SYLTKRIMI Sammelband 1 bis 3 - Krinke Rehberg - E-Book

SYLTKRIMI Sammelband 1 bis 3 E-Book

Krinke Rehberg

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Beschreibung

Die beliebte Küstenkrimireihe um die Sylter Kriminalhauptkommissarin Bente Brodersen als Sammelband. Die ersten drei Bände in einem Buch Bente Brodersen ist die nördlichste Kommissarin Deutschlands. Sylt, die Insel der Schönen und Reichen, hat nur 15.000 Einwohner und lockt jährlich Millionen Touristen an. Für die Kripo-Sylt eine echte Herausforderung, denn Mord macht keine Ferien.

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Veröffentlichungsjahr: 2025

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DÜNENGRAB

KRINKE REHBERG

INHALT

© 2022 Krinke Rehberg

Auch wichtig

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Kapitel 10

Kapitel 11

Kapitel 12

Kapitel 13

Kapitel 14

Kapitel 15

Kapitel 16

Kapitel 17

Kapitel 18

Kapitel 19

Kapitel 20

Kapitel 21

Kapitel 22

Kapitel 23

Kapitel 24

Kapitel 25

Kapitel 26

Kapitel 27

Kapitel 28

Kapitel 29

Kapitel 30

Ende

SYLTKRIMI NORDSEEGRAB

Auch wichtig

© 2022 Krinke Rehberg

Kapitel 31

32. 19 Jahre zuvor

Kapitel 33

Kapitel 34

Kapitel 35

Kapitel 36

Kapitel 37

Kapitel 38

Kapitel 39

Kapitel 40

Kapitel 41

Kapitel 42

Kapitel 43

Kapitel 44

Kapitel 45

Kapitel 46

Kapitel 47

Kapitel 48

Kapitel 49

Kapitel 50

Kapitel 51

Kapitel 52

Kapitel 53

Kapitel 54

Kapitel 55

Kapitel 56

Kapitel 57

Ende

SYLTKRIMI GRABESSTILLE

Auch wichtig

© 2022 Krinke Rehberg

Ohne Titel

Kapitel 58

Kapitel 59

Kapitel 60

Kapitel 61

Kapitel 62

Kapitel 63

Kapitel 64

Kapitel 65

Kapitel 66

Kapitel 67

Kapitel 68

Kapitel 69

Kapitel 70

Kapitel 71

Kapitel 72

Kapitel 73

Kapitel 74

Kapitel 75

Kapitel 76

Kapitel 77

Kapitel 78

Kapitel 79

Kapitel 80

Kapitel 81

Kapitel 82

Kapitel 83

Kapitel 84

Kapitel 85

Kapitel 86

Kapitel 87

Kapitel 88

Kapitel 89

Kapitel 90

Kapitel 91

Ende

Neuerscheinung Am

Prolog

92. Vor 10 Tagen

Kapitel 93

94. Heute

Kapitel 95

NEWSLETTER

KRINKE REHBERG

Dünengrab

© 2022 KRINKE REHBERG

Alle Rechte an Cover/Logo/Text/Idee vorbehalten

ISBN der Printausgabe: 979-8831968361

Imprint: Independently published

Covergestaltung: MOTTOM Bildnachweis:: Pixabay /Chorengel / Santa3

Autorenservice Tomkins – Krinke Rehberg, Am Wald 39, 24229 Strande

AUCH WICHTIG

Dieser Kriminalroman ist frei erfunden. Alle Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen und/oder realen Handlungen sind zufällig und nicht beabsichtigt.

Für Sabine

Sie ist alles in oin!

ACH JA: NIEMAND IST PERFEKT!

Daher bitte ich, eventuelle Rechtschreibfehla zu entschuldigen ...; )

»Es begann mit Kain und Abel und hat bis heute nicht aufgehört.«

EINS

»Sie müssen pressen!«

Agnes sprach eindringlich auf die erschöpfte Frau ein.

»Ich möchte, dass Sie pressen. Bei drei! Eins, zwei, jetzt!«

Die Wehen waren künstlich eingeleitet worden, aber die Gebärende verweigerte jegliche Mitarbeit.

Ihre Atmung war flach und sie hatte offenbar starke Schmerzen.

Agnes nahm ihre eiskalte Hand und rieb sie in ihren.

»Sie haben es gleich geschafft, helfen Sie nur ein paar Mal mit, dann ist es vorbei!«, flüsterte sie der gepeinigten Frau zu.

Der Wehenschreiber kündigte die nächste Wehe an. Die Frau keuchte und biss die Zähne zusammen. Ihre Augen hielt sie geschlossen.

»Eins, zwei drei, pressen Sie, pressen!«

Agnes Stimme war ruhig und entschlossen.

Die Frau bäumte sich auf.

»Das machen Sie gut!«

Agnes hatte in der Hebammenschule gelernt, wie sie sich bei einer sogenannten stillen Geburt verhalten musste. Noch nie hatte sie dieses Wissen benötigt.

Tränen liefen ihre Wangen hinab, während sie der Frau gut zuredet, ihr totes Baby zur Welt zu bringen.

ZWEI

Svea verstaute die schwarze Langhaarperücke, die dunkle Sonnenbrille und das Sonnenkäppi in dem kleinen Rucksack und stopfte ihn unter die Kofferraumablage neben das Reserverad.

Warum war er nicht gekommen? Es war Freitag und sie hatte diesem Treffen entgegengefiebert!

Sie lenkte den schwarzen SUV auf die Auffahrt zum Haus und wählte erneut seine Handynummer.

Es sprang noch nicht einmal die Mailbox an.

»Torben, wo bist du?«, murmelte sie enttäuscht.

Noch nie hatte er ein Treffen abgesagt, geschweige denn einfach versäumt!

Sie öffnete die Haustür und drängte die Gedanken an ihn beiseite.

Im Flur spürte sie sofort, dass irgendetwas nicht stimmt.

In ihrem großen, reetgedeckten Anwesen auf der Wattseite in Kampen war es still.

Allerdings war sie 3 Stunden früher als angekündigt zurück, vielleicht hielt Jördis noch ihren Mittagsschlaf.

Aber das Radio spielte nicht und auch kein Haushaltsgerät lief.

Juliette hatte immer irgendein Gerät eingeschaltet! Wenn sie nicht staubsaugte oder die Wäsche machte, buk sie einen Kuchen oder kochte. Und vor allem hörte sie immer Radio!

Svea mahnte sich zur Ruhe, legte Schlüssel und Handy auf die Kommode im Flur und streifte ihre Sneaker von den Füßen.

»Haaallloooo, Juliette!«

Keine Antwort.

Sie fühlte ein Ziehen in der Magengegend.

Vielleicht war sie eingeschlafen?

Juliette war in den vergangenen Monaten so etwas wie ein Familienmitglied geworden.

Benno hatte auf ein Au-pair-Mädchen gedrängt und sie hatte sich schließlich überreden lassen. Die Entscheidung hatte sich als richtig erwiesen! Juliette war ihr eine schwesterliche Freundin geworden und Jördis liebte sie!

Außerdem hatte Svea den geheimen Plan, stundenweise in der Kunstgalerie in Keitum auszuhelfen, wo sie vor Jördis Geburt gearbeitet hatte.

Die nächsten Monate würden eine radikale Umstellung ihrer aller Leben mit sich bringen und Svea baute fest darauf, Juliette an ihrer Seite zu haben.

Ohne die 24-jährige Französin hätte sie keine der längst überfälligen Entscheidungen getroffen!

Und ohne Torben!

»Juliette?«, rief sie erneut und stieg über das Laufrad, das im Flur vor der Treppe lag. Jördis nutzte es nur noch im Haus, seit der Osterhase ihr ein kleines Fahrrad mit Stützrädern gebracht hatte.

Svea lief durch die große Wohnküche, warf einen Blick auf die Terrasse und den Garten und stürmte schließlich, immer 2 Stufen auf einmal nehmend, die Treppe hinauf.

Jördis!

Sie riss die Tür zum Kinderzimmer auf und stand im Halbdunkel in dem rosafarbenen Raum. Etwas Licht fiel durch die hochgezogenen Plissees.

Das weiße Bettchen mit den geschnitzten Tierfiguren als Bettpfosten stand am Fenster.

Svea rannte lautlos über den flauschigen Teppich und schrie leise auf, als sie auf einen Legostein trat.

Jördis lag friedlich schlafend in ihrem Bett!

Angestaute Tränen liefen Sveas Wangen hinab und erleichtert legte sie eine Hand auf die Wange ihrer Tochter, nur um sie zu spüren.

»Alles ist gut, meine Prinzessin!«

Das schlafende Kind strahlte so viel Zufriedenheit aus, dass Svea sich für ihre Besorgnis rügte.

Eine Welle der Liebe strömte durch ihren Körper. Jördis war das Wichtigste in ihrem Leben!

Noch einmal kam panische Blitzangst in ihr hoch, nur für wenige Sekunden stellte sie sich vor, dass Jördis in Gefahr geraten könnte und sie selbst machtlos wäre. Schließlich wischte sie den Gedanken beiseite und atmete tief durch.

Dann sah sie das Brotmesser auf dem Nachttisch.

Augenblicklich setzte ihr Herzschlag aus, um danach in dreifacher Geschwindigkeit zu pochen.

Juliette würde niemals ein Messer ins Kinderzimmer tragen, geschweige denn es liegenlassen!

Svea nahm es vorsichtig in die Hand.

Sie erkannte sofort, dass es in den Messerblock in der Küche gehörte. Was hatte es hier zu suchen?

Sie umschloss den Griff, warf einen prüfenden Blick auf Jördis, die im Schlaf lächelte und ging hinunter in die Küche.

Dort steckte sie das Messer zurück in den Messerblock.

Was hatte Juliette mit einem Messer im Kinderzimmer gemacht?

Wie sie es auch drehte und wendete, Svea fand dafür keine Erklärung.

Eine diffuse Angst beschlich sie, aber Jördis war in Sicherheit und nur das zählte. Ihr kam ein schrecklicher Gedanke, ohne dass sie ihn festhalten oder genauer bestimmen konnte.

Sie zwang sich, an etwas anderes zu denken. Was war mit Juliette? Wo war die junge Frau, die sie ins Herz geschlossen und der sie sich anvertraut hatte?

Nein, Juliette ist über jeden Zweifel erhaben!

Mit zunehmend mulmigem Gefühl durchsuchte sie das ganze Haus. Vom Keller bis zum Dachgeschoss öffnete sie jede Zimmertür. Sie sah in die Garage und die danebenliegende Gästewohnung.

Nichts.

Resigniert ging sie zurück in die Küche und überprüfte das Babyfon.

Es war still in Jördis Zimmer.

Plötzlich schreckte sie hoch. Sie hatte alle Räume durchsucht, nur nicht das Prinzessinnenzimmer mit dem angrenzenden Bad!

Leise schlich sie erneut ins Kinderzimmer, um Jördis nicht zu wecken.

Im Halbdunkel sah sie sich um.

Nichts. Hinter der Spielecke führte ein kleiner Flur zu einem begehbaren Kleiderschrank und dem Kinderbad.

Auch hier war Juliette nicht. Wieder schlich sie die Treppe hinab und bemerkte erst jetzt den bordeauxroten Fjällräven-Rucksack von Juliette im Flur.

Er stand neben der Kommode, also musste sie hier im Haus sein. Sie nahm diesen Rucksack immer mit, wenn sie das Haus verließ.

»Juliette! Das ist kein Spiel mehr! Komm sofort aus deinem Versteck!«, kreischte sie. Jeden Tag mussten Juliette und sie sich abwechselnd verstecken, damit Jördis sie suchen konnte. Dabei legte sie ihre kleine Hand immer in die der Erwachsenen, weil sie so aufgeregt war. Aber dies hier war etwas anderes!

Svea überlegte, ob Juliette zum Einkaufen gefahren sein könnte, verwarf diesen Gedanken jedoch sofort, als sie einen Blick auf die Auffahrt warf, wo der Motorroller stand. Juliette würde nicht zu Fuß zum Einkaufen gehen, außerdem würde sie Jördis nie unbeaufsichtigt zuhause lassen.

Sie brachte dem Au-pair-Mädchen aus Lyon in Frankreich blindes Vertrauen entgegen und war noch nie enttäuscht worden!

Es gab sicherlich eine ganz normale Erklärung für Juliettes Abwesenheit.

Nervös sah Svea auf ihr Handy.

Vielleicht hatte sie eine Nachricht bekommen oder das Klingeln eines Anrufes verpasst?

Nichts.

Sie wählte Juliettes Nummer.

Diese Nummer ist vorübergehend nicht erreichbar.

Sveas Besorgnis nahm zu.

Juliettes Handy war immer angeschaltet! Sie nahm es überall mit hin, sogar zur Toilette!

Es musste etwas Schreckliches passiert sein!

Erst Torben, der nicht wie verabredet zu ihrem Treffen gekommen war und jetzt Juliettes Verschwinden.

Sveas Gedanken jagten ungeordnet kreuz und quer durch ihren Kopf.

Sie musste sich zusammenreißen.

Wie lange schlief Jördis schon?

Normalerweise dauerte der Mittagsschlaf eine knappe Stunde. Svea war nun seit fast 10 Minuten im Haus.

Juliette konnte also noch nicht lange fort sein.

Hatte es vielleicht einen Notfall gegeben?

Aber dann hätte sie eine Nachricht hinterlassen oder angerufen.

Svea setzte sich auf die Kante des hölzernen Küchentisches und starrte auf ihr Handy.

Bitte, Juliette, melde dich!

Sie stellte eine Tasse unter die vollautomatische Kaffeemaschine und drückte auf das Tassensymbol.

Sofort brummte es und 30 Sekunden später schwappte ein cremiger Kaffee in die Tasse.

Svea holte Juliettes Rucksack und öffnete ihn. Ungeduldig schüttete sie den Inhalt auf den Tisch und nahm jedes einzelne Teil in die Hand. Eine Rolle Pfefferminzdragees, ein Kugelschreiber, ein Sudokuheft, ein kleines Täschchen mit Tampons und Slipeinlagen darin, eine angebrochene Packung Taschentücher und eine Tube Handcreme. Kein Handy, kein Portemonnaie und auch kein Reisepass.

Juliette, was ist los?

Svea drückte auf Wahlwiederholung.

Wieder die Ansage.

Mittlerweile wohnte Juliette seit über einem halben Jahr bei ihnen im Haus und nie zuvor hatte es eine vergleichbare Situation gegeben. Sie war viel zuverlässiger, als Svea es von einer Mittzwanzigerin erwartet hatte.

Svea konnte und wollte sich gar nicht mehr vorstellen, ohne Juliette zu wohnen!

Und doch drohte seit geraumer Zeit das nahende Ende. Juliette würde irgendwann wieder zurück nach Frankreich gehen und irgendwann eine eigene Familie gründen.

Sie selbst dagegen würde sich von Benno trennen. Das stand fest, aber sie musste ihm ihren Entschluss noch mitteilen und davor graute ihr.

Benno hatte etwas unterschwellig Bedrohliches an sich. Wie ein wilder Kater, der in dem einen Moment schnurrte und im nächsten zubiss und kratzte.

Sie musste endlich den Mut finden, mit ihm zu reden. Dann erst konnte ihr Leben sich ändern!

Juliette bewohnte die Gästewohnung neben der Garage. Am Ende des Hausflures führte eine Tür dorthin. Svea ging noch einmal in die Räume und öffnete die Schränke und Schubladen. Es war ein beschämendes Gefühl, in ihren Sachen herumzuwühlen.

Sie sollte jetzt Jördis wecken. Wenn sie mittags zu lange schlief, war sie den ganzen Nachmittag quengelig.

Svea ging ins Kinderzimmer und schob die Plissees hoch. Sofort strahlte die Sonne durch das Fenster.

Allein dieser Ausblick war Millionen wert, auch ohne das riesige, hochmoderne Bauernhaus. Baugrundstücke in Kampen in erster Reihe zum Naturschutzgebiet waren schlicht nicht vorhanden. In den seltenen Fällen, wo eines der Häuser zum Verkauf stand, wurden irrational hohe Summen gezahlt, nur um die bestehende Immobilie dem Erdboden gleichzumachen und ein noch luxuriöseres Anwesen zu bauen.

Gedankenverloren schaute Svea über die Heidelandschaft auf das Wattenmeer hinaus bis zum Festland. Der Himmel über Sylt verdunkelte sich. Ein Gewitter zog auf.

Plötzlich fuhr sie erschrocken zusammen.

Dort lag etwas Helles im Heidekraut.

Während Jördis sich schlaftrunken räkelte, rannte sie die Treppe hinunter, hetzte durch die Wohnküche, riss die Terrassentür auf und eilte durch den Garten. Sie erkannte jetzt, dass auf dem kleinen Hügel hinter ihrem Grundstück eine helle Strickjacke lag.

Svea war sich sicher, dass Juliette diese Jacke nicht getragen hatte, als sie heute Mittag das Haus verlassen hatte, um sich mit Torben zu treffen.

Zitternd und bebend vor Anspannung hob sie die Jacke hoch und warf sie im nächsten Augenblick mit einem Aufschrei von sich.

Braunrot prangte ein großer Blutfleck auf dem unteren Rückenteil der Jacke.

Oh Gott, Juliette!

Svea rannte zurück ins Haus, griff ihr Handy und wählt 110. Ihr Puls raste und sie hatte Mühe, die aufgestaute Panik zu unterdrücken.

»Juliette!«, rief Jördis von oben aus dem Kinderzimmer und der erste entfernte Donner grollte heran.

DREI

Der Streifenwagen der Sylter Wache fuhr den Kiesweg zum Anwesen der Larsens hoch.

Hauptkommissar Tammo Hansen hatte kurzerhand entschieden, die junge Heike Röder mit zu diesem Einsatz zu nehmen. Er hoffte, sie würde die hysterische Frau Larsen beruhigen können, sozusagen von Frau zu Frau.

Eigentlich war er der Ansicht, Frauen hätten bei der Polizei nichts zu suchen, aber in diesem Fall war er über Röders Begleitung froh.

Heute war sein letzter Arbeitstag und er war zwiegespalten, was seine Pensionierung betraf.

Er hatte sich in den letzten 40 Jahren den Respekt und die Anerkennung seiner Kollegen und vieler Bewohner auf Sylt verdient. Entsprechend gelassen und routiniert leitete er die Wache, was ihm bei den Kollegen den Beinamen `Wanderdüne´ eingebracht hatte. Langsam, bedächtig, aber unaufhaltsam.

Hinter dieser scheinbaren Trägheit verbarg sich eine außergewöhnliche Beobachtungsgabe, die es ihm ermöglichte, die richtigen Schlüsse zu ziehen.

Frau Larsen öffnete die Tür und führte sie durch das Haus hinaus in den Garten, bis zu der von ihr gefundenen Strickjacke. Ein Blick darauf ließ das Schlimmste befürchten.

Das Blut im Rückenteil der Jacke bedeutete nichts Gutes.

Frau Larsen starrte ihn angstvoll an und er beschloss spontan, Heike Röder mit ihr allein zu lassen.

»Ich habe meinen Notizblock im Auto liegen lassen.«, erklärte er und trat den Rückzug an.

Die Neue musste verständigt werden. Dies war nicht mehr sein Fall.

Hauptkommissarin Bente Brodersen übernahm die Dienststellenleitung der ungegliederten Kriminalpolizei auf Sylt.

Hansen rief in Husum an und bat seine Nachfolgerin, den nächsten Zug zu nehmen.

Kaffeekränzchen, Vorstellungsrunde und Schreibtisch einräumen mussten verschoben werden, so spielte das Leben.

Dass im LKA in Kiel eine Frau auf den Posten berufen wurde, gefiel ihm nicht, aber er konnte den Lauf der Zeit nicht aufhalten.

Ein potentielles Gewaltverbrechen wie dieses stellte für die Polizei Sylt eine Herausforderung dar, denn die kleine Abteilung der Kriminalpolizei verfügte lediglich über ein einziges Kommissariat. Die Neue würde mit seinem Team von Todesermittlungsverfahren bis zu Sachbeschädigung alles übernehmen.

Das Haus der Larsens war mit Glas, Metall und Beton eingerichtet.

Hansen bevorzugte die gute, alte Stube mit Holzschrank, Friesenkacheln am Ofen und Ohrensessel.

Er sollte mit der Befragung beginnen, solange Svea Larsen noch unter Adrenalin stand. In diesem Zustand war es den meisten Menschen nicht möglich, abzuwägen, welche Informationen nicht für die Ohren der Polizei bestimmt waren.

Bis Brodersen vor Ort sein würde, hätte Frau Larsen sich beruhigt.

Er ging zurück ins Haus und traf in der Küche auf Heike Röder und Svea Larsen.

»Wo ist Ihre Tochter jetzt?«

»Oben. Lisa, meine Nachbarin, kümmert sich um sie. Sie soll die Polizei im Haus nicht sehen.«

»Hat Ihre Tochter mitbekommen, dass Juliette das Haus verlassen hat?«

»Nein, sie hat geschlafen. Schon heute Morgen ist sie kaum aus dem Bett gekommen. Ich glaube, sie spürt den herannahenden Sturm und hat deshalb auch die letzte Nacht schlecht geschlafen. Ich achte darauf, dass sie noch regelmäßig Mittagsschlaf hält.«

Hansen nickte und verbarg seine Skepsis. Offenbar war Svea Larsen eine dieser übervorsichtigen Mütter. Wenn sie glauben wollte, dass ihre 3-jährige Tochter einen aufziehenden Sturm spürte, würde er nicht widersprechen. Er fühlte an manchen Tagen schließlich auch den Wetterumschwung in seinen alten Knochen.

»Kommt es öfter vor, dass Ihr Au-pair-Mädchen das Haus verlässt?«

Er zückte seinen kleinen Notizblock und den Ikea-Bleistift.

Viele Kollegen benutzten die Diktierfunktion ihres Handys, aber Tammo Hansen hielt nichts davon. Er schrieb in sein Notizblock mit einem Ikea-Bleistift!

Das war sein Schreibgerät, wie auf ihn zugeschnitten. Sie müssten eigentlich Hansenstifte heißen. Er durfte nicht vergessen, seinen Vorrat aus der Schreibtischschublade zu nehmen, für Spiralblöcke und Bleistifte würde er auch in der Zukunft eine Verwendung finden!

»Sie hat nicht erwähnt, dass sie etwas vorhatte?«

»Nein! Sie würde niemals weggehen und Jördis allein im Haus lassen!«

Svea Larsen schüttelte vehement den Kopf.

»Hat sie einen Freund?«

»Juliette? Nein! Das wüsste ich!«

»Sie ist Ihr Au-pair-Mädchen, viele Mütter wissen nicht über die Freunde ihrer Töchter Bescheid!«

»Juliette und ich haben keine Geheimnisse voreinander. Sie ist nicht nur unser Au-pair, sondern gehört zur Familie.«

»Das klärt sich bestimmt von ganz allein auf und heute Abend lachen wir alle darüber.«, sagte Heike Röder zuversichtlich.

»Wollen Sie nicht verstehen, was ich sage? Ihr Rucksack liegt hier und ihr Motorroller steht vor der Tür und sie würde niemals die Kleine allein im Haus lassen. Niemals. Und diese Strickjacke ist mit Blut beschmiert und sie sagen mir, dass ich darüber lachen werde?«

»Was meine Kollegin sagen will, ist, dass wir noch nichts wissen und sich die allermeisten Vermisstenanzeigen als harmlos herausstellen.«, erklärte Hansen.

»Das hier ist nicht harmlos, das spüre ich! Neben dem Bett meiner Tochter im Kinderzimmer lag ein Küchenmesser aus dem Messerblock.«

»Welches Messer?«

Frau Larsen zeigte auf den geölten Holzblock, in dem akkurat ein halbes Dutzend unterschiedlich großer Messer steckte.

»Ich weiß es nicht genau, ich habe es einfach wieder zurückgesteckt!«

Das war ein Fall für die Spurensicherung, also nahm er keines der Messer in die Hand.

»War Blut an dem Messer?«

»Was? Sie glauben, dass Juliette erstochen worden ist?«

»Ich glaube gar nichts, Frau Larsen. Ich stelle nur Fragen.«

»Blut an einem Messer kann auch von einer ganz normalen Schnittverletzung herrühren, wie es im Haushalt tagtäglich passiert!«

Heike Röder startete einen erneuten Versuch, die Frau zu beruhigen, aber Svea Larsen bedachte sie nur mit einem verzweifelten Kopfschütteln.

»Wir checken gerade die Notaufnahme des Krankenhauses und die Ärzte auf der Insel.«, berichtete der Hauptkommissar unaufgeregt.

»Kann es sein, dass Ihr Mann sie eventuell mit in die Stadt genommen hat? Haben Sie ihn benachrichtigt?«

»Nein, er hat das Haus bereits gegen sechs verlassen. Mittwoch geht er morgens laufen und duscht dann im Büro.«

»Ihr Mann hat das Immobilien- und Anlagebüro in Westerland richtig?«

»Ja, das hat er. Ich habe ihn angerufen, er ist in einem Termin. Seine Sekretärin versucht, ihn zu erreichen.«

Hansen sah sich um und dachte, dass Makler zu viel Geld verdienten.

Dieses Haus konnte sich nicht einmal der Polizeipräsident leisten.

Frau Larsen erhob sich von ihrem Stuhl.

»Ich brauche jetzt Kaffee, Sie auch?«

»Das ist keine gute Idee, bitte fassen Sie nichts an, bis wir ein paar Spuren gesichert haben.«

»Also gehen Sie doch von einem Verbrechen aus? Oh Gott, ich wusste es!«

»Wie ich schon sagte, Frau Larsen, zum jetzigen Zeitpunkt glauben wir gar nichts und schließen auch nichts aus.«

Tammo Hansen schimpfte sich Lügen. Sein Instinkt sagte ihm etwas anderes.

»Ich gehe noch einmal raus in die Heide.«

»Jetzt? Es zieht ein Gewitter auf!«

»Ja, ich weiß. Heike, du leistest Frau Larsen Gesellschaft und schickst die SpuSi sofort zu mir raus, wenn sie kommt.«

Als er die Terrassentür hinter sich zuzog, hörte er noch, wie Heike Röder weit ausholte, um die Arbeit der Spurensicherung zu erklären.

Der Garten war nicht eingezäunt, sodass das Grundstück nahtlos in die Heidelandschaft und das angrenzende Wattenmeer überging.

Der Wind hatte aufgefrischt und drücke das Heidekraut zu Boden.

Hansen stellte sich in einiger Entfernung von dem Fundort der Jacke auf einen kleinen Hügel und sah sich konzentriert um. Wenn die Spurensicherung nicht sofort kommen würde, um den Weg des Au-pair-Mädchens nachzuvollziehen, wäre es zu spät! Das Gewitter näherte sich rasend schnell und er konnte die Starkregenfront von Röm herüberziehen sehen.

Vom Haus her winkte Heike Röder ihm zu. Offensichtlich war seine Nachfolgerin eingetroffen.

VIER

Bente Brodersen trug eine petrolfarbene Multifunktionshose mit schwarz abgesetzten Seitentaschen und einem Dutzend Klettverschlüssen.

Eine schwarze Fleecejacke unter der obligatorischen Weste mit ähnlich vielen Taschen komplettierte ihr Outfit.

Sie war groß und schlank, hatte dunkelrote Locken, die auf Kinnlänge geschnitten waren und ihr sommersprossiges Gesicht einrahmten.

Ihr blieb keine Zeit, sich einzugewöhnen. Das hatte sie sich anders vorgestellt, aber so lernte sie ihr Team gleich bei einem Einsatz kennen.

Ihr Vorgänger, Tammo Hansen, trat aus dem Garten in die Küche und nickte ihr lediglich zur Begrüßung zu. Sie nickte ebenfalls und wandte sich wieder Frau Larsen zu.

»Juliette. Sie heißt Juliette, sie ist aus Lyon und wird in 3 Wochen 25.«

»Spricht sie deutsch oder nur französisch?«

»Sie ist zweisprachig aufgewachsen!«

Eine Klarsichthülle lag auf dem Tisch und Bente warf einen Blick darauf.

»Das ist der Au-pair-Vertrag und eine Passkopie. Das haben wir von der Agentur damals bekommen.«

Bente nahm den Vertrag in die Hand und überflog ihn. Juliette Durand, geboren in Saint Avoid. Bente kannte Frankreich viel zu wenig, als dass sie wüsste, wo das lag. Letzter Wohnsitz war Lyon. Das sagte ihr natürlich etwas.

Sie fotografierte beide Seiten mit ihrem Handy ab und reichte die Folie zurück.

»Wann haben Sie Juliette zum letzten Mal gesehen?«

»Bevor ich das Haus verlassen habe.«

»Um wieviel Uhr war das genau?«

»Gegen 11 Uhr. Ich bin ins Fitnessstudio gefahren.«

»Wo befindet sich das Fitnessstudio?«

Bente Brodersen zückte einen kleinen Block und machte sich Notizen.

»Das Sylt Fitness in Tinnum.«

»Sind Sie dort schon lange Mitglied?«

»Ist das wichtig?«

Bente nickte und heftete ihren Blick auf das Gesicht von Svea Larsen.

»Weiß nicht genau, einige Zeit.«

»Ein, zwei oder mehrere Jahre?«

Bente ließ nicht locker. Für sie war jedes noch so kleine Detail wichtig.

»Ein Jahr oder so?«

»Dürfen meine Kollegen sich hier umsehen?«

»Ja, aber halten Sie sich von Jördis fern. Sie soll nichts mitbekommen. Juliette wohnt in der Gästewohnung neben der Garage.«

Sie wies Bente die Richtung.

»Wir nehmen natürlich auf Ihre Tochter Rücksicht. Wie alt ist sie?«

»Sie wird vier.«

Bente bemerkte sofort, wie sich Svea Larsens Miene aufhellte, sobald sie von ihrer Tochter sprach.

Seit ihre eigene Tochter fürs Studium nach Hamburg gezogen war, sah sie sie kaum noch.

Die Kinder mussten sich irgendwann abnabeln, aber bei Anka hatte dieser Prozess schon mit 14 begonnen. Damals hatte Bente ihr einen neuen Freund vorgestellt, den sie kategorisch abgelehnt und einen Terror veranstaltet hatte, dem die frische Beziehung nicht standgehalten hatte. Rückblickend war es gut so gewesen. Der Typ war den Stress nicht wert gewesen! Ob es nun an Ankas Verhalten oder an ihrem Job gelegen hatte, war letztlich auch egal.

Bente kannte keinen Kollegen, der keine Beziehungsprobleme hatte. Das brachte dieser Job einfach mit sich.

Die SpuSi war zeitgleich mit ihr eingetroffen und hatte sich wegen des anstehenden Regens zuerst draußen umgesehen. Hauptkommissar Tammo Hansen und die junge Heike Röder hatten sie begleitet und jetzt gingen sie gemeinsam in die Einliegerwohnung.

Bente mochte die wortkarge Art ihres Vorgängers. Weniger war häufig mehr!

»Hatten Sie oder Ihr Mann eine Auseinandersetzung mit Juliette?«

Svea Larsen riss die Augen auf.

»Nein, ganz und gar nicht. Ich sagte doch, sie gehört zur Familie, schließlich ist sie schon ein halbes Jahr bei uns.«

»Ist sie nicht ein bisschen zu alt für ein Au-pair- Mädchen?«

»Woher soll ich das wissen? Ihr gefällt es offensichtlich und wir bezahlen sie außerdem sehr gut.«

»Also ist es so etwas wie bezahlte Familie, oder?«

Bente beobachtete Svea Larsens Reaktion sehr genau. Ihr Gegenüber zu überraschen, zu verstören, vielleicht sogar zu provozieren, gehörte zu ihrer Taktik, Fragen zu stellen.

Sie machte sich damit keine Freunde, aber ihr Job war es auch nicht, Freunde zu finden, sondern Mörder.

Die Reaktion von Svea Larsen war offen und ehrlich.

»So habe ich es noch nie gesehen, aber Sie haben wahrscheinlich recht. Zumindest anfangs muss die Bezahlung für Juliette den Ausschlag gegeben haben. Aber mittlerweile sind wir wirklich befreundet!«

Frau Larsen beobachtete interessiert einen Mitarbeiter der SpuSi in einem weißen Papieroverall, der Juliettes Strickjacke, ihren Rucksack und auch den Messerblock in unterschiedliche Plastikbeutel packte.

»Das sieht aus, als ob Sie damit rechnen, dass sie tot ist.«

Svea Larsen schluckte nervös.

»Womit rechnen Sie?«, stellte Bente die Gegenfrage.

»Ich hoffe, dass ihr nichts zugestoßen ist, das wäre schrecklich.«

Tränen traten aus ihren Augen, die sie mit einem Taschentuch wegwischte.

Bente fiel auf, dass die Frau darauf bedacht war, ihr Make-up und den Kajalstrich nicht zu verwischen.

Frauen dieser Gesellschaftsschicht legten offenbar in jeder Situation Wert auf ein tadelloses Erscheinungsbild.

»Hat Juliette einen Freund oder sonstige Bekannte auf der Insel?«

Frau Larsen schüttelte den Kopf.

»Was macht sie denn in ihrer Freizeit?«

»Wie?«

Bente hatte den Anruf vom alten Hansen auf dem Autozug von Niebüll nach Westerland erhalten und bereits ein wenig recherchiert.

Svea Larsen war die Erbin eines Baumarktimperiums und damit finanziell unabhängig. Ansonsten gab es im Internet nichts über sie. Im Gegensatz zu ihrem Mann Benno Larsen. Von ihm gab es mehrere Webseiten und zahlreiche Fotos, die ihn als Makler mit B-Promis zeigten. Er war vor Jahren einmal in einer RTL-Doku über Deutschlands Makler zu sehen gewesen. Er war auf jeden Fall jemand, der sich gern der Öffentlichkeit präsentierte.

Beide waren mittlerweile Ende dreißig, seit fünf Jahren in erster Ehe verheiratet und seit drei Jahren Eltern von Jördis Larsen. Weitere Kinder gab es nicht.

»Was macht Juliette, wenn sie nicht für sie arbeitet? Geht sie weg, treibt sie Sport, geht sie an den Strand, Wandern oder Radfahren?«

»Ich weiß nicht, manchmal ist sie mit dem Motorroller unterwegs.«

»Und wissen Sie, wohin sie dann fährt?«

»Juliette sieht sich gern die Insel an und liest viel. Sie hat immer ihren Kindle dabei.«

»Ist sie auch manchmal zu Fuß unterwegs?«

Svea Larsen zeigte durch die bodentiefen Fenster hinaus in den Garten.

»Sehen Sie sich um, sie geht einfach da hinaus, wenn sie spazierengehen möchte.«

Bente folgte ihrem Blick über den gepflegten Rasen zu den heidekrautüberwucherten Hügeln.

»Standen irgendwelche Türen offen, als sie nachhause kamen?«

»Nein!«

»Vielleicht irgendeine Terrassentür? Versuchen Sie, sich zu erinnern. Eventuell ist es Ihnen in der Aufregung nicht aufgefallen?«

Sie schüttelte den Kopf.

»Nahm sie Drogen oder Alkohol zu sich?«

»Was denken Sie von ihr! Sie ist 25!«

Bente wartete schweigend auf eine Antwort.

»Nie im Leben, das hätte sie mir erzählt! Juliette und ich waren...äh, sind wie Schwestern!«

Eine Frau trat in die Küche, grüßte in die Runde und wandte sich an Svea Larsen.

»Ich glaube, sie braucht dich jetzt. Sie stellt viele Fragen und ich weiß nicht, was ich ihr sagen soll.«

»Danke Lisa, ich geh sofort hoch!«

Sie legte beide Handflächen zusammen, als stumme Dankesgeste.

Bente schätzte die Frau auf Mitte vierzig. Sie war das, was landläufig als schön galt. Lange, blonde Haare, groß und schlank.

»Sie wohnen nebenan?«

»Ja.«

»Ist ihnen heute Vormittag irgendetwas aufgefallen? Haben Sie vielleicht Juliette das Haus verlassen sehen?«

Die Frau schüttelte den Kopf und hob entschuldigend die Schultern.

»Ich muss jetzt leider los.«

»Ok, danke nochmal! Ich gehe jetzt nach oben.«

Svea Larsen sah in die Runde.

»Ihre Fragen müssen warten!«

Damit stand sie auf und ging in den Flur.

Als sie sich ebenfalls erhob, platzte Hansen in die Küche und schloss die Tür hinter sich.

»Wir haben das hier in ihrem Badezimmer gefunden!«

Er hielt einen Plastikbeutel hoch, in dem sich ein Teststreifen befand.

»Offensichtlich ist das Mädchen schwanger!«

FÜNF

»Welcher Vollidiot parkt mit seinem rostigen Hippie-Bus auf meinem Parkplatz?«

Benno Larsens Stimme klang durchs Haus, noch bevor er die Haustür geschlossen hatte.

Bente, die gerade mit Hansen und Röder im Flur sprach, drehte sich zu ihm um.

»Der Vollidiot bin ich. Hauptkommissarin Brodersen. Und Sie sind?«

Natürlich wusste sie sofort, wer er war. Sie erkannte ihn von den Fotos im Internet.

»Dann machen Sie mal meinen Parkplatz frei, Frau Hauptkommissarin.«

Benno Larsen war es gewohnt, Widerrede komplett zu ignorieren.

»Und lassen Sie den Köter im Auto! Nicht, dass der auf meinen Rasen pinkelt!«

Mit solch ausgefahrenen Ellenbogen brachte man es also zu etwas, dachte Bente. Dass er ihren Hund als Köter bezeichnete, machte ihn noch unsympathischer, als er ohnehin schon war.

»Was ist hier überhaupt los?«

Er rief nach seiner Frau.

»Svea!«

»Sie ist oben bei Ihrer Tochter.«

»Was ist mit Jördis?«

Zwei Stufen auf einmal nehmend stürzte er die Treppe in das Obergeschoß hinauf.

»Jördis, Papa ist da, meine Prinzessin!«

Benno Larsen verschwand im Kinderzimmer.

»Ich möchte, dass Sie alles über diese Juliette Durand herausfinden. Wo kommt sie her, gibt es Hinweise auf ihrem Facebook- oder Instagramprofil? Alles, was sie finden können!«, wandte Bente sich an Heike Röder.

Den seelischen Beistand für Frau Larsen konnte ihr Mann jetzt übernehmen.

Tammo Hansen hielt sich im Hintergrund. Er kannte seine Nachfolgerin nur vom Hörensagen.

Man sagte, sie sei schwierig, eigenbrötlerisch und lachte so gut wie nie. Und dass sie nirgendwo ohne ihren Hund hinging.

Sie war eine attraktive Frau, die ihre Weiblichkeit hinter Männerklamotten versteckte. Offensichtlich stand bei ihr Funktionalität vor Modebewusstsein.

»Die SpuSi hat die Umgebung des Fundortes der Strickjacke abgesucht. Es gibt keine Spuren, die zum Meer hinunterführen. Wir können also ausschließen, dass sie sich wegen der Schwangerschaft in einer Kurzschlußhandlung etwas angetan hat oder ins Wasser gegangen ist.«, berichtete Hansen.

»Ausgerechnet eine Frau als Nachfolgerin!«, murmelte er in seinen Bart.

Bente hatte es gehört, ignorierte ihn aber. Die Tatsache, dass Frauen bei der Polizei immer noch nicht ernst genommen wurden, begleitete sie seit Jahren und es hatte schon weitaus schlimmere Bemerkungen gegeben.

»Ich freu mich auch, Sie kennenzulernen!«

Sie sieht ihn auffordernd an.

»Hansen.«

»Brodersen.«

Bente runzelte kurz die Stirn. Dieser Hauptkommissar gehörte zu den alteingesessenen Friesen. Wortkarg, direkt und mit der konservativen Ansicht, Frauen sollten sich nicht in Männerarbeit einmischen. Es wurde Zeit, dass die Alten in Rente gingen und Platz für neues Gedankengut machten, aber diese Gedanken behielt sie für sich. Es brachte nichts, sich mit ihrem Vorgänger auseinanderzusetzen. Er war ab nächste Woche in Pension und konnte täglich seinen Rasen mähen!

»Dann haben wir das geklärt!«, sagte Hansen trocken.

Bente reichte ihm eine ihrer Visitenkarten.

»Schicken Sie alle Fotos, die bis jetzt gemacht wurden, auf mein Handy.«

Hansen grunzte, was sie als Zustimmung deutete.

Sie ging die Treppe hoch und klopfte an die Kinderzimmertür.

»Herr Larsen?«

Die Tür wurde aufgerissen und Benno Larsen trat heraus, sodass sie zurückweichen musste.

»Nicht hier vor unserer Tochter. Sie ist erst drei! Meine Frau sagt, es geht um Juliette?«

Er klang nicht besorgt, sondern verärgert.

»Wollen wir unten in der Küche sprechen?«

Als sie vor ihm die Treppe hinunterging, fühlte sie sich mit Benno Larsen im Rücken unwohl. Er strahlte eine Dominanz aus, die beinahe bedrohlich wirkte.

»Meine Frau sagt, Juliette wird vermisst und an ihrer Jacke ist Blut?«

»Wir gehen verschiedenen Hinweisen nach.«

»Und die wären? Geht es konkreter?«

Benno Larsen sah sie auffordernd an.

Bente beschloss, nicht darauf einzugehen. Im Ignorieren hatte sie bis jetzt noch jeden besiegt.

»Wissen Sie, was Juliette in ihrer Freizeit macht? Hat sie Freunde auf der Insel?«

»Woher soll ich das wissen? Ich geh morgens aus dem Haus und komme abends wieder. Da ist sie bereits meist in ihrer kleinen Wohnung. Freunde, glaube ich nicht. Sie ist etwas seltsam, liest viel und so!«

»Ihre Frau sagte, sie wäre so etwas wie ein Familienmitglied.«

»Na ja, sie wohnt hier!«

»Wessen Idee war es, ein Au-pair-Mädchen einzustellen?«

Bente stellte die Frage aus einer Eingebung heraus.

»Ist das wichtig?«

»Könnte es werden!«

»Wenn was eintritt?«

Ihm fehlte es eindeutig an Respekt ihrer Arbeit als Kommissarin gegenüber.

Er war weder hilfsbereit noch wirklich interessiert. Die Gegenfragen, die er stellte, hatten etwas Provokantes an sich.

»Ich notiere mir, dass Sie sich dazu nicht äußern wollen.«

Sie zückte den durchsichtigen Plastikkugelschreiber.

»Moment! Ich frage nur, ob das wichtig ist.«

Er testete aus, wie weit er gehen konnte, ohne als unkooperativ zu gelten.

»Sehen Sie, Herr Larsen, wir können uns hier gern im Kreis drehen, aber wir versuchen herauszufinden, ob Ihrem Au-pair-Mädchen etwas zugestoßen ist und ich frage mich, weshalb Sie jegliche Mithilfe verweigern.«

»Das haben Sie falsch interpretiert! Ich verweigere mich nicht, aber Juliette wird irgendwo am Strand sitzen und lesen. Sie liest immer!«

»Auf ihrem E-book Reader?«

Bente zeigte auf den kleinen Kindle, der mit den anderen Sachen aus dem Rucksack auf dem Küchentisch lag.

»Na gut, dann hat sie ihn halt vergessen, na und?«

»So, wie Sie es darstellen, Herr Larsen, geht Juliette aus dem Haus, vergisst ihren Kindle, den sie aber immer benutzt, weil sie viel liest und nimmt dafür ihren Reisepass mit?«

Er starrte sie für eine Sekunde an.

Bente hatte schon in viele Augen gesehen. Sie hatte Traurigkeit, Schuldbewusstsein, Nervosität oder auch Interesse darin gesehen. Benno Larsens Augen aber waren kalt und empathielos.

»Was weiß ich, es gibt viele Gründe, seinen Pass mitzunehmen. Vielleicht eröffnet sie ein Konto oder schließt einen neuen Handyvertrag ab? Haben sie es schon auf ihrem Handy versucht?«

»Das ist ein gute Idee, Herr Larsen. Danke für diesen Tipp!«

Bentes Sarkasmus war nicht zu überhören.

»Ich helfe immer gern, Frau...«

Er stockte kurz.

»Brodersen, richtig?«

»Kommissarin Brodersen!«

»Oh, ist es Ihnen unangenehm, eine Frau zu sein?«

Bente fragte sich, weshalb er darauf abzielte, sich mit ihr anzulegen.

»Eine junge Frau wird vermisst und es gibt ernsthafte Anzeichen und Indizien, um sich mehr als nur Sorgen zu machen. Ihr lockerer Ton ist unangebracht!«

Sie musste ihn aus der Reserve locken, ihn überraschen! Noch konnte sie sich keinen Reim auf Benno Larsen machen, aber seine Frau tat ihr auf jeden Fall leid.

»Führen Sie und Ihre Frau eine harmonische Ehe?«

»Das ist Ansichtssache!«

Er besaß die Frechheit, sie anzugrinsen.

»Sind Sie und Juliette sich jemals näher gekommen?«

»Das ist absurd!«

Larsens Tonfall verriet Unmut und Ärger. Bente war auf dem richtigen Weg.

»Wussten Sie, dass Juliette schwanger ist?«

Jetzt kam es auf seine Reaktion an!

Benno Larsen lachte laut auf und schüttelte den Kopf.

»Juliette? Niemals!«

»Und was macht sie da so sicher?«

»Sie steht auf Frauen!«

SECHS

Eine halbe Stunde später stand Bente mit Ulrike hinter dem Haus auf dem Hügel, wo die blutverschmierte Strickjacke gelegen hatte.

Sie hing ihren Gedanken nach.

Der unsympathische Benno Larsen ging ihr nicht aus dem Kopf.

Warum war er auf Konfrontationskurs mit der Polizei gegangen? Lag es an ihr? Weil sie eine Frau war?

Spielte er einfach seine kleinen Machtspiele mit allen Frauen?

Sie konnte sich nicht vorstellen, dass jemand, der mit Juliettes Verschwinden zu tun hatte, dermaßen angriffslustig der Polizei gegenüber sein würde. Andererseits tickten Mörder anders.

Ulrike, ihre vier Jahre alte Labradorhündin, schnüffelte aufgeregt um die Markierung herum, wo die Spurensicherung Abdrücke, Bodenproben und Fotos genommen hatte.

Ihre Hündin Ulrike zu nennen, war ihre ganz spezielle Art von Humor. Sie liebte es, die überraschten Gesichter zu sehen, wenn sie ihren Hund rief.

Gleich hinter dem Hügel begann das Wattenmeer.

Das Grundstück der Larsens war nur durch den Beginn des kniehohen Heidekrautbewuchses abgegrenzt. Vom Rasen führte ein breiter und offensichtlich viel genutzter Trampelpfad in das Naturschutzgebiet.

Ulrike lief aufgeregt einem Kaninchen hinterher. Bente pfiff einmal und sofort war der Hund an ihrer Seite.

»Braves Mädchen!«, lobte Bente und ein Leckerli verschwand in Ulrikes Maul.

Es hatte aufgehört zu regnen, aber der Sturm legte nur eine Verschnaufpause ein. Die Wolken türmten sich bedrohlich auf und in der Ferne war schon wieder ein Donnergrollen zu hören.

Bente nahm ihr Handy und filmte den Ort, drehte sich dabei langsam um 360 Grad im Kreis, um das Gefühl für diesen Ort einzufangen.

Warum wurde die Jacke hier gefunden? War das Mädchen geflohen? Vor wem?

Es war die zentrale Frage, um Licht ins Dunkel dieses Falles bringen zu können.

Bente checkte ihr Handy und betrachtete die Fotos, die Hansen ihr geschickt hatte.

Svea Larsen hatte angegeben, dass sie Juliette gegen 11 Uhr das letzte Mal gesehen hatte.

Ob die kleine Jördis etwas gesehen oder gehört hatte?

Bente war sich sicher, dass beide Eltern nicht bereit wären, ihre Tochter einer Befragung auszusetzen.

Sie trat den Rückweg zum Haus an und wurde von den Kollegen der SpuSi am Trampelpfad zum Garten abgefangen.

»Im Haus sind wir fertig.«

Bente nickte.

»Nehmt euch noch die Autos vor und wenn Benno Larsen sich dagegen sträubt, schickt ihn zu mir.«

»Wieso, der ist doch entspannt!«

»Bitte?«

Bente traute ihren Ohren nicht.

»Larsen hat uns bisher bereitwillig überallhin Zugang verschafft und uns sogar Kaffee angeboten.«

»Reden wir von Benno Larsen?«

»Ja! Okay, dann noch die Autos.«

Bente blieb nachdenklich im Garten zurück.

War Benno Larsen ein Chauvinist, der es darauf anlegte, Frauen zu brüskieren? Sie fand vorerst keine andere Erklärung für sein Verhalten.

Ihr Handy klingelte.

»Hansen hier, Sie haben Besuch!«

Bente drehte sich zum Haus und sah Hansen an der Terrassentür stehen und ihr zuwinken.

Als sie in die Küche trat, stand ein Mann in maßgeschneidertem Anzug neben Hansen und überreichte ihr eine Visitenkarte.

Einen Anwalt erkannte sie auf Anhieb!

»Meine Mandantschaft war bisher sehr kooperativ und in Anbetracht der besonderen emotionalen Belastung, insbesondere für die Tochter, bitte ich Sie, das Haus unverzüglich zu verlassen und der Familie Zeit zu geben, zur Ruhe zu kommen.«

Bente war bewusst, dass Widerspruch zwecklos war. Das Haus war kein Tatort und lediglich die blutverschmierte Strickjacke der Vermissten deutete auf ein Verbrechen hin.

Sie wandte sich an die Kollegen und rief:

»Jungs! Wir gehen!«

Einige Minuten später stand Bente mit Hansen und Heike Röder auf der Auffahrt.

»Wo kam der denn so schnell her?«

»Keine Ahnung!«, grummelte Hansen in seinen Bart.

Bente sah auf die Visitenkarte des Anwalts. »Maik Dreesen aus Hamburg. Er muss schon auf der Insel gewesen sein!«

Hansen nickte.

»Okay, was haben wir?«

»Die Jacke und den Rucksack der Vermissten, sowie den Schwangerschaftstest. Im Bad haben wir einige Blutspuren gefunden.«

»DNA-Spuren?«

»Haare aus der Bürste und Erich hat den Inhalt aller Mülleimer mitgenommen.«

Erich, einer der Kollegen von der Spurensicherung, stand einige Meter entfernt am Auto und hielt zum Beweis 4 Plastikbeutel hoch.

»Ich habe den Messerblock gesichert!«

Hansen überreichte Erich den Block in einem Plastikbeutel.

»Sie konnte sich nicht genau erinnern, welches Messer sie oben im Kinderzimmer gefunden hatte.«

»Ich möchte so schnell wie möglich Ergebnisse!«

»Morgen ist Samstag, da ist im Labor tote Hose. Vor Montag wird das definitiv nichts!«, seufzte Erich.

»Ich will die Ergebnisse vor Montag Abend! Alles klar?«

Erich nickte stumm.

Bente Brodersen war nicht der umgängliche Typ, das hatten alle schon gehört, bevor sie die Insel überhaupt betreten hatte. Ihr Ruf eilte ihr voraus.

Bente öffnete die Schiebetür ihres Bullis und schickte Ulrike hinein.

»Gibt es eine Dienstwohnung auf der Insel? Mein Apartment kann ich erst am Montag beziehen.«

»Kann sich die Polizei denn kein Hotel leisten?«

»Wir sind beim gleichen Verein, oder? Wäre mir neu, dass da Geld über ist!«

Bente sah zum ersten Mal den Anflug eines Grinsens auf dem Gesicht des Hauptkommissars.

»Hinter der Wache ist ein kleines Zimmer mit Klo für den Nachtdienst. Da können Sie rein.«

Bente nickte.

Die Autos setzten sich in Bewegung und fuhren die Auffahrt von Larsens Anwesen hinunter. Bentes alter Dieselbus knatterte wie ein Traktor.

Sie folgte den vorausfahrenden Einsatzfahrzeugen, bremste aber spontan, als sie die Frau, die auf die kleine Jördis aufgepasst hatte, vor der Nachbarhaustür stehen sah.

Sie kurbelte das Fenster runter.

»Kann ich Sie kurz sprechen?«, rief sie gegen den Wind an.

Die Frau zögerte einen Moment, dann nickte sie.

Bente sprang aus dem Bus und lief zum Haus. Der Sturm zerrte an ihrer Kleidung. Es würde gleich regnen.

Die Frau wartete vor der Tür. Es war offensichtlich, dass sie sie nicht hereinbitten wollte. Es befanden sich 6 Klingelschilder neben der Haustür, wahrscheinlich handelte es sich um Ferienwohnungen, bis auf eines mit dem Namen Lisa Sellering, war keines der Schilder beschriftet.

»Frau Sellering? Brodersen, ich bin von der Polizei, wir haben uns vorhin in der Küche kurz gesehen.«

»Ja, ich weiß.«

»Können Sie mir etwas über Juliette sagen?«

Frau Sellering schüttelte den Kopf und antwortete dennoch.

»Ich habe nur selten mit ihr gesprochen aber wenn Sie mich fragen, ist sie nicht ganz astrein!«

Ihre Pupillen bewegten sich hektisch hin und her. Sie warf einen prüfenden Blick hinüber zum Larsenhaus.

Bente erkannte eine Art Melancholie in ihrem Blick. Sie sah traurig aus.

»Wie kommen Sie darauf?«

Bente schätzte Lisa Sellering als den Typ Nachbarin ein, der nur darauf wartete, über andere reden zu können.

Solche Menschen versuchten, ihr langweiliges, monotones und oftmals einsames Leben mit Tratsch und Klatsch aufzubessern.

---ENDE DER LESEPROBE---