Sündige Winternacht mit der Verräterin - Clare Connelly - E-Book + Hörbuch

Sündige Winternacht mit der Verräterin Hörbuch

Clare Connelly

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Beschreibung

Sie ist eine Lügnerin! Wutentbrannt verbannt Businesstycoon Gabe Arantini die schöne Abby nach einer sündigen Winternacht aus seinem Leben. Er ist überzeugt, dass sie ihn nur ausspionieren wollte. Doch ein Jahr später läuft sie ihm erneut über den Weg. Wieder ist es kurz vor Weihnachten, wieder knistert es zwischen ihnen. Aber diesmal hat Abby ein Baby - seinen Sohn. Der Milliardär besteht auf einer Blitzhochzeit. Nicht etwa aus Liebe, sondern aus Pflichtbewusstsein! Gabe ist überzeugt, dass er der schönen Verräterin niemals verzeihen kann …

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Zeit:5 Std. 22 min

Sprecher:Nadja Herbst
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IMPRESSUM

JULIA erscheint in der HarperCollins Germany GmbH

Redaktion und Verlag: Postfach 301161, 20304 Hamburg Telefon: +49(0) 40/6 36 64 20-0 Fax: +49(0) 711/72 52-399 E-Mail: [email protected]
Geschäftsführung:Katja Berger, Jürgen WelteLeitung:Miran Bilic (v. i. S. d. P.)Produktion:Jennifer GalkaGrafik:Deborah Kuschel (Art Director), Birgit Tonn, Marina Grothues (Foto)

© 2018 by Clare Connelly Originaltitel: „Bound by Their Christmas Baby“ erschienen bei: Mills & Boon Ltd., London in der Reihe: MODERN ROMANCE Published by arrangement with HARLEQUIN ENTERPRISES II B.V./S.àr.l.

© Deutsche Erstausgabe in der Reihe JULIABand 2418 - 2019 by HarperCollins Germany GmbH, Hamburg Übersetzung: Natasha Klug

Abbildungen: Harlequin Books S.A., alle Rechte vorbehalten

Veröffentlicht im ePub Format in 12/2019 – die elektronische Ausgabe stimmt mit der Printversion überein.

E-Book-Produktion: GGP Media GmbH, Pößneck

ISBN 9783733712648

Alle Rechte, einschließlich das des vollständigen oder auszugsweisen Nachdrucks in jeglicher Form, sind vorbehalten. CORA-Romane dürfen nicht verliehen oder zum gewerbsmäßigen Umtausch verwendet werden. Sämtliche Personen dieser Ausgabe sind frei erfunden. Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen sind rein zufällig.

Weitere Roman-Reihen im CORA Verlag:BACCARA, BIANCA, ROMANA, HISTORICAL, TIFFANY

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1. KAPITEL

Gabe langweilte sich zu Tode. So wie eigentlich immer, wenn er an einem dieser verflixten Investoren-Dinner teilnehmen musste. Doch sie gehörten nun mal zu seinem Job, und er war nicht der Typ Mann, der vor einer Herausforderung davonlief.

Dennoch – eines stand fest: Noah – sein Geschäftspartner und bester Freund – würde ganz bestimmt nicht freiwillig an einer solchen Veranstaltung teilnehmen. Eine Party in einem Club? Sicher, da wäre er mit großer Begeisterung dabei. Aber ein ödes Dinner in einem Sternerestaurant? Nein, diese Methode, potenzielle Geldgeber bei Laune zu halten, überließ er lieber Gabe.

Und zwar ausschließlich.

Gabe setzte ein professionelles Lächeln auf und nickte hier und da, obwohl er dem Gespräch nur ganz am Rande folgte. Insgeheim fragte er sich, wie lange er noch bleiben musste, ehe er sich entschuldigen und das Restaurant verlassen konnte. Ihm fielen ungefähr eine Millionen Dinge ein, die er an einem Abend wie diesem lieber tun wollte.

Seit einem Jahr war er nicht mehr in New York gewesen – und das letzte Mal …? Nun, das konnte man nur als ausgemachte Katastrophe bezeichnen. Kein Wunder, dass er die Stadt so lange wie die Pest gemieden hatte.

Weihnachten machte ihn immer so melancholisch, das war das ganze Problem. Nur deshalb hatte er sich von seinem Selbstmitleid einlullen lassen und war dumm genug gewesen, auf ihre Masche hereinzufallen.

„Calypso wird den Markt revolutionieren.“ Bertram Fines klang zuversichtlich. „Sie haben es wieder mal geschafft, Gabe. Gratulation!“

Gabe ignorierte die Schmeicheleien. Leute wie Fines waren damit immer schnell bei der Hand, seit Noah und er es mit ihrem Unternehmen aus eigener Kraft bis ganz nach oben geschafft hatten. In den frühen Jahren, als sie finanziell stets gefährlich nah am Abgrund entlangbalanciert waren, hatten sie nicht so viele Freunde gehabt.

Er griff nach seinem Glas und stellte fest, dass es leer war. Ohne aufzublicken winkte er mit einer knappen Handbewegung die Kellnerin heran.

„Es ist augenblicklich das Nonplusultra in Sachen technischer Innovation. Calypso ist nicht irgendein neues Smartphone, es ist eine Lebensart“, entgegnete er mit einem lässigen Schulterzucken.

In Wahrheit war Calypso das Ergebnis einer Idee, die Noah und er vor ein paar Jahren gehabt und an deren Verwirklichung sie seitdem unermüdlich gearbeitet hatten. Bis zu diesem Punkt, kurz vor der Markteinführung, an dem sie sich jetzt befanden.

Calypso war mehr als nur irgendein weiteres Smartphone. Es war intelligenter. Sicherer. Es garantierte seinem Benutzer den Schutz seiner Privatsphäre.

Bei dem Gedanken daran, dass er vor einem Jahr das alles beinahe verloren hätte, überlief es ihn eiskalt. Um ein Haar wären die Informationen, die Calypso von den Produkten der Konkurrenz abhob, an einen ihrer Konkurrenten gegangen.

Doch dazu war es nicht gekommen. Dafür hatte er gesorgt.

„Was kann ich für Sie tun, Sir?“ Eine Frau stand zu seiner Linken – eine Rothaarige mit weiblichen Kurven und einem Lächeln, das zeigte, dass sie sich ihrer Reize nur allzu bewusst war.

Früher einmal hätte Gabe ihr Lächeln erwidert. Verdammt, er hätte sehr viel mehr getan, als zu lächeln. Er hätte eine Charmeoffensive gestartet, sich erkundigt, wann ihre Schicht endete, und sie dann nach allen Regeln der Kunst verführt.

Doch er hatte seine Lektion gelernt. Nie wieder würde er einen Wolf im Schafspelz in sein Bett einladen. Oder eine Frau, die es nur darauf abgesehen hatte, ihn zu betrügen.

Bevor er Abigail Howard kennenlernte, hätte er nicht im Traum daran gedacht, auch nur einen Monat ohne eine schöne Frau zwischen seinen Laken zu verbringen. Nun war es schon fast ein Jahr her. Ein Jahr seit Abigail. Ein Jahr ohne Frauen. Und es machte ihm überraschend wenig aus.

Er bestellte die teuerste Flasche Wein, die auf der Karte stand – ohne zu lächeln –, und wandte seine Aufmerksamkeit wieder seinen Gästen zu.

Die Unterhaltung war mittlerweile beim Thema Immobilien angekommen. Er lehnte sich zurück und gab vor, aufmerksam zuzuhören, während er sich umblickte.

Im Restaurant war es ruhiger geworden. Es war eines der ältesten und angesehensten Etablissements von Manhattan, doch die Gäste gehörten eher zum konservativen Schlag, und es war schon beinahe Mitternacht.

Gabe ließ seinen Blick durch den Raum schweifen. Es war genau, wie man sich ein Lokal wie dieses vorstellte. Glitzernde Kronleuchter, prächtige tiefrote Samtvorhänge vor den Fenstern, und Menü- und Weinkarten, die sternewürdig waren.

Die Kellnerin kam mit dem Wein, und er bedeutete ihr, dass sie auch die Gläser seiner Gäste auffüllen sollte. Was ihn selbst betraf … nun, er war grundsätzlich kein großer Trinker, und er kannte diese Männer kaum. Vorsicht ist besser als Nachsicht, sagte er sich immer. Eine weitere Lektion, die er vor einem Jahr gelernt hatte.

Nein, das stimmte so nicht. Er hatte es im Grunde schon immer gewusst. Sie hatte es ihn nur vergessen lassen.

Sein Blick begann wieder zu wandern – dieses Mal in Richtung Küche, die hinter weißen Schwingtüren verborgen lag. Diese schwangen nun auf, und er erblickte einen weißblonden Haarschopf und helle, fast schon durchscheinende Haut.

Gabe erstarrte.

Das war nicht sie. Natürlich nicht. In der Küche? War das ein Spültuch in ihrer Hand gewesen?

Nein, unmöglich.

Er zwang sich, zur Unterhaltung am Tisch zurückzukehren, und lachte über einen Witz, den jemand gemacht hatte. Doch er schaute immer wieder verstohlen zu der Schwingtür und versuchte, einen besseren Blick auf seinen persönlichen Geist der vergangenen Weihnacht zu erhaschen.

Gabe war niemand, der etwas in seinem Leben dem Zufall überließ. Niemals wieder würde er sich vom Leben überraschen und auf dem falschen Fuß erwischen lassen.

Sie hatte ihn überrascht, damals, in jener Nacht.

Was hatte diese Frau nur an sich, dass sie ihm derart unter die Haut ging? Sie war schön, aber das galt für viele Frauen, und Gabe war niemand, der sich vom Aussehen einer Frau überwältigen ließ. Im Gegenteil rühmte er sich sogar damit, dass ihm der Verstand einer Frau viel wichtiger war. Ihr Intellekt. Ihr Charakter.

Und dennoch hatte sie nur in die Bar seines Hotels treten müssen, und es war um ihn geschehen gewesen.

Welcher Wahnsinn hatte damals von ihm Besitz ergriffen?

Natürlich war ihr Treffen nicht zufällig gewesen. Alles, was sie tat, war von langer Hand geplant gewesen.

Erneut zwang er sich zur Aufmerksamkeit seinen Gästen gegenüber, doch mit den Gedanken weilte er in der Vergangenheit. Bei einer Nacht, an die er sich sonst lieber nicht erinnerte. Einer Nacht, die er wohl niemals vergessen würde.

Nicht, weil sie so wunderbar gewesen wäre – obwohl er das damals gedacht hatte –, sondern aufgrund der Lektion, die sie ihn gelehrt hatte.

Vertraue niemandem.

Niemals.

Die einzige Ausnahme war Noah. Gabe war allein auf dieser Welt, und das war genau das Leben, das er führen wollte.

Und doch … Die Vision von Abby ließ ihn einfach nicht los. Und so winkte er, als die Investoren nach ihren Wagen schickten, den Oberkellner zu sich.

„Hatten Sie einen angenehmen Abend, Mr. Arantini?“, fragte der Mann mit einer kleinen Verbeugung.

Gabe mochte in Armut aufgewachsen sein, doch er war schon lange genug reich, dass so ein Verhalten ihn nicht überraschte. Er fand es irgendwie sogar amüsant.

„Ich würde gern mit Rémy sprechen“, sagte er, anstatt zu antworten.

„Dem Koch?“

Gabe hob eine Braue. „Arbeiten heute Abend zwei Rémys für Sie?“

Der Oberkellner lachte ein wenig nervös. „Nein, natürlich nicht, Sir. Nur der eine.“

„Nun, dann werde ich ihn in der Küche aufsuchen.“

Er gab dem Kellner keine Gelegenheit, zu protestieren. Als er die Tür erreichte, zögerte er kurz bei dem Gedanken, sie womöglich wiederzusehen. Doch es sprach nicht viel dafür. Also – worauf wartete er noch?

Wenn er Abigail Howard hätte wiedersehen wollen, dann hätte es zahllose Möglichkeiten gegeben. Sie hatte ihn tausendmal angerufen, um sich für ihre Beteiligung an dem Betrug zu entschuldigen. Sie wollte ihn treffen, Wiedergutmachung leisten. Begriff sie denn nicht, wie vergeblich ihre Bemühungen waren?

Als würde Gabe ihr so diesen Verrat jemals verzeihen!

Er hatte ihr diesbezüglich keine Illusionen gelassen, als sie vor seinem Büro in Rom aufgetaucht war und regelrecht darauf bestanden hatte, zu ihm geführt zu werden.

Das war jetzt sechs Monate her.

Sechs Monate, seit sie versucht hatte, für ihren Vater an streng vertrauliche Daten des Projekts Calypso zu gelangen. Der Gedanke daran, wie weit sie für einen geschäftlichen Erfolg zu gehen bereit gewesen war, brachte sein Blut noch immer zum Kochen.

Ihm waren im Laufe seiner Karriere schon viele manipulative Menschen begegnet, aber niemand, wirklich niemand, konnte ihr das Wasser reichen.

Er hatte ein immenses Gefühl von Befriedigung verspürt, als er vom Fenster aus beobachtete, wie der Sicherheitsdienst seines Büros sie vom Grundstück gebracht hatte. Sie war nach Rom gekommen, um ihn zu sehen. Und er hatte ihr glasklar zu verstehen gegeben, dass es dazu nicht kommen würde.

Warum also stand er noch immer vor der Küchentür, nur weil er dachte, sie gesehen zu haben? Es war einfach nicht möglich, sagte er sich selbst. Doch diese Frau hatte etwas an sich gehabt … Die geschmeidige Eleganz ihrer Bewegungen. Der sanfte Schwung ihres Halses oder das Haar, das zu leuchten schien wie eine Wolke, die in die letzten Strahlen des Sonnenlichts getaucht war …

Toll, jetzt wurde er ihretwegen auch noch poetisch.

Er straffte die Schultern, schob die Schwingtür auf und suchte die Küche ab, doch es hielten sich im Moment nur Männer dort auf.

„Rémy“, rief er und trat auf den Küchenchef zu.

„Ah! Arantini!“ Der Mann grinste. „Wie hat Ihnen das Essen gemundet?“

„Hervorragend.“ Gabe nickte und ärgerte sich über den Anflug von Enttäuschung, weil er sie nicht in der Küche angetroffen hatte.

„Sie hatten den Lobster?“

„Natürlich.“

„Das war schon immer Ihre Leibspeise.“ Rémy lachte leise.

In dem Moment wurde die Tür zur Kühlkammer geöffnet, und eine Frau trat heraus. Sie hielt den Kopf gesenkt, doch er erkannte sie auch so auf der Stelle.

An dem Abend, an dem sie sich kennenlernten, hatte sie teure Designergarderobe getragen – jetzt aber …? Sie war in einfachen Jeans, einem schwarzen T-Shirt und einer schwarz-weißen Schürze gekleidet. Das Haar hatte sie zu einem schlampigen Knoten am Hinterkopf zusammengefasst, und als sie das Gesicht hob, bemerkte er, dass sie kein Make-up aufgetragen hatte.

Sein Magen zog sich schmerzhaft zusammen, als eine Welle von Besitzgier über ihn hinwegrollte.

Sie war in seinem Bett gewesen. Und es war ihr nicht nur um Calypso gegangen. Sie hatte ihn gewollt. Sie hatte ihm ihre Jungfräulichkeit geschenkt und ihn regelrecht angefleht, mit ihr zu schlafen. Und er hatte es als ein Geschenk gesehen. Einen besonderen, wunderschönen Moment.

Er war noch nie zuvor „der Erste“ für eine Frau gewesen.

Sie stellte einige Behälter, die sie trug, ab und schaute zur Uhr auf, die über der Tür hing. Sie hatte ihn noch nicht bemerkt, und er war froh. Darüber, dass er sie einen Moment lang beobachten und sich all seine Gründe in Erinnerung rufen konnte, diese Frau zu hassen.

Als er sie aus seinem Büro in Rom hatte entfernen lassen, war er davon überzeugt gewesen, dass es besser so war. Er wollte sie niemals wiedersehen, und nichts und niemand vermochte daran etwas zu ändern. Doch hier, in der Küche dieses Sterne-Restaurants im Herzen Manhattans, wurde ihm klar, dass er sich selbst belogen hatte. Er wollte sie wiedersehen. Immer und immer wieder.

Er ließ seinen Blick über sie wandern, sich vollends der Tatsache bewusst, dass ihm nur dieser Moment blieb, um seine eigene Schwäche zuzulassen. Dann musste er sich wieder vor Augen halten, dass sie vorgehabt hatte, ihn zu ruinieren.

Bright Spark Inc. war für ihn mehr als nur ein Unternehmen. Es war Noahs und sein Leben. Es hatte sie beide aus einer düsteren, trüben Existenz herausgeführt, in eine Zukunft, die sehr viel heller und strahlender aussah.

Und das hatte diese Frau vernichten wollen.

Sie war auf ihn angesetzt worden, um ihm die Geheimnisse von Calypso zu stehlen. Es war ein Verbrechen, für das es niemals eine ausreichende Buße geben konnte.

„Rémy.“ Er sprach laut genug, um sicher zu gehen, dass sie ihn hörte. Als ihr Kopf hochruckte, sah er den Schock in ihren großen, grünen Augen. Alle Farbe wich aus ihrem Gesicht. Bei dem Anblick verspürte er ein Gefühl heftiger Befriedigung. „Sie haben eine Verräterin in Ihrer Mitte.“

Rémy runzelte die Stirn und folgte Gabes Blick. „Eine … Verräterin?“

„Sí.“ Gabe trat durch den Raum hinweg auf sie zu. Sie bebte jetzt, und ihren Gesichtsausdruck konnte man nur als entsetzt beschreiben.

Seine Unnahbarkeit war legendär, und auch jetzt ließ er sich seine Gedanken und Gefühle nicht anmerken. Keiner der Anwesenden konnte sehen, wie es unter der selbstherrlichen Maske brodelte.

„Wovon reden Sie?“

„Von dieser Frau“, erwiderte Gabe. „Sie ist nicht die, für die Sie sie halten.“ Er schaute sie an. Sie stand vor einer hohen Arbeitsplatte, sodass er nur ihren Oberkörper sehen konnte. „Sie arbeitet zweifellos nur hier, um Ihren Gästen ihre Geheimnisse zu entlocken. Wenn Sie Wert auf Ihren guten Ruf legen, sollten Sie sie auf der Stelle feuern.“

Rémy trat zu Gabe. Er wirkte verwirrt. „Abby arbeitet seit über einem Monat für uns.“

„Abby …“ Gabe hob spöttisch eine Braue. Es war derselbe Name, den sie ihm damals genannt hatte. Klang ja viel hübscher als Abigail Howard – Milliarden-Erbin. „Ich glaube, Abby erlaubt sich einen Scherz auf Ihre Kosten.“

Die junge Frau schluckte hörbar. „Das ist nicht wahr, ich schwöre es!“ Ihre Finger, mit denen sie sich durchs Haar fuhr, zitterten.

Gabe kniff die Augen zusammen. Sie sah müde aus. So, als wäre sie schon den ganzen Tag auf den Beinen.

„Oh, du schwörst es also.“ Er trat auf sie zu und stemmte sich mit den Händen auf die Arbeitsplatte. „Du meinst, wir haben dein Wort darauf, dass du die Wahrheit sagst?“

„Bitte, tu das nicht“, sagte sie leise und klang dabei so gequält, dass Gabe es ihr beinahe abgekauft hätte. Doch er kannte ihr schauspielerisches Talent nur zu gut.

„Wussten Sie, dass diese Frau mindestens eine Milliarde auf dem Konto hat, Rémy?“

Rémys Überraschung war offensichtlich. „Ich glaube, Sie täuschen sich“, sagte er mit einem Kopfschütteln.

Gabe lachte bitter auf. „Ich weiß besser als jeder andere, zu was sie fähig ist. Und ich kann Ihnen versichern, dass Sie sie nicht auf Ihre Gäste loslassen wollen.“

„Abby?“ Rémy breitete die Arme aus. „Was geht hier vor?“

Sie öffnete den Mund, um etwas zu sagen, schloss ihn aber gleich wieder.

Rémy gab sich nicht so leicht geschlagen. „Kennen Sie Mr. Arantini?“

Sie schaute Gabe an, und ungewollte Erinnerungen an ihre gemeinsame Nacht kochten in ihm hoch. Doch er wollte nicht daran denken, wie es mit ihr im Bett gewesen war. Wichtig war nur, wie es zwischen ihnen zu Ende gegangen war. Wie er sie auf frischer Tat dabei erwischt hatte, wie sie streng geheime Calypso-Dokumente fotografierte, als sie annahm, dass er gerade unter der Dusche stand.

Er knirschte mit den Zähnen. „Sag schon, wie wir uns kennengelernt haben, Abigail“, schlug er vor, und ein kaltes Lächeln umspielte seine Lippen.

Sie schloss die Augen. „Das ist unwichtig“, murmelte sie. „Es gehört der Vergangenheit an.“

„Wenn es nur so wäre“, entgegnete er sanft. „Aber du befindest dich hier in der Küche meines Freundes. Und bei allem, was ich über dich weiß, zweifle ich nicht daran, dass du ein falsches Spiel treibst.“

„Ich brauchte einen Job“, sagte sie und schüttelte den Kopf. „Das ist alles.“

„Ja, sicher.“ Gabe lachte, aber es war ein scharfer Laut, in dem kein Humor mitschwang. „Treuhandfonds können es einem schon schwer machen, über die Runden zu kommen.“

„Bitte …“ Sie wandte sich an Rémy. „Ich kenne diesen Mann.“ Ihr Blick wanderte zu Gabe, und sie runzelte die Stirn.

Sie war wirklich eine erstaunlich gute Schauspielerin. Wenn er es nicht besser wüsste, würde er ihr tatsächlich abkaufen, dass sie Gewissensbisse hatte. Schmerz. Verlegenheit. Doch er war ihr schon einmal auf den Leim gegangen, und er würde diesen Fehler nicht wiederholen.

„Es ist lange her“, fuhr sie fort. „Aber es hat nichts damit zu tun, warum ich hier bin. Ich habe mich um diesen Job beworben, weil ich für Sie arbeiten wollte. Und ich mache meine Sache doch gut, oder nicht?“

Rémy neigte den Kopf zur Seite. „Ja“, gestand er. „Aber ich vertraue Mr. Arantini. Wir kennen uns schon sehr lange, und wenn er sagt, dass ich Sie hier nicht arbeiten lassen sollte … Dass man Ihnen nicht vertrauen kann …“

Abby starrte ihn entsetzt an. „Aber Sie können mir vertrauen!“

„Sicher – sie ist so vertrauenswürdig wie nur irgendwas“, höhnte Gabe.

„Monsieur Valiron! Ich versichere Ihnen, dass ich nur aus einem einzigen Grund hier bin: Weil ich einen Job benötige.“

„Einen Job benötigen? Das ist doch schon die nächste Lüge.“

„Du hast doch überhaupt keine Ahnung, wovon du redest.“ Sie funkelte ihn an, und Gabe war überrascht über die Intensität ihres Blicks. Die Intensität ihres Zorns. Es schien beinahe so, als würde es nicht nur um verletzten Stolz gehen, sondern um echte Verzweiflung. Er hatte sie selbst oft genug verspürt, um das Gefühl zu erkennen.

„Du vergisst, dass ich genau weiß, wovon ich rede“, entgegnete er. „Du hast nur Glück gehabt, dass ich keine rechtlichen Schritte unternommen habe.“

Sie atmete zittrig ein und blinzelte hastig. Es sah aus, als versuchte sie verzweifelt, nicht in Tränen auszubrechen.

Teufel, er hatte noch nie eine Frau zum Weinen gebracht. Selbst in jener Nacht, als er ihr bittere Vorwürfe machte, hatte sie keine Träne vergossen. Sie war schockiert gewesen und erschüttert, aber sie hatte nicht geweint.

Nein, sie hatte gestanden, dass ihr Vater sie gebeten hatte, sich an ihn heranzumachen, um alles über Calypso herauszufinden. Dann hatte sie sich entschuldigt und war gegangen.

„Ich bitte dich nicht, mir zu verzeihen, was zwischen uns geschehen ist.“

„Gut“, fiel er ihr barsch ins Wort und wünschte sich ein Glas Bourbon, um den bitteren Geschmack in seinem Mund loszuwerden.

„Aber bitte, mach mir das nicht kaputt.“ Sie wandte sich wieder Rémy zu. „Ich lüge nicht, Monsieur. Ich brauche diesen Job. Ich verspreche, dass ich nichts vorhabe, was ein schlechtes Bild auf Sie oder das Restaurant werfen könnte.“

Rémy runzelte die Stirn. „Ich will Ihnen ja gern glauben, Abby …“

Gabe neigte den Kopf zur Seite. „Aber dieser Frau zu vertrauen, wäre ein Fehler, Rémy.“

Abby fühlte sich wie betäubt. Es hatte nichts mit dem Schnee zu tun, der über New York niederging und es in ein herrliches Winterwunderland verwandelte. Und auch nicht damit, dass sie das Restaurant so eilig verlassen hatte und nicht einmal ihren Mantel – oder ihre Trinkgelder – mitgenommen hatte.

Sie fluchte leise, Tränen liefen ihr über das Gesicht. Wie hoch standen schon die Chancen, dass Gabe Arantini ausgerechnet in die Küche des Restaurants kam, in dem sie arbeitete? Darauf, dass er eng genug mit ihrem Chef befreundet war, um sie feuern zu lassen?

Ihr entfuhr ein Schluchzen, und sie zog sich hastig in eine Seitengasse zurück, lehnte sich gegen die Wand und versuchte, ihre Fassung wiederzufinden.

Sie hatte gedacht, dass sie ihn niemals wiedersehen würde. Sie hatte versucht, ihn zu vergessen. Sie hatte es versucht, als sie dachte, dass es darauf ankam. Sie hatte es versucht, als sie es für das Richtige gehalten hatte.

Aber jetzt?

Sie biss sich auf die Lippe. Er hasste sie. Sie hatte es schon immer gewusst, aber all den Hass und die eisige Wut in seinen Augen zu sehen, ließ sie zögern zu tun, was sie tun musste.

Warum war er nach New York gekommen? Hielt er sich schon lange hier auf? Hatte er überhaupt einmal an sie gedacht?

Sie musste ihn noch einmal treffen – aber wie sollte sie das anstellen? Sie hatte so oft versucht, ihn anzurufen, doch er hatte sie stets abblitzen lassen. E-Mails wurden nicht zugestellt, und sie war sogar nach Rom geflogen, nur, um von zwei stämmigen Sicherheitsmännern aus dem Gebäude begleitet zu werden. Was sollte sie also jetzt tun?

Es würde diesem herzlosen Bastard recht geschehen, wenn sie es sein ließ. Sie konnte gehen, ihre Wunden lecken und ihre Geheimnisse für sich behalten. Damit würde sie genau das tun, was er von ihr verlangte.

Doch es ging hier nicht darum, was sie oder Gabe wollten. Sie musste an ihr gemeinsames Baby denken. An Rafe – und daran, was er verdiente.

Ihre Brust zog sich schmerzhaft zusammen bei dem Gedanken, was für ein Leben sie ihrem Sohn bot. Ein winziges Apartment, kein Geld auf dem Konto, obwohl sie so hart arbeitete, dass sie ihn kaum einmal zu Gesicht bekam. Die Nachbarin, die häufig über Nacht bei Rafe blieb, sah ihren Sohn öfter, als sie selbst.

Rafe verdiente so viel mehr als das. Und dieses Mal würde sie nicht zulassen, dass Gabe sie abwies.

Nicht ohne sie vorher angehört zu haben.

2. KAPITEL

„Eine Miss Howard möchte Sie sprechen, Sir“, erklang die Stimme seiner Assistentin Benita aus dem Intercom.

Nach außen hin zeigte Gabe keine Reaktion, doch innerlich verspürte er einen scharfen Stich. Was zum Teufel …? Wie oft musste er ihr noch erklären, dass sie sich von ihm fernhalten sollte?

Er hob das Telefon ab. „Wer, haben Sie gesagt?“

„Miss Howard.“

Einen Moment lang starrte er ins Leere. Es war ein trüber Tag, der Himmel grau und wolkenverhangen. Doch in den Straßen herrschte, wie er sehr wohl wusste, vorweihnachtliche Hektik.

Es lag ihm auf der Zunge, seine Assistentin anzuweisen, die Polizei zu rufen und die ungebetene Besucherin abführen zu lassen. Doch dann fiel ihm ein, wie verzweifelt Abigail vorgestern Abend in der Restaurantküche gewirkt hatte. So, als würde sie diesen niederen Job wirklich brauchen.

Er wusste natürlich, dass dem nicht so war. Aber er fragte sich trotzdem, was sie vorhatte. Was für ein Spielchen spielte sie? Hatte sie es auf Rémy abgesehen? Oder war ihre List dieses Mal noch komplexer?

Das herauszufinden, war er seinem Freund schuldig. Aber nicht hier. In seinem Büro befanden sich zu viele Dokumente, die für jemanden wie Abigail interessant sein könnten.

„Sagen Sie ihr, dass ich beschäftigt bin. Aber wenn sie will, kann sie auf mich warten“, sagte er, wohl wissend, dass sie genau das tun würde. Und es würde ihm großes Vergnügen bereiten, die Zeit so weit wie möglich auszudehnen.

Für den Rest des Tages blieb er an seinem Schreibtisch. Stunden verstrichen. Er bearbeitete liegengebliebene E-Mails und las die letzten Berichte aus dem Warenlager in China, dann rief er Noah an. Es war beinahe sechs, als Benita wieder bei ihm durchklingelte.

„Ich bin für heute mit der Arbeit fertig und würde dann jetzt gehen, Mr. Arantini. Ach, und Miss Howard wartet übrigens immer noch.“

Er presste die Lippen zusammen. Natürlich wartete sie noch.

„Sagen Sie ihr, dass ich mir dessen bewusst bin“, sagte er und legte auf. Dann nahm er den letzten Produktionsbericht für Calypso, doch wirklich darauf konzentrieren konnte er sich nicht. Fünf Stunden waren seit ihrem Eintreffen vergangen, und so langsam wurde die Anspannung unerträglich.

Mit einem tiefen Seufzen erhob er sich und öffnete die Tür, die von seinem Büro ins Vorzimmer führte.

Der Raum war noch immer hell erleuchtet, doch hinter den Fenstern, vor denen Abigail saß, war es stockfinster. Obwohl es noch einen ganzen Monat bis Weihnachten war, stand in der Ecke ein riesiger Tannenbaum, geschmückt mit ausgefallenen Weihnachtskugeln und Lichterketten. Deren Schein tauchte Abigail in einen engelsgleichen Glanz. Eine optische Täuschung – an dieser Frau war nun wirklich nichts Engelsgleiches.

Sie schaute auf, und er ignorierte das Feuer des Verlangens, das bei ihrem Anblick sogleich in ihm hochkochte. Was ihn an Frauen anzog, waren Intelligenz, Loyalität, Stärke und Integrität. Sie besaß keine dieser Qualitäten. Nun, vielleicht Intelligenz. Aber die nutzte sie bedauerlicherweise für die falschen Dinge.

„Also, was willst du?“, fragte er barsch.

Sie schien überrascht über seinen Ton. Oder darüber, dass er überhaupt aufgetaucht war?

„Ich hätte nicht gedacht, dass du mich wirklich empfangen würdest“, sagte sie und bestätigte damit, dass seine zweite Vermutung zutraf. „Ich war sicher, dass du bereits gegangen bist.“

„Mein erster Impuls war es, dich rauswerfen zu lassen“, entgegnete er. „Du weißt, wozu ich in der Lage bin.“ Er bemerkte, wie ihre Wangen sich rot färbten, doch sie reckte trotzig das Kinn. Ungerührt fuhr er fort: „Doch dann kam ich zu dem Schluss, dass ich herausfinden sollte, was du planst.“

„Was ich plane?“

„Sicher. Es muss schließlich einen Grund geben, warum du in der Küche meines Freundes arbeitest. Also? Was hast du vor?“

Sie schüttelte den Kopf. „Gabe …“