Sturzprophylaxe-Training - Clemens Becker - E-Book

Sturzprophylaxe-Training E-Book

Clemens Becker

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Beschreibung

In diesem Buch finden Übungsleiter und Trainer alles, was sie für die Umsetzung eines ambulanten Sturzprophylaxe-Trainings im Turn- und Sportverein, in der Kommune oder in einer Senioreneinrichtung wissen müssen: wissenschaftliche Hintergründe, Zielgruppen, Sicherheitsvorkehrungen, Stundenaufbau und jede Menge praktische Anregungen, Tipps und Ideen. Der Leser erfährt, warum sich die Gleichgewichtsfähigkeit im Alter verändert und mit welchem methodischen Aufbau die Balance trainiert werden muss, damit das Training sturzprophylaktisch wirksam ist. Es wird erklärt, wie ein progressives Krafttraining für ältere Menschen praktisch umgesetzt werden kann und warum sogar für einige Teilnehmer ein Schnellkrafttraining Sinn macht. Der Leser bekommt praktische Anregungen dazu, wie die Angst vor Stürzen in einer Bewegungsgruppe thematisiert und bewältigt werden kann.

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Seitenzahl: 150

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 DIE AUTOREN

 PD Dr. Clemens Becker

Chefarzt der Klinik für Geriatrische Rehabilitation, Robert-Bosch-Krankenhaus Stuttgart. Leiter des badenwürttembergischen Programms zur Sturzprävention bei Heimbewohnern. Leiter des Ulmer Modells. Leiter der Arbeitsgruppe des europäischen Netzwerks zur Sturzprävention (ProFaNE), Leiter der Bundesinitiative Sturzprävention.

 Dr. Ellen Freiberger

Sportwissenschaftlerin und Gerontologin. Wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Sportwissenschaft der Universität Erlangen-Nürnberg und in der Leitung des internationalen Studiengangs „Physical Activity and Health“. Leiterin des Forschungsprojekts „Standfest im Alter“.

 Antje Hammes

Sportwissenschaftlerin M.A., Sporttherapeutin, DTB-Ausbilderin und Referentin in den Bereichen Gesundheits- und Seniorensport, Sturzprophylaxe und Rückenschule. Mehrjährige Tätigkeit in der geriatrischen Rehabilitation.

 Dr. Ulrich Lindemann

Diplom-Sportlehrer und wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Klinik für Geriatrische Rehabilitation, Robert-Bosch-Krankenhaus Stuttgart. Entwickler des evaluierten Bewegungsprogramms zur Sturzprävention bei Heimbewohnern (Ulmer Modell).

 Petra Regelin

Diplom-Sportwissenschaftlerin, Journalistin, Buchautorin. Projektleiterin der mehrfach ausgezeichneten Projekte „Bewegungs- und Gesundheitsförderung für Hochaltrige“, „Aktiv bis 100“ und „Gehirntraining durch Bewegung“. Vizepräsidentin Bildung des Landessportbundes Rheinland-Pfalz und des Rheinhessischen Turner-Bundes. Geschäftsführerin der Landespsychotherapeutenkammer Rheinland-Pfalz.

 Dr. Jörn Winkler

Examinierter Krankenpfleger, Diplom-Sportwissenschaftler, Sporttherapeut, Geschäftsführender Gesellschafter IMPULS Fitness- und Gesundheitssport GmbH, langjähriger DTB-Ausbildungsleiter, Fachbuchautor.

Sturzprophylaxe-Training

Hinweise:

Die vorliegende Broschüre wurde sorgfältig erarbeitet. Dennoch erfolgen alle Angaben ohne Gewähr. Weder der Verlag noch der Herausgeber oder die Autoren können für eventuelle Nachteile oder Schäden, die aus dem vorliegenden Buch resultieren, Haftung übernehmen.

Diese Veröffentlichung ist aus Gründen der besseren Lesbarkeit in der männlichen Sprachform abgefasst. Selbstverständlich sind damit immer beide Geschlechter konkret angesprochen.

Wo Sport Spaß macht

Deutscher Turner-Bund (Hrsg.)

Sturzprophylaxe-Training

Clemens Becker · Ellen Freiberger · Antje Hammes Ulrich Lindemann · Petra Regelin · Jörn Winkler

Meyer & Meyer Verlag

Sturzprophylaxe-Training

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen

Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Details sind im Internet über

<http://dnb.d-nb.de> abrufbar.

Alle Rechte, insbesondere das Recht der Vervielfältigung und Verbreitung sowie das Recht der Übersetzung, vorbehalten. Kein Teil des Werkes darf in irgendeiner Form – durch Fotokopie, Mikrofilm oder ein anderes Verfahren – ohne schriftliche Genehmigung des Verlages reproduziert oder unter Verwendung elektronischer Systeme verarbeitet, gespeichert, vervielfältigt oder verbreitet werden.

© 2010 by Meyer & Meyer Verlag, Aachen

4. Auflage 2018

Auckland, Beirut, Dubai, Hägendorf, Hongkong, Indianapolis, Kairo, Kapstadt,Manila, Maidenhead, Neu-Delhi, Singapore, Sydney, Tehran, Wien

Member of the World

Sport Publishers’ Association (WSPA)

ISBN 978-3-8403-3060-5

E-Mail: [email protected]

www.dersportverlag.de

Inhalt

Vorworte

1          Stürze verhindern

1.1       Was ist ein Sturz?

1.2       Die Häufigkeit von Stürzen

1.3       Die Folgen eines Sturzes

1.4       Die Kosten eines Sturzes

1.5       Die Ursachen von Stürzen

1.6       Wie können Stürze verhindert werden?

1.7       Das sagt die Wissenschaft

2          Hilfen zur Umsetzung eines

2.1       Zielgruppe

2.2       Organisation

2.2.1    Sicherheit

2.2.2    Gruppengröße

2.2.3    Räumlichkeiten

2.2.4    Trainingshäufigkeit

2.2.5    Geräte

2.2.6    Zusammenarbeit mit Kooperationspartnern

2.2.7    Werbung

2.3       Stundenaufbau

3          Gleichgewichtstraining

3.1       Das Gleichgewicht

3.1.1    Veränderungen im Alter

3.1.2    Das Gleichgewicht ist trainierbar

3.1.3    Warum sollte das Gleichgewicht trainiert werden?

3.1.4    Was muss beachtet werden?

3.2       Methodik des Gleichgewichtstrainings

3.3       Inhalte des Gleichgewichtstrainings

3.3.1    Übungen im stabilen Stand

3.3.2    Verstärkte Oberkörperaktivität

3.3.3    Räumliche Fortbewegung

3.3.4    Reduzierte Standfläche

3.3.5    Einschränkung der sensorischen Information

3.3.6    Zusatzaufgaben

3.3.7    Störung des Gleichgewichts

3.3.8    Gleichgewichtstraining mit Kleingeräten

3.3.9    Gleichgewichtstraining durch Tai-Chi

3.3.10  Gleichgewichtstraining durch Schrittmusterübungen

4          Krafttraining

4.1       Grundlagen des Krafttrainings zur Verhütung von Stürzen

4.1.1    Das Feintunig: Wie viel sind 70-80 %

4.1.2    Erfolg ist planbar: Individuell dosiert und progressiv gesteigert

4.2       Die Muskelprioritäten

4.3       Inhalte des Krafttrainings

4.3.1    Standsicherheitstraining

4.3.2    Training mit dem eigenen Körpergewicht

4.3.2.1 Übungen für die Beinmuskeln

4.3.2.2 Übungen für die Rumpf-, Arm- und Schultermuskeln

4.3.3    Krafttraining mit Gewichtsmanschetten

4.3.3.1 Vorteile individuell dosierbarer Gewichtsmanschetten

4.3.3.2 Das Basisprogramm zur Verhütung von Stürzen

4.3.3.3 Weitere Übungen

4.3.4    Krafttraining mit elastischen Übungsbändern

4.3.4.1 Grifftechnik

4.3.4.2 Übungen für die Beinmuskeln

4.3.4.3 Übungen für die Rumpf-, Arm- und Schultermuskeln

4.3.5    Sensomotorische Zusatzanforderungen

4.3.5.1 Alltagsbezug und Wirkmechanismus

4.3.5.2 Gewöhnung an die instabile Unterlage

4.3.5.3 Übungen für die Beinmuskeln

4.3.5.4 Übungen für die Rumpf-, Arm- und Schultermuskeln

4.3.6    Progressives Krafttraining

4.3.7    Schnell- und Explosivkrafttraining

4.3.7.1 Effektiv schnell reagieren

4.3.7.2 Die Übungspraxis

5          Multi-Tasking-Training

5.1       Mehrere Dinge gleichzeitig tun, mit Mehrfachanforderungen klarkommen

5.2       Zur Systematisierung

5.3       Zur Praxis

5.4       Spielformen

6          Angst vor Stürzen

6.1       Auseinandersetzung mit der „Angst vor Stürzen“

6.2       Realistische Selbsteinschätzung

6.3       Angstbesetzte Situationen nachstellen

6.3.1    Sich in Menschenmengen bewegen

6.3.2    Steigungen bewältigen

6.3.3    Nach einem Sturz – wie können gestürzte Personen wieder aufstehen

6.3.4    Die Backward-Chaining-Methode

6.3.5    Das Aufstehen üben (nach der Backward-Chaining-Methode)

6.3.6    Was kann man tun, wenn man nicht mehr aufstehen kann?

7          Motorische Tests

7.1       Gleichgewicht im Stand (modifiziert nach Guralnik und Romberg).

7.2       Funktionelle Reichweite (Functional Reach)

7.3       Aufstehen vom Stuhl (Five-Chair-Rise)

7.4       Gehgeschwindigkeit

7.5       Maximale Schrittlänge

7.6       Kombinierter Aufsteh- und Gehtest (Timed-up- and -Go)

7.7       Ergebnisinterpretation

8          Methodik und Didaktik in Sturzprophylaxegruppen

8.1       Kernziele des Gesundheitssports und deren Vermittlung in der Sturzprävention

8.1.1    Anforderungen an den Übungsleiter

8.1.2    Vermittlung von Handlungs- und Effektwissen

8.2       Kursleiterverhalten in Sturzprophylaxegruppen

8.2.1    Didaktisch-methodische Grundsätze in der Sturzprävention

8.2.2    Spezielle Unterrichtsmethoden

8.2.3    Umgang mit leicht dementen Teilnehmern

9          Was Übungsleiter sonst noch wissen sollten

9.1       Äußere Sturzrisiken vermeiden und beseitigen

9.1.1    Stabile Hausschuhe oder rutschfeste Socken tragen

9.1.2    Sturzrisiken in der Wohnung vermeiden

9.1.3    Auf gute Beleuchtung achten

9.1.4    Badezimmer und Toilette

9.1.5    Der Weg vom Bett zum Badezimmer

9.1.6    Das Wohnzimmer

9.1.7    Das Schlafzimmer

9.1.8    Treppen

9.1.9    Wer Höheres erreichen will

9.2       Was Übungsleiter über Hüftprotektoren wissen sollten

9.3       Was Übungsleiter über schlechtes Sehen wissen sollten

9.4       Was Übungsleiter über Medikamente wissen sollten

Anhang

1          Literatur

2          Kopiervorlagen

3          Zu den Autoren

4          Bildnachweis

Vorwort

Die aktuelle Bevölkerungsvorausberechnung des Statistischen Bundesamtes zeigt, dass bereits heute 20 % der Bevölkerung 65 Jahre und älter ist (insgesamt 17 Millionen), im Jahr 2030 werden es mindestens 33 % aller Deutschen sein (insgesamt 22 Millionen). Insbesondere die Zahl der Hochaltrigen wird in den kommenden Jahren weiter stark zunehmen. Während aktuell 4,1 Millionen Menschen älter als 80 Jahre alt sind, werden es im Jahr 2030 schon 6,3 Millionen und im Jahr 2050 10 Millionen Menschen sein. Das ist ein Anstieg um 145 %. Zwar liegen die Jahre 2030 oder 2050 noch in weiter Ferne, aber die Veränderung der Altersstruktur ist bereits heute Realität. Klar ist: Die Veränderung der gesellschaftlichen Altersstruktur hat deutliche Auswirkungen auf die Mitgliederstruktur in den Turn- und Sportvereinen. Auch in den Vereinen gibt es – wie gesamtgesellschaftlich auch – insgesamt weniger Kinder und deutlich mehr ältere Menschen, dies gilt bereits heute und der Trend hält an.

Umso wichtiger wird es für die Turn- und Sportvereine, bedürfnisgerechte und qualifizierte Bewegungsangebote für ältere und hochaltrige Menschen zu machen. Die Aufgabe des Deutschen Turner-Bundes ist es, die Vereine bei diesem Prozess zu unterstützen und die entsprechenden Dienstleistungen dafür zu entwickeln und zu verbreiten.

Durch ein gezieltes Bewegungstraining können physische und psychische Ressourcen bis in das hohe Alter gestärkt und damit u. a. Stürze verhindert werden. Der Deutsche Turner-Bund sieht es als seine Aufgabe an, Übungsleitern in den Turn- und Sportvereinen, aber auch anderen interessierten Trainern und Kursleitern zu vermitteln, wie eine Umsetzung solcher Programme in der Praxis aussehen sollte, damit sie wirksam und effektiv sind. Ich freue mich sehr darüber, dass einige der renommiertesten Sturzprophylaxeexperten Deutschlands sich für dieses Buch zusammengefunden haben, um gemeinsam mit dem Deutschen Turner-Bund eine Konzeption zu entwickeln und zu veröffentlichen, die nicht nur in der Praxis erprobt ist, sondern auch auf der Basis der vorhandenen wissenschaftlichen Erkenntnisse aufgebaut ist. Viel Erfolg bei der Umsetzung!

Prof. Dr. Walter BrehmVizepräsident Allgemeines Turnen des Deutschen Turner-Bundes

Vorwort

Stürze sind im höheren Alter ein bedeutsames Gesundheitsrisiko. Derzeit ereignen sich in Deutschland jedes Jahr zwischen vier und fünf Millionen unbeabsichtigte Stürze von älteren Menschen. 200.000 bis 250.000 Menschen erleiden dabei pro Jahr einen Knochenbruch und werden auf Grund dessen ins Krankenhaus eingewiesen. Die Anzahl der sturzbedingten Hüftfrakturen hat von 1995 bis 2004 um insgesamt 20.000 Fälle pro Jahr zugenommen. Stürze und sturzbedingte Verletzungen gehören derzeit zu den häufigsten Ereignissen, die zu Hause lebende ältere Menschen in ihrer Selbstständigkeit bedrohen. Nach einem Sturz werden die Betroffenen häufig in ein Pflegeheim eingewiesen, auch wenn keine Fraktur aufgetreten ist. Die körperlichen und psychischen Folgen eines Sturzes sind für den einzelnen alten Menschen oft dramatisch und führen zu einschneidenden Veränderungen. Viele Betroffene entwickeln große Angst, erneut zu stürzen. Sie ziehen sich zurück, bewegen sich kaum noch, wodurch das Sturzrisiko erneut steigt.

Doch – all das muss nicht so sein! Es liegen mehr als 100 kontrollierte Studien zur Sturzprävention vor, die deutlich machen, dass ein gezieltes Gleichgewichtsund Krafttraining das Risiko, zu stürzen, erheblich reduziert. Ein regelmäßiges Bewegungstraining im höheren Alter schützt vor Stürzen!

Seit 2003 ist es gelungen, sturzpräventive Maßnahmen in deutschen Pflegeheimen zu etablieren. Mehr als 2.000 Heime beteiligen sich aktiv an den Programmen. Neue Zahlen der AOK Bayern zeigen, dass es im Jahr 2007 gelungen ist, in den 256 Heimen, die 2007 erstmals mit sturzpräventiven Maßnahmen begonnen haben, einen Rückgang der Hüftfrakturen von fast 20 % zu erzielen.

Leider ist es in Deutschland bisher nicht gelungen, vergleichbare Programme für ältere Menschen, die zu Hause leben, zu verbreiten. Umso mehr freue ich mich darüber, dass sich der Deutsche Turner-Bund in diesem Bereich engagiert.

Das vorliegende Buch macht deutlich, dass die Zusammenarbeit von Wissenschaft und Praxis funktioniert. In dieser Veröffentlichung können Sie nachlesen, wie wissensbasierte und qualitätsgesicherte Interventionen in die Praxis vor Ort umgesetzt werden können. Beginnen Sie am besten sofort mit der Umsetzung, denn die vielen sturzgefährdeten, zu Hause lebenden älteren Menschen brauchen mehr qualifizierte Trainingsangebote.

PD Dr. Clemens BeckerGeriater und Chefarzt

1    Stürze verhindern

In wissenschaftlichen Untersuchungen ist herausgefunden worden, dass es vor allem an mangelnder Muskelkraft und nachlassendem Gleichgewichtsgefühl liegt, wenn ältere Menschen stürzen. Jeder, der älter wird, weiß, dass man umso mehr tun muss, um die Funktionsfähigkeit des Körpers zu erhalten, je älter man wird. Wer sich im Alter nicht oder immer weniger bewegt, wird eher an Muskelkraft und an Gleichgewichtsfähigkeit verlieren und deshalb auch eher stürzen. Wer dagegen bis ins höchste Alter hinein aktiv bleibt, der trainiert die Funktions- und Leistungsfähigkeit seines Körpers und damit auch die Standfestigkeit, die Mobilität und die Bewegungssicherheit. Dadurch nimmt auch die Wahrscheinlichkeit, zu stürzen, deutlich ab.

Dieses Buch ist für Übungsleiter und Kursleiter geschrieben, die Sturzprophylaxegruppen für ältere Menschen anbieten, die zu Hause leben. Solche Gruppen werden zur Zeit sowohl von Turn- und Sportvereinen als auch von anderen Institutionen angeboten. Es fasst den aktuellen Wissensstand zum Thema „Sturzprophylaxe durch Bewegung“ zusammen und gibt viele praktische Anregungen und Tipps, wie aktive Sturzprophylaxe in der Gruppe aussehen kann. Auf dieser Grundlage können Übungsleiter und Kursleiter selbstständig ein Programm für einen Kurs „Aktives Sturzprophylaxe-Training“ zusammenstellen. Sie können aber auch einzelne Bausteine „herausnehmen“ und diese in andere Übungsgruppen mit Älteren integrieren.

1.1   Was ist ein Sturz?

Was versteht man eigentlich unter einem Sturz?

Experten definieren Sturz als ein „unbeabsichtigtes, auf den Boden oder eine tiefer gelegene Ebene zum Liegen oder Sitzen kommen“.

1.2   Die Häufigkeit von Stürzen

Leider passiert es häufig, dass ältere Menschen stürzen oder zumindest beinahe stürzen. Jahr für Jahr ereignen sich in Deutschland insgesamt etwa vier bis fünf Millionen Stürze. Es wird geschätzt, dass etwa ein Drittel der Menschen über 65 Jahren mindestens 1 x pro Jahr hinfällt.

Je älter man wird, umso größer wird auch das Sturzrisiko. Bei den 80- bis 89-Jährigen sind es sogar 40-50 %, die mindestens 1x pro Jahr fallen. Und bei den 90- bis 99-Jährigen ist es bereits deutlich mehr als die Hälfte aller Menschen, die sich nicht mehr sicher auf den Beinen halten können.

Bei Heimbewohnern ist das Risiko, zu stürzen, besonders groß. Mehr als jeder zweite Heimbewohner erleidet gegenwärtig einen Sturz pro Jahr. Mehr als 20 % stürzen mehr als 3 x pro Jahr.

1.3   Die Folgen eines Sturzes

In der Regel verschlimmern sich mit zunehmendem Alter leider auch die Folgen eines Sturzes. Junge Menschen tragen oft nur einen „blauen Fleck“ oder eine leichte Prellung davon, mindestens 10 % der Älteren verletzen sich jedoch ernsthaft.

Viele Stürze haben schlimme Folgen: Mehr als 120.000 ältere Menschen erleiden einen Oberschenkelhalsbruch oder brechen sich den Oberschenkel unmittelbar unterhalb des Oberschenkelhalses. Diese Verletzungen werden in der Folge als Hüftbrüche bezeichnet. Oftmals heilen solche Brüche nur schlecht. Mehr als die Hälfte der Menschen ist nach dem Bruch in ihrer Beweglichkeit erheblich eingeschränkt, 20 % werden sogar in einem Heim ständig pflegebedürftig. Die Ergebnisse wissenschaftlicher Untersuchungen sind eindeutig: Während vor einem Bruch drei Viertel der untersuchten älteren Menschen noch selbstständig und ohne Hilfsmittel gehen konnten, waren es nach dem Bruch lediglich noch 15 %. Es versterben sogar bis zu 10 % der Menschen innerhalb eines Jahres an den Folgen eines solchen Bruchs.

Neben den körperlichen Folgen eines Sturzes sind die psychischen Folgen für alte Menschen eklatant. Wer einmal gestürzt ist, hat oft Angst, wieder hinzufallen. Die Folge: Man wird unsicher, zieht sich zurück, bewegt sich noch weniger. Das Selbstvertrauen sinkt, man traut seinem Körper immer weniger zu. Ein Teufelskreis kommt in Gang, der kaum noch zu stoppen ist. Wer sich weniger bewegt, sich kaum noch vor die Tür traut, verliert immer mehr Muskelkraft und Gleichgewichtsfähigkeit. Das Risiko, erneut hinzufallen, steigt dadurch immer weiter. Ängste, Depressionen, Rückzug, Vereinsamung – all dies können die Folgen sein, wenn ältere Menschen stürzen.

1.4   Die Kosten eines Sturzes

Stürze verursachen hohe Kosten. Die Operation einer Oberschenkelhalsfraktur kostet etwa 7.500,- €. Die anschließende Rehabilitation oft noch mals 5.000,- €. Allein für Heimbewohner werden die Kosten von Stürzen im Jahr in Deutschland mit mehr als 300 Millionen Euro angegeben. Insgesamt entstehen Kosten von mehr als 1 Milliarde Euro.

1.5   Die Ursachen von Stürzen

Die Sturzursachen sind in großen Studien wissenschaftlich untersucht worden.

Im Folgenden sind die wichtigsten Risikoindikatoren aufgeführt, die in verschiedenen deutschen und ausländischen Untersuchungen, u. a. in der Ulmer Untersuchung von Stürzen, festgestellt worden sind.

Tab 1: Risikoindikatoren für Stürze älterer Menschen

Merkmal

Odds Ratio

*

Muskeldefizite

4,4

Sturz im letzten Jahr

3,0

Gangstörungen

2,9

Gleichgewichtsschwächen

2,9

Gebrauch von Gehhilfen

2,6

Seheinschränkungen

2,5

Arthritis

2,4

Dranginkontinenz

2,3

Eingeschränkte Alltagsbewältigung

2,3

Depression

2,2

Kognitive Einschränkungen

1,8

Angst

1,8

Alter über 80 Jahre

1,7

* Unter Odds Ratio versteht man die Erhöhung des Risikos eines Bewohners, einen Sturz im nächsten Jahr zu erleiden. Ein Odds Ratio von 2,0 bedeutet eine Verdopplung des Risikos. Ein Odds Ratio von 1,0 bedeutet kein erhöhtes Risiko. Zahlen unter 1,0 bedeuten ein vermindertes Risiko.

Liegen mehrere Risikofaktoren vor, liegt die Wahr scheinlichkeit eines Sturzes im nächsten Jahr bei bis zu 80 %!

Personenbezogene Sturzursachen

Bei älteren Menschen kommt es im Bereich der Kraft- und Ausdauerfähigkeit zu Verschlechterungen von jeweils etwa 10 % pro Lebensdekade, im Bereich der Schnelligkeit sind diese Verluste noch höher. Dies kann dazu führen, dass Schwellenwerte für die Ausfüh rung der Aktivitäten des täglichen Lebens unterschritten werden. Besonders dann, wenn die Betroffenen inaktiv sind. Wenn die Leistungsfähigkeit nachlässt, können Ältere ein Ausrutschen oder Stolpern beim Gehen nicht mehr kompensieren. Die häufige Folge: Stürze und Verletzungen. Ein Muskelkraftdefizit ist der mit am besten untersuchte Risikofaktor für Stürze, ebenso gut ist dies für den Bereich der Gangstörungen untersucht. Weiterhin gibt es ausreichende Befunde für eine nachlassende Standbalance oder für die Nutzung von Gehhilfen. Inaktivität ist eines der größten Sturzrisiken Nicht selten kommt es jedoch auch zu zunehmender Inaktivität nach einem Sturz, weil die Personen von der Umgebung entmutigt werden bzw. selbst aus Angst weniger aktiv sind. Bis zu 70 % der Älteren, die einen Sturz erfahren haben, aber auch 40 % von denen, die noch keinen Sturz im Alter erlebt haben, berichten über eine Angst zu stürzen. Etwa die Hälfte dieser Personen reduziert deswegen nachweisbar ihre sozialen und physischen Aktivitäten. Angst wiederum führt dazu, dass Menschen langsamer gehen, ihre Lebensqualität niedriger bewerten und auch die Kraftwerte reduziert sind.

Ein besonderes Problem sind Vitamin-D-Mangelzustände, die nicht nur zur Osteoporose führen, sondern unmittelbar auch mit Kraftdefiziten verbunden sind.

Eine kognitive Einschränkung ist ein weiterer wichtiger Risikofaktor für das Auftreten von Stürzen und selbst geringere kognitive Defizite sind mit einem erhöhten Unfallrisiko verbunden. Welche Teilbereiche der Mentalfunktionen besonders bedeutsam sind, ist noch nicht ausreichend untersucht. Vor allem Defizite bei der gleichzeitigen Ausführung verschiedener Aufgaben spielen vermutlich eine wichtige Rolle.

Auch eine eingeschränkte Sicht erhöht das Sturzrisiko. So sind Einschränkungen des Gesichtsfeldes und der Sehschärfe, unbehandelte Katarakterkrankungen, Glaukom, Makuladegeneration und Veränderungen der Kontrastsensibilität bekannte Risikofaktoren für Stürze. Aber auch unangemessene Sehhilfen können zur Sturzneigung beitragen. Beispielsweise führt das Tragen von Bifokal- oder Gleitsichtbrillen zu einer Veränderung der Tiefenwahrnehmung. Dadurch wird z. B. die Fähigkeit, Treppenstufen scharf zu sehen, vermindert.

Zehdeformitäten, Druckstellen, unzureichende Fußnagelpflege und Schmerzen tragen ebenfalls zu einem erhöhten Sturzrisiko bei.

Umgebungsbedingte Sturzursachen

Umgebungsfaktoren sollten immer im Zusammenhang mit individuellen Risikofaktoren betrachtet werden. Bei etwa 30-50 % der Stürze zu Hause lebender Menschen spielen Umgebungsgefahren als Kofaktoren eine wichtige Rolle. Zu den wichtigsten Risikofaktoren zählen Umgebungsgefahren wie schlechtes Licht, glatte Oberflächen, unregelmäßige Oberflächen oder Schwellen. Weiterhin spielt unangemessene Kleidung und schlechtes Schuhwerk mit hohen Absätzen und schlechtem Fersenhalt eine entsprechende Rolle. Ebenso ist der unangemessene Umgang mit Gehhilfen als wichtiger Risikofaktor zu nennen.

1.6   Wie können Stürze verhindert werden?

Wenn man die Ergebnisse vieler Studien zu den Ursachen von Stürzen zusammenfasst, kann man sagen: Nur etwa 10 % aller Stürze älterer Menschen sind allein durch äußere Kräfte oder äußere Umstände verursacht. Weniger als 10 % der Stürze sind Folge eines Bewusstseinsverlusts (Synkope, Schlaganfall, Epilepsie).

Der weitaus größte Teil aller Stürze beruht auf dem Verlust der Funktionsfähigkeit des Körpers, seine aufrechte Position im Raum zu erhalten (posturale Kontrolle).

Das bedeutet:

Es liegt vor allem an der nachlassenden oder fehlenden Muskelkraft und an der nachlassenden Gleichgewichtsfähigkeit, dass ältere Menschen so häufig hinfallen.

Das bedeutet aber auch:

Jeder ältere Mensch kann durch Gleichgewichtstraining in Kombination mit einem Muskeltraining aktiv etwas tun, um das Sturzrisiko ganz erheblich zu minimieren.

Qualifizierte Bewegungsangebote von Turnvereinen oder anderen Institutionen können einen entscheidenden Beitrag dazu leisten, die Häufigkeit von Stürzen bei älteren, zu Hause lebenden Menschen zu reduzieren.

1.7   Das sagt die Wissenschaft

Das europäische Netzwerk zur Verhinderung von Stürzen (ProFaNE) besteht aus 26 Zentren in 13 europäischen Ländern. Folgendes Statement kann aus Sicht der Wissenschaft gegeben werden.

Es liegen mehr als 100 kontrollierte Studien zur Sturzprävention vor. Neben einer Übersicht der entsprechenden Cochrane-Arbeitsgruppe liegen weitere systematische Reviews und Leitlinien vor. Die Kernaussagen der Untersuchungen können wie folgt zusammengefasst werden: