Strafrecht Besonderer Teil -  - E-Book

Strafrecht Besonderer Teil E-Book

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  • Herausgeber: UTB
  • Kategorie: Fachliteratur
  • Sprache: Deutsch
  • Veröffentlichungsjahr: 2015
Beschreibung

Das Lehrbuch zum Besonderen Teil des Strafrechts vermittelt prüfungsrelevante Grundlagen in verständlicher Sprache und mit einer klaren Struktur. Die Darstellung konzentriert sich auf die Vermittlung eines grundlegenden Verständnisses, indem systematische Bezüge - vor allem zum Allgemeinen Teil - in den Mittelpunkt gerückt werden. Im Text wird überwiegend auf gut zugängliche Ausbildungsliteratur verwiesen. Zu den einzelnen Themenbereichen (Deliktsgruppen) werden einprägsame Leitentscheidungen aus der höchstrichterlichen Rechtsprechung dargestellt. Tabellen, Schaubilder und Schemata verdeutlichen die rechtlichen Grundstrukturen. Das Lehrbuch zum Besonderen Teil des Strafrechts vermittelt dessen prüfungsrelevante Grundlagen. Es ist durchgängig an den Bedürfnissen der Juristenausbildung ausgerichtet.

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Klaus Hoffmann-Holland

Strafrecht Besonderer Teil

3., erweiterte, überarbeitete und aktualisierte Auflage

Mohr Siebeck GmbH & Co. KG

Inhaltsverzeichnis

Vorwort des HerausgebersAbbildungsverzeichnisTabellenverzeichnisAbkürzungsverzeichnis1. Kapitel Delikte gegen höchstpersönliche RechtsgüterI. Delikte gegen das Leben (Johannes Koranyi)1. Einführung2. Totschlag (§§ 212f. StGB)3. Mord (§ 211 StGB)4. Tötung auf Verlangen (§ 216 StGB) und Sterbehilfe5. Fremdtötung und straflose Teilnahme an einer Selbsttötung6. Fahrlässige Tötung (§ 222 StGB)7. Aussetzung (§ 221 StGB)II. Körperverletzungsdelikte (Lea Voigt)1. Einleitung2. (Einfache) Körperverletzung (§ 223 StGB)3. Gefährliche Körperverletzung (§ 224 StGB)4. Erfolgsqualifikationen: Schwere Körperverletzung (§ 226 StGB) und Körperverletzung mit Todesfolge (§ 227 StGB)5. Fahrlässige Körperverletzung (§ 229 StGB)6. Misshandlung Schutzbefohlener (§ 225 StGB)7. Beteiligung an einer Schlägerei (§ 231 StGB)8. Verstümmelung weiblicher Genitalien (§ 226a StGB)9. LeitentscheidungenIII. Delikte gegen die persönliche Freiheit (Lea Voigt)1. Einleitung2. Nötigung (§ 240 StGB)3. Freiheitsberaubung (§ 239 StGB)4. Nachstellung (§ 238 StGB)5. Erpresserischer Menschenraub und Geiselnahme (§§ 239a, 239b StGB)6. Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte (§ 113 StGB)7. LeitentscheidungenIV. Straftaten gegen die Ehre (Max Putzer)1. Einführung2. Üble Nachrede (§ 186 StGB)3. Verleumdung (§ 187 StGB)4. Beleidigung (§ 185 StGB)5. Wahrnehmung berechtigter Interessen (§ 193 StGB)6. LeitentscheidungenV. Delikte gegen den persönlichen Lebens- und Geheimbereich (Joachim Kretschmer)1. Verletzung der Vertraulichkeit des Wortes (§ 201 StGB)2. Verletzung des höchstpersönlichen Lebensbereichs durch Bildaufnahmen (§ 201a StGB)3. Verletzung des Briefgeheimnisses (§ 202 StGB)4. Ausspähen von Daten (§ 202a StGB)5. Verletzung und Verwertung von Privatgeheimnissen (§§ 203, 204 StGB)6. LeitentscheidungenVI. Hausfriedensbruch (Johannes Koranyi)1. Einführung2. Hausfriedensbruch (§ 123 StGB)3. Schwerer Hausfriedensbruch (§ 124 StGB)4. Leitentscheidungen2. Kapitel Delikte gegen die AllgemeinheitI. Urkundendelikte (Johannes Koranyi)1. Einführung2. Urkundenfälschung (§ 267 StGB)3. Urkundenunterdrückung (§ 274 StGB)4. Mittelbare Falschbeurkundung (§ 271 StGB)5. Straftaten im Umfeld der Urkundendelikte6. Exkurs: GeldfälschungsdelikteII. Brandstiftungsdelikte (Johannes Koranyi)1. Einführung2. Brandstiftung (§ 306 StGB)3. Schwere Brandstiftung (§ 306a StGB)4. Besonders schwere Brandstiftung (§ 306b StGB)5. Brandstiftung mit Todesfolge (§ 306c StGB)6. Fahrlässige Brandstiftung (§ 306d StGB)7. Herbeiführen einer Brandgefahr (§ 306f StGB)III. Straßenverkehrsdelikte (Johannes Koranyi)1. Einführung2. Trunkenheit im Verkehr (§ 316 StGB)3. Gefährliche Eingriffe in den Straßenverkehr (§ 315b StGB)4. Gefährdung des Straßenverkehrs (§ 315c StGB)5. Unerlaubtes Entfernen vom Unfallort (§ 142 StGB)6. Fahren ohne Fahrerlaubnis (§ 21 StVG)IV. Sonstige gemeingefährliche Delikte (Johannes Koranyi)1. Einführung2. Vollrausch (§ 323a StGB)3. Unterlassene Hilfeleistung (§ 323c StGB)4. LeitentscheidungenV. Amtsdelikte (Max Putzer)1. Überblick2. Begrifflichkeiten3. Bestechungsdelikte4. Rechtsbeugung (§ 339 StGB)5. Körperverletzung im Amt (§ 340 StGB)VI. Delikte gegen die Rechtspflege (Lea Voigt)1. Einführung2. Aussagedelikte (§§ 153ff. StGB)3. Falsche Verdächtigung (§ 164 StGB)4. Vortäuschen einer Straftat (§ 145d StGB)5. LeitentscheidungenVII. Straftaten gegen die Umwelt (Joachim Kretschmer)1. Überblick2. Verwaltungsrechtliche Akzessorietät3. Verunreinigung eines Gewässers (§ 324 StGB)4. Unerlaubter Umgang mit gefährlichen Abfällen (§ 326 StGB)3. Kapitel VermögensdelikteI. Diebstahl und Unterschlagung (Joachim Kretschmer)1. Einführung2. Diebstahl (§ 242 StGB)3. Besonders schwerer Fall des Diebstahls (§ 243 StGB)4. Diebstahl mit Waffen, Bandendiebstahl, Wohnungseinbruchsdiebstahl (§ 244 StGB) und schwerer Bandendiebstahl (§ 244a StGB)5. Familiendiebstahl (§ 247 StGB)6. Diebstahl und Unterschlagung geringwertiger Sachen (§ 248a StGB)7. Unbefugter Gebrauch eines Fahrzeugs (§ 248b StGB)8. Entziehung elektrischer Energie (§ 248c StGB)9. Unterschlagung (§ 246 StGB)II. Raub und verwandte Delikte (§§ 249–252, 316a StGB) (Joachim Kretschmer)1. Einleitung und Systematik2. Raub (§ 249 StGB)3. Qualifikation nach § 250 StGB4. § 251 StGB5. Konkurrenzen6. Räuberischer Diebstahl (§ 252 StGB)7. § 316a StGB8. LeitentscheidungenIII. Erpressung (§§ 253–255 StGB) (Joachim Kretschmer)1. Systematik und Rechtsgut2. § 255 StGB3. LeitentscheidungenIV. Betrug und verwandte Delikte (Lea Voigt)1. Betrug (§ 263 StGB)2. Computerbetrug (§ 263a StGB)3. Versicherungsmissbrauch (§ 265) und -betrug (insb. § 263 Abs. 3 Nr. 5)4. Erschleichen von Leistungen (§ 265a StGB)5. Weitere Betrugsdelikte: Subventionsbetrug (§ 264 StGB), Kapitalanlagebetrug (§ 264a StGB), Kreditbetrug (§ 265b StGB), Submissionsbetrug (§ 298 StGB)6. LeitentscheidungenV. Untreue (§ 266 StGB) (Johannes Koranyi)1. Einführung2. Missbrauchstatbestand (§ 266 Abs. 1 Var. 1 StGB)3. Treubruchtatbestand (§ 266 Abs. 1 Var. 2 StGB)4. Exkurs: Missbrauch von Scheck- und Kreditkarten (§ 266b StGB)VI. Vollstreckungsvereitelung (§ 288 StGB), Pfandkehr (§ 289 StGB) und Jagdwilderei (§ 292 StGB) (Joachim Kretschmer)1. Vollstreckungsvereitelung (§ 288 StGB)2. Pfandkehr (§ 289 StGB)3. Jagdwilderei (§ 292 StGB)VII. Anschlussdelikte (Joachim Kretschmer)1. Einführung2. Begünstigung (§ 257 StGB)3. Strafvereitelung (§§ 258, 258a StGB)4. Hehlerei (§§ 259–260a StGB)5. Geldwäsche (§ 261 StGB)6. LeitentscheidungenVIII. Sachbeschädigungsdelikte (Lea Voigt)1. Einführung2. Sachbeschädigung (§ 303 StGB)3. Gemeinschädliche Sachbeschädigung (§ 304 StGB)4. Datenveränderung (§ 303a StGB)5. Computersabotage (§ 303b StGB)6. LeitentscheidungenStichwortverzeichnis
[Zum Inhalt]

|V|Vorwort des Herausgebers

Der Besondere Teil des Strafrechts bringt Besonderheiten des Lernens mit sich. Diese Besonderheiten sind allerdings symptomatisch für die Rechtswissenschaft. Zentraler Aspekt ist die enorme Stofffülle. Mit ihr sinnvoll umzugehen ist eine Herausforderung für Studierende und Lehrende. Denn das Ausmaß der Stofffülle birgt die Gefahr, ein grundlegendes Verständnis zu überdecken und notwendige methodische Fertigkeiten zu beeinträchtigen (vgl. Wissenschaftsrat, Perspektiven der Rechtswissenschaft in Deutschland, 2012, S. 57, 61). Für das Lernen selbst, für Prüfungen wie auch für die Praxis, ist ein ausgewogenes Zusammenspiel von rechtswissenschaftlichen Kenntnissen (Wissen) und juristischen Fertigkeiten (Können) erforderlich.

Auch wenn Ratschläge an Lernende gerade in der Rechtswissenschaft gefährlich sind, weil sie der Individualität des Ratgebenden häufig eher entsprechen als derjenigen des Ratsuchenden (vgl. Dershowitz, Letters to a Young Lawyer, 2009, S. 28), will das vorliegende Buch einen Vorschlag für die Erarbeitung des Besonderen Teils machen: Bei jedem Schritt des Lernens im Besonderen Teil sollte reflektiert werden, was der systematische Bezug des jeweils Erlernten ist. Zentral sind zunächst die Bezüge zum Allgemeinen Teil; es ergeben sich aber auch Verbindungen zum Zivilrecht (z.B. bei den Vermögensdelikten), dem Strafprozessrecht (z.B. bei den Aussagedelikten), dem Verwaltungsrecht (z.B. bei den Umweltdelikten) und nicht zuletzt zum Verfassungsrecht (z.B. bei den Ehrverletzungsdelikten). Sodann ist die Gesetzessystematik der einzelnen Deliktsgruppen in den Blick zu nehmen (besonders relevant bei den Brandstiftungs- und Straßenverkehrsdelikten).

Auf dieser Basis sollte ein Grundgerüst des Wissens und Könnens entwickelt werden, das mit weiteren Details ausgebaut werden sollte. Denn es darf nicht verschwiegen werden, dass in Prüfungen häufig Detailwissen thematisiert wird. Aber das sollte nicht entmutigen. Der besondere Teil ist eine faszinierende Materie: Der Gesetzgeber muss Deliktstypen schaffen, die so bestimmt sind (Art 103 Abs. 2GG, § 1 StGB), dass strafbares Verhalten von straflosem unterschieden werden kann. Diese gesetzliche Unterscheidung muss in Rechtswissenschaft und schließlich Rechtspraxis konturiert werden. Auf diese (mitunter schwierigen, nicht selten umstrittenen) Abgrenzungsfragen geht der folgende Text ein.

Dabei wird der Vielgestaltigkeit des Besonderen Teils durch die unterschiedlichen Perspektiven derjenigen, die diesen Band bearbeitet haben, Rechnung getragen. Zu den einzelnen Themenbereichen (Deliktsgruppen) werden jeweils |VI|einprägsame Leitentscheidungen aus der höchstrichterlichen Rechtsprechung in aller Kürze dargestellt. Tabellen, Schaubilder und Schemata verdeutlichen die rechtlichen Grundstrukturen. Die Schemata enthalten in einer zweispaltigen Darstellung neben Deliktsmerkmalen auch knappe und prägnante Definitionen.

Ich danke für die vielfältigen Beiträge zu dem vorliegenden Buch. Insbesondere danke ich Lea Voigt, Johannes Koranyi, Joachim Kretschmer und Max Putzer für ihre Beiträge sowie allen, die an meiner Professur am Entstehen des Buches beteiligt waren, insbesondere Désirée Glanzer, Marta Gruß, Alexandra Köppen, Jasper Schüler, Bettina Witt und Felix Dahlke. Den Leserinnen und Lesern wünsche ich viel Spaß beim Lesen und Lernen.

 

Berlin, im Mai 2015 Klaus Hoffmann-Holland

[Zum Inhalt]

|XXV|Abbildungsverzeichnis

Abbildung 1

Einteilung der Mordmerkmale

Abbildung 2

Mordmerkmale der 1. Gruppe

Abbildung 3

Mordmerkmale der 2. Gruppe

Abbildung 4

Mordmerkmale der 3. Gruppe

Abbildung 5

Systematik §§ 185ff. StGB

Abbildung 6

Systematik der Brandstiftungsdelikte

Abbildung 7

Struktur der §§ 331ff. StGB

Abbildung 8

Struktur der Aussagedelikte

Abbildung 9

Struktur des § 145d StGB

Abbildung 10

Zueignungsabsicht § 242 StGB

Abbildung 11

Struktur des objektiven Tatbestandes des § 263 StGB

[Zum Inhalt]

|XVI|Tabellenverzeichnis

Tabelle 1

Prüfungsaufbau §§ 212f. StGB

Tabelle 2

Prüfungsaufbau § 216 StGB

Tabelle 3

Prüfungsaufbau § 221 StGB

Tabelle 4

Prüfungsaufbau §§ 223, 224 StGB

Tabelle 5

Prüfungsaufbau §§ 226, 227 StGB

Tabelle 6

Prüfungsaufbau § 229 StGB

Tabelle 7

Prüfungsaufbau § 231 StGB

Tabelle 8

Prüfungsaufbau § 240 StGB

Tabelle 9

Prüfungsaufbau § 239 StGB

Tabelle 10

Prüfungsaufbau § 238 StGB

Tabelle 11

Prüfungsaufbau §§ 239a Abs. 1 Var. 1, 239b Abs. 1 Var. 1 StGB

Tabelle 12

Prüfungsaufbau §§ 239a Abs. 1 Var. 2, 239b Abs. 1 Var. 2 StGB.

Tabelle 13

Prüfungsaufbau § 113 StGB

Tabelle 14

Prüfungsaufbau § 186 StGB

Tabelle 15

Prüfungsaufbau § 187 StGB

Tabelle 16

Prüfungsaufbau § 185 StGB

Tabelle 17

Prüfungsaufbau § 202a StGB

Tabelle 18

Prüfungsaufbau § 123 StGB

Tabelle 19

Prüfungsaufbau § 267 StGB

Tabelle 20

Prüfungsaufbau § 274 Abs. 1 Nr. 1 StGB

Tabelle 21

Prüfungsaufbau § 271 StGB

Tabelle 22

Prüfungsaufbau § 306 StGB

Tabelle 23

Prüfungsaufbau § 306a Abs. 1 u. 2 StGB

Tabelle 24

Prüfungsaufbau § 306b Abs. 1 u. 2 StGB

Tabelle 25

Prüfungsaufbau § 306c StGB

Tabelle 26

Prüfungsaufbau § 316 Abs. 1 StGB

Tabelle 27

Prüfungsaufbau § 315b Abs. 1 StGB

Tabelle 28

Prüfungsaufbau § 315c Abs. 1 StGB

Tabelle 29

Prüfungsaufbau §§ 142 Abs. 1 u. 2 StGB

Tabelle 30

Prüfungsaufbau § 323a StGB

Tabelle 31

Prüfungsaufbau § 323c StGB

Tabelle 32

Prüfungsaufbau §§ 331, 332 StGB

Tabelle 33

Prüfungsaufbau §§ 333, 334 StGB

Tabelle 34

Prüfungsaufbau § 153

Tabelle 35

Prüfungsaufbau § 154

Tabelle 36

Prüfungsaufbau § 164

Tabelle 37

Prüfungsaufbau § 145d StGB

|XXVII|Tabelle 38

Prüfungsaufbau § 324 StGB

Tabelle 39

Prüfungsaufbau § 326 Abs. 1 StGB

Tabelle 40

Prüfungsaufbau §§ 242 bis 244 StGB

Tabelle 41

Prüfungsaufbau des subjektiven Tatbestands des § 242 StGB

Tabelle 42

Prüfungsaufbau § 246 StGB

Tabelle 43

Prüfungsaufbau § 249 StGB

Tabelle 44

Prüfungsaufbau § 251 StGB

Tabelle 45

Prüfungsaufbau § 252 StGB

Tabelle 46

Prüfungsaufbau § 316a StGB

Tabelle 47

Prüfungsaufbau § 255 StGB

Tabelle 48

Prüfungsaufbau § 263 StGB

Tabelle 49

Prüfungsaufbau § 263a StGB

Tabelle 50

Prüfungsaufbau § 266 Abs. 1 Var. 1 StGB

Tabelle 51

Prüfungsaufbau § 266 Abs. 1 Var. 2 StGB

Tabelle 52

Prüfungsaufbau § 266b StGB

Tabelle 53

Prüfungsaufbau § 257 StGB

Tabelle 54

Prüfungsaufbau § 258 Abs. 1 StGB

Tabelle 55

Prüfungsaufbau § 259 StGB

Tabelle 56

Prüfungsaufbau § 261 StGB

Tabelle 57

Prüfungsaufbau § 303 Abs. 1 StGB

Tabelle 58

Prüfungsaufbau § 303 Abs. 2 StGB

Tabelle 59

Prüfungsaufbau § 303a StGB

[Zum Inhalt]

|XXVIII|Abkürzungsverzeichnis

a. A.

anderer Ansicht

a a. O.

am angegebenen Ort

Abb.

Abbildung

Abs.

Absatz

AEUV

Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union

a. F.

alte Fassung

Aids

Acquired Immune Deficiency Syndrome (erworbenes Immundefektsyndrom)

Alt.

Alternative

Anm.

Anmerkung

AnwK-StGB/Bearbeiter

Leipold/Tsambikakis/Zöller (Hrsg.), AnwaltKommentar StGB, 2. Aufl. 2015

Art.

Artikel

AT

Allgemeiner Teil (des StGB)

Aufl.

Auflage

 

Backmann

Die Abgrenzung des Betrugs von Diebstahl und Unterschlagung, 1974

BAK

Blutalkoholkonzentration

BayObLG

Bayerisches Oberstes Landesgericht

BayVerfGH

Bayerischer Verfassungsgerichtshof

BeckOK-StGB/Bearbeiter

Beck’scher Online-Kommentar StGB, Edition 252014

BeckRS

Beck-Rechtsprechung

Beulke, Klausuren-Kurs im Straf- recht III

Beulke, Klausurenkurs im Strafrecht 4. Aufl. 2013

Beulke, StPO

Beulke, Strafprozessordnung, 12. Aufl. 2012

BGB

Bürgerliches Gesetzbuch

BGH

Bundesgerichtshof

BGHSt

Entscheidungen des Bundesgerichtshofs in Strafsachen (amtliche Sammlung)

Bsp.

Beispiel(e)

bspw.

beispielsweise

BT

Besonderer Teil (des StGB)

BT-Drucks.

Bundestagsdrucksache

Burmann, Straßenverkehrsrecht

Burmann, Heß, Jahnke, Janker, Straßenverkehrsrecht, 23. Aufl. 2014

|XXIX|BVerfG

Bundesverfassungsgericht

BVerfGE

Entscheidungen des BVerfG (amtliche Sammlung)

bzw.

beziehungsweise

 

ders.

derselbe

 

Eisele, Straf- recht BT I

Eisele, Strafrecht Besonderer Teil I, 2. Aufl. 2012

 

f.

folgende(-r, -s)

ff.

fortfolgende

Fischer, StGB

Fischer, Strafgesetzbuch und Nebengesetze, 62. Aufl. 2015

Fn.

Fußnote

FS

Festschrift

FS Herzberg

Putzke/Hardtung (Hrsg.), Festschrift für Rolf Dietrich Herzberg, 2008

FS Kaufmann

Hassemer, Neumann, Schild, Schroth (Hrsg.), Festschrift für Arthur Kaufmann, 1993

 

GA

Goltdammer’s Archiv für Strafrecht

gem.

gemäß

GG

Grundgesetz

ggf.

gegebenenfalls

GStA

Generalstaatsanwaltschaft

 

Hassemer

Schutzbedürftigkeit des Opfers und Strafbedürftigkeit Zugleich ein Beitrag zur Auslegung ded Irrtumsmerkmals in § 263 StGB, 1981

Heghmanns, Strafrecht BT

Heghmanns, Strafrecht Besonderer Teil, 2009

Heinrich, Strafrecht AT

Heinrich, Strafrecht Allgemeiner Teil, 4. Aufl. 2014

HIV

Humanes Immundefizienzvirus

h. M.

herrschende Meinung

Hoffmann-Holland, Strafrecht AT

Hoffmann-Holland, Strafrecht Allgemeiner Teil, 3. Aufl. 2015

Hohmann/Sander, Strafrecht BTII

Hohmann/Sander, Strafrecht Besonderer Teil 2, 2. Aufl. 2011

Hrsg.

Herausgeber

 

i. e. S.

im engeren Sinne

insb.

insbesondere

i.S.d.

im Sinne des/der

i. S. v.

im Sinne von

i. V. m.

in Verbindung mit

 

|XXX|JA

Juristische Arbeitsblätter

Jäger, Strafrecht AT

Jäger, Strafrecht, Allgemeiner Teil, 7. Aufl. 2015

Jäger, Strafrecht BT

Jäger, Strafrecht, Besonderer Teil, 6. Aufl. 2015

Jakobs, Strafrecht AT

Jakobs, Strafrecht, Allgemeiner Teil, 2. Aufl. 1993

JGG

Jugendgerichtsgesetz

Joecks, StGB

Joecks, Studienkommentar zum Strafgesetzbuch, 11. Aufl. 2014

JR

Juristische Rundschau

JURA

Juristische Ausbildung

JuS

Juristische Schulung

JZ

Juristen Zeitung

 

Kfz

Kraftfahrzeug

Kindhäuser, Strafrecht BT I

Kindhäuser, Strafrecht Besonderer Teil I, 6. Aufl. 2014

Kindhäuser, Strafrecht BTII

Kindhäuser, Strafrecht Besonderer Teil II, 8. Aufl. 2014

Kindhäuser, LPK-StGB

Kindhäuser, Strafgesetzbuch, Lehr- und Praxiskommentar, 6. Aufl. 2015

km/h

Kilometer pro Stunde

Krey/Hellmann/Heinrich, Strafrecht BT I

Krey/Hellmann/Heinrich, Besonderer Teil 1, 15. Aufl. 2012

Krey/Hellmann/Heinrich, Strafrecht BTII

Krey/Hellmann/Heinrich, Besonderer Teil 2, 16. Aufl. 2012

krit.

kritisch(e)

Kühl, Strafrecht AT

Kühl, Strafrecht, Allgemeiner Teil, 7. Aufl. 2012

Küper/Zopfs, Strafrecht BT

Küper/Zopfs, Strafrecht, Besonderer Teil, 9. Aufl. 2012

 

Lackner/Kühl, StGB

Lackner/Kühl, Strafgesetzbuch Kommentar, 28. Aufl. 2014

LG

Landgericht

LK-Bearbeiter

Leipziger Kommentar Strafgesetzbuch, 12. Aufl. 2010

LKW

Lastkraftwagen

 

Maurach/Schroeder/Maiwald, Strafrecht BT I

Maurach/Schroeder/Maiwald, Strafrecht BT, Teilband 1, 10. Aufl. 2009

MDR

Monatsschrift für Deutsches Recht

Meyer-Goßner/Schmitt

Meyer-Goßner/Schmitt, Strafprozessordnung, Gerichtsverfassungsgesetz, Nebengesetze und ergänzende Bestimmungen, 58. Aufl. 2015

Mitsch, Strafrecht BTII

Mitsch, Strafrecht Besonderer Teil 2, 2001

Mumm, Zum Wesen der Aussagedelikte

Mumm, Zum Wesen der Aussagedelikte. Zur Kriminologie, Kriminalistik und zum Unrechtsgehalt dieser Delikte, 1964

|XXXI|MüKo-StGB/Bearbeiter

Joecks/Miebach (Hrsg.), Münchener Kommentar zum Strafgesetzbuch

m. w. N.

mit weiteren Nachweisen

 

NJW

Neue Juristische Wochenschrift

NK-Bearbeiter

Nomos Kommentar Strafgesetzbuch, 4. Aufl. 2013

NStZ

Neue Zeitschrift für Strafrecht

NStZ-RR

Neue Zeitschrift für Strafrecht Rechtsprechungsreport

 

OLG

Oberlandesgericht

Otto, Grundkurs

Otto, Grundkurs Strafrecht, Allgemeine Strafrechtslehre, 2005

 

Radtke/Hohmann/Bearbeiter, StPO

Radtke/Hohmann (Hrsg.), Kommentar zur Strafprozessordnung, 2011

Rengier, Strafrecht BT I

Rengier, Strafrecht Besonderer Teil 1, 17. Aufl. 2015

Rengier, Strafrecht BTII

Rengier, Strafrecht Besonderer Teil 2, 16. Aufl. 2015

RGSt

Entscheidungen des Reichsgerichts in Strafsachen (amtliche Sammlung)

Rn.

Randnummer

Roxin, Straf- recht AT I

Roxin, Allgemeiner Teil, Band I, 4. Aufl. 2006

Roxin, Strafrecht ATII

Roxin, Allgemeiner Teil, Band II, 2003

 

S.

Satz

SSW-StGB/ Bearbeiter

Satzger, Schmitt, Widmaier (Hrsg.), Kommentar zum Strafgesetzbuch, 2. Aufl. 2014

Sch/Sch-Bearbeiter

Schönke/Schröder, Strafgesetzbuch Kommentar, 29. Aufl. 2014

Saerbeck

Saerbeck, Beginn und Ende des Lebens als Rechtsbegriffe, 1. Januar 1974

SK/Bearbeiter

Rudolphi/Wolter (Hrsg.), Systematischer Kommentar zum Strafgesetzbuch, Stand: September 2014

SK StPO/Bearbeiter

Wolter (Hrsg.), Systematischer Kommentar zur Strafprozessordnung: SK StPO, 4. Aufl. 2011

s.o.

siehe oben

sog.

sogenannte (-r, -s)

StA

Staatsanwaltschaft

StGB

Strafgesetzbuch

StPO

Strafprozessordnung

str.

streitig

StR

Strafsenat

StraFo

Strafverteidiger Forum

Stratenwerth/Kuhlen

Stratenwerth/Kuhlen, Strafrecht Allgemeiner Teil, 6. Aufl. 2011

|XXXII|StrRG

Strafrechtsreformgesetz

StV

Der Strafverteidiger

StVO

Straßenverkehrsordnung

StVZO

Straßenverkehrs-Zulassungs-Ordnung

 

Tab.

Tabelle

 

u.a.

unter anderem

usw.

und so weiter

u.U.

unter Umständen

 

v.

von

v.a.

vor allem

Var.

Variante

Verf.

Verfasser(in)

vgl.

vergleiche

Vorbem.

Vorbemerkung(-en)

 

Wessels/Beulke/Satzger, Strafrecht AT

Wessels/Beulke/Satzger, Strafrecht, Allgemeiner Teil: Die Straftat und ihr Aufbau, 44. Aufl. 2015

Wessels/Hettinger, Strafrecht BT I

Wessels/Hettinger, Strafrecht Besonderer Teil I, 38. Aufl. 2014

Wessels/Hillenkamp, Strafrecht BT II

Wessels/Hillenkamp, Strafrecht Besonderer Teil II, 37. Aufl. 2014

 

z.B.

zum Beispiel

ZIS

Zeitschrift für Internationale Strafrechtsdogmatik

ZStW

Zeitschrift für die Gesamte Strafrechtswissenschaft

[Zum Inhalt]

|1|1. KapitelDelikte gegen höchstpersönliche Rechtsgüter

I.Delikte gegen das Leben (Johannes Koranyi)

1.Einführung

a)Geschütztes Rechtsgut

1Die §§ 211ff. StGB gelten dem Schutz des menschlichen Lebens und sind damit Ausdruck der aus Art 2 Abs. 2 S. 1GG abzuleitenden Pflicht des Staates, Vorschriften zum Schutz des Lebens und der körperlichen Unversehrtheit zu erlassen[1]. Die verfassungsrechtliche Verankerung der Schutzpflicht bringt den besonderen Stellenwert des menschlichen Lebens zum Ausdruck. Dieses stellt »innerhalb der grundgesetzlichen Ordnung einen Höchstwert dar; es ist die vitale Basis der Menschenwürde und die Voraussetzung aller anderen Grundrechte.«[2]

2Geschützt ist immer nur das Leben eines anderen, also vom Täter verschiedenen Menschen.[3] Demnach sind die Selbsttötung sowie die Teilnahme an einer solchen (mangels teilnahmefähiger Haupttat) straflos. Jedoch hat der Umstand, dass die unmittelbar zum Tode führende Handlung vom Sterbenden selbst ausgeführt wird, nicht zwangsläufig die Straflosigkeit weiterer am todbringenden Ereignis Beteiligter zur Folge. Vielmehr ist in Konstellationen, in denen eine Person an der Handlung eines anderen mitwirkt, die zu dessen Tod führt, sorgfältig zu prüfen, ob lediglich eine (straflose) Teilnahme an einer Selbsttötung oder eine strafbare Fremdtötung in mittelbarer Täterschaft vorliegt (ausführlich hierzu Rn. 115ff.).

b)Tatobjekt »Mensch«

3Die Tötungsdelikte im engeren Sinne (zur systematischen Einteilung noch Rn. 9ff.) haben gemeinsam, dass sie sich gegen einen bereits geborenen und noch nicht verstorbenen Menschen richten. Die Grenzen des Anwendungsbereichs |2|der §§ 211ff. StGB werden daher durch die Zeitpunkte des Lebensbeginns und des Lebensendes markiert.

aa)Beginn des Lebens

4Die genaue Ermittlung des Beginns des menschlichen Lebens hat maßgebliche Bedeutung für die Abgrenzung der Tötungsdelikte zu den Bestimmungen des Schwangerschaftsabbruchs (§§ 218ff. StGB), die dem Schutz des ungeborenen Lebens dienen. Tatobjekt ist dort die Leibesfrucht, deren Abtötung durch bloß fahrlässiges Verhalten (in Abweichung zu § 222 StGB) nicht sanktioniert wird. »Der im Vergleich zu dem des geborenen Menschen geringere Lebensschutz des ungeborenen Kindes folgt aus den mit seinen Rechten – möglicherweise – kollidierenden Rechtspositionen seiner Mutter, aus deren Recht auf freie Entfaltung ihrer Persönlichkeit und ihrer Menschenwürde.«[4]

5Als den den Lebensbeginn markierenden Zeitpunkt wird von Seiten der Rechtsprechung und weiten Teilen der Literatur auf den Beginn des Geburtsvorgangs abgestellt. Hiernach beginnt das Menschsein bereits mit dem Einsetzen der Eröffnungswehen.[5] Teilweise wird im Schrifttum aber auch erwogen, die Tötungsdelikte erst zu einem späteren Zeitpunkt eingreifen zu lassen, etwa mit Beginn der Presswehen[6] oder (in Übereinstimmung mit der Regelung zur Rechtsfähigkeit in § 1BGB) mit Vollendung der Geburt[7]. Um einen möglichst umfassenden Lebensschutz zu gewährleisten, ist an dieser Stelle jedoch dem von der Rechtsprechung vertretenen Ansatz der Vorzug zu geben. Im Übrigen wird auch nach aktuellen medizinischen Erkenntnissen der Beginn des menschlichen Lebens überwiegend mit dem Einsetzen der Eröffnungswehen gleichgesetzt.[8]

6Im Fall eines Kaiserschnitts stellt die Öffnung des Uterus den maßgeblichen Zeitpunkt dar.[9] Vereinzelt wird stattdessen auf die Öffnung der Bauchdecke abgestellt, wobei jedoch übersehen wird, dass diese auch anderen Zwecken dienen kann.[10] Die (Über-)Lebensfähigkeit des Neugeborenen ist für die Zuerkennung des strafrechtlichen Rechtsgüterschutzes nicht maßgeblich. Denn eine »Leibesfrucht kann auch dann, wenn sie vorzeitig zur Welt kommt, ein Mensch im Sinne des § 212 StGB sein. Ob sie es ist, hängt davon ab, ob sie unabhängig |3|vom Leben der Mutter in menschlicher Weise lebt, sei es auch nur kurze Zeit«[11].

7Schwierigkeiten begegnen bei der Abgrenzung der §§ 211f. StGB zu §§ 218ff. StGB insbesondere dann, wenn eine vor Beginn der Eröffnungswehen ausgeführte Einwirkung auf die Leibesfrucht den Tod des Kindes nach Geburtsbeginn verursacht. Zutreffend hält der BGH für die Beantwortung der Frage, ob in dieser Konstellation eine vorsätzliche Tötung eines Menschen oder ein Schwangerschaftsabbruch anzunehmen ist, den Zeitpunkt der Einwirkung auf das Opfer und nicht den des Todeseintritts für maßgebend. Diese »Rechtsprechung vermeidet, daß es von dem für den Täter ganz zufälligen Ablauf des physiologischen Vorgangs – Eintritt des Todes vor oder nach Beginn der Geburt – abhängt, ob er ggf. wegen Mordes oder wegen Abtreibung zu bestrafen ist.«[12] Aus demselben Grund kann für die Abgrenzung auch nicht entscheidend sein, ob das wegen eines Schwangerschaftsabbruchs ausgestoßene Kind mit hoher Wahrscheinlichkeit bereits lebensfähig gewesen wäre. »Zwar ist der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs für den Fall der Verwirklichung des Abtreibungstatbestands durch die Herbeiführung der Ausstoßung aus dem Mutterleib die Einschränkung zu entnehmen, diese Art der Tatbestandsverwirklichung setze voraus, dass das Kind in Folge des verfrühten Fruchtabgangs alsbald nach dem Austritt aus dem Mutterleib stirbt […]. Dies ist jedoch nicht so zu verstehen, dass der Tatbestand des § 218 Abs. 1 StGB nur bis zu dem Zeitpunkt verwirklicht werden könne, zu dem das ungeborene Kind bereits genügend ausgereift ist, um im Falle seiner Ausstoßung aus dem Mutterleib bereits selbständig weiterleben zu können. Vielmehr erfasst der Tatbestand gerade auch diejenigen Fälle, in denen die Einwirkung des Täters auf eine bereits selbständig lebensfähige Leibesfrucht zunächst zu einer Lebendgeburt geführt, das Kind jedoch die Verletzungen, die es durch die auf den verfrühten Abgang gerichteten Handlungen erlitten hatte, nicht überlebt.«[13]

bb)Ende des Lebens

8Das Leben endet mit Eintritt des Hirntods; dieser kennzeichnet sich durch den irreversiblen und totalen Ausfall der Gehirnfunktionen.[14] Ab diesem Zeitpunkt kommt ein vollendetes Tötungsdelikt nicht mehr in Betracht, wohl aber (bei irrtümlicher Vorstellung, der Verstorbene lebe noch), ein strafbarer untauglicher Versuch.

|4|c)Systematik und Reformbestrebungen

9Die Tötungsdelikte im engeren Sinne umfassen die Straftatbestände des Totschlags (§ 212 StGB; ggf. als besonders oder minder schwerer Fall nach § 212 Abs. 2 bzw. § 213 StGB), des Mordes (§ 211 StGB), der Tötung auf Verlangen (§ 216 StGB) sowie der fahrlässigen Tötung (§ 222 StGB). Es handelt sich hierbei um klassische Erfolgsdelikte, die allesamt als Mindesterfordernis voraussetzen, dass der Täter den Tod eines Menschen verursacht. Eine Sonderstellung nimmt insoweit die Aussetzung nach § 221 StGB ein, die als konkretes Gefährdungsdelikt ausgestaltet ist und im Grundtatbestand lediglich voraussetzt, dass das Tatopfer durch die Tathandlung in die Gefahr des Todes oder einer schweren Gesundheitsschädigung gebracht wird. Die Systematik der Tötungsdelikte hat ebenso wie der Regelungsgehalt des § 211 StGB von Seiten der Literatur, aber auch aus Teilen der Rechtsprechung, wiederholt beachtliche Kritik erfahren. So ist teilweise darauf hingewiesen worden, die seit ihrer Einführung im Jahr 1941 weitgehend unverändert gebliebenen Fassungen der §§ 211, 212 StGB bewirkten ein Fortwirken nationalsozialistischen Unrechts. Dieses spiegle sich insbesondere darin wider, dass die Tatbestände der Charakterisierung des Täters als »Totschläger« bzw. »Mörder« größeres Gewicht einräumten als der Beschreibung der Tat als solcher, wodurch der »Tätertypenlehre« auch im heutigen StGB noch Raum gelassen würde.[15] Vor dem Hintergrund, dass die für die Anwendung und Abgrenzung der §§ 211, 212 StGB maßgeblichen Mordmerkmale des § 211 Abs. 2 StGB überwiegend gar nicht nationalsozialistischen Ursprungs, sondern aus einem Vorentwurf des Schweizerischen Strafgesetzbuches von 1894 übernommen sind, und angesichts der Tatsache, dass auch Motivlagen wie Rassenhass und Ausländerfeindlichkeit seitens der Rechtsprechung teilweise als »niedrige Beweggründe« i.S.d. § 211 Abs. 2 StGB eingestuft werden, wird man zwar von einem spürbaren Einfluss nationalsozialistischer Ideologie auf die Anwendungspraxis der §§ 211, 212 StGB nicht ausgehen müssen.[16] Nicht von der Hand zu weisen ist demgegenüber, dass nicht nur die Auslegung der teils bedenklich weit gefassten Mordmerkmale in § 211 Abs. 2 StGB erhebliche Schwierigkeiten bereitet (vgl. noch Rn. 34ff.), vielmehr sind die Gerichte durch den Umstand, dass § 211 Abs. 1 StGB bei Verwirklichung des gesetzlich normierten Tatbestandes als einzige Sanktionsform die lebenslange Freiheitsstrafe vorsieht, darüber hinaus wiederholt vor erhebliche Herausforderungen gestellt worden. Augenfällig wird dies etwa in den viel zitierten »Familientyrannen-Fällen«, die sich dadurch kennzeichnen, dass die Tötung eines schlafenden Familienmitgliedes erfolgt, nachdem dieses den Ehepartner sowie die gemeinsamen Kinder über den Zeitraum mehrerer Jahre erheblichen körperlichen und psychischen Demütigungen ausgesetzt |5|hat.[17] Ausgehend von der ganz herrschenden Auffassung in Literatur und Rechtsprechung ist im Falle der Tötung eines Schlafenden in der Regel das Mordmerkmal der »Heimtücke« verwirklicht (vgl. noch Rn. 58), so dass auch in dieser Fallkonstellation zumindest im Ausgangspunkt allein die Verhängung der lebenslangen Freiheitsstrafe gemäß § 211 Abs. 1 StGB in Betracht käme. Es sind diese und weitere Fallkonstellationen, die die Rechtsprechung wiederholt veranlasst haben, richterliche Rechtsfortbildungen zu betreiben, um einer extensiven Verhängung lebenslanger Freiheitsstrafen entgegenzuwirken.[18] Diese (hier lediglich angedeuteten) und weitere Bedenken an der Fassung der Delikte gegen das Leben haben schon lange den Ruf nach einer Novellierung der §§ 211ff. StGB nach sich gezogen, auf den die Politik nachhaltig aber erst in jüngster Vergangenheit mit der Ankündigung durchgreifender Gesetzesänderungen reagiert hat.[19] Infolgedessen werden gegenwärtig zahlreiche Reformmodelle diskutiert, die von der rein »kosmetischen« Ersetzung der Begriffe »Totschläger« und »Mörder«, bis hin zu einer ersatzlosen Streichung des Mordtatbestandes reichen.[20] Wohin sich die weitere Diskussion und ein sich anschließendes Gesetzgebungsverfahren entwickeln werden, kann gegenwärtig nicht sicher prognostiziert werden, wobei am wahrscheinlichsten wohl davon auszugehen sein dürfte, dass die lebenslange Freiheitsstrafe zumindest als alleinige Rechtsfolge des Mordtatbestandes keinen Bestand haben wird. Bis zum Abschluss der Reformdiskussion behält die nachfolgende Darstellung zu den Delikten gegen das Leben ihre Gültigkeit, die Entwicklung in Rechtsprechung und Gesetzgebung bleibt jedoch im Auge zu behalten.

10Rechtsprechung und Literatur vertreten unterschiedliche Ansichten zum Verhältnis zwischen Mord und Totschlag sowie der Tötung auf Verlangen,[21] obgleich eine jüngere Entscheidung des BGH Anlass zu der Vermutung gibt, er könne künftig auf die Linie der Literatur umschwenken. Die Unterschiede im systematischen Verständnis werden primär im Bereich der Beteiligung relevant und insbesondere dort, wo bei mehreren Tatbeteiligten unterschiedliche Mordmerkmale nach § 211 Abs. 2 StGB vorliegen bzw. nicht vorliegen. Die Problematik ist in der Fallbearbeitung im Rahmen der Anwendung von § 28|6|StGB aufzugreifen und zu erörtern. Im Übrigen gilt für den Prüfungsaufbau, dass ohne weitere Darstellung der Auseinandersetzung der unter Rn. 13f. skizzierten Literaturansicht gefolgt werden sollte.

aa)Ansatz des BGH

11Der BGH behandelt die §§ 211, 212 und 216 StGB[22] als eigenständige Tatbestände und begründet dies vorrangig mit dem Wortlaut der Tötungsdelikte. Denn wer »in einer in § 211 StGB beschriebenen Weise einen Menschen tötet, wird nach dieser Bestimmung ›als Mörder‹ bestraft, wer vorsätzlich tötet, nach § 212 StGB ›als Totschläger‹. Das Gesetz [stelle] also zwei selbständige Tatbestände mit verschiedenem Unrechtsgehalt auf [und kennzeichne] die in § 211 StGB aufgeführten Begehungsweisen der Tötung nicht als schwere Fälle des Totschlags, sondern als eine andere Straftat, als Mord.«[23] Dieser formelle Begründungsansatz beruht maßgeblich auf der Annahme, dass der sich vorrangig aus der inneren Einstellung zur Tat ergebende Unrechtsgehalt eines Mordes strukturell grundlegend von demjenigen eines Totschlags unterscheide.

12In einer Entscheidung aus dem Jahr 2006 hat der BGH nachhaltige Zweifel an seiner vorstehend skizzierten Rechtsprechung geäußert, ohne diese jedoch endgültig aufzugeben. Denn der »bisherigen Rechtsprechung des BGH zum Verhältnis von Mord und Totschlag [würden] gewichtige Argumente entgegengehalten: Sie führe zu schwer überbrückbaren Wertungswidersprüchen und unausgewogenen Ergebnissen, widerspreche der sonst üblichen Systematik und sei unnötig kompliziert«[24]. Insbesondere in Fällen gemeinschaftlich begangener Tötungen, bei denen nur einer der Mittäter ein Mordmerkmal erfüllt, könne die Tötung »schwerlich als Verwirklichung zweierlei verschiedenen Unrechts und zweier selbstständiger Tatbestände verstanden werden, sondern [stelle] sich als ein Tötungsunrecht i.S.v. § 212 StGB dar, zu dem lediglich bei einem der Täter mit dem Mordmerkmal […] besonders erschwerende persönliche Umstände (vgl. § 28 Abs. 2 StGB) [hinzukämen]; ein solches Verhältnis [entspräche] nach der üblichen Systematik demjenigen zwischen Grunddelikt und Qualifikation.«[25] Ob der BGH mit diesem obiter dictum tatsächlich eine grundlegende Änderung seiner Rechtsprechung zum Verhältnis von Mord und Totschlag eingeleitet hat, bleibt indes abzuwarten.[26] Bis zu einer neuen Grundsatzentscheidung ist die alte Rechtsprechung jedenfalls nicht als überholt zu betrachten.

|7|bb)Auffassung der Literatur

13Das Schrifttum geht nahezu einhellig davon aus, dass § 212 StGB den Grundtatbestand der vorsätzlichen Tötung darstellt, zu dem § 211 StGB im Verhältnis eines Qualifikationstatbestandes steht, während § 216 StGB einen privilegierten Fall des Totschlags enthält. Zwischen §§ 216, 212 und 211 StGB besteht nach dieser Auffassung ein Stufenverhältnis.[27]

14Für die Auffassung der Literatur spricht zunächst, dass der dogmatische Ansatz des BGH maßgeblich an die vermeintliche Existenz unterschiedlicher Tätertypen (»Mörder« – »Totschläger«) anknüpft und damit auf der längst überholten Tätertypenlehre beruht.[28] Die negative Formulierung in § 212 StGB (»ohne Mörder zu sein«) stellt kein eigenes Tatbestandsmerkmal dar, sondern dient nur der Klarstellung und Abgrenzung zu § 211 StGB und dessen im Vergleich zum Totschlag zusätzlichen Tatbestandsmerkmalen.[29] Zudem beinhaltet § 211 StGB den gesamten Unrechtsgehalt von § 212 StGB und schützt das identische Rechtsgut.[30] Die zusätzlichen Merkmale des § 211 StGB fügen lediglich weitere unrechtssteigernde Merkmale zum Tatbestand des Totschlags hinzu, sodass die §§ 211, 212 StGB vom typischen Verhältnis zwischen Grund- und Qualifikationstatbestand nicht abweichen.[31] Dafür, dass zwischen den verschiedenen Stufen keine qualitative Differenz im (Tötungs-)Unrecht besteht, spricht auch die Abstufung der Rechtsfolgen zwischen den §§ 211, 212, 216 StGB.[32] Die ungewöhnliche Stellung der Qualifikation (§ 211 StGB) vor dem Grundtatbestand (§ 212 StGB) hat keine dogmatischen, sondern historische Gründe.[33]

cc)Konsequenzen für die Fallbearbeitung

15Die Frage, ob der Mord im Verhältnis zum Totschlag ein eigenständiges Delikt darstellt, hat maßgebliche Auswirkungen für den Aufbau des Gutachtens. Folgt man der vorzugswürdigen Literaturauffassung, sollte mit der Prüfung des Grundtatbestandes in § 212 StGB begonnen und im Falle dessen Verwirklichung anschließend der Frage nachgegangen werden, ob der Täter eines der in § 211 StGB bezeichneten Mordmerkmale erfüllt hat. Ist bereits § 212 StGB nicht verwirklicht, entfällt demgegenüber die Prüfung von § 211 StGB.[34] Ist |8|§ 212 StGB unproblematisch gegeben und liegen die Schwerpunkte des Sachverhaltes eindeutig auf der Prüfung einzelner Mordmerkmale, kann auch eine gemeinsame Prüfung der §§ 212, 211 StGB angezeigt sein, wobei sich der Aufbau in diesem Fall danach richtet, ob täter- oder tatbezogene Mordmerkmale zu prüfen sind. Wer der Auffassung der Rechtsprechung folgt, muss wegen der höheren Strafandrohung des § 211 StGB konsequenterweise mit der Prüfung des (dann als eigenständig zu betrachtenden) Mordtatbestandes beginnen.

16Die sich im Übrigen aus der Auseinandersetzung ergebenden Fragestellungen im Zusammenhang mit der Anwendung von § 28 StGB werden detailliert in Rn. 85ff. dargestellt.

2.Totschlag (§§ 212f. StGB)

17§ 212 StGB sanktioniert die vorsätzlich begangene Tötung eines Menschen. Die Tatbestandsmäßigkeit beschränkt sich auf die vom Vorsatz des Täters umfasste Herbeiführung des tatbestandlichen Erfolges; die im Gesetz genannten Merkmale »Totschläger« und »ohne Mörder zu sein« sind ohne Bedeutung und bedürfen keiner eigenständigen Prüfung.[35] § 212 Abs. 1 StGB stellt ein Verbrechen dar und kann daher auch in Form des strafbaren Versuchs begegnen. Abs. 2 der Vorschrift enthält einen unbenannten besonders schweren Fall, bei dessen Vorliegen auf lebenslange Freiheitsstrafe zu erkennen ist. Demgegenüber sieht § 213 StGB eine obligatorische Strafmilderung bei Vorliegen des darin ausdrücklich benannten oder eines sonstigen minder schweren Falles vor.

18Tab. 1: Prüfungsaufbau §§ 212f. StGB

|9|a)Grundtatbestand der vorsätzlichen Tötung

aa)Objektiver Tatbestand

19Die Prüfung des objektiven Tatbestandes ist auf die Feststellung beschränkt, dass der Täter den Tod einen anderen Menschen in objektiv zurechenbarer Weise verursacht hat. Hierbei reichen kurzfristige Lebensverkürzungen aus, so dass auch die Tötung eines bereits im Sterben Liegenden grundsätzlich von § 212 StGB erfasst wird, soweit durch die Tathandlung dessen Leben weiter verkürzt wird.[36] Im Übrigen sind Probleme im Bereich des objektiven Tatbestandes von § 212 StGB in der Regel im Bereich der Kausalität und objektiven Zurechnung und damit im Allgemeinen Teil des Strafrechts angesiedelt.[37] In diesem Zusammenhang kann auch eine Tatbestandsverwirklichung durch Unterlassen zu prüfen sein, wenn ein Garant unter den Voraussetzungen des § 13 Abs. 1 StGB den Eintritt des Todeserfolges nicht verhindert.

bb)Subjektiver Tatbestand

20(1) Einführung in die Problemstellung: In subjektiver Hinsicht setzt § 212 StGB vorsätzliches Handeln voraus. Die Feststellung des zumindest erforderlichen dolus eventualis und die damit einhergehende Abgrenzung zur bewussten Fahrlässigkeit bereiten häufig erhebliche Schwierigkeiten. In der gerichtlichen Praxis wird die Problematik insbesondere dann virulent, wenn Anhaltspunkte dafür bestehen, dass der Täter eines der in § 211 StGB normierten Mordmerkmale erfüllt hat. Da in diesem Fall bei Bejahung des Tötungsvorsatzes allein die Verhängung der in § 211 StGB angeordneten lebenslangen Freiheitsstrafe in Betracht kommt, ist vor dem Hintergrund der hieran geäußerten verfassungsrechtlichen Bedenken (hierzu noch Rn. 30ff.) eine besonders sorgfältige Prüfung der subjektiven Strafbarkeitsvoraussetzungen angezeigt.

21(2) Zur »Hemmschwellentheorie«: Im Ausgangspunkt ist die Abgrenzung zwischen dolus eventualis und bewusster Fahrlässigkeit auch an dieser Stelle auf der Grundlage der vorherrschenden Ernstnahme- oder Billigungstheorie vorzunehmen. Hiernach handelt der Täter grundsätzlich dann vorsätzlich, wenn er den für möglich gehaltenen Erfolgseintritt billigend in Kauf nimmt, wobei auch ein an sich unerwünschter Erfolg im Rechtssinn gebilligt werden kann.[38] Als wesentliches Indiz für die Billigung eines für möglich gehaltenen Todeseintritts dient den Gerichten häufig eine gesteigerte Gefährlichkeit der Tathandlung. So liegt es nach »der ständigen Rechtsprechung des BGH […] bei äußert gefährlichen Gewalthandlungen nahe, dass der Täter mit der Möglichkeit, das Opfer könne durch diese zu Tode kommen, rechnet und, weil er |10|gleichwohl sein gefährliches Handeln fortsetzt, auch einen solchen Erfolg billigend in Kauf nimmt.«[39] Als besonders gefährliche Gewalthandlungen in diesem Sinne sind beispielsweise kräftig ausgeführte Messerstiche in die Herzgegend bzw. aus nächster Nähe abgegebene Schüsse auf den Kopf des Tatopfers einzustufen.[40] Der Rückschluss von der Gefährlichkeit der Tathandlung auf das Vorliegen des Tötungsvorsatzes soll jedoch nicht uneingeschränkt zulässig sein. Denn es ist stets »in Betracht zu ziehen, dass der Täter im Einzelfall die Gefahr der Tötung nicht erkannt hat oder jedenfalls darauf vertraut haben könnte, ein solcher Erfolg werde nicht eintreten. Insbesondere bei spontanen, unüberlegten, in affektiver Erregung ausgeführten Handlungen kann aus dem Wissen um den möglichen Erfolgseintritt nicht stets geschlossen werden, das auch das – selbständig neben dem Wissenselement stehende – voluntative Vorsatzelement gegeben ist.«[41] Den hierin zum Ausdruck gebrachten Standpunkt, die besondere Gefährlichkeit einer Tathandlung reiche für sich genommen nicht aus, um den Tötungsvorsatz ohne Weiteres zu bejahen, hat der BGH in anderem Zusammenhang damit begründet, dass »vor dem Tötungsvorsatz eine viel höhere Hemmschwelle [stehe] als vor dem Gefährdungs- oder Verletzungsvorsatz.«[42] Dieser verbreitet als »Hemmschwellentheorie« titulierte Ansatz, wonach die Tötung eines Menschen die Überwindung einer besonders hohen psychologischen Schwelle erfordere, die von Seiten des Gerichts stets einer besonders intensiven Prüfung bedürfe,[43] ist in der Literatur verbreitet auf Ablehnung gestoßen. Kritisiert wurde vornehmlich, dass weitgehende Unklarheit über die Ausgestaltung der Tötungshemmschwelle bestehe und dass das vom BGH postulierte Erfordernis einer besonders »intensiven« Prüfung wegen dessen Unbestimmtheit ein potenzielles Einfallstor für eine willkürliche und uneinheitliche Entscheidungspraxis darstelle.[44]

22In einer viel beachteten Entscheidung aus dem Jahr 2012 hat der 4. Strafsenat des BGH erstmals klargestellt, dass durch die Betonung der im Zusammenhang mit der Tötung eines Menschen bestehenden Hemmschwelle weder eine eigenständige »Theorie« noch ein besonderes Prüfprogramm für den Nachweis des Tatbestandsvorsatzes begründet werden sollte. So habe der BGH stets »hervorgehoben, dass durch [die Hemmschwellentheorie] die Wertung der hohen und offensichtlichen Lebensgefährlichkeit von Gewalthandlungen als |11|ein gewichtiges auf Tötungsvorsatz hinweisendes Beweisanzeichen […] in der praktischen Rechtsanwendung nicht in Frage gestellt oder auch nur relativiert werden solle. […] Zur Verneinung des voluntativen Vorsatzelementes [bedürfe] es vielmehr in jedem Einzelfall tragfähiger Anhaltspunkte dafür, dass der Täter ernsthaft darauf vertraut haben könnte, der Geschädigte werde nicht zu Tode kommen.«[45] Nach der Lesart des 4. Strafsenates soll sich der Aussagegehalt der »Hemmschwellentheorie« demnach in einem Hinweis auf die in § 261 StPO niedergelegten Anforderungen an die tatrichterliche Überzeugungsbildung beschränken.[46] Dies hat zur Folge, dass es zwar auch bei Vornahme besonders gefährlicher Gewalthandlungen am Tötungsvorsatz fehlen, dieser aber nicht durch den bloßen Hinweis auf die vermeintliche Existenz einer »Hemmschwellentheorie« verneint werden kann.[47] Vielmehr obliegt es dem Tatrichter, unter Berücksichtigung aller objektiven und subjektiven Tatumstände das Vorliegen des Tötungsvorsatzes sorgfältig zu prüfen, wobei der offensichtlichen Lebensgefährlichkeit der Tathandlung stets vorrangige Bedeutung bei der anzustellenden Gesamtabwägung beizumessen ist. Nach diesen Maßstäben beanstandete der 4. Strafsenat die Entscheidung des zuständigen Schwurgerichts, welches im konkreten Fall den Tötungsvorsatz unter pauschalem Hinweis auf die »Hemmschwellentheorie« sowie die »moderate« Alkoholisierung des Angeklagten verneinte, der ein Messer mit 11 cm langer Klingenlänge derart heftig in den Rücken des Opfers gerammt hatte, dass dessen achte Rippe durchtrennt wurde und die Klinge anschließend noch in die Lunge des Opfers eintrat.[48]

23Die vorstehend skizzierte Relativierung der »Hemmschwellentheorie« durch den 4. Strafsenat verdient uneingeschränkte Zustimmung, da sie zutreffend herausarbeitet, dass die Prüfung des Tötungsvorsatzes stets einer besonders sorgfältigen Gesamtabwägung aller vorhandenen Tatumstände bedarf, wobei verbleibende Zweifel entsprechend den allgemeinen Regeln nach dem in dubio pro reo Grundsatz zugunsten des Täters aufzulösen sind.[49] Keinesfalls darf der Tötungsvorsatz aber unter bloßem Hinweis auf die (fehlende) Überwindung einer in ihren Konturen weitgehend unklaren »Tötungshemmschwelle« bejaht bzw. verneint werden.

24Ob die Entscheidung des 4. Strafsenates tatsächlich eine endgültige Abkehr der Rechtsprechung vom Hemmschwellentopos eingeleitet hat, muss vor dem Hintergrund eines nur kurz darauf vom 5. Strafsenat verabschiedeten Urteils bezweifelt werden. Diesem lag ein Fall zugrunde, in dem die Täter das Tatopfer mit ½ Liter Terpentinersatzmittel übergossen und anschließend mit einem Feuerzeug anzündeten.[50] Dass das zuständige Schwurgericht den Tötungsvorsatz |12|unter Hinweis auf die Alkoholisierung der Täter und dem Umstand verneint hatte, diese hätten kein Interesse am Tod des Tatopfers gehabt, da dieses ihnen regelmäßig Unterkunft in seiner Wohnung gewährte, hielt der 5. Strafsenat für unbedenklich und verwies (ohne Auseinandersetzung mit der Entscheidung des 4. Strafsenates) auf seine Rechtsprechung zu den Grenzen der Zulässigkeit eines Rückschlusses von einer besonderen Gefährlichkeit der Tathandlung auf das Bestehen eines Tötungsvorsatzes.[51] Bedenkt man hingegen die evidente Lebensgefahr, die von der Entzündung eines großflächig auf dem menschlichen Körper aufgebrachten Brandbeschleunigers ausgeht, hätte es zumindest bei Zugrundelegung des vom 4. Strafsenates entwickelten Prüfmaßstabes wohl größerer argumentativer Bemühungen bedurft, um den Tötungsvorsatz zu verneinen.[52] Insoweit steht zu befürchten, dass die Rechtsprechung zur Abgrenzung des dolus eventualis von der bewussten Fahrlässigkeit in Tötungsfällen auch weiterhin einen wenig einheitlichen und teils unberechenbar erscheinenden Charakter[53] aufweisen wird. In der juristischen Fallbearbeitung sollte der Hemmschwellengedanke künftig aber nicht mehr ohne Hinweis auf die distanzierende Tendenz in der jüngeren Rechtsprechung des BGH erwähnt werden.[54]

b)Besonders schwerer Fall

25§ 212 Abs. 2 StGB ordnet die Verhängung einer lebenslangen Freiheitsstrafe an, wenn ein besonders schwerer Fall des Totschlags vorliegt. Dies ist dann anzunehmen, »wenn das in der Tat zum Ausdruck gekommene Verschulden des Totschlägers ebenso schwer wiegt wie das eines Mörders […]. Die Prüfung dieser Frage obliegt dem Tatrichter, der im Rahmen einer Gesamtwürdigung von Tat und Täter zu beurteilen hat, ob trotz Nichterfüllung des Mordtatbestandes sonstige unrechts- und schuldsteigernde Umstände vorliegen, die die Verhängung einer lebenslangen Freiheitsstrafe rechtfertigen.«[55] Von Seiten des BGH wurden als Umstände, die einen besonders schweren Fall begründen können, etwa das Bestehen einer Vorstrafe wegen Totschlags, die Absicht des Täters, durch die Tötung ein zwar nicht strafbares, aber ihm unangenehmes Geschehen zu verdecken, sowie die Tötung der Ehefrau vor den Augen ihrer Kinder angesehen.[56] Grundsätzlich sollte ein besonders schwerer Fall nach § 212 Abs. 2 StGB wegen der Unbestimmtheit der Vorschrift und des damit einhergehenden schwer einzugrenzenden Anwendungsbereichs jedoch nur zurückhaltend angenommen werden.[57] Insbesondere würde es »in der Regel |13|dem Schuldprinzip widersprechen, wollte man den Täter, der aus subjektiven Gründen nicht wegen Mordes verurteilt werden kann, wegen der Nähe der objektiv vorliegenden Motive zu den niedrigen i.S.d. § 211 StGB auf dem Umweg über den besonders schweren Fall des Totschlags mit der dem Mörder zugedachten Strafe belegen.«[58] Nach diesen Maßstäben besteht insbesondere in universitären Prüfungsarbeiten in der Regel kein Anlass, auf die Strafzumessungsvorschrift in § 212 Abs. 2 StGB einzugehen.

c)Minder schwerer Fall

26§ 213 StGB normiert einen teilweise benannten Strafmilderungsgrund in Form eines minder schweren Falles. Ausdrücklich benannt ist der Fall, dass der Täter ohne eigene Schuld durch eine ihm oder einem Angehörigen zugefügte Misshandlung oder schwere Beleidigung von dem getöteten Menschen zum Zorn gereizt und hierdurch auf der Stelle zur Tat hingerissen worden ist. Ob eine Misshandlung oder Beleidigung die erforderliche Schwere erreicht hat, ist nach objektiven, auf den Lebenskreis der Beteiligten bezogenen Kriterien zu beurteilen.[59] So genügen den »Anforderungen an eine schwere Beleidigung i.S.d. § 213 Alt. 1 StGB […] nur solche Provokationen, die auf der Grundlage aller dafür maßgebenden Umstände unter objektiver Betrachtung und nicht nur aus der Sicht des Täters als schwer beleidigend zu beurteilen sind; denn der hohe Rang des durch § 212 StGB geschützten Rechtsguts und die unter den Voraussetzungen des § 213 StGB mildere Beurteilung der Vernichtung menschlichen Lebens gebieten es, die Anforderungen an die Schwere der Beleidigung und auch der auf die tatauslösende Situation zulaufenden Entwicklung der Täter-Opfer-Beziehung nicht zu niedrig anzusetzen.«[60] Liegt eine hinreichende Provokation oder Misshandlung vor, ist der Täter durch diese dann ohne eigene Schuld zum Zorn gereizt, wenn er die Misshandlung bzw. Provokation nicht in ihm objektiv zurechenbarer Weise veranlasst hat und die Tötung auf durch die Provokation hervorgerufene Wut, Empörung oder einen vergleichbaren Gemütszustand zurückzuführen ist.[61] Für die Frage, ob der Täter auf der Stelle zur Tat hingerissen wurde, kommt es zuletzt darauf an, »ob die durch das vorausgegangene Verhalten des Opfers verursachte Kränkung oder Reizung des Täters im Tatzeitpunkt noch angehalten hat, zwischen diesen beiden Vorgängen also ein ›motivationspsychologischer Zusammenhang‹ besteht.«[62]

27Liegt der in § 213 StGB ausdrücklich benannte Strafmilderungsgrund nicht vor, kann eine Strafmilderung gleichwohl vorzunehmen sein, wenn sonst ein minder schwerer Fall gegeben ist. Hiervon ist dann auszugehen, wenn »das gesamte Tatbild einschließlich aller subjektiven Momente und der Täterpersönlichkeit vom Durchschnitt der erfahrungsgemäß gewöhnlich vorkommenden |14|Fälle in einem Maße abweicht, dass die Anwendung des Ausnahmestrafrahmens geboten ist […]. In diesem Zusammenhang können auch die Vorgeschichte der Tat und die gesamten Beziehungen zwischen den Beteiligten von Bedeutung sein«[63]. In universitären Prüfungsarbeiten wird nur selten Anlass bestehen, auf die Voraussetzungen eines unbenannten minder schweren Falles einzugehen.

d)Leitentscheidungen

28BGHNStZ 2009, 91; Tötungsvorsatz: Ein trinkgewohnter Wohnungsinhaber konsumiert mit einem Bekannten erhebliche Mengen Alkohol, bis er eine BAK von 3,55 ‰ aufweist. Nachdem der Bekannte ihn mehrfach beleidigt hat, führt der Wohnungsinhaber einem spontanen Entschluss folgend mit einer 75 cm langen und 1 kg schweren Eisenstange 6 kräftige Hiebe gegen den Rumpf des Bekannten aus. Der Bekannte erleidet Knochenbrüche im Bereich des Oberkörpers und an den Armen, bleibt aber ansprechbar. Der Wohnungsinhaber zögert zunächst aus Furcht vor Bestrafung, Hilfe zu rufen, informiert aber 7 Stunden nach Ausführung der Schläge den Rettungsdienst, der den Bekannten ins Krankenhaus einliefert. Dort stirbt der Bekannte 3 Wochen später infolge seiner Verletzungen. – Auf der Grundlage des festgestellten Sachverhaltes hat der Wohnungsinhaber nicht vorsätzlich hinsichtlich des objektiven Tatbestandes des § 212 Abs. 1 StGB gehandelt, da keine hinreichenden Anhaltspunkte dafür bestehen, dass er die Möglichkeit des Todes des Bekannten erkannt und billigend in Kauf genommen hat. Schläge auf den Rumpf eines Menschen lassen keinen Schluss auf einen zumindest bedingten Tötungsvorsatz zu, da sie nicht ohne Weiteres zu Verletzungen führen, die mit hoher oder gar sehr hoher Wahrscheinlichkeit zum Tode führen. Dass die Schläge infolge eines spontanen Entschlusses auf die Beleidigungen erfolgten, deutetet ebenfalls nicht auf eine billigende Inkaufnahme des Todeseintritts hin, da zugunsten des Wohnungsinhabers davon auszugehen ist, dass er annahm, die Beleidigungen unabhängig von einer etwaigen Lebensgefährlichkeit der Schläge durch diese beenden zu können. Zuletzt deutet die erhebliche BAK trotz der Trinkgewohnheit des Wohnungsinhabers darauf hin, dass er die Möglichkeit des Todeseintritts nicht erkannte.

29BGHNStZ 2011, 339, 340; Minder schwerer Fall des Totschlags: Obgleich es zwischen dem Täter und seiner Lebensgefährtin häufig zu heftigen Auseinandersetzungen kommt, in denen der Täter sich nicht aggressiv verhält, während seine Lebensgefährtin ihm gegenüber gewalttätig wird, beziehen die beiden eine gemeinsame Wohnung. Dort wird die Lebensgefährtin wiederholt mit anderen Männern intim und bedroht den Täter mehrfach mit einem Schlagstock. Als es zwischen den beiden abermals zu einer Auseinandersetzung kommt, in deren Verlauf die Lebensgefährtin dem Täter Schläge und Tritte versetzt, versucht dieser vergeblich, die Wohnung durch die von seiner |15|Lebensgefährtin verschlossene Tür zu verlassen. Als seine Lebensgefährtin hierauf fortfährt, ihn zunächst mit einem Besenstiel und anschließend mit einem Antennenkabel zu schlagen, reißt der Täter ihr das Kabel aus der Hand und würgt seine Lebensgefährtin solange, bis diese verstirbt. Hierbei verspürt der Täter Wut, Aggression und Ohnmacht und will, dass seine Lebensgefährtin mit ihrem Verhalten aufhört. – Die Voraussetzungen des benannten minder schweren Falles nach § 213 Alt. 1 StGB liegen vor. Die über einen erheblichen Zeitraum andauernden Provokationen sowie die wiederholten ehrverletzenden Situationen erreichen bei objektiver Betrachtung einen Schweregrad, der das Entstehen von nachhaltiger Wut als verständliche Reaktion erscheinen lässt. Da der Täter zunächst vergeblich versucht hat, die Wohnung zu verlassen und die Tötung in unmittelbarem Zusammenhang mit den weiter andauernden Misshandlungen durch seine Lebensgefährtin erfolgte, ist ferner davon auszugehen, dass er gerade infolge seiner Wut und auf der Stelle zur Tat hingerissen wurde.

3.Mord (§ 211 StGB)

a)Einführung und verfassungsrechtliche Fragestellungen

30Einen Mord begeht, wer sämtliche Voraussetzungen eines Totschlags nach § 212 StGB erfüllt, d.h. einen Menschen vorsätzlich tötet, und hierbei zusätzlich eines der in § 211 Abs. 2 StGB abschließend aufgezählten Mordmerkmale aufweist. Die Verwirklichung eines Mordmerkmales hat zur Folge, dass der vom Täter verübte Totschlag als sozialethisch besonders verwerflich angesehen wird,[64] worauf das Gesetz mit der absoluten Strafdrohung der Verhängung einer lebenslangen Freiheitsstrafe reagiert. Wie das BVerfG bereits zu einem frühen Zeitpunkt ausgeführt hat, darf die verhängte Freiheitsstrafe jedoch auch bei Verwirklichung eines Mordmerkmales nicht außer Verhältnis zur Schwere der Tat und der Schuld des Täters stehen.[65] Dies hat sich zum einen in der durch die Einführung des § 57a StGB erfüllten Forderung niedergeschlagen, dass »auch dem zu lebenslanger Freiheitsstrafe Verurteilten grundsätzlich eine Chance [verbleiben muss], je wieder der Freiheit teilhaftig zu werden. [Denn] das Rechtsstaatsprinzip [gebietet], die Voraussetzungen, unter denen die Vollstreckung einer lebenslangen Freiheitsstrafe ausgesetzt werden kann, und das dabei anzuwendende Verfahren gesetzlich zu regeln.«[66] Wie im Übrigen trotz der allein vorgesehenen Verhängung einer lebenslangen Freiheitsstrafe dem verfassungsrechtlichen Schuld- und Verhältnismäßigkeitsgrundsatz hinreichend Rechnung getragen werden kann, wird unterschiedlich beantwortet, |16|wobei die Auseinandersetzung schwerpunktmäßig im Zusammenhang mit den Mordmerkmalen der Heimtücke und der Verdeckungsabsicht geführt wird.[67]

31Der Große Senat für Strafsachen des BGH hat in unmittelbarer Reaktion auf die Rechtsprechung des BVerfG entschieden, dass der sich im Zusammenhang mit § 211 StGB stellenden verfassungsrechtlichen Problematik mit einer Rechtsfolgenlösung zu begegnen sei. Hiernach soll der Täter zwar auch in den Fällen, in denen die Verhängung einer lebenslangen Freiheitsstrafe wegen des Vorliegens außergewöhnlicher Umstände unverhältnismäßig erscheint, wegen Mordes verurteilt, die Strafe jedoch nach § 49 Abs. 1 Nr. 1 StGB gemildert werden. Dass die Voraussetzungen für eine analoge Anwendung der Vorschrift an sich nicht vorliegen, hält der Große Strafsenat in diesem Zusammenhang für unbeachtlich. Denn das BVerfG habe aufgrund »der Wertvorstellungen der Verfassung und des sich aus dem Rechtsstaatsprinzip ergebenden Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit […] eine Regelungslücke festgestellt, die zwar nicht als ursprüngliche ›planwidrige Unvollständigkeit des Gesetzes‹ […] angesehen werden [könne], die aber einer solchen Unvollständigkeit auf Grund eines Wandels der Rechtsordnung gleichzuachten [sei]. Die Behebung dieser Lücke [habe] das BVerfG dem BGH überlassen. Dem Großen Senat [sei] es nicht verwehrt, sie dadurch zu schließen, daß er in Heimtückefällen auf der Rechtsfolgenseite des Mordes (§ 211 I StGB) an die Stelle lebenslanger Freiheitsstrafe den Strafrahmen des § 49 I Nr. 1 StGB treten lässt, wenn außergewöhnliche Umstände vorliegen, die das Ausmaß der Täterschuld erheblich mindern«[68]. Außergewöhnliche Umstände in diesem Sinne sollen beispielsweise eine vom Tatopfer verschuldete Konfliktsituation, lang andauernde Kränkungen sowie eine notstandsähnliche Tatsituation darstellen.[69] Abgesehen von dem Umstand, dass dieser von Seiten der Rechtsprechung gewählte Ansatz keinerlei Grundlage im Gesetz findet,[70] ist ihm insbesondere entgegenzuhalten, dass der Begriff der »außergewöhnlichen Umstände« wegen seiner weitestgehenden Unbestimmtheit kein verlässliches Kriterium für die Entscheidung konkreter Einzelfälle liefert.

32Auch von Seiten der Literatur ist es bislang nicht gelungen, die durch die absolute Strafandrohung in § 211 StGB aufgeworfenen verfassungsrechtlichen Fragestellungen einer zufriedenstellenden Lösung zuzuführen. Dies gilt zunächst für die Lehre der negativen Typenkorrektur, der zufolge trotz Verwirklichung eines Mordmerkmales eine Verurteilung wegen Mordes nicht erfolgen soll, wenn der Tatrichter unter Abwägung aller Umstände des jeweiligen Einzelfalls zu der Überzeugung gelangt, dass die Tatbestandsverwirklichung |17|nicht als besonders verwerflich anzusehen ist.[71] Entsprechend der bereits an der Rechtsprechung geäußerten Kritik liefert auch dieser Ansatz mit dem Merkmal der »besonderen Verwerflichkeit« kein hinreichend präzises Abgrenzungsmerkmal. Insbesondere ist der Lehre von der Typenkorrektur jedoch entgegen zu halten, dass nach ihr die Verwirklichung eines Mordmerkmales nur indizielle Bedeutung haben und die letztendliche Entscheidung über die Verurteilung wegen Mordes von einem moralischen Wertungsakt des Richters abhängen soll; dies ist mit dem Prinzip der Tatbestandsbestimmtheit nicht zu vereinbaren.[72] Soweit von anderer Seite vorgeschlagen wird, die absolute Strafdrohung durch die analoge Anwendung des § 213 StGB auf den Mordtatbestand zu umgehen, spricht hiergegen bereits der eindeutige Gesetzeswortlaut.[73]

33Als Ergebnis der vorstehend skizzierten Auseinandersetzung bleibt festzuhalten, dass auf Grundlage der gegenwärtigen Gesetzessystematik und entsprechend der in der Literatur vorherrschenden Auffassung die verfassungsrechtlich gebotene Einschränkung des § 211 StGB nur durch eine möglichst restriktive Auslegung der einzelnen Mordmerkmale erzielt werden kann.[74]

b)Die einzelnen Mordmerkmale

34Die einzelnen Mordmerkmale werden in § 211 StGB in drei Fallgruppen eingeteilt. Die 1. Gruppe erfasst Fälle, in denen das der Tötung zugrundeliegende Motiv besonders verwerflich erscheint. Demgegenüber folgt die gesteigerte Verwerflichkeit in der 2. Gruppe aus der Art der Tatausführung und in der 3. Gruppe aus der Zielsetzung des Täters. Bestehen in der Klausur Anhaltspunkte dafür, dass der Täter mehrere Mordmerkmale erfüllt haben könnte, ist auf sämtliche Tatbestandsvarianten einzugehen, auch wenn bereits die Prüfung des ersten in Betracht kommenden Mordmerkmales dessen Verwirklichung ergeben hat.

35Da die Mordmerkmale der 1. und 3. Gruppe an das Vorstellungsbild des Täters anknüpfen, werden sie von der ganz h.  als täterbezogene besondere persönliche Unrechtsmerkmale des subjektiven Tatbestandes eingeordnet, mit der Folge, dass im Fall der Tatbeteiligung mehrerer § 28 StGB zur Anwendung gelangt.[75] Demgegenüber steht bei den Mordmerkmalen der 2. Gruppe die objektive Tatausführung im Vordergrund, so dass es sich um tatbezogene |18|Merkmale des objektiven Tatbestandes handelt, auf die § 28 StGB nicht anzuwenden ist. Bei der Erörterung dieser Mordmerkmale darf die Prüfung des Tatbestandsvorsatzes nicht vergessen werden.

36Abb. 1: Einteilung der Mordmerkmale

aa)Mordmerkmale der 1. Gruppe

37Die motivbezogenen Mordmerkmale der 1. Gruppe stellen subjektive Unrechtsmerkmale dar. Insoweit müssen dem Täter die äußeren Umstände bekannt und die Ziele bewusst sein, aus denen sich die besondere Verwerflichkeit seines Tötungsmotives ergibt.[76] Liegen einer Tötungstat mehrere Motive zugrunde, von denen nur eines als verwerflich anzusehen ist, kann der Täter gleichwohl nach § 211 StGB zu bestrafen sein. Allerdings beruht die vorsätzliche Tötung beim Vorliegen eines solchen Motivbündels nur dann auf dem einschlägigen Mordmerkmal, wenn »das Hauptmotiv oder die vorherrschenden Motive, welche der Tat ihr Gepräge geben«[77] dem Mordmerkmal entspringen. Tötet der Täter seine frühere Ehefrau, die ihn verlassen und sich einem neuen Mann zugewandt hat, kommt es für die Prüfung der Verwirklichung von § 211 StGB beispielsweise darauf an, ob die Tat primär auf Eifersucht und Wut oder auf die Enttäuschung über das »Verlassenwordensein« zurückzuführen ist, da Eifersucht und Wut einen niedrigen Beweggrund darstellen können, während dies für ein Gefühl der Enttäuschung zumindest dann nicht gelten würde, wenn diese im konkreten Fall nachvollziehbar ist (vgl. auch noch Rn. 46).[78]

38|19|Abb. 2: Mordmerkmale der 1. Gruppe

39(1) Mordlust: Das Mordmerkmal der Mordlust erfasst Tötungen, die Ausdruck einer besonderen Missachtung fremden Lebens sind, da die Motivation des Täters (nahezu) ausschließlich darin besteht, einen anderen Menschen sterben zu sehen. Demnach tötet aus Mordlust derjenige, »dem der Tod des Opfers der einzige Zweck der Tat ist [und der] allein aus Freude an der Vernichtung eines Menschenlebens handelt […] Mit diesem Mordmerkmal sollen Fälle erfaßt werden, bei denen weder ein in der Person des Opfers oder in der besonderen Tatsituation liegender Anlaß noch ein über den Tötungsakt selbst hinausgehender Zweck die Tat bestimmt.«[79] Exemplarisch sind Tötungen, die aus Langeweile, »Nervenkitzel« oder aus dem Vergnügen heraus begangen werden, dass es dem Täter bereitet, einem wehrlosen Menschen Schmerzen zuzufügen und einen anderen beim Sterben zu beobachten.[80]

40Da es dem Täter gerade auf die Erzielung eines Lustgewinns infolge der Tötung ankommen muss, muss er mit direktem Vorsatz hinsichtlich des Todeseintritts handeln.[81]

 

41(2) Befriedigung des Geschlechtstriebes: Zur Befriedigung des Geschlechtstriebes tötet, »wer das Töten als ein Mittel zur geschlechtlichen Befriedigung benützt. [Das Mordmerkmal] umfaßt sowohl den sog. Lustmord, bei dem der Täter in der Tötungshandlung selbst sexuelle Befriedigung sucht, als auch den Fall, daß er tötet, um das Opfer geschlechtlich zu mißbrauchen […]. Hierbei ist es unerheblich, ob der Täter von vornherein mit Tötungsvorsatz handelt oder ob er den Tötungsentschluß erst während der Tatausführung |20|faßt; es ist ferner unwesentlich, in welchem Zeitpunkt der Tod des Opfers eintritt«[82]. Erforderlich ist jedoch, dass das Tötungsopfer mit derjenigen Person identisch ist, auf die sich das sexuelle Begehren des Täters bezieht.[83] Ob der Täter die angestrebte sexuelle Befriedigung durch die Tathandlung tatsächlich erreicht, ist für die Tatbestandsverwirklichung demgegenüber unerheblich.[84] In der Klausurpraxis kommt diesem Mordmerkmal nur geringe Bedeutung zu.

 

42(3) Habgier: Tötungen, die aus Habgier begangen werden, kennzeichnen sich dadurch, dass der Täter einen persönlichen wirtschaftlichen Vorteil anstrebt, von dem er annimmt, ihn durch den Tod eines anderen erreichen zu können.[85] Demnach ist das Mordmerkmal erfüllt, »wenn sich die Tat als Folge eines noch über bloße ›Gewinnsucht‹ hinaus gesteigerten abstoßenden Gewinnstrebens um jeden Preis (insbesondere um den Preis des Todes des Geschädigten) darstellt.«[86] Typischer Beispielsfall ist der sog. Raubmord, bei dem die Tötungshandlung mit einem Raub zusammenfällt und die Tötung des Raubopfers erfolgt, um an die Beute zu gelangen bzw. diese ungestört sichern und verwerten zu können.[87] Im Übrigen ist ein Handeln aus Habgier immer dann anzunehmen, wenn die Tat Ausdruck eines rücksichtslosen Strebens nach wirtschaftlichen Vorteilen ist, was in der Regel bei Tötungen gegen Entgelt oder zum Zwecke der Erlangung einer Erbschaft der Fall ist.[88] Auf die Größe des vom Täter erstrebten Gewinns bzw. auf dessen tatsächliches Eintreten kommt es für die Tatbestandsverwirklichung nicht an.[89]

43Nicht einheitlich beantwortet wird, ob der Täter auch dann aus Habgier handelt, wenn es ihm darum geht durch die Tötung eines anderen Aufwendungen zu ersparen. Dies wird teilweise mit dem Hinweis darauf verneint, dass der Tötung in »Vermögenserhaltungsabsicht« nicht zwangsläufig eine gesteigerte Verwerflichkeit innewohne, wie dies bei einer Tötung in »Vermögenserwerbsabsicht« der Fall sei.[90] Dem ist jedoch in Übereinstimmung mit der vorherrschenden Auffassung entgegen zu halten, dass »es nicht darauf ankommen [kann], ob der Täter einen tatsächlichen Gewinn erzielen oder nur Aufwendungen vermeiden will […]. Denn in beiden Fällen geht er in gleich rücksichtslos- und gewissenloser Weise darauf aus, seine Vermögenslage zu mehren.«[91] Zutreffend bejahte der BGH ein Handeln aus Habgier daher in |21|einem Fall, in dem der Täter seine ehemalige Lebensgefährtin getötet hatte, um von der Unterhaltspflicht für das von ihr erwartete Kind freizukommen.[92] Ebenso ist zu entscheiden, wenn der Tat die Absicht zugrunde liegt, einen Verlust zu vermeiden, was etwa dann anzunehmen ist, wenn der Täter einen anderen tötet, um zu verhindern, dass ihm die Beute aus einer vorangegangenen rechtswidrigen Tat abgenommen wird.[93]

44Umstritten ist ferner, ob der Täter auch dann aus Habgier tötet, wenn es ihm darum geht, einen rechtmäßigen Vorteil zu erzielen. Dies ist vor dem Hintergrund der gebotenen restriktiven Auslegung des Mordtatbestandes zu verneinen, obgleich der Gegenauffassung zuzugeben ist, dass die Durchsetzung von Ansprüchen durch die Tötung eines anderen aufgrund des offensichtlichen Missverhältnisses zwischen verfolgtem Ziel und eingesetztem Mittel sozialethisch in besonders hohem Maße zu missbilligen ist.[94] Insoweit wird in entsprechenden Fallkonstellationen häufig Anlass bestehen, die Voraussetzungen eines sonstigen niedrigen Beweggrundes zu prüfen.

 

45(4) Sonstiger niedriger Beweggrund: Ein Mordmerkmal der 1. Gruppe verwirklicht zuletzt, wer aus einem sonstigen niedrigen Beweggrund tötet. Die in § 211 Abs. 2 StGB gebrauchte einleitende Formulierung »sonst« verdeutlicht, dass die vorangestellten Merkmale spezielle Ausformungen von niedrigen Beweggründen darstellen. Als ersten Anhaltspunkt für die Interpretation des letzten Mordmerkmals der 1. Gruppe folgt hieraus, dass unter sonstigen niedrigen Beweggründen nur solche Motive zu verstehen sind, die eine vergleichbar verwerfliche Einstellung des Täters zum Ausdruck bringen, wie dies bei den Merkmalen der Mordlust, der Tötung zur Befriedigung des Geschlechtstriebes sowie der Habgier der Fall ist. Vor diesem Hintergrund geht der BGH in ständiger Rechtsprechung davon aus, dass Beweggründe dann als niedrig anzusehen sind, »wenn sie nach allgemeiner sittlicher Wertung auf tiefster Stufe stehen und deshalb besonders verachtenswert sind. Die Beurteilung dieser Frage hat auf Grund einer Gesamtwürdigung aller äußeren und inneren für die Handlungsantriebe des Täters maßgeblichen Faktoren, insbesondere der Umstände der Tat, der Lebensverhältnisse des Täters und seiner Persönlichkeit zu erfolgen. Bei einer Tötung […] aus Wut oder Ärger kommt es darauf an, ob diese Antriebsregungen ihrerseits auf einer niedrigen Gesinnung beruhen.«[95] Für die Fallbearbeitung in Klausur und Praxis lässt sich aus dieser weit gefassten Definition nicht viel mehr entnehmen, als dass es für die Prüfung der Voraussetzungen eines sonstigen niedrigen Beweggrundes |22|auf eine Gesamtwürdigung sämtlicher der Tatbegehung zugrundeliegenden Faktoren ankommt, worunter insbesondere die Umstände der Tat, die persönlichen Lebensverhältnisse des Täters sowie das Missverhältnis zwischen Tatanlass und -zweck fallen.[96] Im Übrigen ist wegen der generalklauselartigen Ausgestaltung dieses Merkmales dem Gebot der restriktiven Interpretation des Mordtatbestandes besondere Aufmerksamkeit entgegen zu bringen und ein sonstiger niedriger Beweggrund tendenziell nur in eindeutigen Fallkonstellationen anzunehmen.[97] Hierbei bietet es sich an, die Prüfung anhand der nachfolgend skizzierten Fallgruppen vorzunehmen, die von Seiten der Literatur auf Grundlage der zu § 211 StGB ergangenen Kasuistik entwickelt wurden.

46Unter das Mordmerkmal des sonstigen niedrigen Beweggrundes sind zunächst Fälle zu subsumieren, in denen die Tat nicht mehr als verständliche Reaktion auf die Situation, insb. auf das Verhalten des Tatopfers erscheint.[98]