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Mitten in Kates Lieblingskaffeerösterei fällt eine ältere Dame bewusstlos vom Stuhl. Professor Omar Amri, forensischer Pathologe, ist mit Kate zufällig vor Ort und leistet Erste Hilfe. Was wie ein Herzanfall aus-sieht, wird von Omar schnell am typischen Bitter-mandelgeruch als Zyankalivergiftung identifiziert. Leider kann er der Frau nicht mehr helfen, sie stirbt noch vor Ort. Aber wie kam sie zu dem Gift? Schnell wird klar, das Stück Stollen, das zum Kaffee serviert wurde, war damit präpariert. Als es weitere Vergiftungsfälle und sogar einen weiteren Todesfall gibt, ermittelt fieberhaft die Polizei. Geht hier jemand so weit, den potenziellen Kandidaten für den begehrten "Stollenoscar" auf diese Weise aus dem Rennen zu drängen? Nicht nur Hauptkommissar Mike Köhler ermittelt, auch Kate Schulz, allerdings in eine ganz andere Richtung.
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Seitenzahl: 164
Veröffentlichungsjahr: 2021
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Mitten in Kates Lieblingskaffeerösterei fällt eine ältere Dame bewusstlos vom Stuhl. Professor Omar Amri, forensischer Pathologe, ist mit Kate zufällig vor Ort und leistet erste Hilfe. Was wie ein Herzanfall aussieht, wird von Omar schnell am typischen Bittermandelgeruch als Zyankalivergiftung identifiziert. Leider kann er der Frau nicht mehr helfen, sie stirbt noch vor Ort. Aber wie kam sie zu dem Gift? Schnell wird klar, das Stück Stollen, das zum Kaffee serviert wurde, war damit präpariert.
Als es weitere Vergiftungsfälle und sogar einen weiteren Todesfall gibt, ermittelt fieberhaft die Polizei. Geht hier jemand so weit, den potenziellen Kandidaten für den begehrten “Stollenoscar” auf diese Weise aus dem Rennen zu drängen? Nicht nur Hauptkommissar Mike Köhler ermittelt, auch Kate Schulz, allerdings in eine ganz andere Richtung.
Kapitel 1
Kapitel 2
Kapitel 3
Kapitel 4
Kapitel 5
Kapitel 6
Kapitel 7
Kapitel 8
Kapitel 9
Kapitel 10
Kapitel 11
Nachwort
Zur Autorin
Leseprobe
„Alles in allem geht es doch vorwärts“, sagte Kate und sah sich auf der Noch- Baustelle um. Nachdem der Entschluss für sie gefallen war, ihr Büro von Schulz-Security im Wilkehaus aufzugeben und etwas Eigenes zu erwerben, hatte sie, durch die Vermittlung von Daniel und Omar, die ehemalige chirurgische Praxis von Doktor Ferdinand erwerben können. Dieser hatte nicht, wie erhofft, einen Nachfolger gefunden. Obwohl er sich schwergetan hatte, sich von den für einen Arzt perfekt eingerichteten Räumen zu trennen, hatte er bei Kate sofort ein gutes Gefühl gehabt und an sie verkauft.
Für zwei Monate war es hier eine Baustelle gewesen und nun waren nur noch die Maler am Werke. Danach konnte der Umzug stattfinden und Kates Deadline, in den ersten Januarwochen des kommenden Jahres alles über die Bühne zu bringen, kam in greifbare Nähe.
Omar Amri ging gerade im größten Raum, der bereits fertig war, auf und ab. „Das soll wohl euer Beratungsraum werden?“, fragte er und sah auf den Grundriss, den Kate auf den Fußboden gelegt hatte. Sie nickte. „Ja, das war mal das Wartezimmer. Einige Türen habe ich zumauern lassen, sodass wir den Beratungsraum nur vom Flur beziehungsweise der Rezeption erreichen können. Mein Büro und das von Chris geht nach vorn raus, zwei weitere Büros nach hinten. Dort wird auch das von Jasmin sein, wenn sie wieder einsteigt.“
Omar sah mit hochgezogenen Brauen auf sie herab. Jasmin Weidner-Amri stand kurz vor der Geburt von Zwillingen und wäre es nach Omar gegangen, würde sie nicht nur, wie geplant, drei Jahre zu Hause bleiben, sondern für immer. Zumindest, bis die beiden Kleinen das Erwachsenenalter erreicht hätten, wie Jasmin es immer lachend kommentierte.
„Wenigstens halbtags“, ergänzte Kate und Omar holte tief Luft, sagte aber nichts. „Habt ihr endlich jemand für den Empfang?“, wechselte er das Thema. „Immer noch nicht. Alle bisherigen Bewerbungen haben einfach nicht gepasst. Derzeit hilft Abby aus, sie hat Semesterferien. Mal schauen, vielleicht im neuen Jahr.“ Sie zuckte mit den Schultern.
Es war wirklich ärgerlich, niemand entsprechenden für ihr Büro zu finden. Früher hatte Annalena „Abby“ Heimat, die Tochter ihrer ehemaligen Schulfreundin diesen Job gemacht, war dann aber, mit Omars Zutun, der die Fähigkeiten der jungen Frau erkannt hatte, zum Psychologiestudium gegangen und stand jetzt nur in den Semesterferien zur Verfügung. Nach einer, wie Kate es sich eingestand, personellen Pleite, hatte Abby ihr Romy Sommer, eine sehr fähige junge Frau, vermittelt.
Zum Entsetzen aller war sie nach kurzer Zeit das Opfer des Serientäters, den alle den neuen Würger von Plauen nannten, geworden.
Chris Töpfer, Romys Nachfolger, war als Student der Betriebswirtschaft eindeutig für diese Funktion überqualifiziert und Kate hatte ihn zu ihrem Stellvertreter ernannt, eine Entscheidung, die sie gemeinsam mit Jasmin getroffen hatte, nachdem klar war, dass diese nach ihrer Zwillingsschwangerschaft nicht so schnell zurück ins Berufsleben kommen würde. Daher hatte Chris jetzt inzwischen beide Positionen inne, kurzfristig jetzt unterstützt von Abby, aber langfristig war es keine Lösung.
„Ich höre mich mal um“, versprach Omar und trat ans Fenster.
„Irgendwie wird es gar nicht richtig hell“, murmelte er und Kate rollte den Grundriss zusammen, um ihn auf das Fensterbrett zu legen.
Sie legte Omar die Hand auf die Schulter. „Lass uns bei Daniel einen Kaffee trinken“, sagte sie und er nickte.
„Das ist ja heute ein Betrieb“, sagte Omar, als er mit Kate kurz darauf die Kaffeerösterei betrat. Daniel, der Besitzer, sah kurz zu ihnen hin, während er bereits neue Tassen unter die Kaffeemaschine schob.
Mit dem Daumen deutete er auf einen freien Tisch, auf dem ein BESETZT Schild stand. Alle anderen Sitz- und Stehplätze waren besetzt und Kunden stan-den, dick in Mäntel und Schals eingehüllt, vor dem Kaffeeregal, um ihre Advents- und Weihnachtsvorräte aufzufüllen. Es dauerte keine fünf Minuten, als vor Kates Nase ein Cappuccino und vor Omar eine Kanne Kaffee stand. Daniel stellte die holzeingefasste Eieruhr neben Omars Kaffeekanne und der nickte. Dann sah Daniel Kate an. „Wollt ihr was essen?” Diese grinste. „Was fragst du mich? Ihn musst du fragen“, sagte sie und zeigte auf Omar.
Der lachte. „Na, was empfiehlst du uns denn?“
„Eben kam Stollen aus der Konditorei Flott, der neue Marzipanstollen soll ja ganz große Klasse sein“, sagte er mit einem Augenzwinkern.
„Also gut, wenn du ihn schon so anpreist, dann her damit.” Omar sah Kate an, die nickte. „Ich habe auch schon drei Stollen bei ihm bestellt. Zwei davon schicke ich nach Israel zu meiner Tante. Weißt du, dass Heiko Flott für den diesjährigen Stollenoscar vorgesehen ist?”
Daniel stellte ihnen gerade zwei Stücken hin und hatte die letzten Worte gehört. „Ja, und das ist schon was für einen absoluten Newcomer. Er hat seine Konditorei erst seit zwei Jahren.“
Omar nickte anerkennend und besah sich das Gebäckstück. „Dann sind wir faktisch deine Erstverkoster?“, sagte er und Daniel schüttelte den Kopf.
„Nein, die Dame war eher.“
Er deutete auf den Nachbartisch wo eine alte Dame um die achtzig, gemeinsam mit einer ungefähr gleichaltrigen Frau, gerade von ihrem Stollenstück abgebissen hatte und wohlwollend nickte.
„Schmeckt er, Frau Habicht?“
Die Frau wandte sich etwas um. „Wunderbar. Er passt auch gut zu dem Kaffee, er...“
Der Rest des Satzes ging in einem Hustenanfall unter, dann griff sich die Frau an die Brust und röchelte. „Maria“, rief ihre Begleiterin erschrocken, aber da war Omar schon aufgesprungen.
Die alte Dame glitt vom Stuhl und schlug auf dem Fußboden auf. „Ihr Herz“, schrie die Begleiterin, als Omar sich neben sie kniete und ihren Kopf nach hinten streckte.
Kate war ebenfalls aufgesprungen und stand neben ihm. „Er ist Arzt“, sagte sie laut genug, dass alle es verstehen konnten. Dann nahm sie ihr IPhone und rief die Rettungsleitstelle an. Omar hatte mit Herzdruckmassage begonnen und hielt plötzlich inne.
Er beugte sich ganz nahe an ihren Mund, ging zurück, dann noch einmal, hob den Kopf und rief in den Raum: „Hören sie alle sofort auf zu essen und zu trinken.“
Die Anwesenden, einschließlich Daniel, starrten ihn an. Sein Blick schwenkte zu Kate. „Ruf Mike an.“ Diese nickte nur und er ergänzte: „Der typische Bit-termandelgeruch, es ist eine Cyanidvergiftung.“
Er setzte die Herzdruckmassage fort, obwohl um ihn herum die Panik ausbrach.
„Was? Vergiftet?“, rief eine junge Frau hysterisch und stieß gegen ihre Kaffeetasse, dass diese auf dem Boden zerschellte.
„Bleiben sie ruhig“, herrschte Kate sie an und stellte sich an die Tür. „Bitte bleiben sie alle an ihren Plätzen. Niemand verlässt den Raum.“
Draußen ertönte bereits das Martinshorn des nahenden Rettungswagens. Kate trat nur zur Seite, um die Rettungssanitäter einzulassen, denen ein Notarzt folgte. Dann sah sie zu Daniel. „Schließ zu“, sagte sie und dieser ergriff leicht zitternd den Schlüsselbund und kam wortlos ihrer Aufforderung nach.
„Das dürfen sie nicht, das ist Freiheitsberaubung“, ging die junge Frau in der farbig gestreiften Bommelmütze Kate an und begann, an der Tür zu rütteln.
Ein junger. kräftiger Mann griff nach ihrer Hand und zog sie vom Türgriff. „Jetzt ist aber gut.“
Seine tiefe Stimme dröhnte in dem Raum, aber erfüllte seinen Zweck, die Frau trat an ihren Tisch zurück, während Daniel mit Schaufel und Besen begann, die Reste zusammenzukehren.
„Nichts wegwerfen“, raunte Kate ihm zu und er nickte.
Mike saß auf einem der Stühle und sah, wie ein uni-formierter Beamter gerade die Personalien eines der Kunden der Kaffeerösterei aufnahm und dann seinem Kollegen zunickte, ihn hinauszulassen.
„Das war der Letzte, Herr Hauptkommissar“, sagte der junge Beamte, an ihn gewandt und Mike nickte. Dann sah er zu Omar, der noch ein paar Worte mit dem Notarzt sprach. Aus dem Augenwinkel sah er, dass sich draußen vor dem Schaufenster einige Neu-gierige versammelt hatten, in der Hoffnung, vielleicht einen Blick auf den Ort des Geschehens werfen zu können. Er gab den Beamten ein Zeichen, die umgehend nach draußen gingen, um die Ansammlung aufzulösen.
Daniel, der mit blassem Gesicht der Spurensicherung zusah, stieß langsam die Luft aus. „Wenn jetzt noch das Bestattungsunternehmen kommt“, murmelte er, aber Kate hatte ihn gehört.
„Keine Angst, Omar hat Anweisung gegeben, dass sie von hinten heranfahren“, sagte sie und klopfte dem Besitzer der Kaffeerösterei aufmunternd auf die Schulter.
Karsten Windisch, der Leiter der Spurensicherung drängte sich an ihnen vorbei. „Also“, sagte er. „Wir haben jetzt von allen Kaffees Proben genommen, aber nur sicherheitshalber. Da du die gleiche Röstung für den Cappuccino für die Tote als auch für Kate und noch sechs andere verwendet hast, müssten sie auch Symptome haben. Haben sie aber nicht. Omar ist überzeugt, dass es am Stollen lag.“
Daniel nickte. „Am Ende ist es auch egal. Frau Habicht ist tot, so eine nette alte Dame. Sie war regelmäßig mit ihrer Freundin hier.“
Er deutete auf die alte Dame, die, weit weg von der abgedeckten Leiche ihrer Freundin, auf einem Stuhl zusammengekauert saß und von einer Notfallseelsorgerin betreut wurde. Diese sah jetzt zu Mike hinüber, der nickte. Dann nahm sie Frau Krawelke am Arm, half ihr in den Mantel und führte sie durch die Hintertür hinaus. Damit war vermieden, dass sie nochmals am Leichnam ihrer Freundin vorbeimusste. Inzwischen hatte auch der Notarzt den Tatort verlassen. Omar setzte sich neben Mike auf einen Stuhl, der bedenklich quietschte unter dem Gewicht des Rechtsmediziners. „Also, der Bittermandelgeruch ging eindeutig von dem Stollen aus.” Er deutete auf Karsten Windisch. „Wieviel er Cyanid enthielt, das wird erst nach der Analyse feststehen.“
Mike sah zu dem abgedeckten Körper hin. „Jedenfalls genug, um die alte Dame umzubringen.“
Omar wog den Kopf hin und her. „Tja, da bin ich mir nicht sicher. Irgendwie ging mir die Sache zu schnell. Typisch wären Krämpfe gewesen, Erbrechen, aber davon hatte sie nichts. Wenn die Dosis so hoch gewesen wäre, müsste auch mir übel sein, denn ich habe mich sehr zu ihr nieder gebeugt, aber auch da ist nichts.“
Mike sah ihn stirnrunzelnd an. „Willst du damit andeuten, es könnte ein natürlicher Tod gewesen sein?“ Omar schüttelte den Kopf. „Nein, denn der Bittermandelgeruch war da, in Frau Habichts Atemluft genauso wie am Stollenstück. Aber ihre Freundin hat spontan ausgerufen, es ist ihr Herz.“
Er erhob sich und griff zu seinem Mantel. „Nach der Autopsie weiß ich mehr.” Er zögerte einen Augenblick und sah Mike an. „Es könnte sein das Kerstin übernimmt.“
Mike starrte ihn an. „Was?“, fragte er, denn das Omar so einen Fall seiner Assistentin überließ war schon ungewöhnlich. Dieser drehte die Augen nach oben. „Bei Jasmin kann es jeden Augenblick so weit sein. Sie sollte schon gestern sicherheitshalber in die Klinik, aber nein, sie lässt sich sogar von meiner Schwester mit dem Auto herumkutschieren und das auch nur, weil sie mit ihrem Bauch nun endgültig nicht mehr hinter das Lenkrad passt.“
Er schüttelte so bekümmert den Kopf, das Mike grinsen musste. „Ja, ja, so sind sie, die Frauen, immer ihren eigenen Kopf“, warf Kate ein, die Omars letzte Worte gehört hatte. Der warf ihr nur einen gespielt bösen Blick zu und ging nach draußen. Im Gehen wechselte er noch einige Worte mit Karsten.
„Kerstin Nagler ist inzwischen ziemlich versiert, ich würde mir an deiner Stelle keine Gedanken machen“, sagte Kate, als der Pathologe die Tür der Kaffeerösterei hinter sich geschlossen hatte. „Nun ja“, sagte Mike gedehnt. „Ich sage mal so, Jasmin könnte noch warten, bis die Autopsie vorbei ist.“ Kate schüttelte lächelnd den Kopf und ging wieder zu Daniel, der noch immer sichtlich unter Schock stand.
Als Kate ihr Büro im Wilkehaus betrat, hörte sie eine Stimme, die ihr nur allzu vertraut war.
„Jasmin?“, fragte sie erstaunt, als diese in ihrem ehe-maligen Büro saß und sich scheinbar bisher mit Chris unterhalten hatte. Dieser erhob sich bei Kates Eintritt und strich sich über das Gesicht. Es sah aus, als ob er geweint hätte.
„Ich lasse euch dann mal allein“, sagte er mit fester Stimme, lächelte Kate zu und zog die Tür hinter sich ins Schloss. Jasmin Weidner-Amri erhob sich schwerfällig aus dem Schreibtischstuhl, in dem sie gesessen hatte und plötzlich konnte Kate Omars Bedenken verstehen. Irgendwie sah der Bauch von Jasmin aus wie ein Ballon, der jeden Augenblick zu platzen drohte.
„Jetzt guckst du auch noch so“, sagte diese vorwurfsvoll und Kate schüttelte den Kopf. „Wie gucke ich denn?“
„Na, in einer Mischung zwischen vorwurfsvoll und beängstigt.“ Sie grinste und lehnte sich gegen die Wand. „Wenn ich zu lange sitze, tut der Rücken weh, wenn ich zu lange stehe, auch.“ Sie winkte ab.
„Und was machst du hier? Denkst du, ohne dich geht alles den Bach runter?“, fragte Kate betont flapsig, was ihr ein hochziehen der sorgfältig gezupften Augenbrauen ihres Gegenübers einbrachte.
„Ich wollte mich einfach ungestört mit Chris unterhalten, das ist alles.“
Kate sah sie erstaunt an. „Was ist mit ihm? Wenn er eine Frage hat, die könnte ich ihm doch auch...“ Sie hielt inne, weil Jasmin den Kopf schüttelte. Langsam schob sich diese von der Wand ab und ging auf Kate zu. Lächelnd sah sie sie an. „Kate, du bist eine tolle Chefin, fair, großzügig, sehr sozial. Du hast keine Vorurteile. Aber wenn es um manche zwischenmenschlichen Beziehungen geht...“ Sie brach ab, als wisse sie nicht, wie sie weitersprechen sollte. Dann machte sie eine Bewegung mit der Hand durch die Luft. „Jedenfalls, Chris Partner hat ihn verlassen, ist von heute auf morgen ausgezogen, zu einem anderen Kerl. Er ist am Boden zerstört.“
Kate atmete tief ein. „Das habe ich nicht gewusst“, murmelte sie leise.
Jasmin wog den Kopf hin und her. „Deswegen hat Chris mich ja angerufen. Er brauchte einfach mal jemand zum Reden.“
Kate ging langsam im Zimmer auf und ab. Schließlich blieb sie stehen und sah Jasmin an. „Dann bin ich wohl so eine Art emotionale Baustelle?“, fragte sie, was dieser ein Grinsen entlockte.
„So würde ich es nicht sagen, aber manchmal fehlt dir einfach das Gespür für solche Dinge. Aber macht nix, dafür hast du ja mich, ich gebe gern die Kummertante.“
Kate schüttelte langsam den Kopf. Ihr wurde bewusst, dass Jasmin nicht ganz unrecht hatte. Es hatte schon mehrere Situationen gegeben, bei denen die Mitarbeiter zu Jasmin statt zu ihr gekommen waren, wenn es um genau solche zwischenmenschlichen Dinge ging.
Jasmin nahm sie am Arm. „He, du bist ein toller Mensch und die beste Freundin, die ich je hatte“, sagte sie leise und Kate spürte, dass es ihr ernst damit war. „Weißt du was?“, fuhr Jasmin fort. „Ich habe einen bärischen Appetit auf Kaffee und etwas Leckeres dazu.“ Sie schien das Thema wechseln zu wollen, was Kate nur recht war.
„Daniel hat noch geschlossen“, sagte sie.
Jasmin zuckte die Schultern. „Gehen wir zu Müllers?”
Als sie im Flur ankamen, saß Chris hinter dem Tresen und lächelte ihnen zu.
Kate blieb stehen. „Das mit deinem Freund tut mir leid“, sagte sie leise und kam sich dabei irgendwie seltsam vor. Warum fand sie nicht einmal jetzt die richtigen Worte? Etwas, was weniger förmlich klang. Chris schien es nicht so zu empfinden und wenn doch, ließ er es sich nicht anmerken.
„Danke, Kate“, sagte er nur und strahlte Jasmin an. „Ich hoffe für dich, die beiden Racker sehen endlich ein, dass es Zeit ist, mal was anderes zu sehen als deinen Bauch von innen.“
Diese griff über den Tresen und drückte Chris Hand. „Danke, du wirst es erfahren, und zwar zeitnah, das verspreche ich dir.“
Kate hatte Glück und bekam einen gerade freiwerdenden Parkplatz genau vor dem Kaffeehaus Müller. „Das nenne ich doch Service“, sagte Jasmin, nachdem sie sich mit einem langen Stöhnen aus dem Auto gedreht hatte. „Dafür gibt es auch keine Haltungsnoten“, scherzte sie und folgte Kate über die Straße. Kaum hatten sie das Café betreten, murmelte Kate: „Oh, oh, Code Red auf drei Uhr.“
Jasmins Kopf schnellte herum, aber Omar hatte sie bereits entdeckt. „Zu spät“, murmelte sie verschwörerisch zurück und setzte das strahlendste Lächeln auf, zu dem sie fähig war. „Na da haben wir doch alles richtig gemacht“, sagte sie laut und steuerte auf den Tisch am Ende des Cafés zu, an dem neben Omar auch Mike saß, der reichlich verdutzt von seinem Kaffee aufsah.
Omar sah sie an, als sei sie soeben aus einer geschlossenen Psychiatrie entflohen.
„Was machst denn du hier?“, brachte er mühsam hervor und sah über sie hinweg in Richtung Tür. „Wo ist Aishe?”
Jasmin legte ihre Tasche ab und pellte sich umständlich aus ihrem langen Mantel. „Ich habe deine Schwester nach Hause geschickt. Sie hat mit Sicherheit etwas Besseres zu tun als mich den ganzen Tag Babyzusitten.“
Sie winkte Kate heran, die sich inzwischen am Kuchenbüfett informiert hatte. Jasmin vermutete aber eher, es war eine reine Finte gewesen, um einem möglichen Ehekrach zwischen Jasmin und Omar aus dem Weg zu gehen.
Diese näherte sich und gab Mike einen Kuss auf die Wange, bevor sie auch Omar umarmte.
„Ich wollte mit deiner Frau eine schöne Tasse Kaffee trinken“, sagte sie leicht hin und nahm Platz.
„Hm“, knurrte Omar nur, fuhr aber nicht fort in seiner Standpauke, die er jetzt zweifellos auch auf Kate ausgedehnt hätte, weil Rico Wagner, der Chef des Kaffeehauses, sich ihrem Tisch näherte.
„Du wolltest mich sprechen?“, fragte er Omar, dann begrüßte er Kate und Jasmin. Omar schob sein angegessenes Tortenstück in Jasmins Richtung, die sich sofort darüber hermachte.
„Sag mal“, fragte Omar den Konditormeister. „Wo würdest du im Stollen Cyanid, also das was man landläufig als Zyankali bezeichnet, unterbringen?” Rico Wagner starrte ihn sprachlos an, dann schüttelte er langsam den Kopf und sah zu Mike. „Ist das ein Witz?“, fragte er, aber der zuckte die Schultern.
„Ich fürchte, er meint es ernst.“
Der Konditormeister runzelte die Stirn. „Ihr meint den Fall vorn bei Daniel? Ist es denn erwiesen, dass es der Stollen vom Heiko Flott war?“
Er sah von Omar zu Mike. Dieser nickte. Es hatte keinen Zweck, die Tatsachen zu verschweigen, die bereits in den sozialen Netzwerken diskutiert wurden. „Oh je.“ Der Chef des Kaffeehauses nahm neben Mike Platz und schaute diesen betroffen an. „Wer bitte macht denn so etwas?“
Mike zuckte leicht die Schultern. „Wir sind damit erst am Anfang. Herr Flott ist ja für den Stollen-Oscar vorgesehen?“
Rico Wagner nickte, dann runzelte er die Stirn. „Ihr denkt doch nicht...? Nein, also von uns war das sicher keiner. Einen Mitbewerber so auszuschalten, niemals.“ Er sagte das so vehement, als spreche er für alle Plauener Bäcker.
Omar, dessen Kaffee inzwischen ebenfalls wie seine Torte von Jasmin vertilgt worden war, klopfte leicht auf den Tisch, um die Aufmerksamkeit des Kaffeehausbesitzers wieder auf sich zu lenken.
„Also, wie würdest du das Zyankali in deinen Stollen mischen?“, wiederholte er seine Frage.
Rico Wagner sah ihn etwas genervt an. „Ich pflege meine Kunden nicht zu vergiften.“
„Rein hypothetisch“, wandte jetzt Kate ein.
Der junge Mann lehnte sich zurück, gab der Bedienung ein kurzes Zeichen und orderte neuen Kaffee. Dann sah er zu Omar hin. „Also, da es ja nicht geschmacksneutral ist, würde ich es unter die Rosinen in Rum mischen und dann verbacken.“