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Als Deutschlands größter Arbeitgeber steht der öffentliche Sektor vor der herausfordernden Aufgabe, mit einem signifikanten Anstieg des Fachkräftemangels umzugehen. Um weiterhin handlungsfähig zu bleiben und seine essenziellen Aufgaben im Bereich Gesundheit, Bildung und Sicherheit zu gewährleisten, ist es unerlässlich, neue Wege zu beschreiten. In diesem Herausgeberband von Rainer Bernnat und Volker Halsch wird erläutert, wie der öffentliche Sektor qualifiziertes Personal anwerben und bestehende Mitarbeitende langfristig an sich binden kann. Hierzu präsentieren die Autor:innen ein umfassendes Maßnahmenpaket, das dazu beitragen kann, den Fachkräftemangel erheblich zu reduzieren. Sie diskutieren Ansätze zur Steigerung der Attraktivität des öffentlichen Sektors, zur Förderung qualifizierter Zuwanderung sowie zur Erleichterung von Quereinsteiger:innen. Darüber hinaus werden Wege aufgezeigt, wie die Effizienz durch eine beschleunigte Digitalisierung, die Steigerung der Arbeitskapazität und die Etablierung von Partnerschaften gesteigert werden kann. Inhalte: - Prognose zur Entwicklung des Fachkräftemangels in der Verwaltung - Kandidatenpool vergrößern: Chancen für längeres Arbeiten nutzen, Ehrenamt stärken, qualifizierte Zuwanderung fördern - Kandidatenpool besser nutzen: Attraktivität des öffentlichen Sektors steigern, Erhöhung der Erwerbsquote von Frauen, Quereinstiege erleichtern - Effizienz erhöhen: Verwaltung schneller digitalisieren, Dresdner Forderungen (Deutscher Städtetag), Innovationsmanagement verbessern, Motivation und Arbeitsfähigkeit stärken - Leistungsumfang optimieren: Managed Services, ÖPPDie digitale und kostenfreie Ergänzung zu Ihrem Buch auf myBook+: - E-Book direkt online lesen im Browser - Persönliche Fachbibliothek mit Ihren BüchernJetzt nutzen auf mybookplus.de.
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Seitenzahl: 480
Veröffentlichungsjahr: 2024
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Rainer Bernnat/Volker Halsch
Strategien für eine starke Verwaltung
1. Auflage 2024, Juni 2024
© 2024 Haufe-Lexware GmbH & Co. KG, Freiburg
www.haufe.de
Produktmanagement: Dipl.-Kfm. Kathrin Menzel-Salpietro
Lektorat: Gabriele Vogt
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Deutschlands gesellschaftliche und politische Stabilität sowie die wirtschaftliche Stärke sind eng verknüpft mit einer funktionstüchtigen öffentlichen Verwaltung. Nicht alleine die Bewältigung multipler Krisen während der vergangenen Jahre hat uns eindrucksvoll vor Augen geführt: Ein jederzeit voll handlungsfähiger öffentlicher Sektor bildet einen stabilisierenden Faktor für ein zukunftsfähiges und politisch akzeptiertes Gemeinwesen, im »Grundbetrieb« wie auch bei der Krisenintervention.
Mehr als fünf Millionen Menschen führen aktuell Tätigkeiten aus, die dem öffentlichen Sektor zuzurechnen sind. Ein Blick auf die Entwicklung der letzten Jahre macht allerdings klar: Viele Positionen im öffentlichen Sektor lassen sich schon heute nicht mehr mit ausreichend Fachkräften besetzen, und zwar auf allen Ebenen. Und nach vorne geschaut: Diese Lücke wächst weiter zunehmend von Jahr zu Jahr, wenn nicht gezielt gegengesteuert wird.
Findet der öffentliche Sektor keine wirksamen Instrumente, um den Fachkräftemangel zu beheben, hat dies weitreichende Konsequenzen für die gesamte Gesellschaft. Im schlimmsten Fall kann eine unzureichende Personalausstattung des öffentlichen Sektors die Funktionsfähigkeit des Staates einschränken oder sogar dazu führen, dass der Staat manche seiner Kernaufgaben nicht mehr erfüllen kann. Während steigende Wartezeiten bei der Anmeldung eines Neuwagens letztlich nur für Unmut in der Öffentlichkeit sorgen, hat eine unzureichende Leistungsfähigkeit in der Gesundheitsversorgung, der Pflege oder im Bereich der Bildung eine geradezu dramatische Auswirkung auf das Gemeinwohl in der Gesellschaft.
Was ist also zu tun, damit der öffentliche Sektor durch ausreichendes Fachpersonal dauerhaft und verlässlich leistungsfähig bleibt? Die meisten seiner Aufgaben – ob bei innerer oder äußerer Sicherheit, ob bei der Bildung oder in der Gesundheitsvorsorge – sind gesetzlich normiert und begründen deshalb zu Recht eine große Erfüllungserwartung bei Bürgerinnen und Bürgern und auch bei Unternehmen.
Diese Publikation stellt in den einzelnen Beiträgen unterschiedliche praxisnahe Lösungsansätze vor, die helfen, der Herausforderung fehlenden Personals wirkungsvoll zu begegnen. Dabei sind die Maßnahmen kombinierbar und können vor dem Hintergrund des bestehenden politischen Handlungsrahmens zügig umgesetzt werden.
Zunächst erfolgt eine Bestandsaufnahme zur quantitativen Entwicklung der Fachkräftesituation in der Verwaltung, eingebettet in die übergreifende Problematik des demografischen Wandels in Deutschland und dessen Auswirkung auf nahezu alle Sektoren. Diese Darstellung wird ergänzt um einen strukturierten Überblick, der aufzeigt, in welchen Größenordnungen ausgewählte Handlungsoptionen den personellen Handlungsdruck in der Verwaltung verringern können.
Die personalwirtschaftlichen Maßnahmen im engeren Sinne zur Behebung des Fachkräftemangels spielen sich grundlegend auf zwei Ebenen ab, wobei beide auf das Ziel einzahlen, das Angebot an Fachkräften zu steigern. Die erste Ebene betrifft Maßnahmen, die helfen, den Pool an möglichen Bewerberinnen und Bewerbern zu vergrößern. Hierzu zählen die Themen Zuwanderung und Ehrenamt ebenso wie eine verstärkte Nutzung der Potenziale lebensälterer Bürgerinnen und Bürger, die sich weiterhin aktiv auf dem Arbeitsmarkt einbringen möchten. Auf der zweiten Ebene werden Wege aufgezeigt, den vorhandenen Pool an Fachkräften verstärkt für den öffentlichen Sektor zu gewinnen, sei es durch ein deutlich optimiertes Arbeitsgebermarketing, welches das Werteverständnis der Generation Z in Verbindung mit den markt- und demografiegetriebenen Voraussetzungen besser abbildet, durch die Erleichterung von – ggf. auch zeitlich befristeten – Quereinstiegen oder die Steigerung der Erwerbstätigkeit von Frauen.
Eine Strategie, die alleine darauf setzt, mehr Personal für den öffentlichen Sektor zu gewinnen, wird allerdings nicht ausreichen, um die Herausforderungen vollumfänglich bewältigen zu können. Es lohnt sich, den Zusammenhang zwischen Personalaufwand, produktiven Prozessabläufen und gesetzlichen Vorgaben im Blick zu behalten. Die Steuerverwaltung ist hierfür ein gutes Beispiel.
Wichtig erscheint vor allem ein genauer und intensiver Blick auf Maßnahmen und Projekte mit direkter Wirksamkeit auf die Effizienz des öffentlichen Sektors. In erster Linie sprechen wir hier über das Thema Digitalisierung der Verwaltung. In der Vergangenheit oft als Maßnahme für Personalabbau diskreditiert, scheint sie heute an vielen Stellen (wenn auch nicht an allen) unabdingbar, um die Verwaltung funktionsfähig zu erhalten, mindestens bei repetitiven Prozessen, aber unter Zuhilfenahme moderner KI auch mehr und mehr bei dispositiven Tätigkeiten. Bei den Themen Innovationsmanagement und Evolution of Work sind ebenso Verbesserungen möglich wie beim altbekannten Thema des personellen Austauschs mit der Privatwirtschaft. Und mit Blick auf das Innenleben von Behörden gibt es viele gute Beispiele, wie Motivation und Arbeitsfähigkeit der Mitarbeitenden gestärkt werden können und die Verwaltung dadurch produktiver wird.
Letztlich geht es auch um die Frage, ob alle Aufgaben, die der öffentliche Sektor heute anbietet, von einer Verwaltungseinheit selbst durchgeführt werden kann bzw. muss. Praxisbeispiele aus den Themenfeldern »Managed Services« und ÖPP (Öffentlich-Private Partnerschaften) zeigen, dass es unter bestimmten Umständen effizient sein kann, Dritte mit bestimmten Funktionen zu betrauen.
Unser Dank gilt dem Haufe-Verlag und insbesondere Frau Salpietro, die uns nicht nur motiviert hat, dieses Buch in Angriff zu nehmen, sondern auf dem Wege bis hin zu dessen Erstellung jederzeit mit Rat und Tat zur Seite stand. Inhaltlich sehr geholfen hat uns die PwC-FachkräftestudiePwC-Fachkräftestudie aus dem Jahr 2022, die auf dem Fachwissen vieler Expertinnen und Experten basiert. Die Ihnen nun vorliegende Publikation ist jedoch insbesondere geprägt von der Bereitschaft der Autorinnen und Autoren, ihre Erfahrungen und Handlungsempfehlungen mit uns zu teilen. Dabei war der persönliche Austausch in der Konzeptionsphase des Buches sehr wertvoll, bei dem auch wir vieles lernen und aus einem neuen Blickwinkel betrachten konnten. Frau Vogt hat der Publikation in seiner Abschlussphase als Lektorin den richtigen Schliff gegeben. Und, last but not least, was wäre ein Buch ohne diejenigen, die das Projekt organisatorisch zusammenhalten und zur richtigen Zeit die richtigen Hinweise geben: Ein großes Dankeschön an Alexandra Denninghoff und Valerie-Celine Nusche.
Die Herausgeber
Dr. Andreas Ette, Prof. Dr. C. Katharina Spieß
Mit der »Formel« des demografischen Wandels in Deutschland ist zumeist gemeint, dass die Bevölkerungszahlen rückläufig sind und somit das Erwerbstätigenpotenzial zurückgeht. Diese Trends sind seit Langem unübersehbar, nur sind die damit verbundenen Herausforderungen heute besonders gravierend, da sie zu spürbaren Konsequenzen für den Arbeitsmarkt und die Gesellschaft führen. Der öffentliche Diskurs konzentriert sich meist auf die augenscheinlichsten Konsequenzen dieser beiden Trends – die Herausforderungen für das umlagefinanzierte System der deutschen Sozialversicherungen. Dabei werden aber Entwicklungen übersehen, die für die Politik und die Gesellschaft nicht weniger wichtig sind und vorausschauendes Handeln erfordern. Das betrifft unter anderem die Konsequenzen des demografischen Wandels für den öffentlichen Dienst: Mit einem abnehmenden Erwerbspersonenpotenzial steigt die Konkurrenz um qualifizierte Arbeitskräfte, sowohl innerhalb des öffentlichen Sektors als auch zwischen dem öffentlichen Sektor und dem privatwirtschaftlichen Bereich.
Für den Staat in seiner Rolle als Arbeitgeber stellen die Erwerbstätigen im öffentlichen Sektor eine seiner wesentlichen Ressourcen dar, denn deren Anzahl und Qualifikationen sind entscheidende Faktoren, welche die Qualität der Leistungserbringung staatlicher Akteure und damit staatlichen Handelns beeinflussen. Die zunehmend größere Kluft zwischen dem Angebot und der Nachfrage nach qualifizierten Fachkräften wirft die Frage auf, wie der öffentliche Dienst seine vielfältigen Aufgaben – vom Gesundheitswesen über den Bildungssektor bis hin zur öffentlichen Sicherheit – zukünftig erfüllen kann.
Der demografische Wandel verschärft aber nicht nur die Konkurrenz um qualifizierte Arbeitskräfte, sondern bringt auch neue Aufgaben für den öffentlichen Dienst mit sich, die neben den demografisch bedingten auch mit gesellschaftlich bedingten Veränderungen in der Bevölkerungsstruktur einhergehen. So steigt seit vielen Jahren die FrauenerwerbstätigkeitFrauenerwerbstätigkeit und immer mehr Eltern – insbesondere Mütter – vereinbaren Familien- und Erwerbsarbeit. Allerdings zeigt sich dies vorrangig in einem Anstieg der Teilzeiterwerbstätigkeit, wobei im europäischen Vergleich nur die Niederlande, Österreich und die Schweiz höhere Teilzeitquoten von Frauen als Deutschland aufweisen. Außerdem verringert sich die Haushaltsgröße privater Haushalte. So gab es beispielsweise bis Mitte der 1990er-Jahre nur 2,2 Millionen Single-Haushalte mit Kindern – heute sind es gut 25 % mehr. Im Jahr 2021 lebten 37 % der Frauen im Alter von 30 Jahren mit Partner oder Partnerin sowie mit Kind(ern) – im Jahr 1996 waren es noch 53 %. Mit diesen Veränderungen der Haushaltsformen und der zunehmenden Frauenerwerbstätigkeit ist beispielsweise der Bedarf an Kindertagesbetreuung außerhalb der Familie sowie an ganztägigen Schulangeboten gestiegen. Mit dem zunehmenden Anteil älterer und vor allem hochbetagter Menschen wird wiederum der Bedarf an qualifizierten Pflegeleistungen in und außerhalb der privaten Haushalte zunehmen, was eine zusätzliche Herausforderung für die Vereinbarkeit von Sorge- und Erwerbsarbeit entlang des Lebensverlaufs für alle Beschäftigten, auch die im öffentlichen Dienst, schafft. Diese Entwicklungen und Herausforderungen für den Arbeitsmarkt verschärfen sich weiter, wenn die geburtenstarken Jahrgänge der späten 1950er- und 1960er-Jahre – die sogenannten BabyboomerBabyboomer – in den RuhestandRuhestand gehen.
Wie der öffentliche Dienst von diesen Herausforderungen im Besonderen betroffen ist und mit welchen Maßnahmen er diesen begegnen kann, ist Gegenstand des vorliegenden Beitrags. Bevor darauf detaillierter eingegangen wird, wird der demografische Wandel im Allgemeinen für Deutschland erläutert, damit darauf aufbauend Ähnlichkeiten und Spezifika für den öffentlichen Dienst diskutiert werden können.
Der demografische Wandel beschreibt im Allgemeinen Veränderungen von AltersstrukturAltersstruktur und Größe einer Bevölkerung durch sich ändernde Geburtenzahlen, Sterbezahlen und Wanderungsbewegungen. Die Bevölkerungsentwicklung in den westlichen Industriestaaten ist durch geringe, unter dem Bestandserhaltungsniveau liegende Geburtenzahlen, eine steigende Lebenserwartung sowie eine steigende Zahl von Sterbefällen charakterisiert. Internationale Wanderungsprozesse wirken diesen Trends in den meisten Ländern entgegen, dennoch werden die Bevölkerungen in den meisten Ländern immer älter, wenn auch nicht so stark wie vielfach angenommen.
Dieser Alterungsprozess ist auch die wesentliche Konsequenz des demografischen Wandels der letzten Jahrzehnte für Deutschland: Die hohe Zahl an Geburten in den 1950er- und 1960er-Jahren – der sogenannte Babyboom – führte dazu, dass noch zu Beginn der 1990er-Jahre Menschen zwischen 20 und 40 Jahren die am stärksten besetzten Altersgruppen repräsentierten. Gleichzeitig war die Generation der über 65-Jährigen stark reduziert – eine Folge des Geburtenausfalls im Ersten Weltkrieg und der zahlreichen Toten während des Zweiten Weltkriegs. Insgesamt lag das Durchschnittsalter der Bevölkerung in Deutschland damals noch bei 39,3 Jahren (siehe Abb. 1).
In den vergangenen drei Jahrzehnten hat der demografische Wandel die Bevölkerungspyramide deutlich verändert – sie ist »oben« dicker und »unten« deutlich dünner geworden. Die nachkommenden Generationen sind seitdem zahlenmäßig immer kleiner als die der Elterngeneration. Der Sockel an Kindern und Jugendlichen – auf dem die Pyramide steht – wird entsprechend zunehmend schmaler. Dieser demografische Alterungsprozess, bei dem sich der Anteil der älteren Bevölkerung relativ zur Gesamtbevölkerung vergrößert, hat auch zur Folge, dass ein großer Teil der heute Erwerbstätigen über 50 Jahre alt ist. In den kommenden Jahren geht mit den Babyboomern ein vergleichsweiser großer Anteil der heute noch erwerbstätigen Menschen innerhalb weniger Jahre in den Ruhestand. Zum Alterungsprozess der Bevölkerung trägt zusätzlich auch bei, dass durch die in den vergangenen Jahrzehnten angestiegene Lebenserwartung deutlich mehr Menschen sehr hohe Lebensalter erreichen als früher (vgl. Sulak et al 2022).
demografischer WandelTrotz dieser Entwicklungen ist das Durchschnittsalter nur um etwas mehr als fünf Jahre auf mittlerweile 44,6 Jahre im Jahr 2021 gestiegen und die Bevölkerung ist insgesamt nicht geschrumpft, sondern hat sich von 80,3 Millionen im Jahr 1991 auf zwischenzeitlich 84,4 Millionen im Jahr 2022 vergrößert. Ein erster Grund für diese unerwartete Entwicklung ist der Anstieg der Zahl der Geburten während der letzten zehn Jahre: Wurden 2012 rund 674.000 Neugeborene registriert, folgte in den kommenden Jahren bis 2016 ein kräftiger Zuwachs auf 792.000 und auch in den Folgejahren pendelten die Geburtenzahlen zwischen 773.000 und 795.000. Während im Durchschnitt der letzten zehn Jahre 758.000 Kinder geboren wurden, waren es nur 682.000 im vorigen Zehnjahreszeitraum. Dafür ist einerseits ein leichter Anstieg der Fertilität der Frauen verantwortlich. Andererseits verbirgt sich dahinter aber auch ein struktureller Effekt beim Aufbau der Bevölkerung: Die vergleichsweise stark besetzten Geburtsjahrgänge der 1980er- und 1990er-Jahre, die sich wiederum vor allem aus Kindern der Babyboomer zusammensetzen, befinden sich mittlerweile in der Phase der Familienbildung (vgl. Fiedler et al. 2023).
Ein zweiter Grund für den Anstieg der Bevölkerungsgröße und den – im Vergleich zu Prognosen der 1990er- und 2000er-Jahre – langsameren Anstieg der Alterung war die hohe internationale ZuwanderungZuwanderung, die insbesondere bei der Altersgruppe der jungen Erwachsenen zu deutlichen Zuwächsen führte. Während Deutschland hinsichtlich des Einflusses der Zuwanderung auf die AltersstrukturAltersstruktur bisher im internationalen Mittelfeld lag (Kraus et al. 2018) und auch zwischen 2000 und 2009 vergleichsweise wenige Menschen nach Deutschland zogen, hat sich die Dynamik seitdem deutlich erhöht. So sind seit 2012 etwa 17,6 Millionen Menschen nach Deutschland gekommen, während rund 11,5 Millionen das Land wieder verlassen haben. Daraus ergibt sich ein Wanderungszuwachs von 6,1 Millionen Menschen. Herkunftsregionen und Motive sind dabei ganz unterschiedlich: Zunächst wanderten vor allem Menschen aus Süd- und Osteuropa zu, die im Rahmen der EU-Freizügigkeitsregelung gekommen sind. Ab Mitte der 2010er-Jahre haben wirtschaftliche und politische Krisen im Nahen Osten dazu geführt, dass viele Menschen aus Syrien, Afghanistan und dem Irak Schutz in Europa gesucht haben. Gleichzeitig nahm auch die Zahl der aus Afrika kommenden Menschen zu. Im letzten Jahr waren es vor allem Frauen und Kinder aus der Ukraine, die ihr Land aufgrund des russischen Angriffskriegs verlassen haben (Sauer et al. 2023).
Abb. 1
: Bevölkerung nach Erwerbsbeteiligung, Geschlecht und Altersjahren in Deutschland, 1991–2021. Quelle: Sulak et al. (2022).
Die internationalen Wanderungsgewinne während des vergangenen Jahrzehnts wirkten der Bevölkerungsalterung und -schrumpfung entgegen. Dennoch stellt der demografische Wandel für viele Bereiche weiterhin eine große Herausforderung dar. Die Zahl der Menschen im erwerbsfähigen Alter (20–64 Jahre) hat von 51,5 Millionen zu Beginn der 1990er-Jahre weitgehend kontinuierlich auf 49,8 Millionen im Jahr 2006 abgenommen. Insbesondere die Zuwanderungsgewinne des vergangenen Jahrzehnts haben dazu beigetragen, dass der Umfang des Erwerbspersonenpotenzials im Jahr 2022 aktuell noch weitgehend dem Niveau des Jahres 2006 entspricht. Der sich aktuell und in den nächsten Jahren vollziehende Übergang der Babyboomer in den Ruhestand wird jedoch aller Voraussicht nach dazu führen, dass sich die Zahl der Menschen im erwerbsfähigen Alter wieder reduzieren und den in manchen Regionen und Wirtschaftssektoren bereits heute bestehenden Mangel an Fachkräften auf dem Arbeitsmarkt weiter verschärfen wird.
In den kommenden Jahren werden jährlich etwa 300.000 Personen mehr in Rente gehen als junge Jahrgänge in den Arbeitsmarkt eintreten. In seiner aktuellen 15. koordinierten Bevölkerungsvorausberechnung geht das Statistische Bundesamt davon aus, dass die Zahl der Menschen im Erwerbsalter bis 2035 bei einer Nettozuwanderung von durchschnittlich 400.000 Personen pro Jahr um insgesamt 1,6 Millionen abnehmen wird. Je niedriger die Annahmen zum jährlichen Wanderungssaldo in diesen Prognosen ausfallen, desto stärker die Abnahme der Bevölkerung im erwerbsfähigen Alter: Bei einer jährlichen Nettozuwanderung von 290.000 Personen würde die Abnahme bis ins Jahr 2025 bereits 3,2 Millionen Menschen betreffen und bei einer Nettozuwanderung von 180.000 Personen pro Jahr etwa 4,8 Millionen (Destatis 2022). Das Institut für Arbeitsmarkt und Berufsforschung (IAB) kommt aufgrund ergänzender Annahmen in seinen Prognosen zu einem ähnlichen und sogar leicht optimistischeren Ergebnis. Es geht davon aus, dass bei einer Nettozuwanderung von 400.000 Personen pro Jahr das Erwerbspersonenpotenzial bis 2035 weitgehend konstant bleiben könnte (Fuchs et al. 2021).
Der demografische Wandel führt somit in den kommenden Jahren dazu, dass das Angebot an qualifizierten Arbeitskräften nicht mit der Nachfrage der Arbeitgeber nach neuen qualifizierten Beschäftigten Schritt halten kann. Der sich daraus für manche Regionen und Wirtschaftssektoren ergebende Fachkräftemangel kann zu einem zentralen Engpass für die wirtschaftliche Entwicklung in Deutschland werden.
Der öffentliche Dienst ist nicht nur maßgeblich für Gestaltung von Politik und vor allem ihre Umsetzung verantwortlich. Mit seinen 5,2 Millionen Beschäftigten im Jahr 2022 ist er auch einer der größten Arbeitgeber. Von den 46,8 Millionen abhängig Erwerbstätigen in Deutschland sind im öffentlichen Dienst rund 11 % beschäftigt – bezieht man den weiteren Bereich der öffentlichen Arbeitgeber noch mit ein, steigt dieser Anteil sogar auf 14 %.
Seit Beginn der 1990er-Jahre war die Zahl der Beschäftigten im öffentlichen Dienst, das heißt, das Personal aller Kernhaushalte, der Sonderrechnungen und der Einrichtungen in öffentlich-rechtlicher Rechtsform, deutlich gesunken: Zwischen 1991 und 2008 sank die Zahl der Beschäftigten von über 6,7 Millionen auf 4,5 Millionen. Dieser Beschäftigungsrückgang im öffentlichen Dienst war eine Reaktion auf die Wiedervereinigung. Die Zahl an Erwerbstätigen im öffentlichen Dienst in Ostdeutschland wurde an die Situation in Westdeutschland angepasst, was bedeutete, dass die Anzahl der Beschäftigten im öffentlichen Dienst in Ostdeutschland stark zurückgegangen ist. Außerdem führten auch weitreichende Privatisierungen zu einem Rückgang bei den Erwerbstätigen im öffentlichen Dienst – dies betrifft Privatisierungen im kommunalen Bereich genauso wie die Privatisierung der Deutschen Bundesbahn und Reichsbahn sowie der Deutschen Bundespost.
Seit 2009 verzeichnete der öffentliche Dienst wieder einen weitgehend kontinuierlichen Anstieg seiner Beschäftigten. Der Anstieg bei den Beschäftigten resultierte im Wesentlichen aus dem Ausbau des Angebots an Kinderbetreuungsplätzen und aus Personalzuwächsen in den Sicherheitsbehörden. So stieg der Anteil der Beschäftigten im Aufgabenbereich »Öffentliche Sicherheit und Ordnung« von 451.000 im Jahr 2012 bis ins Jahr 2021 um 16 % an. Analog entwickelte sich der Bereich »Soziale Sicherung, Familie und Jugend, Arbeitsmarktpolitik«, der im gleichen Zeitraum um 19 % auf heute 879.000 Beschäftigte angewachsen ist.
Diese Veränderungen im öffentlichen Dienst zeigen sich sehr unterschiedlich zwischen den föderalen Ebenen verteilt: So sind im Jahr 2022 im Bereich des Bundes insgesamt 526.000 Personen beschäftigt. Der größte Anteil entfällt auf die Länder mit 2,6 Millionen Beschäftigten und die Kommunen mit 1,7 Millionen Personen. Im Bereich der Sozialversicherung sind weitere 375.000 Personen beschäftigt. Während der öffentliche Dienst des Bundes sowie die Sozialversicherung im Vergleich zum Jahr 2009 praktisch keine Veränderungen in der Zahl der Beschäftigten aufweisen, sind es insbesondere die Bundesländer (+13 %) und der kommunale Bereich (+22 %), die für den Anstieg der Beschäftigtenzahlen verantwortlich sind.
Die AltersstrukturAltersstruktur der Beschäftigten im öffentlichen Dienst ist weniger vom demografischen Wandel im Allgemeinen beeinflusst als vielmehr von den unterschiedlichen Phasen des Abbaus und Ausbaus von Beschäftigten im öffentlichen Dienst. Dennoch lässt sich auch im öffentlichen Dienst ein deutlicher Alterungsprozess beobachten. So stieg das Durchschnittsalter aller Beschäftigten zwischen dem Jahr 2000 und 2022 um 2,2 Jahre auf 44,1 Jahre an (siehe Abb. 2). Auf Grundlage der Entwicklungen bis ins Jahr 2007 wurde im öffentlichen Dienst des Bundes davon ausgegangen, dass es zu einem weiteren Beschäftigungsrückgang und einem weiteren deutlichen Anstieg des Durchschnittalters bis mindestens in das Jahr 2018 kommen würde (Micheel et al. 2010). Der Beschäftigungszuwachs führte jedoch zu einem langsameren Anstieg des Durchschnittsalters, welches seinen Höhepunkt in den Jahren 2014/15 mit 46,9 Jahren erreicht hatte und zwischenzeitlich sogar wieder deutlich gesunken ist. So liegt das Durchschnittsalter im öffentlichen Dienst des Bundes im Jahr 2022 bei 44,8 Jahren.
Abb. 2
: Entwicklung des Durchschnittsalters der Beschäftigten im öffentlichen Dienst nach Beschäftigungsbereich (ohne Berufs- und Zeitsoldaten). Daten: Destatis 2024; Darstellung: BiB.
Im Vergleich der föderalen Ebenen ist das Durchschnittsalter im Bundes- und Landesbereich seit dem Jahr 2014 wieder rückläufig und im kommunalen Bereich seit über zehn Jahren weitgehend konstant. Bei der Sozialversicherung dagegen ist weiterhin ein Anstieg des Durchschnittsalters auf mittlerweile 45,4 Jahre zu beobachten, die damit die durchschnittlich ältesten Beschäftigten aufweist. Grundsätzlich hat der Bundesbereich mit der Gruppe der vergleichsweise jungen Berufs- und Zeitsoldaten und -soldatinnen und seiner hohen Ausbildungsquote die im Mittel jüngsten Beschäftigten – die aber aus Vergleichsgründen aus den hier dargestellten Analysen nicht berücksichtigt wurden. Das sinkende Durchschnittsalter im öffentlichen Dienst der Länder lässt sich u. a. durch das Ausscheiden vieler Lehrerinnen und Lehrer aufgrund ihrer Pensionierung erklären. Durch die Nachbesetzung mit jüngeren Lehrkräften im Schuldienst ist hier bereits seit 2011 kein weiterer Anstieg des Durchschnittsalters mehr zu beobachten (Altis 2018).
Vergleichbar zum allgemeinen demografischen Verlauf steht auch im öffentlichen Dienst mit den Babyboomern eine große Gruppe der Beschäftigten kurz vor dem Eintritt in den Ruhestand oder ist bereits in den letzten Jahren aus dem aktiven Dienst ausgeschieden. Durch die in den letzten Jahren erfolgte Verjüngung der Beschäftigten wurde bereits in den letzten Jahren begonnen, auf die damit verbundenen Herausforderungen zu reagieren. So liegt der Altersquotient – als Anteil der über 50-jährigen Beschäftigten an allen Beschäftigten des öffentlichen Dienstes – mit 40 % im Jahr 2022 in etwa auf dem Niveau des Jahres 2009. Allerdings werden diese 40 % in den kommenden Jahren bis Mitte der 2030er-Jahre in den Ruhestand treten. Wie kann der öffentliche Dienst diesen Veränderungen und dem damit verbundenen Fachkräftemangel begegnen?
Im Kontext des Fachkräftemangels und des abnehmenden Erwerbspersonenpotenzials werden vielfältige Ansatzpunkte diskutiert. Dazu gehören eine Ausweitung des Erwerbsvolumens von Frauen, eine erhöhte Erwerbsbeteiligung von Menschen über 55 Jahren, eine Steigerung des Anteils der Bevölkerung mit einem abgeschlossenen Schul- und vor allem beruflichen Abschluss sowie die Zuwanderung qualifizierter Fachkräfte. Diese Strategien sollen die Auswirkungen des demografischen Wandels und des Fachkräftemangels für den Arbeitsmarkt im Allgemeinen und somit auch für den öffentlichen Dienst mildern.
Darüber hinaus kann der öffentliche Dienst Arbeitsplätze einsparen, indem er die Effizienz der öffentlichen DaseinsvorsorgeEffizienz der öffentlichen Daseinsvorsorge erhöht. Dies ist insbesondere vor dem Hintergrund sinnvoll, dass der demografische Wandel regional äußerst heterogen ausgeprägt ist. Diesbezüglich muss sich auch der öffentliche Dienst anpassen: Leistungen der öffentlichen Daseinsvorsorge müssen in wachsenden Gemeinden ausgebaut, aber in schrumpfenden Gemeinden reduziert werden. Öffentliche Leistungen weitgehend proportional zur relevanten Bevölkerungsgröße anzupassen, könnte jedoch insbesondere in schrumpfenden Regionen auf politischen Widerstand stoßen. Oft wird das Argument ins Feld geführt, dass staatliche Leistungen fix seien und nicht von der Bevölkerungszahl abhängig gemacht werden könnten.
Allerdings ist eine Anpassung in vielen Fällen keine technische Unmöglichkeit, sondern eher eine Frage des politischen Willens und der innovativen Lösungen. Gerade in stark schrumpfenden Gemeinden werden sich einzelne öffentliche Leistungen aus Kapazitätsgründen nicht mehr direkt vor Ort anbieten lassen. Sofern Anpassungsprozesse nicht erfolgen, kann die zukünftige Handlungsfähigkeit des Staates eingeschränkt werden: Die Fixkosten verteilen sich dann auf immer weniger Köpfe und die Mittel für andere, dringend benötigte Leistungen fehlen. Wenn es in einer Region weniger Kinder gibt, wird sie auf Dauer auch weniger Plätze in Schulen benötigen. Für freiwerdende Räumlichkeiten müssen neue Verwendungen gesucht werden und die Lehrkräfte müssen in die Regionen wechseln, wo Schulen aufgrund des dort vorhandenen Bedarfs neu entstehen.
In anderen Berufsfeldern wird es so sein, dass die Beschäftigten, dadurch dass nicht mehr benötigte Leistungen entfallen, durch frühzeitige Fort- und Weiterbildungen auf andere Tätigkeitsfelder wechseln können, die regional mehr gefragt sind. Wenn Erwerbsmöglichkeiten in einer Region wegfallen, kann dies langfristig zwar weitere Fortzüge aus der Region zur Folge haben – mittelfristig können aber auch neue Arbeitsmodelle Entlastung für die Arbeitnehmer als auch den Staat als Arbeitgeber schaffen.
Ein weiterer Ansatzpunkt, um dem abnehmenden Erwerbspersonenpotenzial zu begegnen, wird zunehmend in der Digitalisierung gesehen. Auch hier liegt für den öffentlichen Dienst eine große Chance. So kann der öffentliche Dienst die Digitalisierung für Leistungsverbesserungen und die Einsparung von Arbeitsplätzen nutzen, die nur schwer zu besetzen sind.
Darüber hinaus sollte der öffentliche Sektor die Digitalisierung für Produktivitätssteigerungen nutzen. Hier kann der demografische Wandel zu einem Beschleuniger werden, auch wenn der öffentliche Dienst anders als die private Wirtschaft typischerweise keinem direkten Wettbewerbsdruck unterliegt.
Aber auch aus einer gesamtwirtschaftlichen Perspektive ist eine Beschleunigung der Digitalisierung im öffentlichen Sektor angesichts des demografischen Wandels dringend notwendig. Ohne entsprechende Anpassungen wird der staatliche Sektor den privaten Unternehmen in diesem Bereich dringend benötigte Arbeitskräfte entziehen. Dies ist vor dem Hintergrund relevant, als gegenwärtig die öffentliche Verwaltung im Mittel deutlich niedrigere Nichtbesetzungsquoten als das verarbeitende Gewerbe und die Dienstleistungssektoren hat. Dies legt nahe, dass Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer eine Erwerbstätigkeit im staatlichen Sektor wegen der Lohnhöhe, der Arbeitszeit und der Sicherheit im Beruf attraktiv finden.
Eine Digitalisierung im öffentlichen Dienst ermöglicht vielfältige Effizienzgewinne: Die AutomatisierungAutomatisierung von Routineaufgaben und -prozessen kann die Effizienz der öffentlichen Verwaltung erheblich steigern und zu Kosteneinsparungen führen. Die Automatisierung kann auch helfen, zuverlässigere Dienstleistungen zu entwickeln, und die Etablierung digitaler Plattformen hilft nicht nur, Behördendienste zu rationalisieren, sondern kann diese zudem für die Bürgerinnen und Bürger zugänglicher und benutzerfreundlicher machen. Online-Portale für Aufgaben wie die Einreichung von Steuern, die Beantragung von Genehmigungen oder der Zugang zu sozialen Diensten können Zeit sparen und den Besuch von Ämtern überflüssig machen.
Die Einführung digitaler Workflowdigitaler Workflows unterstützt zudem zeitlich und räumlich flexiblere Arbeitsregelungen, die sich positiv auf die ArbeitszufriedenheitArbeitszufriedenheit, aber insbesondere auch auf den Zugang zu größeren Arbeitsmärkten und damit einer größeren Zahl potenzieller Beschäftigter auszahlen kann.
Zuletzt kann die systematische Nutzung von bestehenden großen Datenbeständen helfen, fundiertere Entscheidungen der öffentlichen Hand zu treffen. Gerade die zunehmende Nutzung von Algorithmen und künstlichen Intelligenzen zur Datenverarbeitung, aber auch bei halb- oder vollautomatisierten Ausführungen von Entscheidungen in Verwaltungsprozessen bringen diese Techniken Potenzial hinsichtlich Effizienz, allerdings auch neue Sicherheitsrisiken und Fehlerquellen mit sich, die ebenfalls bedacht und angegangen werden müssen. Eine effektiv und effizient arbeitende Verwaltung, die die neuesten Innovationen im digitalen Bereich nutzt, kann dennoch dazu beitragen, die Attraktivität einer Gemeinde zu erhöhen, was wiederum mit Zuwanderung und einer positiveren demografischen Entwicklung in der Gemeinde verbunden sein kann.
Das Einsparen von Arbeitskräften in den Bereichen des öffentlichen Dienstes, wo Effizienzgewinne durch die Digitalisierung möglich sind, ist umso wichtiger, da es auch Bereiche im öffentlichen Dienst gibt, in denen eine Digitalisierung keine bzw. nur begrenzt eine Entlastung bringen kann. Dies betrifft insbesondere die Bereiche des öffentlichen Dienstes, bei denen es um Humandienstleistungen geht: So haben die relativ hohen Geburtenzahlen der letzten Jahre zu einem steigenden Bedarf an Kitas und Schulen geführt. Auch der qualitative Ausbau des Bildungssystems und von Ganztagsplätzen in Kitas und Schulen erfordert eine steigende Zahl von pädagogischen Fachkräften. Wenn der Staat in diesen Bereichen Fachkräfte beispielsweise durch höheres Einkommen gewinnen will, dann helfen Effizienzgewinne in anderen Bereichen. Eine solche vorausschauende Beschäftigungspolitik, die in Wachstumsbereiche investiert, aber in schrumpfenden Bereichen Arbeitsplätze abbaut und insgesamt durch die Digitalisierung Aufgaben effizienter und mit weniger Beschäftigten erledigt, hilft dabei, fiskalische Spielräume zu erhalten.
Neben der Steigerung der Effizienz und der Anpassung an den regional heterogen verlaufenden demografischen Wandel kann die Gewinnung neuer Fachkräfte und die Erhöhung der Attraktivität des öffentlichen Dienstes als Arbeitgeber insbesondere bei bisher unterrepräsentierten Bevölkerungsgruppen eine weitere Strategie im Umgang mit dem demografischen Wandel im öffentlichen Dienst sein. Bisher sind Erwerbstätige mit Migrationshintergrund im öffentlichen Dienst in Deutschland unterrepräsentiert. Das gilt insbesondere für das Bildungs- und Wissenschaftssystem, in dem die geringe Anzahl von Erzieherinnen und Erziehern sowie (Hochschul-)Lehrerinnen und (Hochschul-)Lehrern mit Migrationshintergrund angemerkt wird. Es gilt aber auch für den Medien- und Kultursektor, welcher trotz seiner vielfältigen internationalen Bezüge bei seinen Beschäftigten noch nicht die kulturelle Vielfalt der deutschen Gesellschaft abbildet. Gleiches gilt für die politischen Parteien und Interessenverbände sowie die Organisationen der öffentlichen Sicherheit und der öffentlichen Verwaltung.
Während der Anteil von Erwerbstätigen mit Migrationshintergrund im privatwirtschaftlichen Arbeitsmarktsektor in Deutschland im vergangenen Jahrzehnt deutlich zugenommen hat, ist der Anteil von Beschäftigten mit Migrationshintergrund im öffentlichen Dienst nur langsam angestiegen. Diese »demographische Diskrepanz« (Lang 2019: 3) zwischen der migrationsbezogenen Vielfalt in der Privatwirtschaft im Vergleich zur öffentlichen Verwaltung ist nicht neu, sie war jedoch lange Zeit in Deutschland nicht Gegenstand öffentlicher Diskurse. Erst ab Ende der 1990er-Jahre führten die bevorstehenden Auswirkungen des demografischen Wandels für den Arbeitsmarkt und die politische Anerkennung Deutschlands als Einwanderungsland zu einer Auseinandersetzung mit der Teilhabe und Repräsentanz aller Bevölkerungsgruppen in allen Bereichen der Gesellschaft (Foroutan 2019). Anfangs war das Thema der interkulturellen Öffnung der Verwaltung im Wesentlichen lediglich ein Thema der kommunalen Ebene (vgl. Pavkovic 2018). Auf Bundesebene gewann das Thema erst im Rahmen des Nationalen Integrationsplans aus dem Jahr 2007 mehr Aufmerksamkeit. Damals erklärte der Bund, dass er »sich seiner Rolle als Arbeitgeber bewusst [ist]. Er wird im Rahmen seiner Möglichkeiten auch den Anteil des Personals mit Migrationshintergrund nach Eignung, Leistung und Befähigung erhöhen« (Bundesregierung 2007, 17).
Abb. 3
: Anteil der Bevölkerung mit Migrationshintergrund an der Bevölkerung in Deutschland insgesamt sowie im öffentlichen Dienst, 2005–2018. Quelle: Ette et al. (2021).
Für die Entwicklung der interkulturellen Öffnung auf Bundesebene war die erstmalige Durchführung des »Diversität und Chancengleichheit SurveyDiversität und Chancengleichheit Survey« im Jahr 2019 von zentraler Bedeutung. Dessen Ziel war es, umfassende Informationen über die kulturelle Diversität der Beschäftigten in der Bundesverwaltung in Deutschland zu erfassen. Mit dieser Befragung von über 47.000 Erwerbstätigen liegen erstmals belastbare und repräsentative Daten dazu vor. Diese Daten sind weitgehend repräsentativ für die 231.000 Beschäftigten in der Bundesverwaltung (vgl. Ette et al. 2021) und zeigen, dass der Anteil der Beschäftigten mit Migrationshintergrund in der Bundesverwaltung mit 12,0 % deutlich niedriger liegt als deren Anteil in der Bevölkerung im erwerbsfähigen Alter (27,1 %) bzw. in der Privatwirtschaft (26,2 %). Von den 159.000 Beschäftigten der teilnehmenden Behörden der Bundesverwaltung weisen insgesamt 19.000 Personen einen Migrationshintergrund auf, von denen 35,7 % selbst nach Deutschland zugewandert sind, während 64,3 % Nachkommen von Migrantinnen und Migranten und damit in Deutschland aufgewachsen sind. Ein Vergleich mit den Daten des Mikrozensus verdeutlicht ebenfalls, dass die Unterrepräsentation der Bevölkerung mit Migrationshintergrund in der Bundesverwaltung insbesondere auf die geringe Teilhabe der ersten Migrantengeneration zurückführen ist.
Die Betrachtung der AltersstrukturAltersstruktur des Personals zeigt darüber hinaus, dass Beschäftigte mit Migrationshintergrund sowohl in der Privatwirtschaft als auch in der Bundesverwaltung deutlich jünger sind als ihre Kolleginnen und Kollegen ohne Migrationshintergrund. Während 42,0 % der Beschäftigten in der Bundesverwaltung ohne Migrationshintergrund vor dem Jahr 1969/70 geboren wurden, liegt deren Anteil bei den Beschäftigten mit Migrationshintergrund nur bei 25,4 %. Somit bietet sich mit dem in den kommenden Jahren bevorstehenden Ruhestandseintritt der Babyboomer-Generation und der damit einhergehenden erhöhten Personalfluktuation im öffentlichen Dienst ein historisches Fenster, welches für eine höhere kulturelle DiversitätDiversität in der Bundesverwaltung genutzt werden könnte.
Nachdem die interkulturelle Öffnung der Verwaltung im Jahr 2007 erstmals Teil des von der Integrationsbeauftragten initiierten nationalen AktionsplanNationalen Aktionsplans Integration wurde, hat sich Teilhabe und Diversität im öffentlichen Dienst zu einem wesentlichen Thema der aktuellen Bundesregierung entwickelt. Deren Koalitionsvertrag greift die Themen der Teilhabe und Repräsentanz umfassend auf und formuliert das Ziel, allen Bevölkerungsgruppen unabhängig z. B. von Migrationsgeschichte, ethnischer Herkunft, dem Geburtsland oder dem Geburtsort bzw. einer ostdeutschen Herkunft die gleichberechtigte Teilhabe zu ermöglichen und bestehende Diskriminierungen abzubauen. Gleichberechtigte Teilhabe soll in allen Dimensionen des gesellschaftlichen Zusammenlebens – sozial, politisch, kulturell, ökonomisch – verbessert werden.
Die Bundesregierung nimmt insbesondere den öffentlichen Dienst in den Blick und benennt zahlreiche Vorhaben, die zur Verbesserung der Repräsentanz und Anerkennung von Vielfalt in der öffentlichen Verwaltung beitragen sollen. Hierzu zählen u. a. die Einführung eines Diversity-Managements in der Wissenschaft, diversitätsorientierte Stellenbesetzungsoffensiven in der Bundespolizei, die Verbesserung der Repräsentanz von Ostdeutschen in Führungspositionen der Bundesverwaltung, eine Reform der Beförderungsentscheidungen für Richterinnen und Richter an den Bundesgerichten auch unter dem Kriterium der Vielfalt und insbesondere eine »Diversity-Strategie mit konkreten Fördermaßnahmen, Zielvorgaben und Maßnahmen für einen KulturwandelKulturwandel« in der Bundesverwaltung. Zudem sieht der Koalitionsvertrag ein PartizipationsgesetzPartizipationsgesetz vor, welches die Repräsentanz und Teilhabe der Einwanderungsgesellschaft stärken soll (Koalitionsvertrag 2021). Ein wesentlicher Bestandteil der Diversity-Strategie wird ebenfalls die erneute Durchführung des »Diversität und Chancengleichheit SurveyDiversität und Chancengleichheit Survey« im Jahr 2024 darstellen. Somit liegen auch zukünftig belastbare Daten zur diversitätsorientierten Organisationsentwicklung auf Bundesebene vor. Die Studie kann als Vorbild für entsprechende Befragungen in anderen föderalen Bereichen des öffentlichen Dienstes genutzt werden.
Vor dem Hintergrund des demografischen Wandels und des Fachkräftemangels kann eine dritte Strategie daran ansetzen, die Arbeitszufriedenheit der Beschäftigten im öffentlichen Dienst weiter zu erhöhen und damit zum einen den öffentlichen Dienst für andere attraktiver zu machen und zum anderen die Abwanderung von Beschäftigten aus diesem Bereich in die private Wirtschaft zu verringern Darüber hinaus hat die Arbeitszufriedenheit einen unmittelbaren Einfluss auf die Arbeitsproduktivität der Behörden und Einrichtungen des öffentlichen Dienstes.
Die Arbeitszufriedenheit von Beschäftigten hängt von einer Vielzahl von Einflussfaktoren ab, wie beispielsweise der Entlohnung, den Karrieremöglichkeiten, zeitlich und räumlich flexiblen Arbeitszeitregelungen zur Gestaltung der individuellen »Work-Life-BalanceWork-Life-Balance« und weiteren familienfreundlichen Arbeitsregelungen.
Die Arbeitszufriedenheit kann in regelmäßigen BeschäftigtenbefragungBeschäftigtenbefragungen erfasst werden. So sind in vielen Mitgliedstaaten der Europäischen Union und der OECD regelmäßige zentrale Beschäftigtenbefragungen im öffentlichen Dienst ein wichtiger Teil des Personalmanagements. Die Ergebnisse liefern detaillierte Informationen über ihre Beschäftigten und die Situation in den verschiedenen Organisationen und Behörden der öffentlichen Verwaltung (vgl. OECD 2017). Ein prominentes Beispiel ist der »Federal Employee Viewpoint Survey«, welcher seit dem Jahr 2000 – mittlerweile jährlich – unter allen Beschäftigten der Bundesverwaltung in den Vereinigten Staaten durchgeführt wird (Fernandez et al. 2015). Ähnliche Beispiele liegen aus Australien, Kanada, Großbritannien, Irland oder der Schweiz vor. Im Gegensatz dazu erfolgen Befragungen der Beschäftigten im öffentlichen Dienst in Deutschland meist in Verantwortung einzelner Behörden und ohne Veröffentlichung der Ergebnisse außerhalb des Kreises der eigenen Beschäftigten. Für die Beschäftigten des öffentlichen Dienstes in Deutschland als Ganzes oder auch nur der Bundesverwaltung als einem zentralen Bereich liegen keinerlei vergleichbare Daten vor, welche die subjektiven Einschätzungen zu den Arbeitsbedingungen sowie der Wahrnehmung der Organisationskultur umfassen.
Regelmäßige Beschäftigtenbefragungen können eine Vielzahl von Funktionen erfüllen, welche in ihrer Gesamtheit die Entwicklung der Organisationen und die ArbeitszufriedenheitArbeitszufriedenheit ihrer Beschäftigten fördern. In Anbetracht der vielfältigen Aufgaben des föderalen öffentlichen Dienstes in Deutschland, können die Erfahrungen der Mitarbeitenden sehr unterschiedlich sein. Beschäftigtenbefragungen bieten hier ein standardisiertes und dennoch flexibles Verfahren zur Erfassung der Arbeitszufriedenheit an. Durch die regelmäßige Durchführung entsteht ein Barometer, das Informationen über die Entwicklung der organisatorischen Gesundheit des öffentlichen Dienstes und ihrer einzelnen Behörden und Einrichtungen bereitstellt. Die Rückmeldungen aus den Umfragen können dem Arbeitgeber bei der Gestaltung von Arbeitsplatzmaßnahmen helfen, die nicht nur mit den übergeordneten Zielen übereinstimmen, sondern auch den Bedürfnissen und Wünschen der Mitarbeitenden entsprechen. So können beispielsweise Erkenntnisse über die Vereinbarkeit von Familien- und Erwerbsarbeit zur Entwicklung flexiblerer Arbeitsregelungen beitragen. Ein aktuelles Beispiel ist die COVID-19-Pandemie: Die weitreichenden arbeitsorganisatorischen Änderungen, die in den letzten Jahren im öffentlichen Dienst eingeführt wurden, können über zentrale Befragungen schnell und belastbar hinsichtlich ihrer positiven und negativen Entwicklungen untersucht werden. Ein weiterer positiver Aspekt regelmäßiger Beschäftigtenbefragungen ist ihre Rolle bei der Förderung einer Organisationskultur, die Inklusion und Vielfalt beinhaltet. Die Erhebungen können Daten zur Struktur der Beschäftigten, zu beruflichen Chancen als auch zur Wahrnehmung des eigenen Arbeitsumfeldes verschiedener Beschäftigtengruppen liefern und damit Informationen für Strategien zur Förderung von DiversitätDiversität liefern. Zusätzlich haben regelmäßige Beschäftigtenbefragungen im öffentlichen Dienst positive Auswirkungen auf die Mitarbeitendenbindung und die Gewinnung von neuen Fachkräften. In einer Zeit, in der der öffentliche Sektor mit dem privaten Sektor um neue Beschäftigte konkurriert, kann ein Arbeitgeber, der sich aktiv um die Arbeitszufriedenheit seiner Beschäftigten bemüht, ein wichtiges Unterscheidungsmerkmal sein.
Eine zentrale Durchführung von Beschäftigtenbefragungen bietet große Synergien, durch die einerseits Zeit und Kosten gespart sowie andererseits die Datenqualität und Belastbarkeit der Ergebnisse gesteigert werden können. Inhaltlich kann durch die zentrale Durchführung der Erkenntnisgewinn der Befragung steigen, da die Ergebnisse zwischen den Behörden und Einrichtungen verglichen werden können. Anhand von fortlaufenden Befragungsergebnissen können außerdem Fortschritte im Laufe der Zeit verfolgt werden, die weitergehende Veränderungen mit sich ziehen können (»Benchmarking«). Aus wissenschaftlicher Sicht besteht durch die Vergleichbarkeit der Ergebnisse zwischen den Behörden und Einrichtungen sowie über längere Zeiträume hinweg die Möglichkeit, weitergehende Einflussfaktoren auf die Arbeitszufriedenheit oder Mitarbeiterbindung zu identifizieren. Anpassungen im Arbeitsumfeld und andere Reformen können hinsichtlich ihrer Wirkung untersucht werden.
In Deutschland stehen mit dem »Diversität und Chancengleichheit SurveyDiversität und Chancengleichheit Survey« aus dem Jahr 2019 erstmals für 55 Behörden und Einrichtungen der Bundesverwaltung vergleichbare Ergebnisse einer BeschäftigtenbefragungBeschäftigtenbefragung zu den Arbeitsbedingungen und der ArbeitszufriedenheitArbeitszufriedenheit zur Verfügung. Die Erfahrungen der Durchführung im Jahr 2019 sowie die ersten Erfahrungen der Planungen im Jahr 2024 zeigen, dass auf dieser Basis auch in Deutschland vergleichsweise schnell eine zentrale Beschäftigtenbefragung aufgebaut werden kann. Bereits die Ergebnisse aus dem Jahr 2019 verdeutlichen, dass sich die einzelnen teilnehmenden Behörden aus Sicht der Beschäftigten hinsichtlich zentraler Rahmenbedingungen unterscheiden. Die durchschnittliche Arbeitszufriedenheit der Beschäftigten in der Bundesverwaltung beträgt auf der Skala von 0 bis 10 insgesamt 6,8. Betrachtet man hingegen einzelne Behörden aus der Befragung, weicht die Arbeitszufriedenheit ihrer Beschäftigten teilweise deutlich ab (siehe Abb. 4). Zudem bestehen deutliche Unterschiede zwischen verschiedenen Beschäftigtengruppen: Ältere Beschäftigte weisen eine höhere Arbeitszufriedenheit auf als ihre jüngeren Kolleginnen und Kollegen, Erwerbstätige im höheren Dienst sowie Personen mit Führungsverantwortung eine höhere Arbeitszufriedenheit als diejenigen im gehobenen Dienst. Ähnliche Befunde zeigen sich auch für andere zentrale Indikatoren der Beschäftigungssituation, wie dem Arbeitsengagement, der Verbundenheit mit dem Arbeitgeber oder den Wechselintentionen.
Der Fokus der Bundesregierung auf Teilhabe und Vielfalt sowie die Erstellung einer Diversitätsstrategie für die Bundesverwaltung kann Ausgangspunkt dafür sein, hier im Laufe der nächsten Jahre eine regelmäßige, wissenschaftlich fundierte Beschäftigtenbefragung für die Bundesbehörden zur Verfügung zu stellen. Der »Diversität und Chancengleichheit Survey« könnte gemäß den Erfahrungen in anderen Staaten ferner zu einer allgemeinen Beschäftigtenbefragung im öffentlichen Dienst ausgebaut werden. Das Beispiel des Federal Employee Viewpoint Survey (FEVS) aus den USA zeigt, wie diese Daten für erfolgreiche organisatorische Veränderungs- und Entwicklungsinitiativen genutzt werden können. Die Ergebnisse des FEVS werden zudem nicht ausschließlich den teilnehmenden Behörden zur Verfügung gestellt, sondern zusätzlich als »Scientific-Use-file« der Wissenschaft für die Forschung und Reanalysen bereitgestellt. Der FEVS hat sich inzwischen zu der zentralen Datenquelle für verwaltungs- und personalwissenschaftliche Fragestellungen entwickelt.
Abb. 4
: Unterschiede zwischen der durchschnittlichen Arbeitszufriedenheit der Beschäftigten in der Bundesverwaltung insgesamt und 55 einzelnen Behörden der Bundesverwaltung. Quelle: Ette et al. 2021.
Insbesondere durch den Übergang der BabyboomerBabyboomer in den RuhestandRuhestand wird es in den kommenden Jahren zu spürbaren Auswirkungen des demografischen Wandels auf den Arbeitsmarkt im öffentlichen wie im privatwirtschaftlichen Bereich kommen. Auch bei einem weiterhin positiven Wanderungssaldo ist davon auszugehen, dass die Zahl der Menschen im erwerbsfähigen Alter schrumpfen und der bereits heute erkennbare Fachkräftemangel sich weiter verschärfen wird. Der Staat muss sich in seiner Rolle als Arbeitgeber in mehrfacher Hinsicht auf diese demografischen Entwicklungen einstellen.
Erstens sollte sich der öffentliche Dienst auf die auch in den kommenden Jahren demografiebedingt steigende Nachfrage nach pädagogischem Personal in Kitas und Schulen und bei der Pflege vorbereiten. Der Beschäftigungsanstieg der vergangenen Jahre in diesen Bereichen muss auch in den kommenden Jahren fortgesetzt werden. Wenn der Bedarf an Bildungs- und Betreuungspersonal nicht gedeckt werden kann, wird dies zukünftig den Fachkräftemangel noch zusätzlich verschärfen, da dann die Erwerbstätigkeit von Eltern und Pflegenden nicht oder nicht im gewünschten Umfang realisiert werden kann.
Zweitens sollte es zu Effizienzsteigerungen im öffentlichen Dienst kommen. Produktivitätsgewinne lassen sich allerdings kaum in personalintensiven Bildungs-, Betreuungs- und Pflegetätigkeiten erzielen. Umso wichtiger ist es, Arbeitsplätze bei klassischen Verwaltungsvorgängen einzusparen. Mit der Digitalisierung bestehen beispielsweise im Bereich der Finanzverwaltung große Potenziale, die Effizienz zu steigern. Gleichzeitig muss sich der öffentliche Dienst aber auch an den regional unterschiedlich verlaufenden demografischen Wandel anpassen und Arbeitsplätze in schrumpfenden Regionen abbauen, um Handlungsspielräume in anderen Bereichen zu erhalten.
Drittens könnte der öffentliche Dienst als attraktiver Arbeitgeber noch stärker bei solchen Bevölkerungsgruppen um neue Beschäftigte werben, die dort bisher eher unterrepräsentiert sind. Um zukünftig qualifizierte Fachkräfte auch in Konkurrenz mit der Privatwirtschaft zu gewinnen, sollte eine demografiesensible Personalpolitik immer auch eine diversitätsorientierte Organisationsentwicklung umfassen. Die Beschäftigung von Migrantinnen und Migranten sowie ihren Nachkommen ist somit nicht nur als Baustein gesellschaftlicher Teilhabe wichtig, sondern kann auch dabei unterstützen, dem Fachkräftemangel entgegenzuwirken.
Der öffentliche Dienst sollte aber nicht nur neue Beschäftigte gewinnen, sondern muss auch attraktive und konkurrenzfähige Arbeitsbedingungen schaffen, um die Beschäftigten von heute zu halten. Die Erfahrungen des in der Bundesverwaltung durchgeführten »Diversität und Chancengleichheit SurveyDiversität und Chancengleichheit Survey« zeigen, dass regelmäßige und zentral durchgeführte BeschäftigtenbefragungBeschäftigtenbefragungen ein großes Potenzial bieten, um die ArbeitszufriedenheitArbeitszufriedenheit und damit die Produktivität der Beschäftigten in den Behörden und Einrichtungen des öffentlichen Dienstes zu erfassen und dann auch zu steigern. In einer engen Zusammenarbeit zwischen den Behörden und der entsprechenden wissenschaftlichen Begleitung zeigt sich ein wichtiger Ansatzpunkt, um Produktivitätsgewinne im öffentlichen Dienst zu erzielen. Der demografische Wandel stellt somit nicht nur Herausforderungen für den öffentlichen Dienst dar, sondern bietet auch zahlreiche Ansatzpunkte, um auch zukünftig handlungsfähig zu bleiben.
Literatur
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Dr. Sandra Zimmermann
Festzustellen ist längst: Die Arbeitswelt befindet sich im Wandel. Verschärft durch vielfältige aktuelle Krisen – die Klima-, Energie- und Coronakrise, Krisenherde im Nahen Osten und der Ukraine – fordern im Besonderen die sozialen, ökonomischen und technologischen Megatrends wie der demografischer Wandeldemografische Wandel, die Globalisierung sowie die Digitalisierung, die AutomatisierungAutomatisierung und – im deutschen Kontext – die Akademisierung den Arbeitsmarkt heraus.
Die sozial-ökonomische Transformation schlägt sich nunmehr branchen- und berufsgruppenübergreifend auf dem Arbeitskräftemarkt nieder. Wie der aktuelle Arbeitskräftebericht der Deutschen Industrie- und Handelskammer zeigt, berichtet mehr als jedes zweite deutsche Unternehmen von Schwierigkeiten, langfristig offene Stellen zu besetzen (DIHK 2023). Die Nachfrage nach gut ausgebildeten Personen übertrifft den zwar deutlichen, aber immer noch zu geringen Anstieg von Personen mit höheren Bildungsabschlüssen (Piopiunik et al. 2017: 22).1
Ein Blick auf die letzten 30 Jahre zeigt die rasante Veränderung des deutschen Arbeitsmarkts: Die ErwerbstätigenquoteErwerbstätigenquote ist von 1991 bis 2021 um fast 20 % angestiegen, wobei sich 2019, im Jahr vor der Covid-19-Pandemie, die Anzahl der erwerbstätigen Arbeitskräfte auf dem höchsten Stand überhaupt befand (Beckmann/Spohr 2022: 49). Die positive Dynamik wurde hauptsächlich von der gestiegenen FrauenerwerbstätigkeitFrauenerwerbstätigkeit vorangetrieben (Bundesagentur für Arbeit 2022: 5). Einher geht die Feminisierung der Erwerbstätigkeit mit der Tertiarisierung des Arbeitsmarkts (Beckmann/Spohr 2022: 50; Bundesagentur für Arbeit 2022: 4). Deutschland hat sich zu einer DienstleistungsgesellschaftDienstleistungsgesellschaft entwickelt, wodurch Arbeitskräfteengpässe vor allem in diesen spezifischen Branchen und Berufsgruppen bestehen (Beckmann/Spohr 2022: 50). Vor allem zeigt sich aber ein Arbeitskräftemangel in typischen Frauen- und Männerberufen (Hickmann 2022) – in den Frauenberufen insbesondere dadurch, dass TeilzeitarbeitTeilzeitarbeit und Minijobs noch immer Frauendomänen sind (Bundesagentur für Arbeit 2022: 10). Die Erhöhung des Arbeitszeitvolumens von Frauen bietet folglich Potenzial, um Arbeitskräfteengpässen zu begegnen.
Neben dem Anstieg der Frauenerwerbstätigkeit ist auch eine Zunahme der Erwerbstätigkeit älterer Menschen zu verzeichnen (Haustein et al. 2016: 22) – und dennoch führt die »Schrumpfung der Bevölkerung« (Wilke 2016: 221) dazu, dass allgemein gesehen die Anzahl erwerbstätiger Personen stetig sinkt (Kalinowski et al. 2021). Ohne die Zuwanderung wäre diese Tendenz noch stärker, da der Beschäftigungszuwachs des deutschen Arbeitsmarktes stark von dieser geprägt ist. Eine Betrachtung der letzten 10 Jahre zeigt, dass der Arbeitsmarktzuwachs bei Männern auf knapp 2/3 und bei Frauen auf etwas mehr als 1/3 ausländischer Beschäftigter zurückzuführen ist (Bundesagentur für Arbeit 2022: 16). Damit ist die (Arbeits-)Migration bereits ein wichtiger Faktor für den deutschen Arbeitsmarkt, den es zu fördern gilt.
Diese Trends machen auch vor dem öffentlichen Sektor nicht halt und stellen damit nicht nur die Gesellschaft allgemein, sondern auch die Unternehmen im öffentlichen Sektor zunehmend vor große Herausforderungen. Im Folgenden werden die Fachkräftebedarf öffentlicher SektorFachkräftebedarfe im öffentlichen Sektor näher beleuchtet. Hierzu werden zuerst die Grundzüge eines makroökonomischen Arbeitsmarktmodells vorgestellt, aus dem die aktuellen und zukünftigen Fachkräftebedarfe abgeleitet werden. Diese Ergebnisse werden anschließend erörtert und schaffen somit eine empirische Daten- und Faktenlage für die notwendigen Diskussionen und Handlungsmöglichkeiten, um die Fachkräftelücke im öffentlichen Dienst zu schließen bzw. zu verringen. Diese werden auch in den weiteren Beiträgen dieses Sammelbands aufgezeigt.
Der fortschreitende (doppelte) demografische Wandel, die damit verbundene starke Reduktion der Erwerbsbevölkerung, veränderte Ausbildungspräferenzen, zunehmende Digitalisierung und weitere Einflussfaktoren machen es notwendig, möglichst frühzeitig Erkenntnisse über potenziell entstehende Engpässe und Überschüsse an Arbeitskräften zu erhalten. Auf der Basis dieser Informationen können auf politischer und wirtschaftlicher Ebene vorausschauend Maßnahmen getroffen werden, um einer potenziell angespannten Arbeitskräftesituation entgegenzuwirken.
Eine solche Informationsbasis bietet das im Folgenden dargestellte makroökonomische Arbeitsmarktmodell, das Aussagen sowohl über die Entwicklung des Angebotspotenzials als auch des Nachfragepotenzials bis zum Jahr 2030 für verschiedene Wirtschaftszweige in Deutschland und den Bundesländern zulässt. Die Anwendung des makroökonomischen Arbeitsmarktmodells von WifOR ist bereits in einer Vielzahl von Projekten sowohl branchenspezifisch als auch -übergreifend zum Einsatz gekommen (Gerlach, Hryhorova und Hofmann 2021; Runschke u. a. 2019; WifOR 2021; Hofmann u. a. 2019; Hofmann u. a. 2021; Stohr u. a. 2023).
Das Modell ermöglicht die Berechnung des Angebots- und Nachfragepotenzials und die daraus resultierenden Fachkräftebedarfe auf Berufs- und Branchenebene im Zeitverlauf. In der nachfolgenden Abbildung ist das Modell schematisch dargestellt:
Abb. 5
: Schematische Darstellung des makroökonomischen Arbeitsmarktmodells, WifOR (2023)
Das makroökonomische Arbeitsmarktmodell arbeitet mit den amtlichen Arbeitsmarktstatistiken, die in Deutschland verfügbar sind. Für die Modellierung des Angebotspotenzials werden Daten der Beschäftigten und Arbeitslosendaten der Bundesagentur für Arbeit verwendet. Zudem wird auf Datenreihen des Statistischen Bundesamtes – maßgeblich für die Modellierung der Beamt:innen – sowie der Kultusministerkonferenz und der Deutschen Rentenversicherung zurückgegriffen. Ausgehend von den Inputdaten können anhand der folgenden Differenzierungen und Merkmale Kombinationen berechnet werden: Wirtschaftszweig (WZ 2008), Berufsgruppe (Dreisteller, KldB 2010), Anforderungsniveau (Hilfskraft, Fachkraft, Spezialist:in, Expert:in), Geschlecht und Altersgruppe.
Ergänzt werden diese Datenquellen auf der Nachfrageseite um makroökonomische Kennzahlen von Prognos und den veröffentlichen Konjunkturdaten der Industrie- und Handelskammern sowie den offenen Stellen der Bundesagentur für Arbeit.
Im Folgenden werden die Bestandteile der Angebots- und Nachfrageseite kurz vorgestellt.
Das Angebotspotenzial umfasst in dem zugrunde liegenden Modell im Ist-Jahr die Gesamtheit der verfügbaren Arbeitskräfte auf dem Arbeitsmarkt. Es umfasst nicht nur sozialversicherungspflichtig Beschäftigte, geringfügig entlohnte Beschäftigte, Selbstständige und Beamt:innen, sondern auch Arbeitslose. Hierbei werden jedoch nur Arbeitslose, die weniger als ein Jahr erwerbslos sind, berücksichtigt, da angenommen werden kann, dass diese ohne größere Wiedereingliederungsmaßnahmen erneut am Erwerbsleben teilnehmen können. Für die Projektion bis zum Jahr 2030 wird das Angebotspotenzial jahresgenau um die Eintritte der Absolvent:innen aus Studium und Ausbildung sowie die RenteneintrittRenteneintritte bereinigt. Im Ergebnis liegt somit eine Zeitreihe des (theoretisch) verfügbaren Angebotspotenzials vor. In der nachfolgenden Abbildung sind zudem einige grundlegende Annahmen, auf denen die Modellierung des Angebotspotenzials basiert, zusammengefasst.
Abb. 6
: Zusammenfassende Darstellung der Grundannahmen für die Modellierung des Angebotspotenzial (WifOR, 2023)
Das Nachfragepotenzial setzt sich zum einen aus der gedeckten und aus der ungedeckten Nachfrage zusammen. Bei der gedeckten Nachfrage handelt es sich um die Gruppe der Erwerbstätigen (sozialversicherungspflichtig Beschäftigte, geringfügig entlohnt Beschäftigte, Selbstständige und Beamt:innen) aus dem Angebotspotenzial. Damit bildet die gedeckte Nachfrage das Match am Arbeitsmarkt zwischen Nachfrage und Angebot ab.
Die ungedeckte Nachfrage wird über die drei Komponenten der offenen Stellen der Bundesagentur für Arbeit am aktuellen Rand sowie für die Projektion über den Ergänzungs- und Ersatzbedarf modelliert (siehe hierzu Abb. 5).
Der Ergänzungsbedarf, basierend auf der Entwicklung der realen Bruttowertschöpfung nach Wirtschaftszweigen, bezieht seine Daten aus zwei primären Quellen. In den ersten beiden Prognosejahren werden sowohl die Prognosen von Prognos als auch die veröffentlichten Konjunkturumfragen der Industrie- und Handelskammern herangezogen. Die Berücksichtigung aktueller Umfragedaten ermöglicht eine präzisere Integration konjunktureller Verläufe am aktuellen Rand im Vergleich zu reinen Langfristprognosen. Das dritte Prognosejahr fungiert als Übergangsjahr zum langfristigen Wachstumspfad und nutzt ausschließlich die Langfristprognosen von Prognos zur Weiterführung des Zusatzbedarfs.
Hinsichtlich des Ersatzbedarfs werden die Rentenaustritte aus der Angebotsmodellierung abgeleitet. Hierbei wird die grundlegende Annahme getroffen, dass Arbeitskräfte, die den Arbeitsmarkt verlassen, ersetzt werden müssen. Aufgrund des technologischen Fortschritts wird jedoch berücksichtigt, dass nicht jede entstandene Vakanz zwangsläufig ersetzt werden muss. Infolgedessen wird die Entwicklung der Arbeitsproduktivität als dämpfender Faktor in diese Komponente einbezogen.
Die Gesamtnachfrage im makroökonomischen Arbeitsmarktmodell setzt sich aus der gedeckten Nachfrage, den offenen Stellen sowie dem Ergänzungs- und Ersatzbedarf zusammen.
Abschließend kann das Nachfragepotenzial dem Angebotspotenzial gegenübergestellt werden, um den Fachkräftebedarf berechnen zu können.
Das beschriebene Modell kann somit für den öffentlichen Sektor entsprechend kalibriert werden, um die Entwicklung der Fachkräftebedarfe im Zeitverlauf von 2022 bis 2023 zu berechnen.
Im vorherigen Kapitel wurden die Grundzüge des makroökonomischen Projektionsmodells vorgestellt. In der Basismodellierung wird von einem leicht steigenden Nachfragepotenzial ausgegangen, der folgenden Analyse der Fachkräftebedarfe liegt jedoch die Annahme einer konstanten Nachfrage im Zeitverlauf zugrunde. Dies bedeutet, dass von einem optimistischeren Szenario ausgegangen wird, in dem beispielsweise stärkere Produktivitätsgewinne durch eine fortschreitende Digitalisierung realisiert werden.
In der nachfolgenden Abbildung sind das Angebots- und Nachfragepotenzial und der daraus resultierende Fachkräfteengpass bis zum Jahr 2030 dargestellt.
Abb. 7
: Verlauf von Angebots-, Nachfragepotenzial und Arbeitskräftebedarf im öffentlichen Sektor für die Jahre 2022 bis 2030 (WifOR, 2023)
In Zahlen gefasst wird dabei von einer konstanten Nachfrage in Höhe von 5,9 Millionen Arbeitskräften pro Jahr ausgegangen. Das Angebotspotenzial entwickelt sich aufgrund des demografischen Wandels rückläufig, da mehr Erwerbstätige in Rente gehen als Absolvent:innen in den Arbeitsmarkt kommen. Im öffentlichen Sektor lag im Jahr 2022 ein Angebotspotenzial von 5,3 Millionen Personen vor – bis zum Jahr 2030 wird demografiebedingt von einem Rückgang um fast 10 % auf 4,8 Millionen Angebotspotenzial ausgegangen. Bereits für das Jahr 2022 wurde von einem Engpass in Höhe von 609.000 fehlenden Fachkräften ausgegangen. Dieser kann sich bis zum Jahr 2025 bereits auf 809.000 erhöhen. Sollten keine entsprechenden Gegenmaßnahmen ergriffen werden bzw. sich die Annahmen für die Projektion nicht ändern, werden gemäß dem oben dargestellten Szenario 2030 über 1 Million Fachkräfte im öffentlichen Bereich fehlen. Dies bedeutet, dass fast jede fünfte nachgefragte Stelle nicht durch passendes Personal besetzt werden kann.
Das dargestellte Szenario geht mit der als konstant angenommen Nachfrage von einem Positivszenario aus. Sollte die im Basismodell hinterlegte leicht steigende Nachfrage eintreten, würde sich der Engpass im Jahr 2030 auf bis zu 1,6 Millionen fehlende Fachkräfte erhöhen. Zudem gilt zu beachten, dass die Projektionen und Ergebnisse natürlich von den unterstellen Annahmen abhängen. Aber bereits die beiden hier skizzierten möglichen Entwicklungen zeigen, dass sich der Engpass im öffentlichen Sektor in den kommenden Jahren deutlich erhöhen wird, wenn nicht geeignete Gegenmaßnahmen implementiert werden.
Der zunehmende Fachkräfteengpass im öffentlichen Sektor stellt nicht nur die jeweiligen Arbeitsgeber in den kommenden Jahren vor große Herausforderungen. Die Auswirkungen werden auch in den verschiedenen Bereichen des öffentlichen Lebens verstärkt spürbar werden: Längere Wartezeiten in der öffentlichen Verwaltung, möglicherweise eine Reduktion der Dienstleistungen des öffentlichen Sektors in der Daseinsvorsorge oder auch reduzierte Betreuungsangebote können mögliche Folgen sein.
Um diese Engpässe abfedern zu können, bedarf es unterschiedlicher Stellschrauben und ein stringentes Zusammenarbeiten der verschiedenen Akteur:innen. Konkret bedarf es gemeinsamer Aktionen seitens der Politik, der Unternehmen sowie der Beschäftigten, um diesen Wandel gemeinsam erfolgreich bestreiten zu können. Hierzu kann auf beiden Seiten – zum einen eine Erhöhung des Angebots und zum anderen eine Reduktion der Nachfrage – angesetzt werden.
An dieser Stelle sollen nur einige Maßnahmen exemplarisch genannt werden: Hinsichtlich des Angebots sollte versucht werden, entweder mehr Arbeitskräfte für den öffentlichen Sektor zu bekommen, sei es durch gezielte Zuwanderung oder FlexibilisierungFlexibilisierung des Renteneintrittsalters oder durch eine stärkere Nutzung des vorhandenen (gesamtwirtschaftlichen) Angebotspotenzials. Hier könnten QuereinstiegQuereinstiege erleichtert und generell die Attraktivität des öffentlichen Sektors erhöht werden. Eine Reduktion der Nachfrage nach Fachkräften könnte die Engpasssituation ebenso entlasten. Hierbei können sicherlich beispielsweise eine weitere Digitalisierung der VerwaltungDigitalisierung der Verwaltung und der entsprechenden Abläufe die Effizienz erhöhen. Weitere Best-Practice-Beispiele, um dem Fachkräfteengpass im öffentlichen Bereich zu begegnen, finden sich zudem in den weiteren Beiträgen dieses Buches.
Literatur
Beckmann, Fabian/Spohr, Florian (2022): Arbeitsmarkt und Arbeitsmarktpolitik: Grundlagen, Wandel, Zukunftsperspektiven. utb Politikwissenschaft, Soziologie, Wirtschaftswissenschaften. München: UVK Verlag. doi:10.36198/9783838556901.