Systemische Sklerodermie - Michael Buslau - E-Book

Systemische Sklerodermie E-Book

Michael Buslau

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Beschreibung

Der Krankheitsverlauf sowie die Symptomatik bei Systemischer Sklerodermie (Systemischer Sklerose) sind bei jedem Patienten sehr individuell. Dies macht sie zu einer komplizierten Systemkrankheit. Betroffen sind üblicherweise die unterschiedlichen Organsysteme mit ihren Störungen der Durchblutung, des Immunsystems und des Bindegewebsstoffwechsels. Manche Patienten empfinden die Krankheit als unaufhaltsame, schwere Behinderung. Doch das muss nicht sein. Denn obwohl die Krankheit bis heute nicht heilbar ist, können die Symptome vielfältig behandelt werden und die Lebensqualität erhalten bleiben. Dieser Ratgeber hilft die Krankheit zu verstehen und mit ihr umzugehen. Wie ein aktives Leben mit Systemischer Sklerodermie möglich ist, das behandelt PD Dr. med. Michael Buslau in seinem neuen Ratgeber. Was kann bei einem akuten Schub getan werden? Welche Therapien eignen sich? Wie viel Sport ist förderlich und wie verhält es sich mit der Familienplanung? Wer Antworten auf diese und zahlreiche weitere Fragen zur Systemischen Sklerodermie sucht, findet sie in diesem Buch. Leicht verständlich, umfassend und aktuell.

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SYSTEMISCHESKLERODERMIE

Verstehen – Symptome behandeln –Der Krankheit aktiv begegnen

PrivatdozentDr. med. Michael Buslau

INHALT

Der Systemischen Sklerodermie aktiv begegnen

KAPITEL 1:

Systemische Sklerodermie – Was ist das für eine Krankheit ?

KAPITEL 2:

Therapeutisches Sofortprogramm

Verbesserung der Durchblutung

Training von Kraft und Ausdauer

Training der Atmung

Abbau von emotionalem Stress

Anpassung der Ernährung

KAPITEL 3:

Das Arztgespräch

Vorbereitung

Während des Gesprächs

Nach dem Gespräch

KAPITEL 4:

Die Sklerodermie aus ärztlicher Sicht

Durchblutung

Immunsystem

Bindegewebe

KAPITEL 5:

Schwerpunkte der ärztlichen Betreuung

Haut

Lunge

Herz

Verdauungstrakt

Niere

Bewegungsapparat

KAPITEL 6:

Untersuchungsprogramm und Check-ups

KAPITEL 7:

Laborbefunde

Fehlregulation des Immunsystems

Sauerstofftransport im Blut

Entzündungssituation

Leberfunktion

Nierenfunktion

Knochenstoffwechsel

Herzfunktion

Muskelentzündung

Mangelsituationen im Blut

Entzündungen im Darm

KAPITEL 8:

Medikamente, die in das veränderte Immunsystem eingreifen

KAPITEL 9:

Impfempfehlungen bei entzündlich-rheumatischen Erkrankungen

Impfung gegen COVID-19

KAPITEL 10:

Weitere Probleme bei Systemischer Sklerodermie

Erschöpfung

Schmerz

Juckreiz

Stuhlinkontinenz

Körperbild

Sexualität

Kinderwunsch

Mundgesundheit

Ernährung

KAPITEL 11:

Nicht-medikamentöse Therapien der Systemischen Sklerodermie

Physiotherapie und physikalische Medizin

Ergotherapie

Medizinische Trainingstherapie

Sklerodermie und alternative Heilmethoden

KAPITEL 12:

Heimprogramm Sklerodermie – jetzt helfe ich mir selbst

Allgemeine Bewegungstherapie

Hand- und Fingerübungen

Atemtraining

Lauftraining

Mund- und Schlucktraining

ANHANG

Das Marathon-Projekt

Glossar

Nützliche Adressen

Trainingsgeräte

Buchempfehlungen

I. DER SYSTEMISCHEN SKLERODERMIE AKTIV BEGEGNEN

Der Systemischen Sklerodermie aktiv begegnen

Bei Ihnen wurde die Diagnose „Systemische Sklerodermie“ gestellt.

Sicher fragen Sie sich jetzt, was das für eine Krankheit ist, die oft auch Ärzte kaum aus eigener Erfahrung kennen. Angesichts zum Teil beängstigender Bilder und Informationen im Internet möchten Sie erfahren, wie bedrohlich diese Krankheit für Sie sein kann. Darüber hinaus möchten Sie wissen, welches Medikament dabei hilft, die Krankheit wieder „loszuwerden“ oder die Symptome zu verbessern, welche nicht-medikamentösen Therapien geeignet sind, die Symptome Ihrer Krankheit zu lindern, und was Sie selbst aktiv gegen diese Krankheit unternehmen können.

In meiner ärztlichen Tätigkeit an der Universität, in verschiedenen Fachkliniken mit dem Schwerpunkt Sklerodermie, zuletzt über viele Jahre am Europäischen Rehabilitationszentrum für Sklerodermie in Rheinfelden (Schweiz), und auch in meiner eigenen Praxis beschäftige ich mich bis heute seit mehr als 35 Jahren sehr intensiv mit der Sklerodermie. Ich möchte mit diesem Ratgeber mein Wissen einbringen und so verständlich wie möglich – unter Berücksichtigung der wissenschaftlichen Literatur und meiner umfangreichen persönlichen Erfahrung – an Sie weitergeben. In diesen Ratgeber sind viele Fragen von Sklerodermiebetroffenen eingeflossen, die auf regelmäßig gehaltenen Wochenend-Seminaren und auf nationalen und internationalen Sklerodermietagen meinem Team und mir immer wieder gestellt wurden.

Jeder Abschnitt des vorliegen Ratgebers steht für sich. Den größten Nutzen können Sie als Leser jedoch aus dem Buch ziehen, wenn Sie es mindestens einmal von Anfang bis Ende lesen und es dann, je nach Bedarf, zum Nachschlagen verwenden. Über fortlaufend neue Erkenntnisse zur Diagnose und Therapie der Sklerodermie informiere ich Sie regelmäßig auf meiner Website und über meine Accounts in den sozialen Medien (Twitter, Facebook). Die entsprechenden Adressen finden Sie im Anhang dieses Buches. Ich bin sicher, dass Sie von der Lektüre dieses Buches profitieren werden, und möchte Ihnen zugleich Mut machen, dieser komplizierten Krankheit aktiv entgegenzutreten – denn Sklerodermie ist keine Abwärtsspirale!

Ihr

Privatdozent Dr. med. Michael Buslau

Anmerkung: Zur besseren Lesbarkeit des Textes werden in diesem Buch nicht jedes Mal „Ärztin“ / „Arzt“, „Patientin“ / „Patient“ bzw. „Therapeutin“ / „Therapeut“ genannt. Es sind verallgemeinernd immer die weiblichen und männlichen Begriffe gemeint.

KAPITEL 1

KAPITEL 1: Systemische Sklerodermie – Was ist das für eine Krankheit ?

Sklerodermie heißt übersetzt „harte Haut“, wodurch das markanteste Merkmal dieser Erkrankung beschrieben wird. Unter den Begriff „Sklerodermie“ werden aber 2 völlig verschiedene Krankheiten gezählt, was oft zu großer Unsicherheit bei den Betroffenen führt:

1.Es gibt die sog. zirkumskripte Sklerodermie (engl. localized scleroderma oder morphea), die nur die Haut und eventuell die darunterliegende Fettschicht betrifft, selten auch die äußere Hülle der angrenzenden Muskulatur, niemals (!) aber die inneren Organe. Diese Krankheit wird in diesem Buch nicht behandelt.

2.Auf der anderen Seite existiert eine Krankheit mit dem Namen Systemische Sklerodermie oder Systemische Sklerose (eng. systemic scleroderma oder systemic sclerosis), die zahlreiche lebenswichtige innere Organe befallen und in ca. 5 % der Fälle auch ohne Hautverhärtung verlaufen kann. Von dieser Krankheit handelt der vorliegende Ratgeber.

Die letztgenannte Varinate, die Systemische Sklerodermie, ist selten. Pro 1 Million Einwohner erkranken in unseren Regionen jedes Jahr ca. 10 bis 20 Menschen. Für Deutschland, Österreich und der Schweiz zusammen entspricht das ca. 1000 bis 2000 Neuerkrankungen pro Jahr – insgesamt leben in den 3 genannten Ländern ca. 20.000 Menschen, die an einer Systemischen Sklerodermie leiden. Vier von 5 Betroffenen sind Frauen, bei denen die Krankheit meistens im mittleren Lebensalter beginnt. Männer erkranken zwar seltener, aber oft schwerer als Frauen. Sehr selten können auch Kinder und Jugendliche an einer Systemischen Sklerodermie erkranken. Deren Krankheitsverlauf ist oft milder als der von Erwachsenen.

Die Systemische Sklerodermie ist eine sehr komplizierte Krankheit und wird bis heute, trotz weltweiter intensiver Forschung, nur teilweise verstanden. Wissenschaftlich nachgewiesen ist, dass die Blutgefäße, das Immunsystem und das Bindegewebe betroffen sind. Da sich diese Strukturen nahezu überall im Körper befinden, kann es im Laufe der Erkrankung zum Mitbefall zahlreicher, auch lebenswichtiger Organe und Organsysteme kommen. Aus diesem Grund wird eine solche Erkrankung auch als Systemkrankheit bezeichnet (Systemische Sklerodermie).

Eine Sklerodermie hat nicht nur Auswirkungen im physischen, sondern auch im psychischen Bereich. Sorgen und Ängste über den Verlauf der Krankheit und ihrer Auswirkungen und Fragen wie „Wie reagieren meine Familie, mein Partner, meine Partnerin, der Freundes- und Bekanntenkreis auf mein chronisches Kranksein?“, „Werde ich meinen Beruf wie gewohnt weiter ausüben können?“, „Auf welche Einschränkungen muss ich mich einstellen?“, „Muss ich an dieser Krankheit sterben?“ beschäftigen häufig die Betroffenen.

Abbildung 1 stellt die Einflüsse der Systemischen Sklerodermie auf die verschiedenen Lebensbereiche der Erkrankten dar:

Abb. [1] Auswirkungen und Probleme bei Systemischer Sklerodermie

Da die Krankheitsauswirkungen derart komplex sind, ist es wichtig, dass ein professionelles und erfahrenes Team aus Ärzten/Ärztinnen und nicht-ärztlichen Therapeuteninnen/Therapeuten sich der Behandlung gemeinsam annimmt. Im Allgemeinen sehen und behandeln niedergelassene, nicht auf Sklerodermie spezialisierte Rheumatologen und Dermatologen während ihres Berufslebens nur wenige Patienten mit Systemischer Sklerodermie. Für andere medizinische Fachdisziplinen dürfte dies ähnlich sein.

Es ist deshalb sehr wichtig, dass Ihr betreuender Arzt/Ihre betreuende Ärztin von Anfang an eng mit einem spezialisierten Zentrum für Sklerodermie zusammenarbeitet.

Neben Erfahrung sollten behandelnde Fachleute auch Einfühlungsvermögen und genügend Zeit den Patienten gegenüber mitbringen. Die Sklerodermie kann sich in verschiedene Lebensbereiche (bis hin zur Sexualität und Psyche) auswirken, daher braucht es eine gute Arzt-Patienten-Beziehung, um die sensiblen Bereiche der Krankheit Sklerodermie miteinander besprechen zu können – nicht nur im Rahmen einer Erstkonsultation, sondern auch in den folgenden Monaten und Jahren.

Da viel beim Management der Krankheit Sklerodermie zu beachten ist, man dabei vieles richtig oder falsch machen kann und es um viel geht, brauchen Sie einen medizinischen Lotsen, der für Sie die notwendigen Organuntersuchungen und Therapien regelmäßig koordiniert und der mit Ihnen die Ergebnisse der Untersuchungen und die sich daraus ergebenden notwendigen therapeutischen Schritte in Ruhe bespricht und überwacht. In der Beratung sollten neben den medikamentösen auch die nicht-medikamentösen Behandlungsmöglichkeiten besprochen werden.

Sie brauchen von Anfang an die bestmögliche medizinische Unterstützung!

Es gibt bis heute noch nicht das eine Medikament oder die eine Kombination aus Medikamenten, um die Krankheit Sklerodermie mit Sicherheit zu stoppen. Eine Heilung dieser chronischen Erkrankung ist bis heute auch noch nicht möglich. Dennoch ist das Ziel, die Krankheit früh genug aufzuhalten und, je nach Organbefall, Besserungen zu erreichen.

Je früher Sie damit beginnen, Ihre Organe zu stärken, desto mehr Lebensqualität lässt sich erreichen.

Eine vorbeugende Strategie bei Sklerodermie ist zu empfehlen. Warten Sie nicht, bis ein Schaden eingetreten ist. Versuchen Sie, so früh wie möglich „gegenzusteuern“. Ziel ist der Erhalt oder die Wiedererlangung von mehr Lebensqualität.

Misstrauen Sie daher der leider immer noch gegebenen Empfehlung: „Halten Sie Ihre Hände warm und kommen Sie wieder, wenn es Ihnen schlechter geht“. Diese Strategie stammt aus einer Zeit, in der man nur wenig über die Sklerodermie und ihre Behandlungsmöglichkeiten wusste.

AUF EINEN BLICK

Die Systemische Sklerodermie ist eine seltene chronische Krankheit, die 3 wesentliche Bereiche des Körpers erfasst: das Gefäßsystem, das Immunsystem und das Bindegewebe.

Typische Merkmale der Erkrankung sind Kälteattacken mit Blau- und Weißwerden besonders der Hände, Hautverhärtungen und die Gefahr des Befalls innerer Organe, besonders des Verdauungstrakts, der Lunge, des Herzens und der Nieren. Eine übermäßige Bindegewebsablagerung und Durchblutungsstörung kann den Organen nachhaltig schaden und im schlimmsten Fall zum Organversagen führen.

Die Systemische Sklerodermie wird häufig von Abgeschlagenheit, Müdigkeit, Muskel- und Gelenkschmerzen begleitet.

Es erkranken vor allem Frauen im mittleren Lebensalter. Seltener sind Männer betroffen, sehr selten auch Kinder und Jugendliche.

Wegen der Komplexität und Seltenheit der Krankheit brauchen Betroffene von Anfang an die bestmögliche medizinische Unterstützung und eine Betreuung durch Sklerodermie-Spezialisten, die ausreichend Zeit für ihre Fragen, Sorgen und Ängste haben.

Die Kombination aus medikamentösen und nicht-medikamentösen Behandlungen bringt den größten therapeutischen Nutzen. Die eigene Motivation und Beteiligung an der Therapie seitens der Betroffenen spielen dabei eine große Rolle.

Notwendig ist eine vorbeugende Strategie bei Sklerodermie. Warten Sie nicht, bis ein Schaden eingetreten ist. Versuchen Sie, so früh wie möglich „gegenzusteuern“, um die Krankheit Sklerodermie aufzuhalten und vorhandene Symptome zu verbessern.

Ziel ist der Erhalt oder die Wiedererlangung von mehr Lebensqualität. Handeln Sie jetzt!

KAPITEL 2

KAPITEL 2: Therapeutisches Sofortprogramm

Es ist von Anfang an sinnvoll, wichtige vorbeugende und unterstützende Maßnahmen zu ergreifen, um drohenden Organschäden bei Sklerodermie effektiv entgegenzuwirken. Dieses Buch soll Ihnen dabei eine Hilfe sein. Im Folgenden stelle ich Ihnen ein therapeutisches Sofortprogramm vor, das Sie so früh wie möglich, am besten unmittelbar nach der Diagnose Systemische Sklerodermie, starten sollten. Es basiert auf meiner Erfahrung mit dieser Erkrankung und kann Ihnen helfen, mit dieser schwierigen Krankheit besser fertigzuwerden. Bitte beachten Sie aber: Dieses Programm will Sie im Kampf gegen die Krankheit Sklerodermie sinnvoll unterstützen. Es ist nicht dazu gedacht, notwendige medikamentöse Therapien zu ersetzen. Im Gegenteil: Sie werden den größten Nutzen aus der Kombination aus medikamentösen und nicht-medikamentösen Behandlungen ziehen, wobei auch Ihr Eigenanteil an der Therapie enorm wichtig ist. Ziel dieses Sofortprogramms ist es, die Möglichkeiten einer Eigenbehandlung von Anfang an zu nutzen, um den Verlauf der Sklerodermie positiv zu beeinflussen. Darüber hinaus empfehle ich Ihnen, frühzeitig an einer Sklerodermie-Schulung teilzunehmen und die breite Palette therapeutischer Möglichkeiten bei Sklerodermie in einer Fachklinik für Sklerodermie kennenzulernen. Für ein besseres Verständnis sollen schon an dieser Stelle kurz einige wichtige Aspekte der Krankheit Sklerodermie erklärt und in den folgenden Kapiteln weiter vertieft werden.

Verbesserung der Durchblutung

Schon im Frühstadium sind es die kleinen bis kleinsten Blutgefäße, die durch die Sklerodermie in Mitleidenschaft gezogen werden. Veränderungen zeigen sich zunächst durch Kälte und Stress in Form von zunächst rückbildungsfähigen Durchblutungsstörungen der Finger, was als sog. Raynaud-Phänomen bezeichnet wird. Bezeichnend ist eine anfallsweise Weiß-, Blau- und Rotverfärbung der Haut. Im weiteren Verlauf kommt es zu einem Umbau der Gefäßwände mit einer Verengung der Gefäßdurchmesser und damit zu einer nicht mehr vollständig rückbildungsfähigen Behinderung des Blutflusses.

Alle Organe benötigen für ihre Funktion zeitlebens ausreichend Sauerstoff und Nährstoffe (Abbildung 2). Diese werden über ein dichtes Netz aus kleinen und kleinsten Blutgefäßen zu den Zellen transportiert. Deshalb stellt die Behinderung des Blutflusses eine gravierende Störung dar, die im schlimmsten Fall zum Absterben von Zellen und Zellverbänden (sog. Nekrose) und in letzter Konsequenz zum Organversagen führen kann.

© Hannah Doering

Abb. [2] Versorgung der Organe des Körpers mit Sauerstoff und Nährstoffen durch ein Netzwerk kleinster Gefäße (Kapillaren) im Körper

Es ist wichtig, die Gefäße von Anfang an zu trainieren, zum Beispiel durch ein dosiertes Sport- und Bewegungsprogramm. Der Körper ist in der Lage, durch körperliches Training neue Blutgefäße zu bilden und dadurch Umgehungskreisläufe zu schaffen, die die Einschränkung der Durchblutung ausgleichen können. Darüber hinaus führt die äußere Zufuhr von Wärme (z. B. in Form von Wärmebädern und Wärmestrahlen oder durch innere Zufuhr von Speisen und Gewürzen, siehe Abbildung unten) zu einer Weitstellung der Gefäße und damit zur Verbesserung des Blutflusses.

ABB. [3] Raynaud-Anfall der Hände bei Systemischer Sklerodermie. Akutbehandlung mit Wärmestrahlen (hier: mit einer Bestrahlungslampe, die wassergefilterte Infrarot-A-Strahlen aussendet (3). Schon nach kurzer Zeit Wechsel von blau (= kalt) infolge Gefäßkrampf mit Stopp der Durchblutung (1) nach rot (= warm) nach Lösung des Krampfes und Wiederherstellung der normalen Durchblutung (2). Aufnahmen mit einer Wärmebildkamera

Es reicht bei Sklerodermie nicht aus, die Hände warm zu halten, da nicht nur die Gefäße in den Händen betroffen sind, sondern auch Gefäße in anderen Organen betroffen sein können.

Training von Kraft und Ausdauer

Oft spüren Sklerodermiebetroffene sehr früh im Verlauf ihrer Krankheit Müdigkeit, Abgeschlagenheit und Kraftlosigkeit. Dieses als „Fatigue-Syndrom“ (siehe unten) bezeichnete Phänomen kann die Betroffenen in eine zunehmende körperliche Inaktivität drängen. Bei fehlendem Training ihrer Arm-, Bein- und Rückenmuskulatur haben sie dann weniger Kraft, um der krankheitsbedingten Schwäche des Körpers entgegenzutreten. Kommen Muskel- oder Gelenkschmerzen hinzu, verstärkt sich das Problem. Es entsteht ein Teufelskreis aus Erschöpfung und ermüdender Muskulatur.

Die Schwäche entwickelt sich oft schleichend. Betroffene Patienten passen ihre Aufgaben und Aktivitäten – teilweise unbewusst – der wachsenden Schwäche an, sodass sie den Leistungsabfall zunächst nicht immer mit der Sklerodermie in Verbindung bringen. Deshalb sollten Patienten danach gefragt werden, was sie im Vergleich zu einem oder 2 Jahren vorher weniger gut oder weniger schnell an Alltagsaufgaben erledigen können. Nicht selten hört man Antworten und Begründungen wie: „Ja, ich kann dies oder das nicht mehr so schnell oder so gut, aber ich bin ja auch älter geworden.“ – eine Begründung, die bei einem so kurzen Vergleichszeitraum nicht recht passen will.

Zur Schwäche des Körpers bei Sklerodermie tragen, neben der krankheitsbedingten Entzündung und Durchblutungsstörung, mehrere Komponenten bei:

ein mangelndes Training der Muskulatur,

ein mangelndes Training des Herz-Kreislauf-Apparates,

ein mangelndes Training der Atmung,

eine geringere, eine gestörte Nahrungsaufnahme oder eine echte Mangelernährung, z. B. durch Schluckstörungen, Störungen der Nahrungsaufnahme und/oder Verdauungsstörungen.

Wichtig ist neben einem regelmäßigen moderaten Kraft- und Ausdauertraining (möglichst unter professioneller Anleitung) eine ausgewogene Ernährung. Hierzu gehört eine Versorgung mit:

ausreichend Eiweiß (wichtig für den Aufbau der Muskulatur),

Vitaminen und Spurenelementen (wichtig für den regelrechten Ablauf von Zellprozessen)

sowie Eisen (wichtig für die Bindung von Sauerstoff an den roten Blutfarbstoff Hämoglobin).

Abb. [4] Patient mit diffuser Systemischer Sklerodermie und überstandenen schweren Komplikationen (akute Nierenkrise, Schlaganfall) – nach Rehabilitation und konsequentem häuslichem Training: Sportabzeichen, Bester seiner Altersklasse. (Mit freundlicher Genehmigung des Patienten)

Training der Atmung

Die Beteiligung der Lunge im Rahmen einer Sklerodermie ist häufig. Durch den Umbau von Lungengewebe in Bindegewebe (Lungenfibrose) fehlt dem Körper, je nach Ausmaß der Lungenbefalls, wichtiger Sauerstoff für die Zellatmung. Da die Lungen aber über viele Millionen Lungenbläschen verfügen, die den Sauerstoffübertritt aus den Luftwegen in das Blut ermöglichen und von denen wir im Alltag normalerweise nur einen Teil für eine ausreichende Sauerstoffversorgung benötigen, kann dies eine Zeit lang kompensiert werden.

Daher können Sie durch ein gezieltes Training gesunder Lungenabschnitte immer noch eine Verbesserung der Atmung erreichen, selbst wenn andere Teile der Lunge schon erkrankt sind.

Noch besser ist es, von Anfang an durch das Training von richtiger Ein- und Ausatmung wirkungsvoller zu atmen und die Atemmuskulatur zu kräftigen (Abbildung 5). Dies kann auf verschiedene Weise geschehen (zum Beispiel durch Musizieren mit Blasinstrumenten, Singen im Chor, Qi Gong, Yoga, gezielte Atemübungen nach physiotherapeutischer Anleitung, gerätegesteuertes Atemmuskeltraining).

Abb. [5] Gerät zum Training der Atemmuskulatur (ST Medical®)(Abbildung mit freundlicher Genehmigung der Idiag AG, Fehraltorf, Schweiz)

Abbau von emotionalem Stress

Autoimmunerkrankungen, zu denen auch die Systemische Sklerodermie gezählt wird, beginnen nicht selten in Phasen emotionaler Krisen (privat oder beruflich), manchmal auch nach Überwindung der Akutphase dieser Stresssituationen.

Emotionaler Stress ist bei Sklerodermie neben der Kältebelastung der 2. wichtige Auslöser krampfartiger Durchblutungsstörungen (Raynaud-Phänomen).

Wird die Diagnose Sklerodermie gestellt, löst sie zudem häufig Ängste und Sorgen aus mit Fragen nach dem zu erwartendem Krankheitsverlauf, den körperlichen Veränderungen, der Lebenszeit sowie weiteren beruflichen, finanziellen, persönlichen und sozialen Fragen. Der emotionale Stress als möglicher (Mit-)Auslöser erfährt so eine weitere Verstärkung, was Folgen bis hin zur Depression haben kann. Es ist deshalb sehr wichtig, nicht nur den Körper, sondern auch die Seele zu stärken. Dafür bieten sich unterschiedliche Möglichekiten an:

Autogenes Training, progressive Muskelentspannung nach Jacobson oder Yoga sind Möglichkeiten (Abbildung 6), emotionalen Stress besser zu verarbeiten. Diese Techniken kann man z. B. in Kursen lernen.

Neben diesen Verfahren spielt auch ein starkes persönliches Netzwerk eine Rolle für das emotionale Wohlbefinden. Das kann auch der Austausch mit anderen Betroffenen in z. B. Selbsthilfegruppen oder sozialen Medien sein.

Schon zu einem frühen Zeitpunkt der Erkrankung kann professionelle Unterstützung (z. B. bei einer Psychologin/einem Psychologen oder bei einem ärztlichen Psychotherapeuten/einer ärztlichen Psychotherapeutin) hilfreich sein.

Abb. [6] Entspannungsverfahren, die helfen können, Stress abzubauen

Anpassung der Ernährung

Klar ist: Es gibt keine Sklerodermie-Diät. Aber: Man weiß aus vielen Untersuchungen, dass die Nahrungszusammensetzung (insbesondere bestimmte mehrfach ungesättigte, sog. Omega-6-Fettsäuren) für die Bildung von Entzündungsbausteinen im Körper von Bedeutung ist. Die Systemische Sklerodermie ist eine entzündliche Erkrankung – eine gezielte Zusammensetzung der Nahrung mit Reduktion von Omega-6-Fettsäuren und einem höheren Anteil von Omega-3-Fettsäuren ist daher positiv behaftet.

Bei der Sklerodermie liegt zudem ein Mangel an Antioxidantien vor. Antioxidantien (Abbildung 7) fangen „freie Radikale“, die als Auslöser von bestimmten Krankheiten bekannt sind. Antioxidativ wirken z. B. das Vitamin A und Carotinoide, Vitamin C sowie E, ferner Selen, Zink und Vitamin D. Sie richten sich gegen schädlichen Zellstress.

Ganz generell wird bei Sklerodermie, wie auch bei vielen anderen chronischen Entzündungskrankheiten, eine sog. mediterrane Kost empfohlen. Sie besteht aus viel Obst und Gemüse, Getreideprodukten, pflanzlichen Ölen (z. B. Leinöl oder Rapsöl), Fisch (z. B. Lachs oder Hering), wenig rotem Fleisch, viel Hülsenfrüchten und einer Vielfalt von Kräutern und Gewürzen.

Abb. [7] Antioxidantien-reiche mediterrane Kost: Gemüse, Fisch, gesunde Fette und Nüsse

AUF EINEN BLICK

Verbessern Sie Ihre Durchblutung

Trainieren Sie Ihre Kraft und Ausdauer

Trainieren Sie Ihre Atmung

Bauen Sie Stress ab

Passen Sie Ihre Ernährung an

KAPITEL 3

KAPITEL 3: Das Arztgespräch

Vorbereitung

Grundsätzlich gilt für das Arzt-Patienten-Gespräch dasselbe wie für andere wichtige Gespräche auch, die Sie führen:

Je besser das Gespräch auf beiden Seiten vorbereitet ist, desto effektiver wird es sein.

Umso größer ist zudem die Chance, dass Sie mit dem Gefühl aus dem Gespräch gehen, dass es für Sie nützlich und gewinnbringend war. Sie profitieren davon und können auch erwarten, dass Ihr Arzt/Ihre Ärztin Ihre Krankenunterlagen vorher genau studiert hat (wenn dies wiederholt nicht der Fall sein sollte, überlegen Sie, ob Sie vielleicht einen anderen Gesprächspartner brauchen).

Andererseits profitiert auch Ihr Arzt/Ihre Ärztin davon, wenn Sie Ihre Fragen vorab zu Papier bringen und ihm optimalerweise bereits vor dem Gespräch zur Verfügung stellen. Sie geben ihm damit die Gelegenheit, sich mit Ihrem Anliegen vorher besonders gut auseinanderzusetzen. Vielleicht muss er bei bestimmten Fragen auch noch einmal in Fachpublikationen nachlesen bzw. die neueste wissenschaftliche Literatur studieren (was bei seltenen Krankheiten wie der Systemischen Sklerodermie auch für den Spezialisten hin und wieder notwendig ist).

Bedenken Sie aber: Die Zeit, die Ihr Arzt/Ihre Ärztin für das Gespräch mit Ihnen im Rahmen der Sprechstunde zur Verfügung hat, ist begrenzt – und Sie haben verständlicherweise oft sehr viele Fragen. Und auch Ihre Zeit ist kostbar. Was können Sie tun, um für sich das Beste aus dieser zeitlich misslichen Situation zu machen? Sie sollten sich überlegen:

Welche zentralen Fragen an den Arzt sind für Sie die wichtigsten, die in dieser Sprechstunde beantwortet werden sollten?

Ein Fragenkatalog für das Gespräch mit dem Arzt/mit der Ärztin könnte zum Beispiel sein:

Was passiert in meinem Körper?

Was bedeuten meine körperlichen Befunde, Laborergebnisse, Röntgenbefunde etc.?

Welche unterschiedlichen bzw. ergänzenden Behandlungsmöglichkeiten gibt es?

Was kann ich selbst für mich tun?

Wie lange wird es dauern, bis meine Beschwerden besser werden?

Gibt es irgendeinen unangenehmen Aspekt, über den ich mir Sorgen machen muss und der besonders zu beachten ist?

Es kommt also darauf an, dass Sie eine Art Prioritätenliste aufstellen. Das bedeutet aber auch: Welche Fragen können eventuell noch warten bis zur nächsten Sprechstunde, falls die Zeit in dieser Sprechstunde zur Beantwortung nicht reicht?

Stellen Sie eine Liste auf mit Ihren Beschwerden und Einschränkungen, die Sie aktuell besonders belasten.

Was wurde oder wird zur Behandlung dieser Beschwerden und Einschränkungen unternommen (mit Medikamenten, mit Physiotherapie, mit Eigenanstrengungen) und mit welchem Ergebnis?

Welche weiteren Behandlungen (medikamentös, nicht-medikamentös) erhalten Sie zurzeit wegen der Sklerodermie oder wegen anderer Krankheiten? Bedenken Sie dabei, dass zu den Medikamenten auch pflanzliche Präparate und Nahrungsergänzungsmittel zählen. Zu den nicht-medikamentösen Therapien gehören unter anderem sog. alternative Heilmethoden. Bringen Sie also am besten alle Packungen der Medikamente zum Gespräch mit, die Sie zurzeit einnehmen (oder fotografieren Sie diese mit Ihrem Handy). Notieren Sie auch, wann und wie viele Tabletten, Kapseln, Tropfen Sie von jedem Medikament pro Tag einnehmen, welche davon regelmäßig und welche nur bei Bedarf.

Ältere und aktuelle Arztbriefe, Laborergebnisse und Untersuchungsbefunde sollten beim Gespräch vorliegen. So ist ein Vergleich der Daten möglich, was für die Verlaufsbeurteilung der Sklerodermie von großer Bedeutung ist. Bitten Sie u. U. Ihren Hausarzt rechtzeitig, Ihnen diese Unterlagen vor dem geplanten Gespräch mit dem Sklerodermie-Spezialisten in Kopie zur Verfügung zu stellen.

Fragen Sie vorab, ob Sie eine Ihnen vertraute Person zum Gespräch mitnehmen dürfen („Vier Ohren hören mehr als zwei.“). Ihr Arzt wird in der Regel nichts dagegen haben. Oft erhält er durch die Begleitperson zusätzliche wichtige Informationen zum Krankheitsverlauf des Patienten.

Und (auch wenn es eigentlich selbstverständlich ist): Sagen Sie rechtzeitig einen Termin ab, falls Sie ihn aus irgendeinem Grund nicht wahrnehmen können. Ein anderer Patient, der dringend auf einen Termin wartet, wird es Ihnen danken–Ihr Arzt auch.

Während des Gesprächs

Ein Gespräch ist dynamisch – mit Fragen und Antworten von beiden Seiten. Häufig übernimmt der Arzt die Gesprächsführung. Bei diesem Hin und Her kann es aber leicht passieren, dass Sie Ihre Hauptfragen, die Sie stellen wollten, nicht mehr im Blick haben.

Behalten Sie einen Zettel mit Ihren wichtigsten Fragen in den Händen oder vor Augen und „arbeiten Sie die Fragen auf Ihrer Liste ab“.

Hinweise des Arztes, z. B. hinsichtlich möglicher Nebenwirkungen von Medikamenten oder Risiken von geplanten Untersuchungen, schreiben Sie besser auf, damit Sie zu Hause noch einmal darüber nachdenken und ggf. bestimmte Entscheidungen später treffen können. Fragen Sie nach nicht-medikamentösen Therapiemöglichkeiten, z. B. als Alternative oder als Ergänzung.

Falls Sie etwas nicht gut verstanden haben, fragen Sie nach, etwa so:

„Habe ich Sie richtig verstanden, dass …?“ oder „Können Sie mir das bitte nochmals erklären, da ich es noch nicht gut verstanden habe.“ Haben Sie keine Scheu, nachzufragen!

Sie geben Ihrem Arzt damit Gelegenheit, Unsicherheiten auszuräumen. Die Medizin hat längst verstanden, dass die sog. „Therapie-Treue“ des Patienten entscheidend davon abhängt, dass der Patient versteht, warum er diese oder jene Therapie von seinem Arzt verordnet bekommen hat, und auch über mögliche Risiken und Nebenwirkungen ausreichend informiert wurde.

Nach dem Gespräch

Es kann vorkommen, dass Sie erst auf dem Heimweg oder zu Hause merken, dass Sie die eine oder andere Antwort auf Ihre Frage oder Hinweise des Arztes zur Verordnung eines Medikaments doch nicht richtig verstanden haben (z. B. den Zeitpunkt der Einnahme, Dosierung, Zeichen und notwendige Maßnahmen bei Unverträglichkeit usw.). Vielleicht sind Sie sich auch auf einmal unsicher bzgl. einer geplanten Untersuchung. In so einem Fall gilt:

Rufen Sie nochmals beim Arzt bzw. in seinem Sekretariat an oder schreiben Sie ihm mit der Bitte um eine baldige Antwort. Lassen Sie Fragen nicht ungeklärt im Raum stehen, weil es Ihnen unangenehm ist, nachzufragen.

Denken Sie daran: Auch Ihr Arzt hat ein großes Interesse, dass Sie die von ihm vorgeschlagene Diagnostik durchführen lassen und die vorgeschlagene Therapie einhalten.

Wenn Sie mit dem Gespräch zufrieden waren, erinnert ein „Danke“ ggf. den Arzt daran, wie wichtig eine gute Kommunikation mit seinen Patienten ist, und er wird bestrebt sein, dieses Niveau zu halten und ggf. noch zu steigern. Natürlich dürfen Sie ihm auch ein negatives Feedback geben, wenn Ihnen das eine oder andere am Gespräch mit ihm nicht gefallen hat. Auch das kann zur Verbesserung zukünftiger Gespräche beitragen.

AUF EINEN BLICK

Je besser das Gespräch auf beiden Seiten vorbereitet ist, umso effektiver wird es sein.

Welche zentralen Fragen, die in dieser Sprechstunde beantwortet werden sollten, sind für Sie wichtig?

Behalten Sie den Zettel mit Ihren wichtigen Fragen in den Händen oder vor Augen und „arbeiten Sie die Fragen auf Ihrer Liste ab“.

Falls Sie etwas nicht gut verstanden haben, fragen Sie nach.

Bringen Sie alle Packungen der Medikamente, die Sie zurzeit einnehmen, zum Gespräch mit.

Bringen Sie ältere und aktuelle Arztbriefe, Laborergebnisse und Untersuchungsbefunde mit.

Wie wurden oder werden Ihre Beschwerden und Einschränkungen aktuell therapiert (mit Medikamenten, mit Physiotherapie, mit Eigenanstrengungen)? Was hat geholfen und was nicht?

KAPITEL 4

KAPITEL 4: Die Sklerodermie aus ärztlicher Sicht

Aus zahlreichen Untersuchungen von Betroffenen mit chronischer Erkrankung ist bekannt, dass das Wissen der Betroffenen um die verschiedenen Aspekte ihrer Krankheit die individuelle Prognose günstig beeinflussen kann. Zu wissen, was es zu beachten gilt, welche Untersuchungen notwendig und sinnvoll sind, welche Therapien helfen können sowie Fragen des Managements und Selbstmanagements der chronischen Krankheit sind dabei von entscheidender Bedeutung.

Hilfreiche Informationen über die Systemische Sklerodermie zu geben, um mit dieser Krankheit besser leben zu können, ist ein Kernanliegen dieses Buches. Ziel ist eine bessere Lebensqualität trotz Sklerodermie. Dazu gehört auch, sich mit den 3 grundlegenden Störungen der Krankheit (Abbildung 8) zu befassen. Diese Grundstörungen der Sklerodermie werden im Folgenden in möglichst verständlicher Form beschrieben.

Abb. [8] Grundlegende Störungen bei Systemischer Sklerodermie

Durchblutung

Bei vielen Patienten beginnt die Sklerodermie mit plötzlichen Durchblutungsstörungen eines Fingers oder mehrerer Finger, manchmal auch der Zehen (sog. Raynaud-Phänomen). Selten können auch Nase, Zungen und Ohren betroffen sein. Die Finger werden für Minuten ganz oder teilweise weiß, später blau und schließlich rot. Erstbeschreiber war der Pariser Arzt Murice Raynaud (1862). Nach ihm wird diese Art der Durchblutungsstörung als „Raynaud-Phänomen“, „Raynaud-Anfall“ oder „Raynaud-Syndrom“ bezeichnet (Abbildung 9). Ein einziger Raynaud-Anfall kann bis zu 20 Minuten und länger dauern. Manche Betroffene erleiden über 10 und mehr Anfälle pro Tag.

Das Weißwerden der Finger ist Ausdruck der Durchblutungseinschränkung mit der Folge, dass den Zellen nur noch wenig Sauerstoff und Nährstoffe zur Verfügung stehen. Löst sich der Gefäßkrampf langsam wieder und fließt erneut etwas Blut durch die Finger, verfärbt sich die Haut blau. Erst durch die vollständige Lösung des Gefäßkrampfes kann wieder genügend sauerstoffreiches Blut in die Finger einschießen. Dies führt zur hellroten Verfärbung. Nicht immer steht ein kompletter Stopp der Durchblutung am Anfang, sodass die Weißverfärbung fehlen kann und nur blaue und rote Hauttöne erkennbar sind.

Abb. [9] Gefäßkrampf (Raynaud-Anfall) der Hände bei Systemischer Sklerodermie.Typische Verfärbung der Haut mit weißen, blauen und roten Farbtönen

Auslöser eines Anfalls sind vor allem Kältebelastung und psychischer Stress. Nicht immer müssen es frostige Temperaturen sein. Raynaud-Anfälle können auch im Sommer auftreten. Oft ist schon eine relative Kältebelastung der Haut (z. B. Kühle unmittelbar nach dem Duschen oder Kühle bei Windbelastung) für die Auslösung eines Anfalls ausreichend. Weitere Auslöser können kalte Getränke und Speisen sein, der Aufenthalt in klimatisierten Räumen oder das Hineinfassen in Kühlschränke oder Tiefkühltruhen. Nicht selten wird der Raynaud-Anfall von einem Kribbeln der Finger als Ausdruck einer vorübergehenden Nervenreizung der Haut begleitet.

Sauerstoffarmut des Gewebes, die sog. Hypoxie, bedeutet für die mit Sauerstoff unterversorgten Zellen Stress. Bei der Sklerodermie führt dieser Stress zu Entzündungsreaktionen, die wiederum die Bindegewebsbildung anregen und damit die Fibrose fördern. Folge ist die Verhärtung der Haut und/oder innerer Organe. Aus diesem Grund sollte bei Betroffenen mit Sklerodermie alles versucht werden, Raynaud-Anfälle durch geeignete medikamentöse und nicht-medikamentöse Strategien zu verhindern. Dies wird bei vielen Patienten häufig leider nicht konsequent genug versucht. Es ist unklar, ob es bei Sklerodermie auch ein sog. „inneres Raynaud-Phänomen“ gibt, also eine anfallsweise Engstellung kleiner Gefäße an inneren Organen. Manche Patienten berichten über Herzschmerzen zeitgleich mit dem Raynaud-Anfall der Hände. Es gibt Untersucher, die in diesen Fällen eine vorübergehende Verengungen kleiner Gefäße (der Herzkranzgefäße) am Herzen dokumentieren konnten.

Schreitet die Sklerodermie fort, finden sich in der Haut, der Lunge und den Nieren dauerhafte Gefäßverengungen, die den Blutfluss behindern. Die Verengungen sind Folge einer krankhaften Zellvermehrung an der Gefäßhaut. Von vielen Fachleuten wird deshalb die Systemische Sklerodermie heute in erster Linie als Gefäßkrankheit eingeordnet. Noch ist unklar, ob primär Autoimmunreaktionen zu den Gefäßveränderungen führen und/oder Veränderungen an den Gefäßen das Immunsystem aktivieren und in der Folge eine krank machende Immunreaktion auslösen.

Darüber hinaus wird diskutiert, ob zahlreiche weitere Organbeteiligungen und Komplikationen der Sklerodermie Folgen einer Durchblutungsstörung sind. Eine verminderte Durchblutung von Nervenzellen, die die Muskulatur der Speiseröhre stimulieren, können Störungen der Muskelkontraktion hervorrufen. Schluckstörungen sind eine mögliche Folge. Ist der Muskel, der den Weitertransport des Speisebreis bewirkt, betroffen, können Blähungen, Durchfall oder Verstopfung auftreten.

Es gibt Hinweise, dass bei Sklerodermie krankhafte Veränderungen der kleinsten Gefäße der Haut, der sog. Hautkapillaren, mit krankhaften Gefäßveränderungen im Bereich der Lunge zusammenhängen. Möglicherweise gilt dies auch für Gefäßveränderungen an anderen inneren Organen. Wegen dieser Veränderungen werden regelmäßige z. B. jährliche Untersuchungen der Hautkapillaren mit einem speziellen Mikroskop empfohlen. Diese Untersuchung wird am Rand der Finger durchgeführt, ist schnell, schmerzlos und von hoher Aussagekraft (Abbildung 10 und 11).

Abb. [10] Mikroskopisches Bild von Hautkapillaren bei Gesunden: Dünne, lang gestreckte Gefäße

Abb. [11] Mikroskopisches Bild von Hautkapillaren bei Sklerodermie: Plumpe dicke Gefäße

Neben den kleinen Gefäßen können bei Sklerodermie auch krankhafte Störungen an größeren Gefäßen vorkommen. Für einen solchen Zusammenhang könnte sprechen, dass bei Sklerodermiebetroffenen ein erhöhtes Risiko für Herzinfarkt und Schlaganfall besteht.

Aus dem Gesagten wird deutlich, dass die Förderung und Aufrechterhaltung einer guten Durchblutung für Sklerodermiepatienten wesentlich ist.

Nur die Hände warm zu halten reicht nicht aus, da das Gefäßsystem insgesamt in Mitleidenschaft gezogen wird. Hierbei geht es neben der Haut auch um die Durchblutung der inneren Organe sowie des Bewegungsapparates und der Nerven.

Es gibt zahlreiche Möglichkeiten, die Durchblutung bei Sklerodermie zu fördern (medikamentös und nicht-medikamentös). Unterstützend spielen auch häusliche Wärmeanwendungen eine große Rolle. Sind bereits Komplikationen eingetreten, z. B. die Entwicklung schmerzhafter Geschwüre (Ulcera) an den Fingern (Abbildung 12), so stehen ärztliche Maßnahmen und Medikamente, die die Abheilung der Geschwüre beschleunigen, im Vordergrund.

Abb. [12] Schmerzhafte Fingergeschwüre bei Systemischer Sklerodermie sog. Digitale Ulzerationen (kurz: DU)

AUF EINEN BLICK

Bei vielen Patienten beginnt die Sklerodermie mit plötzlichen Durchblutungsstörungen eines Fingers oder mehrerer Finger, manchmal auch der Zehen (sog. Raynaud-Phänomen).

Auslöser für die Raynaud-Anfälle sind Kälte und psychischer Stress.

Noch ist unklar, ob es bei Sklerodermie auch ein sog. inneres Raynaud-Phänomen gibt, also eine anfallsweise Engstellung kleiner Gefäße an inneren Organen.

Neben den kleinen Gefäßen werden bei Sklerodermie auch krankhafte Störungen an größeren Gefäßen diskutiert.

Es ist bekannt, dass Sauerstoffarmut des Gewebes, die sog. Hypoxie, zum Beispiel nach einem Stopp der Durchblutung zu Beginn eines Raynaud-Anfalls für die mit Sauerstoff unterversorgten Zellen Stress bedeutet. Bei Sklerodermie führt dieser Stress zu Entzündungsreaktionen, die wiederum die Bindegewebsbildung anregen und damit die Fibrose fördern. Folge ist die Verhärtung der Haut und/oder innerer Organe.

Aus diesem Grund sollte bei Betroffenen mit Sklerodermie versucht werden, Raynaud-Anfälle durch geeignete medikamentöse und nicht-medikamentöse Strategien zu verhindern.

Nur die Hände warm zu halten reicht nicht aus, da das Gefäßsystem des Körpers insgesamt in Mitleidenschaft gezogen ist.

Immunsystem

Die Sklerodermie wird oft als Autoimmunkrankheit verstanden. Zahlreiche Medikamente, die zur Behandlung der Sklerodermie eingesetzt werden, zielen auf die Unterdrückung des Immunsystems ab – man sagt, sie wirken immunsuppressiv. Bei der Stammzelltransplantation, die seit kurzer Zeit zur Therapie der Sklerodermie eingesetzt wird, will man nach Ausschaltung des „kranken“ Immunsystems ein neues „gesundes“ Immunsystem im Körper der Betroffenen aufbauen. Um diese Zusammenhänge besser zu verstehen, wird im Folgenden die Funktionsweise des Immunsystems näher beleuchtet.

Das Immunsystem ist das Abwehrsystem unseres Körpers. Es besteht aus einem angeborenen und einem erworbenen Teil. Ein gutes Funktionieren beider Abwehrstrategien ist für den Körper lebenswichtig. Zum angeborenen Immunsystem gehören vor allem sog. Fresszellen (Makophagen), die eine erste Abwehr bilden, sich aber nur begrenzt vermehren und nur grob zwischen selbst und fremd unterscheiden können. Das angeborene Immunsystem richtet sich besonders gegen Eindringlinge wie Bakterien, Viren und Pilze.

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