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"Ein Meisterwerk der Spannung! Blake Pierce ist es auf hervorragende Weise gelungen, Charaktere mit einer psychologischen Seite zu entwickeln, die so gut beschrieben sind, dass wir uns in ihren Köpfen fühlen, ihren Ängsten folgen und ihren Erfolg bejubeln. Voller Wendungen wird Sie dieses Buch bis zur letzten Seite wachhalten." --Books and Movie Reviews, Roberto Mattos (zu VERSCHWUNDEN) STUMMER NACHBAR (Ein Chloe Fine Psycho-Thriller) ist Buch #4 einer neuen spannenden Buchreihe des Bestsellerautors Blake Pierce, dessen #1 Bestseller VERSCHWUNDEN (ein kostenloser Download) über 1.000 Fünf-Sterne-Bewertungen erhalten hat. Als eine protzige, neue Nachbarin in einer Kleinstadt mit ihrem Reichtum prahlt, dauert es nicht lange, bevor sie ermordet aufgefunden wird. Hat ihre Prahlerei ihre neidischen Nachbarn verärgert? Oder gab es ein tieferes Geheimnis für das Vermögen ihres Mannes? FBI ViCAP Spezialagentin Chloe Fine, 27, taucht in eine Kleinstadtwelt von Lügen, Cliquen, Klatsch und Verrat ein, als sie versucht, die Wahrheit von den Lügen zu trennen. Aber was ist die wirkliche Wahrheit? Und kann sie diesen Fall lösen, während sie sich gleichzeitig mit der Entlassung ihres problembelasteten Vaters aus dem Gefängnis und ihrer geplagten Schwester befasst, deren Leben sich in einer Abwärtsspirale befindet. STUMMER NACHBAR, Buch #4 in einer fesselnden neuen Serie, ist ein emotionaler psychologischer Thriller mit vielschichtigen Charakteren, kleinstädtischem Flair und atemberaubender Spannung, der sie bis tief in die Nacht hinein an die Seiten fesseln wird. Buch #5 der Chloe Fine Thriller Serie wird in Kürze erhältlich sein.
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Veröffentlichungsjahr: 2019
Stummer Nachbar
(ein spannender Chloe Fine Psycho-Thriller—Buch 4)
b l a k e p i e r c e
Blake Pierce
Blake Pierce ist Autor der erfolgreichen Mystery-Reihe RILEY PAGE, die aus fünfzehn Bücher (Fortsetzung folgt) besteht. Blake Pierce ist ebenfalls Verfasser der MACKENZIE WHITE Mystery-Reihe, die zwölf Bände (Fortsetzung folgt) umfasst; der AVERY BLACK Mystery-Reihe mit sechs Büchern; der fünfbändigen KERI LOCKE Mystery-Reihe; den drei Büchern der MAKING OF RILEY PAIGE Mystery-Reihe (Fortsetzung folgt); der KATE WISE Mystery-Reihe, die aus drei Büchern besteht (Fortsetzung folgt); der CLOE FINE Psycho-Thriller-Reihe, die bisher drei Bände umfasst (Fortsetzung folgt) sowie der dreiteiligen JESSE HUNT Psycho-Thriller-Reihe (Fortsetzung folgt).
Als treuer Leser und lebenslanger Fan des Genres rund um Mystery und Thriller, hört Blake gerne von Ihnen, also besuchen Sie die Seite www.blakepierceauthor.com, um mehr zu erfahren und in Kontakt zu bleiben.
Copyright © 2019 by Blake Pierce. Alle Rechte vorbehalten. Deutsche Übersetzung: Franziska Humphrey. Außer wie im US Copyright Act von 1976 erlaubt, darf kein Teil dieser Publikation ohne vorherige Genehmigung des Autors in irgendeiner Form oder mit irgendwelchen Mitteln reproduziert, verteilt oder übertragen oder in einer Datenbank oder einem Abfragesystem gespeichert werden. Dieses E-Book ist nur für Ihren persönlichenGebrauch lizenziert. Dieses E-Bookdarf nicht weiterverkauft oder an andere Personen weitergegeben werden. Wenn Sie dieses Buch mit einer anderen Person teilen möchten, erwerben Sie bitte eine zusätzliche Kopie für jeden Empfänger. Wenn Sie dieses Buch lesen und es nicht gekauft haben oder es nicht für Sie gekauft wurde, senden Sie es bitte zurück und kaufen Sie Ihre eigene Kopie.Danke, dass Sie die harte Arbeit dieses Autors respektieren. Dieses Werk ist Fiktion. Namen, Charaktere, Unternehmen, Organisationen, Orte, Ereignisse und Zwischenfälle sind entweder das Produkt der Phantasie des Autors oder werden
BÜCHER VON BLAKE PIERCE
JESSIE HUNT PSYCHOTHRILLER-SERIE
DIE PERFEKTE EHEFRAU (Buch Nr. 1)
DER PERFEKTE BLOCK (Buch Nr. 2)
DAS PERFEKTE HAUS (Buch Nr. 3)
CHLOE FINE PSYCHOTHRILLER-SERIE
NEBENAN (Buch Nr. 1)
DES NACHBARS LÜGE (Buch Nr. 2)
SACKGASSE (Buch Nr. 3)
KATE WISE MYSTERY-SERIE
WENN SIE WÜSSTE (Buch Nr. 1)
WENN SIE SÄHE (Buch Nr. 2)
WENN SIE RENNEN WÜRDE (Buch Nr. 3)
WENN SIE SICH VERSTECKEN WÜRDE (Buch Nr. 4)
WENN SIE FLIEHEN WÜRDE (Buch Nr. 5)
DAS MAKING OF RILEY PAIGE MYSTERY-SERIE
BEOBACHTET (Buch 1)
WARTET (Buch 2)
LOCKT (Buch 3)
RILEY PAIGE MYSTERY-SERIE
VERSCHWUNDEN (Buch 1)
GEFESSELT (Buch 2)
ERSEHNT (Buch 3)
GEKÖDERT (Buch 4)
GEJAGT (Buch 5)
VERZEHRT (Buch 6)
VERLASSEN (Buch 7)
ERKALTET (Buch 8)
VERFOLGT (Buch 9)
VERLOREN (Buch 10)
BEGRABEN (Buch 11)
ÜBERFAHREN (Buch 12)
GEFANGEN (Buch 13)
RUHEND (Buch 14)
BEVOR ER TÖTET (Buch #1)
BEVOR ER SIEHT (Buch #2)
EHE ER BEGEHRT (Buch #3)
BEVOR ER NIMMT (Buch #4)
BEVOR ER BRAUCHT (Buch #5)
BEVOR ER FÜHLT (Buch #6)
BEVOR ER SÜNDIGT (Buch #7)
VORHER JAGT ER (Buch #8)
VORHER PLÜNDERT ER (Buch #9)
VORHER SEHNT ER SICH (Buch #10)
VORHER MACHT ER EINEN FEHLER (Buch #11)
VORHER NEIDET ER (Buch #12)
AVERY BLACK MYSTERY-SERIE
DAS MOTIV (Buch 1)
LAUF (Buch 2)
VERBORGEN (Buch 3)
GRÜNDE DER ANGST (Buch 4)
RETTE MICH (Buch 5)
ANGST (Buch 6)
KERI LOCKE MYSTERY-SERIE
EINE SPUR VON TOD (Buch 1)
EINE SPUR VON MORD (Buch 2)
EINE SPUR VON SCHWÄCHE (Buch 3)
INHALT
PROLOG
KAPITEL EINS
KAPITEL ZWEI
KAPITEL DREI
KAPITEL VIER
KAPITEL FÜNF
KAPITEL SECHS
KAPITEL SIEBEN
KAPITEL ACHT
KAPITEL NEUN
KAPITEL ZEHN
KAPITEL ELF
KAPITEL ZWÖLF
KAPITEL DREIZEHN
KAPITEL VIERZEHN
KAPITEL FÜNFZEHN
KAPITEL SECHZEHN
KAPITEL SIEBZEHN
KAPITEL ACHTZEHN
KAPITEL NEUNZEHN
KAPITEL ZWANZIG
KAPITEL EINUNDZWANZIG
KAPITEL ZWEIUNDZWANZIG
KAPITEL DREIUNDZWANZIG
KAPITEL VIERUNDZWANZIG
KAPITEL FÜNFUNDZWANZIG
KAPITEL SECHSUNDZWANZIG
KAPITEL SIEBENUNDZWANZIG
KAPITEL ACHTUNDZWANZIG
KAPITEL NEUNUNDZWANZIG
KAPITEL DREISSIG
KAPITEL EINUNDDREISSIG
EPILOG
Rosa öffnete die Tür zu dem zweistöckigen Haus und dachte darüber nach, wie seltsam es war, dass manche Menschen Leute engagierten, um ihre Häuser zu putzen, wobei sie ihnen vollen Zugang zu jedem Raum und möglichen Geheimnissen in ihrem Leben gaben. Rosa hatte nun schon seit sechs Jahren in der Falls Church Region in Virginia Häuser geputzt und sie war dabei auf einige unerwartete Dinge gestoßen. Es erschrak sie, wie wenig manche Menschen taten, um ihre Sünden und Geheimnisse zu verbergen.
Sie glaubte jedoch nicht, dass sie bei diesem Paar versehentlich skandalöse Gegenstände oder dunkle Geheimnisse vorfinden würde. Dies war ihr neuester Kunde – der siebte auf ihrer Liste, der ihr dabei half, ihr Ziel zu erreichen, vier Riesen pro Monat nur damit zu verdienen, dass sie Häuser putzte. Nicht schlecht für eine Frau, die für eine Zeit lang kaum ihre dreihundertfünfzig Dollar Miete durch Tische Abräumen bezahlen konnte.
Nein, dieses Paar, die Fairchilds, schienen anständig und frei von jeglichem Drama zu sein. Ein nettes Ehepaar, wenn auch möglicherweise ein wenig zu sehr mit ihrer Arbeit beschäftigt. Der Ehemann war eine Art Finanzmakler, der mindestens einmal im Monat zu Konferenzen in New York und Boston reiste. Die Ehefrau war eine unscheinbare Dame von ungefähr fünfzig Jahren, die nicht viel zu tun schien. Sie war eine Art Social-Media-Influencer – was auch immer das bedeutete. Aber sie waren nett genug, sie waren wohlhabend und sie waren Rosa gegenüber unglaublich herzlich und freundlich ... etwas, was viele ihrer anderen Kunden nicht waren.
Sie trat in das große Foyer und schaute sich in dem geräumigen Wohnzimmer, dem offenen Bereich und der angeschlossenen Küche um, die nur durch eine Bar voneinander getrennt wurden. Das Haus war ihrer Meinung nach viel zu groß für ein Paar ohne Kinder – ein Paar, bei dem der Ehemann ungefähr eine Woche jeden Monat verreist war.
Rosa sah sich im Zimmer um und dachte zu sich, dass dies wieder eine jener Wochen sein würde, in der sie das Gefühl hatte, ihr Geld nicht wirklich zu verdienen. Die Fairchilds waren recht ordentlich und hinterließen das Haus größtenteils sauber. Rosa würde durch den Ablauf gehen, schrubben und saugen und die Fenster putzen, aber im Haus der Fairchilds war dies wirklich keine große Aufgabe.
Sie ging in die Waschküche und in den angrenzenden hinteren Eingangsbereich, wo sie das Spülbecken mit Wasser füllte und ein wenig nach Lavendel duftendes Reinigungsmittel hineinschüttete. Sie dachte sich, dass sie mit den Küchenböden anfangen würde, da dies der am meisten genutzte Raum des Hauses zu sein schien. Während sie darauf wartete, dass die Böden trockneten, würde sie die mit Teppich ausgelegten Räume im Obergeschoss saugen. Sie hasste es, sich so zu fühlen, als würde sie dieses nette Paar ausnutzen, aber sie dachte sich, dass, wenn sie es so aussehen lassen könne, als habe sie alle wichtigen Bereiche des Hauses erreicht, es die Fairchilds als gute Arbeit ansehen würden. Außerdem war es nicht ihre Schuld, dass sie praktisch nichts zum Aufräumen hinterließen.
Während sie darauf wartete, dass sich das Waschbecken zur Hälfte mit Wasser füllte, ging Rosa durch die Küche und zur Treppe. Der Staubsauger befand sich im Wäscheschrank des Obergeschosses, da dies der einzige Bereich im Haus war, der mit Teppich ausgelegt war. Sie nahm an, dass ein neuer Staubsaugerbeutel benötigt werden würde, und wollte gleich nachsehen, bevor sie zu wischen begann und es wieder vergaß.
Sie fand den Staubsauger an seinem gewohnten Platz und überprüfte den Beutel, wobei sie feststellte, dass sie ihn doch noch nicht wechseln müssen würde.Da sie den Staubsauger schon einmal draußen hatte, beschloss sie, ihn in das Hauptschlafzimmer zu ziehen. Es war ein riesiger Raum mit einem Kamin, eingebautem Bücherregal und einem angrenzenden Badezimmer, welches größer als das Wohnzimmer in Rosas Wohnung war.
Die Schlafzimmertür war geöffnet, also trat sie ohne zu klopfen ein. Sie wusste oft nicht, ob Mrs. Fairchild zu Hause war oder nicht, aber sie hatte gelernt zu klopfen, wann immer eine Tür im Haus der Fairchilds geschlossen war. Sie rollte den Staubsauger hinein, hielt jedoch nach ihren ersten drei Schritten in das Zimmer an.
Mrs. Fairchild lag auf dem Bett und schlief. Dies fühlte sich seltsam an, da sie sich ziemlich sicher war, dass Mrs. Fairchild an den meisten Tagen früh aufstand und laufen ging. Sie hätte das Zimmer fast wieder verlassen, da sie sie nicht wecken wollte, aber dann fielen ihr zwei merkwürdige Dinge auf.
Erstens trug Mrs. Fairchild ihre Laufkleidung. Zweitens lag sie auf den Laken und das Bett war frisch bezogen.
Alarmglocken begannen in Rosas Kopf zu läuten und anstatt sich aus dem Raum zurückzuziehen, so wie sie es ursprünglich beabsichtigt hatte, fühlte sie sich so, als würde sie von einer unsichtbaren Hand geleitet werden.
„Mrs. Fairchild?“, fragte sie.
Es gab keine Antwort. Mrs. Fairchild bewegte sich nicht einmal.
Ruf die Polizei, dachte Rosa. Ruf 110 an. Das hier ist nicht gut ... sie schläft nicht nur und du weißt es.
Aber sie musste es genau wissen. Sie ging zwei weitere Schritte vorwärts, bis Mrs. Fairchilds Gesicht zum Vorschein kam.
Ihre Augen waren weit geöffnet und schauten zum Fenster – ohne zu blinzeln. Ihr Mund war teilweise geöffnet. Eine noch relativ frische Blutlache befleckte das Laken knapp über ihrem Kopf. Eine groteske Schnittwunde befand sich deutlich sichtbar an ihrem Hals.
Rosa spürte ein leichtes Jammern in ihrer Kehle aufsteigen. Ihre Knie gaben ein wenig nach, sie schaffte es jedoch, ein paar Schritte zurückzutreten. Als sie mit dem Staubsauger kollidierte, stieß sie einen Schrei aus.
Chloe war oft darüber gewarnt worden, ihr Privatleben und ihrer Karriere getrennt zu halten. Als Bundesagentin neigten die Dinge dazu, ins Wanken zu geraten, wenn diese beiden Welten aufeinandertrafen. Aber um ehrlich zu sein, hatte sie, dank der mentalen Katz-und-Maus-Spiele ihres Vaters, mit dem stetigen Zusammentreffen dieser beiden Welten gelebt, seit sie die Akademie abgeschlossen hatte.
Sie wusste, dass sie viel zu viel Zeit damit verbracht hatte, darüber zu spekulieren, was ihr Vater ihrer Mutter vor fast achtzehn Jahren angetan hatte oder nicht. Dank Danielles Entdeckung des Tagebuches ihrer Mutter hatte Chloe die letzten paar Wochen in einer Wolke der Verwirrung verbracht. Sie war sich nun ziemlich sicher, dass ihr Vater ihre Mutter vor all diesen Jahren tatsächlich ermordet hatte. Sie hatte ihm bis zu diesem Zeitpunkt immer einen Vertrauensvorschuss gegeben – sie hatte versucht, den Mord an ihrer Mutter einem Sündenbock namens Ruthanne Carwile zuzuschreiben.
Aber nun hatte sie es in der Handschrift ihrer Mutter geschrieben gesehen. Jetzt hatte sie mehr als ausreichende Beweise, um nicht nur zu glauben, dass ihr Vater ein Mörder war – sondern auch, dass er ihre Mutter getötet hatte.
Es hatte sie ziemlich schwer getroffen. Wobei Chloe ihr Bestes versucht hatte, damit es ihre Arbeit nicht beeinflusste, hatte es doch fast jeden freien Augenblick, in Anspruch genommen. Sie hatte die ersten zwei Wochen nach der Erkenntnis damit verbracht, allen Anrufen auszuweichen – Danielles, denen ihrer Partnerin, Agentin Rhodes, und denen ihres Vaters.
Ich muss es nur öffentlich machen, dachte sie immer und immer wieder zu sich selbst. Esveröffentlichen, dem Vorstand vortragen und ihn fertigmachen. Ich schließe dieses schmutzige Kapitel meines Lebens ab und stecke diesen Mistkerl hinter Gitter.
Dies war jedoch riskant. Es könnte ihre eigene Karriere beeinflussen. Und mehr als das, denn es gab immer noch das kleine trotzige Mädchen in ihr, eine jüngere Version von ihr, die darauf bestand, dass es vielleicht etwas gab, das sie übersah ... dass ihr Vater auf gar keinen Fall ein Mörder war.
Es war ein innerer Kampf, der dafür gesorgt hatte, dass sie einige Male mit einem Kater zur Arbeit ging. Es war erst zwanzig Tage her, seit sie die Entdeckung in dem Tagebuch gemacht hatte. Und sogar auf der Arbeit, obwohl sie professionell blieb und ihre privaten Dämonen ihren Job nicht behindern ließ, tauchten Einträge aus dem Tagebuch in ihren Gedanken auf.
Heute Nacht hat er mich gewürgt ... und mir ins Gesicht geschlagen. Bevor ich wusste, was passiert war, drückte er mich gegen die Wand und würgte mich. Er sagte, wenn ich ihn jemals wieder missachte, würde er mich töten. Er sagte, dass er etwas Besseres auf sich warten hat, eine bessere Frau und ein besseres Leben ...
Das Tagebuch lag auf ihrem Couchtisch. Sie ließ es dort liegen, damit sie immer daran erinnert wurde ... und sie konnte sich die Erleichterung nicht leisten, es außerhalb ihrer Sichtweite zu haben. Sie behielt es dort als Erinnerung daran, dass sie eine Närrin gewesen war – und dass ihr Vater ihr schon sehr lange etwas vorgemacht hatte.
Zwanzig Tage waren vergangen, fast drei Wochen, seit sie und Danielle endlich zu dem Schluss gekommen waren, dass ihr Vater ihre Mutter getötet hatte, als Chloe mit dem Gedanken spielte, einfach zu seiner Wohnung zu fahren und ihn umzubringen. Es war ein Samstag. Sie hatte um elf Uhr morgens angefangen zu trinken, wobei sie aus dem Fenster ihrer Wohnung auf den DC Verkehr, der unter ihr vorbeizog, starrte. Sie wusste genügend darüber, wie das System funktionierte, um es wie einen Selbstmord aussehen zu lassen. Oder sie wusste, wie sie sonst ihre Spuren gut verstecken konnte. Sie konnte sicherstellen, dass er starb, ohne dass irgendetwas auf sie zurückzuführen war.
Sie hatte sich alles genau überlegt. Sie hatte den Beginn eines Plans in ihrem Kopf, der größtenteils zuverlässig schien.
Aber das ist doch Wahnsinn, oder?, fragte sie sich.
Aber dann dachte sie daran, wie er sie gründlich zum Narren gehalten hatte. Sie erinnerte sich daran, wie treu sie ihm gegenüber gewesen war, als Danielle versucht hatte, sie zu warnen, dass ihr Vater nicht der Mann war, für den sie ihn hielt. Und als sie all dies in Betracht zog, nein ... dann schien die Idee, ihn zu töten doch nicht so drastisch.
Sie schwelgte in einem Tagtraum darüber, eine Waffe auf ihren Vater zu richten und den Abzug zu drücken und begann, das dritte Bier an diesem Tag zu trinken, als ein leises Klopfen an ihrer Tür ertönte. Sie zuckte zusammen; ihr Vater war in den letzten zwanzig Tagen viermal vorbeigekommen, aber sie war auf der anderen Seite immer stumm geblieben. Dieses Klopfen war allerdings anders – der herzschlagartige Takt vom Intro zu „Closer“ von Nine Inch Nails, einem der Lieblingslieder von Danielle. Es war das Klopfzeichen, auf das sie sich geeinigt hatten, damit Chloe wusste, dass sich ihre Schwester auf der anderen Seite der Tür befand.
Mit einem müden Lächeln öffnete Chloe die Tür. Danielle wartete inmitten des Klopfzeichen-Taktes auf der anderen Seite. Sie senkte ihre Hände und warf ihrer Schwester ein Lächeln zu. Es fühlte sich merkwürdig an; Danielle war normalerweise die Grimmige, die Chloe versuchte, aufzumuntern. Es war für den größten Teil ihres Lebens so gewesen, besonders seit Danielle herausgefunden hatte, was für absolute Arschlöcher Jungs sein konnten.
„Schläfst du nicht gut?“, fragte Danielle, als sie eintrat und die Tür hinter sich schloss.
„Nicht wirklich“, sagte Chloe.
„Möchtest du ein Bier?“
„Wie viel Uhr ist es?“
„Mittag? Oder zumindest fast ...“
„Nur eins“, sagte Danielle und musterte ihre Schwester dabei misstrauisch.
Chloe war sich sehr bewusst darüber, dass sie quasi die Rollen getauscht hatten. Als sie den Kronkorken einer Flasche öffnete und diese an Danielle weiterreichte, sah sie die Besorgnis im Gesicht ihrer Schwester. Was in Ordnung war ... es zeigte, dass Danielle erwachsen geworden war. Es zeigte, dass sie angesichts dessen, was sie gemeinsam entdeckt hatten, auf eigenen Beinen stehen konnte, ohne dass ihre Schwester sie unterstützte, wie sie es normalerweise getan hatte.
„Ich weiß, was du denkst“, sagte Chloe.
„Nein, das tust du nicht. Ich hasse es, zu sagen, dass ich die Chloe, die vor Mittag trinkt, irgendwie mag. Ich mag diese launische Fick-dich-Welt Chloe. Aber ich wäre eine schlechte Schwester, wenn ich dir nicht sagen würde, dass ich mir Sorgen um dich mache. Du hast nicht unbedingt den Charakter, um das dunkle und grübelnde Goth-Ding abzuziehen.“
„Bist du deswegen hier?“, fragte Chloe. „Um mir zu sagen, dass du dir Sorgen um mich machst?“
„Teilweise. Aber es gibt noch etwas anderes. Und ich möchte, dass du mir für einen Moment zuhörst, okay?“
„Sicher“, sagte Chloe, als sie sich mit ihren Bierflaschen auf dem Sofa niederließen. Sie entdeckte das Tagebuch ihrer Mutter auf dem Couchtisch und ihre Gedanken kehrten kurz zu der üblen Idee zurück, ihren Vater umzubringen. Und es war dann, als Danielle ihr gegenüber saß, dass sie begriff, dass sie es niemals tun könnte. Sie konnte darüber fantasieren und Pläne schmieden, so viel sie wollte, aber sie würde es nie tun. Sie war einfach nicht diese Art von Person.
„Also, ich erinnere mich daran, vor einer Weile diese Sendung gesehen zu haben ... ein wenig wie eine dieser Ungelöste Mysteriöse Fälle-Dinger“, sagte Danielle.
„Ich hoffe, du willst auf etwas hinaus“, unterbrach Chloe.
„Das tue ich. Jedenfalls ... ging es um diese Frau, die ihrem Bruder das Leben gerettet hat. Schau ... sie waren eineiige Zwillinge. Fünf Minuten auseinander geboren oder so ähnlich. Eines Abends kocht sie Abendessen für ihre Familie und sie spürt dieses scharfe Stechen in ihrem Kopf ... so als spräche jemand mit ihr. Sie hatte das überwältigende Gefühl, dass ihr Bruder in Schwierigkeiten steckt. Es war so stark, dass sie aufhörte zu tun, was sie gerade tat und ihn anrief. Als er nicht ans Telefon ging, rief sie die Freundin ihres Bruders an. Die Freundin ging zum Haus des Bruders und stellte fest, dass jemand in sein Haus eingebrochen war und ihn angeschossen hatte. Er blutete stark, als die Freundin ihn fand, aber sie rief eins-eins-zwei an und rettete ihm letztendlich das Leben. Alles beruhte auf diesem seltsamen Gefühl, das seine Zwillingsschwester empfand.“
„Okay ...“
Danielle verdrehte ihre Augen. Chloe merkte, dass sie sehr intensiv über ihre nächsten Worte nachdachte. „Ich habe so etwas vor etwa vierzig Minuten gespürt“, sagte sie. „Nicht einmal annähernd so stark, wie es diese Fernsehsendung dargestellt hat, aber es war da. Es war stark genug. Und es war ... nun, es war komisch.“
„Niemand ist eingebrochen“, sagte Chloe. „Ich wurde nicht angeschossen.“
„Das kann ich sehen. Aber ... ich weiß nicht. Ich hatte dieses komische Zwillingsgefühl. Ich hatte das Gefühl, dass ich hier sein müsse. Entschuldige, wenn das dumm klingt. Aber ... gibt es irgendetwas, das ich, dadurch, dass ich aufgetaucht bin, verhindert habe?“
Chloe schüttelte ihren Kopf. Aber sie dachte: Du hast mich nur davon abgehalten, den Mord an unserem Vater zu planen. Sie gab ein sanftes, kleines Lachen von sich und nahm einen Schluck von ihrem Bier.
„Es geht dir nicht gut“, sagte Danielle. Sie nickte zur Bierflasche hinüber. „Wie viele davon werde ich leer im Mülleimer finden?“
„Zwei. Und es tut mir leid ... aber wer bist du, dir Sorgen um die Trinkgewohnheiten eines anderen zu machen? Wer im Glashaus sitzt, sollte nicht mit Steinen werfen.“
„Oh, mir ist das Trinken egal. Betäube dich, wie du es für richtig hältst. Aber ich weiß auch, dass es dir nicht ähnlich sieht, dich zu betäuben. Das war noch nie so. Du bist die Vernünftige ... die Kluge. Ich bin hier, weil du in meine alten Strategien, Dinge zu bewältigen, eingetaucht bist. Das ist es, was mich besorgt.“
„Es geht mir gut, Danielle.“
Danielle verschränkte ihre Arme und lehnte sich auf dem Sofa zurück. Wenn es sich in diesem Gespräch um gut gemeintes Aufziehen gehandelt hatte, dann spürte Chloe, wie es mit dieser einfachen Geste verschwand.
Danielles Blick fühlte sich eisig an.
„Du willst mir also sagen, dass nach dem letzten Jahr, in dem du mir die Großartigkeit unseres Vaters verkündet hast ... ich es einfach gut sein lassen soll? Du und ich sind mehrere Male wegen ihm angeeckt und du hast immer zu ihm gestanden. So wie ich das sehe, verdiene ich etwas Ehrlichkeit, Chloe. Ich bin nicht doof. Diese Überraschung mit Dad hat dich durcheinandergebracht.“
„Natürlich hat es das.“
„Sag mir also, was du denkst. Sag mir, was wir jetzt tun werden. Wenn ich ganz ehrlich bin, verstehe ich nicht, warum du ihn noch nicht ausgeliefert hast. Ist das Tagebuch nicht ausreichend, um ihn zu verurteilen?“
„Glaubst du nicht, dass ich daran gedacht habe?“, fragte Chloe und wurde langsam wütend. „Und nein ... das Tagebuch ist nicht ausreichend. Es könnte genug sein, um den Fall erneut zu eröffnen, aber das wäre es auch schon. Es gibt keine stichhaltigen Beweise ... und die Tatsache, dass es bereits ein Gerichtsverfahren gab und unser Vater ins Gefängnis gesteckt und dann freigelassen wurde, macht es noch schwieriger. Werfen wir noch Ruthanne Carwiles jüngstes Urteil dazu und es wird zu einem einzigen, großen Durcheinander.“
„Du sagst also, er wird wahrscheinlich damit durchkommen?“
Chloe gab ihr keine Antwort. Sie trank den Rest ihres Bieres und ging in die Küche. Sie öffnete die Kühlschranktür, um ein Neues zu holen, hielt dann jedoch inne. Langsam schloss sie die Tür wieder und lehnte sich gegen die Küchenzeile.
„Ich bin mir darüber bewusst, dass dies hauptsächlich mein Fehler ist“, sagte Chloe. Es war schwer, dies zuzugeben. Die Worte schmeckten wie Säure in ihrem Mund, als sie sie aussprach.
„Ich bin nicht hier, um dir die Schuld zu geben, Chloe.“
„Ich weiß. Aber es ist, was du denkst. Und ich werfe dir deshalb nichts vor. Jetzt, wo ich gesehen habe, was in dem Tagebuch steht und ... ich weiß nicht ... so etwas wie ein Gespür für ihn habe ... denke ich es auch. Wenn ich auf dich gehört hätte, bevor all das hier begonnen hat, dann wäre es jetzt anders. Vor Ruthanne, vor meinem Job bei der Behörde ...“
„Tu das nicht. Lass uns einfach nach vorne schauen. Lass uns wir herausfinden, was wir tun können.“
„Es gibt nichts!“
Chloe überraschte sich selbst, als sie ihre Schwester mit den Worten anschrie. Aber als sie einmal raus waren, fand sie es schwer, sie wieder zurückzunehmen.
„Chloe, ich …“
„Ich habe es vermasselt. Ich habe dich und Mom und mich selbst im Stich gelassen. So ist das nun. Ich werde jetzt damit leben müssen und einfach ...“
„Aber wir können gemeinsam eine Lösung finden, oder? Schau ... ich mag diesen Rollentausch und alles, aber ich kann es nicht ertragen, wenn du dich so fertigmachst.“
„Nicht jetzt. Ich kann damit momentan nicht umgehen. Ich muss ein paar Dinge herausfinden.“
„Dann lass mich helfen.“
Chloe fühlte sich erdrückt. Sie spürte außerdem, wie sich ein weiterer Ausbruch anbahnte, aber sie ballte die Fäuste und war in der Lage, sich zurückzuhalten.
„Danielle“, sagte sie so langsam und geduldig, wie es ihr möglich war, „Ich weiß deine Empfindungen zu schätzen und ich liebe dich dafür, dass du so besorgt bist. Aber für den Augenblick muss ich mich alleine darum kümmern. Je länger du drängst und dich einmischst, desto schwieriger wird es. Also bitte ... für den Moment ... kannst du einfach gehen?“
Chloe beobachtete, wie sich etwas in Danielles Gesichtsausdruck veränderte. Es sah nach Enttäuschung aus. Oder vielleicht war es etwas, dass Traurigkeit näherkam. Chloe konnte es nicht genau sagen und ehrlich gesagt war es ihr in diesem Moment egal.
Danielle stellte ihr Bier auf den Couchtisch – nicht einmal ein viertel leer – und sie stand auf. „Ich möchte, dass du mich anrufst, sobald du fertig damit bist, distanziert zu sein.“
„Ich bin nicht distanziert.“
„Ich weiß nicht, was du bist“, sagte Danielle, als sie die Tür öffnete, um zu gehen. „Aber distanziert klang besser als Zicke.“
Bevor Chloe etwas erwidern konnte, verließ Danielle ihre Wohnung und schloss die Tür hinter sich.
Chloe wünschte sich, Danielle hätte die Tür hinter sich zugeschlagen. Zumindest hätte es dann noch das Gefühl gegeben, dass Danielle genau so verrückt wie Chloe war. Aber da war nur das leise Klicken der sich schließenden Tür und nichts weiter.
Am Sonntag befand sich Chloe auf einem Besucherparkplatz vor dem DC Bundesgefängnis. Sie betrachtete das Gebäude für einen Moment, bevor sie aus dem Auto stieg und versuchte, herauszufinden, warum genau sie dort war.
Sie kannte die Antwort, aber es fiel ihr schwer, es sich einzugestehen. Sie war dort, weil sie Moulton vermisste. Dies war eine Wahrheit, die sie nie laut aussprechen würde, ein wunder Punkt, der ihr schwerfiel zu verarbeiten. Aber die Wahrheit war schlicht und ergreifend, dass sie jemanden brauchte, der sie tröstete und seit sie nach DC gezogen war, hatte sie Moulton für diese Person gehalten. Seltsamerweise war das etwas, das sie nicht realisiert hatte, bis er aufgrund seiner Beteiligung an einem Finanzbetrug ins Gefängnis geschickt worden war.
Zuerst hatte sie gedacht, dass sie ihn nur aufgrund der körperlichen Intimitäten vermisste – dem Bedürfnis, von einem Mann gehalten zu werden, wenn sie sich entmutigt und verloren fühlte. Aber nachdem Danielle gestern gegangen war und Chloe sich verzweifelt danach sehnte, mit jemandem darüber zu reden, was in ihr vor sich ging, hatte sie nur an Moulton gedacht.
Mit einem letzten Motivationsschub stieg Chloe aus ihrem Auto und ging durch die Eingangstüren. Sie benutzte ihren Ausweis, um hineinzugelangen, schrieb sich ein und saß dann in einem kleinen Wartebereich, während ein Wachmann hineingeschickt wurde, um Agent Moulton zu holen. Der Wartebereich war im Grunde leer; anscheinend war Sonntag nicht der beliebteste Tag, um problematische Angehörige im Gefängnis zu besuchen.
Weniger als fünf Minuten später erschien Moulton durch die Tür im hinteren Teil des Raumes. Der Raum selbst war wie eine Art kleine Lounge eingerichtet. Chloe saß auf einer Couch, auf die Moulton langsam zukam. Er schaute sie mit einem skeptischen Lächeln auf den Lippen an, so als versuche er, sie zu lesen.
„Ist es in Ordnung für dich, wenn ich hier sitze?“, fragte er unsicher.
„Ja“, sagte sie und rutschte zur Seite, um ihm Platz auf der Couch zu machen.
„Es ist schön, dich zu sehen“, sagte er sofort. „Aber ich muss auch gestehen, dass es sehr unerwartet ist.“
„Wie wirst du hier drin behandelt?“
Er verdrehte seine Augen und seufzte. „Es sind hauptsächlich Typen wie ich. Wirtschaftskriminelles Zeug. Ich mache mir nie wirklich Sorgen, dass ich in der Dusche angesprungen oder auf dem Gefängnishof zusammengeschlagen werde, wenn es das ist, was du meinst. Aber ich möchte gar nicht darüber reden. Wie läuft die Arbeit? Arbeitest du an etwas Interessantem?“
„Nein. Sie haben mich wieder mit Rhodes zusammengetan. Sie und ich haben an diesem Profilerstellungsprojekt gearbeitet. Es ist manchmal ein wenig langweilig, aber es sorgt dafür, dass wir beschäftigt sind.“
„Kommt ihr zwei miteinander aus?“
„Besser als das erste Mal, so viel steht fest.“
Er beugte sich näher und warf ihr erneut einen skeptischen Blick zu.
„Was bringt dich also an diesen Ort, Fine?“
„Ich wollte dich sehen.“
Er lächelte. „Das sorgt dafür, dass ich mich viel besser fühle, als ich es sollte. Aber ich kaufe es dir nicht ab. Nicht ganz zumindest. Was ist los?“
Sie schaute von ihm weg und begann, sich zu schämen. Bevor sie sich ihm wieder zuwandte, war sie endlich in der Lage, so etwas wie eine Antwort hervorzuquieken: „Mein Vater.“
„Dein Vater? Derjenige, der vor ein paar Monaten wieder in deinem Leben aufgetaucht ist? Derjenige, der die letzten zwanzig Jahre hauptsächlich im Gefängnis verbracht hat?“
„Ja, genau der.“
„Ich dachte, du wärest größtenteils glücklich darüber?“
„Das war ich auch. Aber dann kam etwas anderes zum Vorschein. Und dann noch etwas. Es ist einfach nur dieser riesige Haufen Mist, der immer wieder aufgestockt wird. Und diese letzte Sache, die ich herausgefunden habe ... ich weiß auch nicht. Ich glaube, ich brauche einfach jemanden, der nicht mit ihm verbunden ist, der mir seine Meinung sagt.“
„Vielleicht jemand, der, bevor er ins Gefängnis geworfen wurde, mal eng mit dir zusammengearbeitet hat?“
„Vielleicht“, sagte sie und warf ihm ein Lächeln zu, das sich ein bisschen zu flirtend anfühlte.
„Nun, diese Geschichte zu hören wäre vermutlich das Spannendste, was ich in den letzten zwei Wochen oder so getan habe. Also schieß los.“
Chloe brauchte ein paar Sekunden, bevor sie den Mut fassen konnte, über ein so persönliches Thema zu sprechen, aber sie wusste, dass es getan werden musste. Und als sie begann, Moulton von Danielles steten Warnungen vor ihrem Vater zu erzählen, so wie auch von den Enthüllungen, die sie in dem Tagebuch gefunden hatte, verstand sie, weshalb sie sich geweigert hatte, mit Danielle darüber zu reden; es öffnete sie für Verwundbarkeit. Und das war kein Zustand, in dem Danielle sie je gesehen hatte.
Wobei sie Moulton alles erzählte, behielt sie einige der privateren Details für sich – besonders wenn es um Erinnerungen ging, die den Tod ihrer Mutter betrafen. Aber über die Dinge zu sprechen, die sie hervorbrachte, war äußerst hilfreich. Sie wusste, dass dies im Grunde nichts weiter als ein Dampfablassen war. Wie dem auch sei, fühlte es sich immer noch so an, als wäre ein Gewicht von ihren Schultern genommen worden.
Es half, dass Moulton sie nie befragte oder auch nur sein Gesicht verzog, um seine wahren Gefühle in dieser Angelegenheit zu zeigen. Er wusste, was sie brauchte; sie brauchte einfach nur jemanden, der zuhörte – jemanden, der ihr vielleicht sogar einen Rat geben konnte.
„Ich nehme an, du hast in Betracht gezogen, dies mit Johnson zu besprechen?“, fragte er, als sie fertig war.
„Das habe ich. Ich habe viel darüber nachgedacht. Aber du weißt genau so gut wie ich, dass nichts getan werden würde, nur weil vor zwei Jahrzehnten ein paar Tagebucheinträge verfasst wurden. Wenn überhaupt würde es ihm nur helfen. Sobald die Polizei oder das FBI ihn befragen würden, wüsste er sofort, dass etwas los ist.“
„Denkst du, dass er weglaufen würde?“, fragte Moulton.
„Ich weiß es nicht. Du musst dir bewusst darüber sein, dass ... ich ihn wirklich nicht so gut kenne. Er hat die meiste Zeit meines Lebens im Gefängnis verbracht.“
„Und was ist mit dir und deiner Schwester? Fühlst du dich sicher? Denkst du, er wäre hinter dir her?“
„Zweifelhaft. Er sieht mich noch immer als seine Vertraute an. Obwohl ich mir sicher bin, dass er vermuten könnte, dass etwas los ist, da ich seine Anrufe oder SMS nicht beantwortet habe. Und ich öffne ihm nicht die Tür, wenn er vorbeikommt.“
Moulton nickte verständnisvoll. Er schaute sie auf eine Art und Weise an, die leicht unangenehm war. Es war derselbe Ausdruck, den sie vor einem Monat oder so in seinen Augen gesehen hatte, als sie beinahe miteinander geschlafen hätten. Und Gott stehe ihr bei, sie wollte ihn in diesem Moment unheimlich dringend küssen.
„Du weißt, was du tun musst“, sagte er. „Ich weiß nicht, ob du hergekommen bist, weil du gehofft hast, dass ich dir zustimmen würde oder so etwas.“
„Ich weiß.“
„Dann sag es. Sprich es laut aus und mach, dass es Wirklichkeit wird.“
„Ich muss es selbst herausfinden. Keine offizielle Untersuchung, aber ... ihn im Auge behalten, schätze ich.“
„Meinst du, dass das bedeutet, sich wieder bei ihm zu melden?“, fragte Moulton. „Vielleicht so weiterzumachen, als ob alles so wäre, wie es war, bevor du diese Tagebucheinträge gelesen hast?“
„Ich weiß es einfach nicht.“
Eine kurze Stille breitete sich zwischen ihnen aus, welche Moulton schließlich mit einem Seufzer beendete. „Es gibt eine Menge Dinge, die ich, aufgrund dessen, was ich getan habe, verpassen werde“, sagte er. „Um ehrlich zu sein, zu viel Zeug, um darüber überhaupt nachzudenken. Aber eines der Dinge, die ich wirklich anfange zu bereuen, ist, dass ich denke, dass du und ich ziemlich großartig hätten sein können.“
„Ich versuche, nicht daran zu denken.“
Er nickte, schaute ihr in die Augen und beugte sich dann langsam vor. Sie fühlte sich wie ein Magnet zu ihm hingezogen und spürte sogar, wie sich ihre Lippen teilten, um ihn zu küssen. Aber sie drehte in letzter Sekunde ihren Kopf.
„Es tut mir leid. Ich kann nicht. All dieser Schwachsinn mit meinem Vater ... das Letzte, was ich brauche, ist eine merkwürdige Beziehung zu einem Kriminellen.“
Er gluckste und legte seinen Kopf spielerisch auf ihre Schulter. „Du hast recht“, sagte er, hob seinen Kopf und schaute sie an. „Aber hey ... ich beharre auf das Recht, dich anzurufen, sobald ich hier rauskomme.“
„Und wie lange wird das dauern?“, fragte Chloe.
„Offiziell ein paar Jahre. Aber gutes Benehmen und ein paar Gesetzeslücken ... niemand ist sich bis jetzt ganz sicher. Es könnte so wenig wie nur acht Monate sein.“
„Ja ... ich spreche dir das Erstrecht zu“, sagte sie.
„Etwas, auf das ich mich freuen kann ... das ist gut. Denn dieser Ort ist scheiße. Das Essen ist allerdings ... besser, als ich es erwartet habe.“
Sie wurde daran erinnert, weshalb sie seine Gesellschaft genoss. Er hatte das unangenehme Gespräch über ihren Vater problemlos in etwas anderes verwandelt. Und er hatte dies getan, ohne dass sie sich wie eine Last fühlte.
Sie saßen für weitere fünfzehn Minuten auf der Couch, während Moulton beschrieb, wie sein Leben die letzten Wochen verlaufen war. Er nahm das Ganze nicht übermäßig ernst und hatte keine Bedenken, seine Schuld und Reue voll und ganz zuzugeben. Es tat Chloe gut, dies zu hören – nicht nur, weil sie glaubte, dass er tief drinnen wirklich ein guter Mann war, sondern auch, weil es zeigte, dass Menschen tatsächlich in der Lage waren, ehrlich zu sein.
Und in Anbetracht des Albtraumes, der sich zwischen ihr und Danielle und ihrem Vater androhte, war es äußerst erfrischend, sich in der Gegenwart jeglicher Art von Ehrlichkeit zu befinden.
Sie verabschiedete sich, vierzig Minuten nachdem sie auf dem Parkplatz aus ihrem Auto gestiegen war. Moulton hatte nicht noch einmal versucht, sie zu küssen, obwohl sie sich dies insgeheim gewünscht hatte. Sie ließ ihn zurück und fühlte sich dabei merkwürdig zufrieden. Sie fühlte, dass sie sich nun endlich vorwärtsbewegte, nachdem sie sich drei Wochen lang stagnierend und blockiert gefühlt hatte.
Als sie über den Parkplatz ging, klingelte ihr Telefon. Sie griff sofort danach. Es war bestimmt Danielle oder ihr Vater. Wenn es ihr Vater wäre, dachte sie, dass sie diesmal tatsächlich rangehen und sich eine Ausrede einfallen lassen würde, weshalb sie seinen Anrufen ausgewichen war. Sie nahm an, dass er fast jeden Grund akzeptieren würde, wenn man in Betracht zog, dass er nach zwanzig Jahren nun einfach so wieder in ihrem Leben aufgetaucht war.
Aber die Nummer, die sie auf dem Bildschirm sah, war weder die ihres Vaters noch die von Danielle. Es war eine Leitung des Büros. Sie zuckte zusammen, als sie antwortete. Ein Anruf an einem Sonntag würde einen stressigen Montag bedeuten.
„Hier spricht Agentin Fine“, antwortete sie.
„Fine, hier spricht Johnson. Wo befinden Sie sich gerade?“
Sie musste sich ein leichtes Schmunzeln verkneifen, bevor sie antwortete. „In der Stadt“, erwiderte sie so vage wie möglich.
„Ich möchte, dass Sie einen Tatort in Falls Church besuchen. Er scheint genau in Ihrem Fachbereich zu liegen. Wohlhabende Nachbarschaft, ermordete Dame der High Society.“
„Heute?“
