeiarbeit und archaischer, küstennaher Kulisse kommt so gut an, dass sie den Ort »veredeln«, an dem gedreht wurde. Der Zuschauer unterscheidet genau zwischen dem zu lösenden Fall und der »Verpackung der Story« und erfährt nebenbei von der hohen Lebensqualität der am Meer Lebenden.

Drehort zu sein ist folglich ein Glücksfall in unserer medialen Welt, ein attraktives Etikett im globalen Wettbewerb um Aufmerksamkeit.

Dieses Buch nähert sich Filmen aus einer geografischen Perspektive. Wer Mecklenburg-Vorpommern mag, wer hier wohnt oder Urlaub macht, kann mit Hilfe des vorliegenden Bandes Drehorte entdecken. 250 Filme haben die Autoren nach Regionen geordnet ausgewählt, wichtige Werke herausgehoben und intensiver besprochen. Die unterhaltsame Komponente steht dabei im Vordergrund, ohne filmgeschichtlich Bedeutsames zu vergessen.

Manchmal sind es nur wenige Filmminuten, in der die Kulisse erkennbar wird. Spielfilme für Kino oder Fernsehen standen im Mittelpunkt der Recherche. Ausnahmen bilden deutschlandweit bekannte Dokumentarfilme, die einen besonderen Bezug zu Mecklenburg-Vorpommern haben oder von Regisseuren gedreht wurden, die hier leben oder gelebt haben.

Alexander Scheer, Devid Striesow und Milan Peschel (v. l.) in »12 Meter ohne Kopf«

Es gibt zahlreiche Schauspieler zu entdecken. Die Abbildungen zeigen bekannte Gesichter in Kostüm und Maske in unterschiedlicher Umgebung. So ist dieses Buch auch ein Ausflug in die Mode der Zeit, kann zudem ein Nachdenken über die Vergänglichkeit, die an den Gesichtern der Stars ablesbar ist, hervorrufen.

Aktuelle Fotos zeigen Filmkulissen, wie sie heute existieren – markante Bauwerke, manchmal aber auch scheinbar banale Orte, die für Filmtouristen jedoch Sehenswürdigkeiten sind, weil sie deren besondere Rolle in Filmen zu schätzen wissen und Szenen dazu im Kopf haben.

Natürlich kommen auch Insider aus der Filmbranche zu Wort. Sie reden über ihre Arbeit, erzählen Anekdoten zu den Dreharbeiten, über das Filmteam, die Schauspieler und die Menschen vor Ort, wo kurzzeitig eine Art Ausnahmezustand herrschte, »weil man dabei sein durfte«.

Das Buch kann keine vollständige Gesamtdarstellung aller im Bundesland gedrehten Spielfilme leisten. Viele Filmspuren müssen einfach aus Platzgründen unerwähnt bleiben. Am Ende des Buches finden Sie ein Register mit den ausgewählten Filmtiteln, sortiert in alphabetischer Reihenfolge.

Die Drehorte lückenlos aufzulisten, wäre zu umfangreich. Drehteams stellen manchmal innerhalb eines Tages an mehreren Orten die Kamera auf. Die Buchautoren betonen in der Regel den Hauptspielort der Handlung und gehen auf Drehorte in anderen Bundesländern nicht ein.

Der Filmtourismus steckt hierzulande noch in den Kinderschuhen, doch das Buch inspiriert vielleicht, neue Reiserouten zusammenzustellen, um abseits der üblichen Touristenpfade auf Entdeckungstour zu gehen. Die Suche allein kann interessant sein, schließlich ist ja meistens nichts ausgeschildert. Sprechen Sie Einheimische vor Ort ruhig auf die Dreharbeiten an, Sie werden überrascht sein, wie gern Auskunft gegeben wird: Film ist einfach ein beliebtes Medium und ein guter Einstieg für ein Gespräch. Lassen Sie sich nicht abschrecken, weil Ihnen einige Filmtitel nichts sagen, deren Drehort sie besuchen. Vielleicht sehen Sie diese Filme später einmal, dann ist es so, als würden Sie Urlaubsbilder anschauen.

Zugegeben, in Mecklenburg-Vorpommern liegen die Drehorte weiter verteilt als anderswo, doch das bringt dem Land auch Vorteile für das Filmgeschäft: Unverbrauchte, ruhige Motive, aufgeschlossene Bewohner und eine moderne Infrastruktur bieten gute Voraussetzungen, dass auch zukünftig bekannte Schauspieler hierher kommen und wir neugierig und fasziniert stehenbleiben, weil ein Aufnahmeleiter ruft: »Ruhe bitte, wir wollen drehen!«

Ein Blick zurück

Schon im Stummfilm war das Land zwischen Ostsee und Seenplatte auf der Leinwand zu sehen. Dokumentarische Aufnahmen aus der maritimen Welt gehörten Anfang des 20. Jahrhunderts zu den aufregenden Attraktionen der Kinematographie. Der deutsche Kaiser Wilhelm II. auf einem Dampfer, Großsegler in voller Fahrt oder Kriegsschiffe im Gefecht begeisterten die Massen.

Die ersten Aufnahmen von der Ostsee drehten die Berliner Brüder Skladanowsky bereits 1897 am Bollwerk von Stettin im benachbarten, damals deutschen Westpommern.

Ein Großteil der Bevölkerung in den industriellen Ballungszentren Deutschlands konnte sich keine Reisen leisten und sah in Schaubuden und Varietés erstmals bewegte Bilder von Meer und Strand.

Filmemacher und Schauspieler waren anfangs noch stark von der darstellenden Kunst der Theaterbühne geprägt. Mit pathetischen Gesten und überzogener Mimik entstanden Dramen und Komödien der Weltliteratur auf Zelluloid. Texteinblendungen und live eingespielte Musik vermittelten Handlung und Atmosphäre des Geschehens. Der Reiz am neuen Medium kam richtig in Fahrt, als Actionstreifen, exotische Monumentalwerke und sogenannte »Aufklärungsfilme« den Kintopp eroberten.

Die Filmateliers baute man anfangs auf Dachböden, um möglichst viel Sonnenlicht zu gewinnen. Später entstanden regelrechte Glashäuser. Technische Neuerungen in der Kamera- und Lichttechnik machten die kreativen Filmpioniere Stück für Stück flexibler für Außendreharbeiten an Originaldrehorten. Das beflügelte auch in Mecklenburg den Traum von einer Filmmetropole.

Die Landesregierung in Schwerin war schon 1920 so überzeugt vom neuen Medium, dass sie Millionen in eine staatliche Produktionsgesellschaft namens OFFAK investierte, weil man sich satte Gewinne für den Kulturhaushalt versprach. Leider floppte der Plan – die mehr oder minder anspruchsvollen Streifen zur Unterhaltung des Publikums brachten nur Verluste. Im landwirtschaftlich geprägten Mecklenburg und Pommern blieb es bei Ausnahmeerfolgen mit Themen des Landlebens oder mit Seefahrer- und Urlaubsgeschichten.

An die fruchtbare Zeit des Stummfilms der 20er-Jahren erinnern deutsche Klassiker wie DAS CABINET DES DR. CALIGARI (1920), DER LETZTE MANN (1924), METROPOLIS (1926) oder der in Wismar gedrehte Film NOSFERATU – EINE SYMPHONIE DES GRAUENS (1922).

Als nach 1929 der Tonfilm auf den Markt kam, war die Filmindustrie in Deutschland personell und technisch auf höchstem Niveau und Hollywood ebenbürtig. Ihr gelangen Welterfolge wie DER BLAUE ENGEL (1930), mit dem Marlene Dietrich zum Star wurde, oder DIE DREI VON DER TANKSTELLE (1930), mit dem der Schlager »Ein Freund, ein guter Freund« zum Ohrwurm geriet. Der auf der Greifswalder Oie gedrehte Film F.P. 1 ANTWORTET NICHT (1932) mit Hans Albers entstand für den internationalen Markt in drei Sprachversionen.

Mit dem Beginn der nationalsozialistischen Zwangsherrschaft änderte sich auch im Film vieles. Ab 1933 unterstand das gesamte deutsche Filmwesen dem Reichspropagandaministerium mit Joseph Goebbels an der Spitze, der sich zum »Schirmherrn des deutschen Films« ernannte. Das gesamte gesellschaftliche Leben wurde »gleichgeschaltet«, jeglicher Meinungspluralismus abgeschafft.

Entsprechend der NS-Doktrin erhielten jüdische Filmschaffende keine Arbeitserlaubnis mehr. Erstklassige Künstler wurden in die Emigration getrieben, eingesperrt oder umgebracht. Zweitrangige nahmen deren Positionen ein. Der deutsche Film verflachte künstlerisch. Goebbels legte Wert auf Unterhaltungsfilme, deren Ablenkungsfunktion er besonders nach Kriegsbeginn 1939 eine besondere Bedeutung beimaß. Die wenigen verbliebenen Filmproduktionsgesellschaften, darunter die Ufa als größtes Unternehmen, wurden 1942 verstaatlicht. Politische Filme mit propagandistischer Absicht entstanden – wie JUD SÜSS (1940), der den Genozid an der jüdischen Bevölkerung unterstützen sollte.

Goebbels wünschte sich einen international konkurrenzfähigen Film, deshalb trieb er die Produktion von Farbfilmen voran. Der letzte der Ufa-Farbfilme war das an der pommerschen Ostseeküste gedrehte »Durchhalteprojekt« KOLBERG, das noch Anfang 1945 Premiere hatte, als bereits deutsche Städte am Rhein von der Nazi-Herrschaft befreit waren.

Alle politisch belasteten Filme des »Dritten Reichs« wurden von den Alliierten verboten, ein Verbot, das bis heute gilt. Hingegen konnten Unterhaltungsfilme aus dieser Zeit weiterhin gezeigt werden – auch etliche in der NS-Zeit begonnene Filme wurden nach dem Krieg in Ost und West fertiggestellt und erzielten teilweise Kassenerfolge.

Mit dem Kriegsende begann unter der sowjetischen Besatzungsmacht ein neues Kapitel für Mecklenburg-Vorpommerns Filmgeschichte. Kurzzeitig gab es den Plan, die durch die Nazi-Vergangenheit belasteten ehemaligen UFA-Filmstudios in Babelsberg zu schließen und die vorhandenen Flugzeughallen der Heinkel-Werke in Rostock zu einem großen Filmatelier aufzubauen. Doch man entschied anders. Im November 1945 trat in Berlin ein Filmaktiv unter Vorsitz des Schauspielers Hans Klering zusammen – darunter verschiedene Autoren und Regisseure wie Hans Fallada, Gerhard Lamprecht, Boleslaw Barlog und Kurt Maetzig –, um den Neuanfang des deutschen Films zu beraten. Gemeinsames Ziel der Gruppe und der russischen Kulturpolitik war das Vermitteln der neuen Ideen durch begeisternde Filme und die Herstellung einer informativen Wochenschau zur politischen Aufklärung der Menschen. Die gesamte Filmproduktion sollte in die Hände des Staates übergehen. Diese Aufgabe wurde einer deutsch-sowjetischen Aktiengesellschaft übertragen, die den Namen Deutsche Film A.G. (DEFA) bekam.

Die feierliche Lizenzübergabe an das Leitungsgremium der DEFA, zu dem auch sowjetische Mitglieder zählten, erfolgte am 17. Mai 1946 durch Oberst Tulpanow a im Berliner Admiralspalast. Der erste DEFA-Film war zugleich der erste deutsche Nachkriegsfilm überhaupt – und er wurde ein Welterfolg: Wolfgang Staudtes DIE MÖRDER SIND UNTER UNS mit Hildegard Knef in der Hauptrolle. Er gab den Auftakt für rund 800 Spielfilme, die bis 1993 bei der DEFA entstanden.

Mit dem Ende der DDR am 2. Oktober 1990 gerieten die volkseigenen DEFA-Betriebe wie alle anderen staatlichen Betriebe unter Verwaltung der Treuhandanstalt. Mehrere Jahre lang lief ein komplizierter Prozess, bis alle DEFA-Unternehmen verkauft waren. Auf dem ehemaligen Hauptgelände des Spielfilmstudios firmiert heute das »Studio Babelsberg«, während die DEFA-Stiftung in Berlin die Rechte an allen Filmen vertritt.

Die DEFA drehte gern im Norden der Republik, in den damaligen Bezirken Rostock, Schwerin und Neubrandenburg. Nahezu alle bis heute verehrten DDR-Film- und Fernsehstars standen hier vor der Kamera. Die DEFA-Filme haben für die Generation ehemaliger DDR-Bürger, die mit diesen Filmen aufwuchsen, meist eine besondere Bedeutung bekommen. Streifen wie HEISSER SOMMER, EIN IRRER DUFT VON FRISCHEM HEU oder DIE HEIDEN VON KUMMEROW, aber auch TV-Serien wie ZUR SEE erinnern an die eigene Geschichte, die Zeit der Jugend und an Urlaubs- oder Freizeiterlebnisse in Mecklenburg-Vorpommern.

Am Filmset von »Freies Land«

Heute ist die Region eines der beliebtesten Urlaubsziele in Deutschland. In den zurückliegenden 25 Jahren entstanden moderne touristische Infrastrukturen, saisonunabhängige Freizeitmöglichkeiten und ein vielfältiges kulturelles Veranstaltungsangebot. Filme laufen hier wie anderswo vor allem in den großen städtischen Kino-Multiplexen und in einigen Arthouse-Kinos, aber auch auf zahlreichen Filmfestivals, die in diesem Buch vorgestellt werden.

Dreharbeiten zu »Die Reise nach Sundevit«

Besondere Filmerlebnisse bieten jedoch die überall im Flächenland verteilten Kinovorführungen an mehr als 50 ungewöhnlichen Spielstätten wie Gemeindezentren, Gutshäusern, Scheunen und sogar Kirchen. Dafür sorgt ein bundesweit einzigartiger »Abspielring«, der vom Landesverband für Filmkommunikation e.V. in Güstrow betrieben wird. Anspruchsvolle deutsche und europäische Produktionen finden durch seine ehrenamtliche Netzwerkarbeit den Weg in kleine Dörfer zu einem cineastisch interessierten Publikum.

Das Filmland Mecklenburg-Vorpommern überrascht mit seinen Drehorten, seinen Filmfestivals und seinen ungewöhnlichen Abspielstätten. Es wartet darauf, durch den aufkommenden Film- und Locationtourismus ganz neu entdeckt zu werden. (mv/fbh)

Filmplakat zu »Wir können auch anders …«

LANDKREIS NORDWESTMECKLENBURG

Hansestadt Wismar

Die ehrwürdige Hansestadt Wismar an der Ostsee, gelegen an der Mecklenburger Bucht, ist seit Jahrhunderten geprägt von Seefahrt und Fischfang. Der historische Altstadtkern rund um den Marktplatz mit seinen sorgsam restaurierten Bürgerhäusern, mit dem Hafen und den imposanten Kirchen St. Georgen, St. Nikolaiund dem Turm von St. Marien wurde im Jahr 2002 zum UNESCO-Welterbe erklärt. Diese einmalige Kulisse ist ein touristisches Highlight und bietet auch für Filme reizvolle Motive.

NOSFERATU – EINE SYMPHONIE DES GRAUENS Spielfilm, D 1921

Friedrich Wilhelm Murnau drehte den Stummfilmklassiker bereits 1921 in Wismar, Lübeck, Rostock und auf Sylt. Inspiriert von Bram Stokers Roman »Dracula« schuf Murnau hier einen der ersten Horror-Filme. Er ließ den Grafen Orlok, einen Vampir aus den Karpaten, per Schiff in Wismar anlanden und gab ihm alle Eigenschaften, die bis heute zum Vampir-Mythos zählen. So brachte Orlok seinen Sarg mit und schleppte ihn durch das Stadttor am Wismarer Hafen – das Wassertor. Eine Schautafel erinnert dort an diese Szene. Weitere Drehorte waren der Innenhof der Heiligen-Geist-Kirche und die Nikolaikirche, vor der das fliehende Opfer zu sehen ist. Die Titelrolle spielte der Münchner Theaterschauspieler Max Schreck, der unbekannt war, aber eine hagere kahlköpfige Gestalt mit langen Fingern besaß.

Murnau wählte Wismar als Kulisse für den Handlungsort Wisborg, weil es hier viel ruhiger zuging als in den Häfen von Hamburg, Bremen oder Lübeck, wo »echte« Schiffe die Kameraeinstellungen leicht hätten stören können. Dazu gab es genügend dunkle Gassen und von Feuchtigkeit zerfressene Häuser, die im Film dann mystisch leuchteten. Kulissenbauten konnten demnach eingespart werden, die Requisiteure sollen aber Massen von Ratten aufgekauft haben, die in einer Szene wie die dunkle Pest vom Schiff in die Stadt strömen. Die große Zahl der Außenaufnahmen war für die damalige Zeit außergewöhnlich. Alles erschien naturalistischer als der überhöhte Stil von expressionistischen Werken wie DAS CABINET DES DR. CALIGARI.

Schautafel am Wismarer Wassertor

Szene aus »Nosferatu« am Wassertor in Wismar (oben) und heutige Situation am Drehort

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!