Suchers Welt: Film - C. Bernd Sucher - E-Book

Suchers Welt: Film E-Book

C. Bernd Sucher

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Beschreibung

Herausragende Filme, großes Kino – bei der Flut an bewegten Bildern, die über unsere Kinoleinwände und Fernsehbildschirme flimmern, braucht es manchmal den Blick des Kenners, um das Besondere zu finden oder in Erinnerung zu rufen. C. Bernd Sucher, der profilierte Kritiker und Autor, stellt in diesem Band seine persönlichen Favoriten der Filmgeschichte vor: subjektiv, klug, meinungsfreudig und ausschließlich positiv. •Klassiker der Filmgeschichte in 49 spannenden Kapiteln. •Vom renommierten Kritiker C. Bernd Sucher. Suchers Welt ist ein hochwertiges und originelles Geschenk für Kultur-Interessierte und Film-Liebhaber. Das Buch nimmt den Leser in 49 kurzen Kapiteln mit auf eine informative und äußerst unterhaltsame Reise und macht dabei weder vor großen Hollywood-Blockbustern noch vor anspruchsvollen Kunstfilmen halt. Und immer steht eines im Vordergrund: die Leidenschaft und die Faszination für die Macht der Kinobilder. Mit viel Witz und der geballten Erfahrung des Kritikers lädt Sucher seine Leser dazu ein, sich von historischen Epen wie Ben Hur in vergangene Zeiten transportieren, sich durch Quentin Tarantinos blutige Splatter-Welten treiben und von Roberto Benignis Das Leben ist schön zum Nachdenken anregen zu lassen. Und apropos Tarantino: Wussten Sie, was es mit dem mysteriösen schwarzen Koffer in Pulp Fiction auf sich hat? C. Bernd Sucher hat die Antwort. Die Leser dürfen sich gleich auf mehr freuen, denn gerade ist ebenfalls erschienen: •Suchers Welt: Musik Bald folgen außerdem: •Suchers Welt: Theater •Suchers Welt: Literatur

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Seitenzahl: 191

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Ähnliche


C. Bernd Sucher

Suchers Welt: FILM

49 leidenschaftliche Empfehlungen

Knaur e-books

Über dieses Buch

Längst vorbei sind die Zeiten, wo die Musik den Konzertsälen und Opernhäusern vorbehalten war: Musik ist überall, und in Zeiten des Internets lässt sich fast jedes Konzert beliebig reproduzieren. In dieser Menge an Eindrücken braucht es manchmal das Ohr des Kenners, um das Besondere zu finden oder in Erinnerung zu rufen. Der renommierte Kulturjournalist und Professor für Theater und Filmkritik C. Bernd Sucher stellt mit großer Leidenschaft seine persönlichen Favoriten der Musikgeschichte vor: von Beethoven bis zu den Beatles, von Puccini bis zu Edith Piaf. Mit viel Witz und der geballten Erfahrung des Kritikers erzählt Sucher, warum er La Bohème für die beste Kinderoper hält, was die Beatles Anfang der sechziger Jahre mit einem verliebten Teenager anstellen konnten und wieso der Tristan-Akkord auch für den Laien mehr ist als eine musikwissenschaftliche Fußnote.

Inhaltsübersicht

WidmungVorwortPedro AlmodóvarJean-Jacques AnnaudRoberto BenigniIngmar BergmanKenneth BranaghLuis BuñuelMarcel CarnéClaude ChabrolCharles ChaplinBrian De PalmaSergei EisensteinRainer Werner FassbinderVictor FlemingAri FolmanJean GenetJean-Luc GodardPeter GreenawayMichael HanekeFlorian Henckel von DonnersmarckJohn HustonPeter JacksonAki KaurismäkiEran KolirinStanley KubrickAkira KurosawaFritz LangDavid LeanAng LeeErnst LubitschDavid LynchLouis MalleSamuel MaozRoman PolanskiCarol ReedAlain ResnaisÉric RohmerRoberto RosselliniMartin ScorseseSteven SpielbergOliver StoneQuentin TarantinoAndrei TarkowskiJacques TatiLars von TrierFrançois TruffautThomas VinterbergBilly WilderMichael WinterbottomWilliam WylerDank
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Für A.

 

 

 

Es kommt nicht darauf an, wie lange man wartet, sondern auf wen.

 

Billy Wilder, Manche mögen’s heiß

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Vorwort

49 leidenschaftliche Empfehlungen. Warum leidenschaftlich? Weil mich alle Filme in diesem Band auf ihre Weise ergriffen haben. Denn im Kino bin ich noch tränenanfälliger als in der Oper. Geweint habe ich schon beim ersten Mal, mit 14 Jahren in Ben Hur. Bei einer Schauspielaufführung ist es mir komischerweise noch nie passiert.

Zuvor war ich ein Fernsehgucker. Ich liebte die Serie Fury. Die Filme, die folgten, waren Vom Winde verweht und Lawrence von Arabien. Ein Kinogänger wurde ich erst spät, in den letzten Klassen des Gymnasiums. Da entdeckte ich die Regisseure der Nouvelle Vague und mochte sie alle. Zum Cineasten machte mich erst der Beruf. Es war mein Kollege Peter Buchka, der Filmredakteur der Süddeutschen Zeitung, der mich, den Theaterkritiker, beschwor, die Filme von Wim Wenders und Rainer Werner Fassbinder mir anzusehen. Mit der Gründung des Studiengangs Theater-, Film- und Fernsehkritik an der Münchner Hochschule für Fernsehen und Film und der Theaterakademie August Everding wurde das Filmeschauen schließlich auch zur Profession.

Nach 30 Jahren als Kritiker war ich es irgendwann leid, Werke zu besprechen, die ich großenteils für überschätzt hielt. Verrisse sind nun mal nicht aufbauend. Mir lag vielmehr daran, die Menschen, denen meine Meinung wichtig war, zu verführen – sie zu animieren, sich auf fremdes Schönes einzulassen. Ich wollte sie bekannt machen mit meinen liebsten Dichtern, Komponisten, Regisseuren und Filmemachern. So entstand 1998 die Vortragsreihe Suchers Leidenschaften. Zuerst präsentierte ich zusammen mit Schauspielern ausschließlich Autorinnen und Autoren, dann mit Sängern und Pianisten auch Komponisten. Alles begann in München und führte zu Auftritten in Wien, Weimar, Hamburg, Zürich, Paris – und im Bayerischen Fernsehen.

Mit Suchers Welt entsteht nun mein radikal subjektiver Kulturkanon für Theater, Musik, Literatur und eben Film; dieser Band möchte nichts weniger sein als ein Film-Verführer, vom Stummfilm bis zum aktuellen dokumentarischen Politthriller.

Warum 49? Weil mir die Quersumme 13 gefällt. Ich weiß, in der christlichen Tradition ist sie eine Unglückszahl, im Judentum hingegen eine gute, Glück bringende Zahl. Das wäre es, wenn meine Empfehlungen Leser motiviert, sich anzusehen, was mir gefällt, mit meinem Blick die Filme neu oder wieder zu schauen – und sie vielleicht leidenschaftlich zu lieben.

 

München, Januar 2018

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Pedro Almodóvar

Sprich mit ihr

Mir blieb es in meinem Leben bisher erspart, mich um Kranke zu kümmern. Meine Mutter schlich sich aus dem Leben; sie weigerte sich, nach dem Tod meines Vaters aufzustehen, und verstummte. Meine Schwester pflegte sie zusammen mit zwei Damen, die wir engagiert hatten und die im Hause wohnten. Nur einmal musste sie, bloß für eine Woche – weil meine Schwester Ferien machte –, in ein Heim. Dort besuchte ich sie. Und sollte sie füttern. Ich vermochte es nicht! Als ich Pedro Almodóvars Film Hable con ella2002 sah, war meine Mutter in einem Zustand der Verweigerung. Sie mochte nicht essen, nicht trinken, nicht reden, nicht zuhören. Ich reiste jeden Monat nach Hamburg und wollte sprechen. Almodóvars ergreifender und kühner Sechs-Personen-Film musste mir zu Herzen gehen.

Was für ein Anfang! Ein Theatervorhang wird hochgezogen – und wir sehen eine Bühne, vollgestellt mit Holzstühlen. Zwei Tänzerinnen in weißen Nachthemden, die Augen geschlossen, verlieren sich, taumelnd, wie sterbend, in diesem Raum; eine davon ist Pina Bausch. Zweimal blickt die Kamera ins Publikum, in die Gesichter zweier noch junger Männer. Ihre Augen füllen sich mit Tränen.

Erst danach sind wir bei Benigno, der der jungen Alicia, einer Tänzerin, die nach einem Unfall im Wachkoma liegt, die Hände feilt. Liebevoll berichtet er von diesem Abend und zeigt dem Mädchen das Autogramm von Pina. Ich möchte die Kranken- und die Liebesgeschichten nicht erzählen – es sind alles Paargeschichten. Almodóvars Film beschwört das Leben und die Leidenschaft, sich für Menschen zu opfern aus Liebe. Ihm gelingen kühne, wahnsinnig schöne und verstörende Bilder. Einsamkeit, Tod und Begehren sind die Themen. Der Regisseur zeigt Rituale, wagt eine erzählerische Langsamkeit und fürchtet auch die Sentimentalität nicht. Mag sein, dass Sprich mit ihr, wie manche Kritiker urteilten, ein besonders intellektueller Film ist; ich schätze ihn wegen seiner Emotionalität.

Wunderbar verquickt Almodóvar, der auch das Drehbuch geschrieben hat, die drei Handlungsstränge; und obwohl ich kein Freund des Stierkampfes bin: Was dem Kameramann Javier Aguirresarobe gelungen ist, beeindruckt immer wieder. Er umtanzt das Paar: die Stierkämpferin und das Tier. Auch sie ähneln Tänzern: die Torera Lydia González, gespielt von Rosario Flores, und der Stier. Ein erotischer Totentanz in Zeitlupe. Ein Verzweiflungs-Pas-de-six.

Die atmosphärisch starke Musik komponierte Alberto Iglesias, der viele Almodóvar-Filme vertonte und auch für John Malkovich und Oliver Stone arbeitete. Bilder und Töne gehen eine spannende Symbiose ein, denn Almodóvar offenbart nicht nur Seelenzustände, er schafft auch eine Spannung. Wir wollen wissen, wie diese ungeheuren Geschichten ausgehen.

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Jean-Jacques Annaud

Der Name der Rose

Erstens: Ich mag Historienfilme. Zweitens: Ich mag mutigen Größenwahnsinn. Drittens: Ich freue mich kindisch, wenn ich Drehorte wiedererkenne. Viertens: Ich habe Umberto Ecos Roman II nome della rosa mit der größten Begeisterung gelesen, zwei Mal. Fünftens: Ich schätzte den Produzenten Bernd Eichinger, den ich an der Münchner Hochschule für Fernsehen und Film kennenlernen durfte. Also fünf Gründe, dieses 1986 entstandene Filmepos zu meinen Best-of zu wählen.

Erstens: Schon während der Dreharbeiten bekannte Bernd Eichinger: »Wir machen den Film, weil uns die ganze Situation des Mittelalters interessiert, und zwar nicht als eine Art Background für irgendeine Geschichte, sondern als Thema.« Annaud thematisierte wirklich dieses frühe 14. Jahrhundert. Das Ambiente jener Zeit ist nicht Hintergrund für die Handlung, es dominiert den Film. Im Vorspann zu dem Film – wir sehen nichts als ein schwarzes Bild, zu dem erst einmal Töne erklingen wie verzerrte Orgel- oder Glasharmonikaklänge, bevor eine Männerstimme aus dem Off uns anspricht – erklärt ein für uns zunächst Unbekannter: »Am Ende meines Lebens angekommen, möchte ich armer Sünder auf diesem Pergament Zeugnis ablegen von den wundersamen und schrecklichen Ereignissen, deren Zeuge ich in meiner Jugend war.« Diese Erklärung wird abgegeben im Jahr 1327.

Zweitens: Nach dem Erscheinen des Romans wurden die Filmrechte erst einmal an eine französische Produktion vergeben und Annaud als Regisseur verpflichtet. Doch dann schaltete sich Bernd Eichinger ein; er erstattete alle bis dahin angefallenen Kosten und übernahm als alleiniger Produzent das fast 50 Millionen US-Dollar teure Riesenprojekt, das später 77 Millionen Dollar einspielte. Zum Größenwahnsinn gehört auch der Reichtum an Kostümen, die Kunst der vielen Maskenbildner; und nicht zuletzt sind die Menschen zu bewundern, die für das Casting von Eichinger gewonnen wurden. Es ging nicht allein darum, große Schauspieler zu engagieren, sondern sie mussten neben ihrer Professionalität Gesichter haben, die mehr über ihre Figuren erzählten als die Worte, die sie sprachen. Ihre Augen mussten verraten, was sie sorgsam zu verschweigen suchten.

Drittens: Ich erkannte Räume des Klosters Eberbach im Rheingau, die Landschaften der Abruzzen und auch die Burg in Molina de Aragón. Ganz verrückt fand ich es, dass der dreißig Meter hohe Turm eine Nachbildung des Turmes des Castel del Monte war, jenes Schlosses des Stauferkaisers Friedrichs II. in Apulien. Für den Film wurde auf einem Hügel bei Primaporta nahe Rom nach Entwürfen Dante Ferrettis eines der größten Sets der europäischen Filmgeschichte errichtet – eben auch der Bibliotheksturm. Wenn das nicht gigantomanisch ist!?

Viertens: Ecos Roman, sein erster überhaupt, ist vielerlei auf einmal; ein historischer Kriminalroman, ein philosophischer Essay, eine Darstellung der politischen, sozialen und religiösen Gegebenheiten des Mittealters, ein Liebesroman und, auch dies, ein Trivialroman. Eine faszinierende Mischung! Wegen dieser Mischung – viele literarische Gattungen in einem Text – gilt Der Name der Rose als ein bedeutendes Zeugnis des postmodernen Romans. Denn Eco verweist nicht bloß auf seine Vorbilder – Edgar Allan Poe, Arthur Conan Doyle und Agatha Christie –, sondern er schafft es, mit diesem fiktionalen Werk sich einzureihen in die wissenschaftlichen und literarischen Diskurse des 20. Jahrhunderts. Schließlich ist Der Name der Rose auch ein Schlüsselroman zur Aldo-Moro-Affäre der Siebzigerjahre in Italien – diesen Hinweis gab Eco selbst. Dann wären die Dolcinianer im Roman die Roten Brigaden, die Franziskaner die Kommunisten und die Benediktiner die Democrazia Cristiana.

Fünftens: Bernd Eichinger hat alles gewagt – und gewonnen! Der Film lebt von den Schauplätzen, von der Story, von widerlichen, Furcht einflößenden Szenen – wozu auch Schlachtungen zählen –, von Geräuschen, Schreien, Bellen und von wunderbaren Schauspielern: Sean Connery, den William von Baskerville, wird niemand vergessen, der diesen Film gesehen hat. Niemandem wird die schaurige erste Einstellung entfallen: die Ankunft in der Abtei. Düster und geheimnisvoll – Physiognomien, die den Zuschauer das Gruseln lehren. Wenn dann die Pforte geschlossen wird und der Riegel ins Schloss fällt, ahnen wir nur Schlimmes. Schon in den ersten vier Minuten ist die Spannung unerträglich. Wer ist dieser franziskanische Mönch William von Baskerville, den sein Schüler, der junge Novize Adson von Melk, gespielt von Christian Slater, nur als »Meister« anspricht? Der erste Dialog in dem Film ist dieser: »Sollen wir es ihm sagen?« – »Nein. Er würde sich in Dinge einmischen, die ihn nichts angehen.« – »Aber wenn er es selbst herausfindet, was sollen wir dann tun?« – »Überschätzt seine Fähigkeiten nicht, ehrwürdiger Abt. Es gibt nur eine Autorität, die imstande ist, die Vorfälle zu untersuchen. Die heilige Inquisition.« Wenig später: »Der Teufel treibt sein Unwesen in dieser Abtei!« Der Film heißt im Untertitel: »Ein Palimpsest von Umberto Ecos Der Name der Rose«. Palimpsest war schon im Altertum der Begriff für eine Manuskriptseite, die nach ausgiebiger Reinigung wieder beschrieben wurde. Ecos Roman Der Name der Rose wurde also von Annaud nicht verfilmt, es entstand eine Überschreibung, etwas Neues. Den Film mit dem Roman zu vergleichen verbietet sich deshalb. Der Film hat seinen Autor, wie der Roman den seinen hat.

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Roberto Benigni

Das Leben ist schön

Ich mag durchaus Filme, die den Holocaust nicht realistisch nachstellen – wie das Roman Polanski machte –, die nicht das Grauen in den Konzentrationslagern noch filmisch toppen wollen. Roberto Benigni versucht in seinem Werk La vita è bella, für den er auch das Drehbuch geschrieben hat, einen besonderen Zugriff auf das Thema Shoah. Sein 1997 fertiggestellter Film, in dem er selbst die Hauptfigur des Guido Orefice darstellt, ist eine tragische KZ-Komödie. Als Format eigentlich eine Unmöglichkeit.

Der Film besteht aus zwei Teilen. Der erste ist der heiterere. Wir erleben den jüdischen Italiener Guido, einen Tausendsassa, einen Komiker, einen Chaoten, einen Fantasten, einen Lebenskünstler. Er ist verliebt in eine hübsche Frau, sie heißt Dora – und er nennt sie seine »geliebte Prinzessin«. Sie ist Lehrerin, er betreibt einen kleinen Buchladen. Ihre ersten Treffen sind heitere Slapsticknummern. Das zweite von den vielen gefällt mir besonders: Er rast mit dem Fahrrad auf sie zu und fährt sie um. Sie fällt rücklings in einen Sandhaufen, er auf sie drauf: »Buongiorno, geliebte Prinzessin!« Coup de foudre. Sie blickt ihn an, er sie. Liebe. Bevor er weiterradelt, ein Sätzchen nur: »Vielleicht gelingt es uns mal, uns aufrecht zu begegnen.«

Es gibt in diesem ersten Teil wundervolle Szenen: Guidos Vortrag über die arische Rasse ist eine Clownsnummer, so unarisch-komisch, so jüdisch, dass sich die Lehrerin, die sich längst in diesen verrückten Typen verguckt hat, ernsthaft verliebt. Um seine Prinzessin zu treffen, hatte sich Guido als Schulinspektor ausgegeben und den Schülern die Rassentheorie erklärt: »Seht nur dieses überlegene arische Bein mit etruskischen Fesseln und römischer Wade!«, ruft er den Kindern zu und präsentiert als Krönung seinen arischen Bauchnabel. Die beiden werden ein Paar – nach einem genialisch albernen und zugleich zärtlichen Heiratsantrag –, sie verlässt ihren Verlobten, einen sehr feisten, sehr unangenehmen arischen italienischen Faschisten. Und Dora und Guido bekommen einen Sohn, Giosué. In Deutschland triumphieren die Nazis, in Italien die Anhänger Mussolinis. Als ans Fenster seines Ladens »Jude« geschmiert wird, kommentiert er: »Wurde auch Zeit.« Als der Sohn erklärt, dass es Läden gäbe, in die Juden und Hunde nicht dürften, hat der Vater eine Erklärung, die schon auf jene Bemerkungen hindeutet, die ihm im Lager einfallen werden: »Jeder, wie er will. Wir lassen in unseren Laden keine Spinnen und Westgoten mehr rein.«

Der zweite Teil beginnt mit der Deportation von Guido, dessen Onkel, einem Hoteldirektor, und Giosué in ein nationalsozialistisches Konzentrationslager. »Der Zug hat keine Sitze?«, fragt Giosué. »Nein, wir stehen alle! Es wollen ja so viele mit!« Der Zug ist abfahrbereit, da kommt Dora, die Christin, verführerisch schön, und fordert Mitfahrt. Sie lässt sich von dem zackigen jungen SS-Schergen nicht abwimmeln, der die Signora bittet, nach Hause zu gehen. Der Deutsche lässt den Zug stoppen; Dora steigt ein. »Da ist Mama!«, freut sich Giosué.

Im KZ angekommen, möchte der Junge wissen, was sie hier sollen. Der Ort gefällt ihm nicht, und außerdem hat er Hunger. Er möchte wieder nach Hause. »Was machen wir jetzt?« – »Wir spielen«, ist des Vaters Antwort: »Das Spiel heißt Mann gegen Mann. Wenn wir gewinnen, gibt es als Hauptpreis einen echten nagelneuen Panzer.« Die Nazis, die auch im italienischsprachigen Original deutsch sprechen, scheuchen Vater und Sohn in eine Baracke. Die Häftlinge drinnen – in den gestreiften Pyjamas – starren sie an. Alle Fragen wehrt der Vater von nun an ab, für jede Demütigung fällt ihm eine andere Spielregel ein. Mit komischen Täuschungen beruhigt er immer wieder seinen Sohn, der den Panzer gewinnen will, obwohl die anderen Lagerkinder ihm erklären, es gäbe keine Punkte und nichts zu gewinnen. Wie Guido plappert und plappert, damit sein Giosué nicht fragt, ist entsetzlich-komisch. Aber das Spiel funktioniert, des Sohnes Ehrgeiz ist geweckt, deshalb ist er besonders stolz, dass er Brot ohne Marmelade bestellt hat – das gebe, so hofft er, Extrapunkte. Der Zuschauer weiß mehr als das Kind – und das macht die Witze so fürchterlich.

Immer schwerer fällt es dem Vater, fantastische Einfälle zu erfinden. Ganz schrecklich – und überhaupt nicht mehr komisch – ist jene Szene, in der der Junge dem Vater anvertraut, dass es im Lager überhaupt keine Kinder mehr gebe zum Spielen, denn sie seien alle verbrannt und zu Seifen und Knöpfen verarbeitet worden. »Das hast du geglaubt?«, witzelt Guido, »Ich wasche mich mit Bartolomeo, dann knöpfe ich mit Francesco zu … uups, jetzt ist mir Giorgio abgefallen … Die wollen dich nur reinlegen, damit du aufgibst und sie den Preis gewinnen!« Selbst auf dem Weg zur Erschießung spielt Guido für Giosué noch einmal den Clown. Mit Stechschritt geht er in den Tod. Ein soldatischer Pinocchio.

Am nächsten Tag wird Giosué im verlassenen Lager, das von den amerikanischen Alliierten befreit wurde, gefunden. Ein riesiger Panzer fährt auf den staunenden Jungen zu, hält – und der ruft freudig: »Ja, es stimmt!« Er glaubt, er habe das Spiel gewonnen. Im Panzer fährt er vorbei an den befreiten Häftlingen, sieht seine Mutter: »Wir haben gewonnen, Mama!«, ruft er ihr zu. Der amerikanische Soldat reicht ihn aus dem Panzer herunter. Schon fällt Giosué auf seine Mutter, die auf einer Wiese sich ein wenig ausruht, fällt wie Guido in der Anfangsszene auf seine Prinzessin. Glück.

Ich habe den Film mehrmals gesehen und immer wieder bei denselben Szenen geweint und gelacht. Jedes Mal wieder habe ich gestaunt, mit welcher Sensibilität Benigni diese Geschichte erfunden, erzählt und gespielt hat. Nie wird ein Spaß platt, nie verliert eine Fürchterlichkeit den aufklärerischen Schreck. Dieser Film ist ein Tabubruch, der mit einem Spiel erklärt, dass das Morden kein Spiel ist.

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Ingmar Bergman

Das siebente Siegel

Seit meinem Studium faszinieren mich mittelalterliche Totentänze, in der Literatur und in der Malerei. Wie ein Walfahrer reiste ich, sie mir anzusehen. Zur Abtei La Chaise-Dieu in der Auvergne, nach Basel, Lübeck, Tallinn, Dresden und Straßburg. Ich schrieb eine Hauptseminararbeit über die verschiedenen Totentanzformen, war fasziniert von der Suche der Künstler nach Demut und Wahrheit und Gott. Zu dieser Zeit sah ich Ingmar Bergmans 1957 entstandenen Schwarz-Weiß-Film zum ersten Mal. Es ist ein filmisches Mysterienspiel.

Inspiriert wurde der Regisseur, so sagte er, durch Carl Orffs Carmina Burana – keine meiner Lieblingskompositionen: »Menschen, die durch den Untergang der Zivilisation und Kultur zogen und neue Lieder gebärten, das war ein verlockender Stoff für mich.« Zudem faszinierte ihn Albrecht Dürers Kupferstich Ritter, Tod und Teufel von 1513 und August Strindbergs historisches Drama Folkungersage,1899 publiziert. Das Drehbuch orientiert sich indes vor allem an Bergmans drei Jahre vor dem Film geschriebenen einaktigen Theaterstück Trämålning, deutsch: »Holzmalerei«. Es besteht aus einer Reihe von Monologen. Bergman veränderte es stark und führte entscheidende Figuren ein, darunter auch den Tod. Diese Theatervergangenheit merkt man dem Film an, was mich wenig stört. Bergman hingegen, der sein Werk als gelungen bezeichnete, missfiel später das Theatralische; es sei ein Film geworden, den er »rein mit dem Verstand« gemacht habe. Andererseits behauptete er, es sei seine Absicht gewesen »wie ein mittelalterlicher Kirchenmaler zu malen, mit demselben objektiven Interesse, mit derselben Zärtlichkeit und Freude«.

Genau dies ist Bergman gelungen: ein imposanter Bilderzyklus. Von der ersten Einstellung an. Eine düstere Wolkenlandschaft. Ein Greifvogel kreist über einer felsigen Küstenlandschaft, während aus dem Off ein Schauspieler aus der Offenbarung des Johannes rezitiert: »Und als das Lamm das siebente Siegel brach, entstand im Himmel eine Stille, die erst nach einer halben Stunde endete. Und die sieben Engel, die die sieben Posaunen hatten, machten sich bereit in ihre Posaunen zu stoßen.«

Danach sehen wir einen schlafenden Kreuzritter, er heißt Antonius Block, gelehnt an einen Stein, neben sich ein Schachspiel. Minutenlang kein Wort; auch das Gebet, das er, kniend auf dem Kieselstrand, spricht, hören wir nicht. Nur das Rauschen des Meeres. Wie Luis Buñuel vertraut Bergman dem Schweigen als dramatischer Steigerung. Plötzlich absolute Stille. Eine Erscheinung, schwarz gewandet vom Kopf, der Kapuze, bis zu den Füßen, das Gesicht blendend weiß. Der Ritter erschrickt: »Wer bist du?« – »Ich bin der Tod.« – »Kommst du mich zu holen?« – »Ich bin schon lange an deiner Seite gegangen.« – »Das weiß ich.« – »Bist du bereit?« – »Mein Körper ist bereit, ich nicht.« Der Tod will nicht mit sich handeln lassen, und doch geht er auf des Ritters Vorschlag ein, mit ihm und gegen ihn Schach zu spielen. Die Verabredung: Solange die Partie nicht entschieden ist, wird ihm Aufschub gewährt; gewinnt er, soll er verschont werden. Der Tod spielt mit den schwarzen Steinen und kommentiert: »Das trifft sich gut, ich liebe Schwarz.«

Cut. Wir sehen, wie Block mit seinem Knappen Jörn seine Reise zu seinem Gut fortsetzt, zu seiner Frau, von der er hofft, dass sie ihn erwartet. Sie begegnen vielen Menschen – auch einer Schauspielertruppe, zu der Jof und Mia, also Maria und Josef, ihr kleiner Sohn Mikael und Skat gehören. Sie haben ihre Lebensfreude nicht aufgegeben – trotz der verheerenden Pest. Sie treffen später gemeinsam auf den Schmied Plog und seine kokette Frau Lisa und ziehen nun alle mit Jörn und Block weiter. Immer wieder erscheint ihnen auch der Tod, der den Ritter immer aufs Neue auffordert, das Spiel fortzusetzen. Die Reisenden erreichen schließlich Blocks Burg, wo seine Frau Karin ihn und seine Begleiter empfängt. Während sie essen, erscheint der Tod, sein Versprechen einzulösen. Der Film endet mit einem Totentanz, den wir zuvor schon gesehen hatten, als der Künstler Albertus Pictor, der in der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts in Stockholm und der Umgebung arbeitete, eine Mauer mit dem Sensenmann und dem Tanz bemalte.

Nicht nur bei seiner Beichte in einer kleinen Kirche denkt der Ritter über den Sinn des Lebens nach; er zweifelt an der Existenz Gottes, aber er verzweifelt nicht. Das, was jeder Totentanz – gedichtet oder gemalt oder geschnitten – bewirken sollte, die Erkenntnis, dass alles auf Erden eitel ist und wir demütig durch das Leben leiden müssen, das leistet auch dieser Film. Er wird zu einem Memento mori oder, wie Bergman im Vorwort zu seinem Drehbuch schrieb, zu einer »Allegorie mit einem sehr einfachen Thema: der Mensch, seine ewige Suche nach Gott, und dem Tod als einziger Sicherheit«. Antonius Block, der Intellektuelle, erkennt auf seiner Reise, die einer Gottsuche gleicht und einer Erforschung der eigenen Psyche, dass Leben und Sterben ohne Glauben bedeutungslos sein muss. Den Knappen Jörn kümmern indes keine Zweifel; er, der Zyniker, glaubt an keinen Gott, und die Welt gilt ihm als absurd.

Wie viel Bergman steckt in diesem Block? Das fragten schon die ersten Interpreten des Siebenten Siegels. Schließlich war Bergman der Sohn eines Pfarrers und hatte eine strenge religiöse Erziehung hinter sich. Block, so Bergman in einem Interview, sei ein Teil seiner selbst: »Ich habe eher mit einer Art Verzweiflung die Blocks in mir erlebt, von denen ich mich eigentlich nie recht befreien kann.« Bergmans Sympathie gilt den Schauspielern, den Gauklern. Und Jörn ist ihm ebenfalls nicht fremd. Er ist der moderne, denkende, aufgeklärte Mensch in diesem mittelalterlichen Totentanz. Bergman zeigt im Tanz beide Seiten, er malt Haltungen und zieht kein Resümee. Der Zuschauer muss sich entscheiden. Ich habe mich entschieden trotz der Zweifel, dass »die Liebe, die Leben und Freude gibt«, jene Liebe, die Jof und Mia zum Zentrum ihres Seins gemacht haben, der einzige Wert ist, der dem Nichts entgeht, wie Jacques Sichlier, der Herausgeber der Bergman-Gespräche formulierte. Das siebente Siegel ist ein kluger Film, ein berührender und – da hat Éric Rohmer, der begnadete Bergman-Kollege recht – »einer der schönsten, die je gedreht wurden«.

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Kenneth Branagh

Viel Lärm um nichts

Ich kenne wenige gute Verfilmungen der Shakespeareschen Komödien, aber Kenneth Branaghs Viel Lärm um nichts,1993 herausgebracht, gefällt mir ausnehmend gut. Diese Version besitzt einen sehr italienischen Charme – die Szene ist Messina, schrieb Shakespeare. Jetzt sind wir eher in der Toskana. Das Spiel ist im besten Sinn flott; und der Zuschauer erlebt exzellente Theater- und Filmschauspieler. Und noch etwas: Branagh zerstört den Text nicht durch seine Kürzungen und Umstellungen.