Systemisches Konfliktmanagement -  - E-Book

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Beschreibung

Im Räderwerk von Unternehmen müssen Konflikte keine Kostentreiber sein, sie können eine Chance sein. Richtig gesteuert und bearbeitet, lassen sich Konflikte schon im Vorfeld entschärfen und für das Weiterkommen der Organisation nutzen.Das Buch stellt den Ansatz von "Systemdesign" vor, der- Mediation,- Organisationsentwicklung,- Systemische Beratung und- Coachingmiteinander kombiniert. Mit Methoden zur Gesprächsführung, Konfliktdiagnose und Projektsteuerung sowie mit Werkzeugen, wie zum Beispiel Eskalationsmechanismen, bietet es zudem einen Praxis-Baukasten für ein optimales Konfliktmanagement.

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Inhaltsverzeichnis

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Impressum

Vorwort von Klaus Doppler

Einleitung: Systemisches Konfliktmanagement – fast ein GesprächKurt Faller/Bernd Fechler/Wilfried Kerntke

Kapitel 1: Konfliktmanagement

1.1 Vom »Entweder-oder« zum »Sowohl-als-auch«

Kurt Faller/Wilfried Kerntke

1.1.1 Das Unerwartete Managen

1.1.2 Sensibilität für Abläufe und Beziehungen

1.1.3 Konfliktmanagement

1.1.4 Der Begriff »Systemdesign«

Kapitel 2: Systemische Zugänge

2.1 Konfliktmanagement als Regulation der moralischen Anerkennungsökonomie

Bernd Fechler

2.1.1 Jenseits von Struktur und Emotion

2.1.2 Soziale Systeme als Anerkennungsverhältnisse

2.1.3 Soziale Konflikte als gestörte Anerkennungsverhältnisse

2.1.4 Mediation als »Dialog der Anerkennung«

2.1.5 Konfliktmanagement: Deregulierung oder Zivilisierung erodierender Anerkennungsverhältnisse?

2.2 Organisationsmodelle als Ressource

Wilfried Kerntke

2.2.1 Modelle ermöglichen die Verständigung

2.2.2 Organisationsmodelle nach Glasl und Kühl

2.2.3 Subsysteme und Entwicklungsphasen von Organisationen

2.2.4 Drei Seiten der Organisation

2.2.5 Konfliktmanagement schöpft aus den verschiedenen Modellen

2.3 Triadische Konfliktbearbeitung in Unternehmen und Organisationen

Kurt Faller

2.3.1 Triadisches Verstehen von Konflikten

2.3.2 Triangulation in Organisationen

2.3.3 Triangulierung in der organisationsorientierten Mediation

2.3.4 Arbeiten mit dem Hexagon

2.4 Konfliktfolgekosten als nützlicher Fokus der Aufmerksamkeit

Wilfried Kerntke

2.4.1 Nicht ganz trivial: die Erhebung und Auswertung von Konfliktfolgekosten

2.4.2 Konfliktfolgekosten als Beobachtungsgröße

2.4.3 Zukunftsweisender Umgang mit der Konfliktfähigkeit der Organisation als intangiblem Wert

2.5 Zustand nach Reorganisation: tabuisierte Konflikte als Heraus forderung für ein Change begleitendes Konfliktmanagement

Bernd Fechler

2.5.1 Die Theorie-Praxis-Lücke im Changemanagement

2.5.2 Alt/Neu: Bewahren vs. Verändern als polarisierendes Grunddrama

2.5.3 Oben/Unten: Tabuisierte Anerkennungskämpfe in asymmetrischen Kontexten

2.5.4 Zugehörig/Nichtzugehörig: Selbstorganisierte Diskriminierungs und Ausschlussprozesse

2.5.5 System/Umwelt: Zum Umgang mit menschlichen Fehlleistungen und den Grenzen des Machbaren

2.5.6 Fazit: Der Zustand nach Reorganisation als Zustand der Verstrickung

Kapitel 3: Mediation und Organisationsentwicklung

3.1 Innerbetriebliche Konfliktbearbeitung als Verbindung von Mediation und systemischer Organisationsberatung

Kurt Faller

3.1.1 Einleitung

3.1.2 Das MEDIUS-Konzept der innerbetrieblichen Wirtschaftsmediation

3.2.

Mediation als Organisationsentwicklung

Wilfried Kerntke

3.2.1 Organisationsmediation – eine Disziplin entsteht

3.2.2 Der Anspruch an Mediation in Organisationen

3.2.3 Die Prozesslinien der Organisationsmediation

3.2.4 Entwicklungsorientierung

3.2.5 Beratung für den Auftraggeber

3.2.6 Organisationales Lernen aus dem Konflikt fördern – Verantwortung ausbalancieren

3.2.7 Diversität im Unternehmen konstruktiv nutzen – Diskriminierung nachhaltig abstellen

3.2.8 Stakeholder-Einbezug

3.2.9 Ausblick

Kapitel 4: Systemdesign

4.1. Die Nutzungsaspekte des Systemdesigns für Unternehmen

Wilfried Kerntke

4.1.1 Konfliktfolgekosten als Ausgangspunkt

4.1.2 Vorhandene Konfliktanlaufstellen stärken

4.1.3 Die Nutzungsaspekte des Systemdesigns

4.1.4 Mit der Perspektive der Nutzungsaspekte arbeiten

4.2 Die Elemente eines Systemdesigns

Kurt Faller

4.2.1 Von den Elementen zum Systemdesign

4.2.2 Die Kunst des Systemdesigns

4.2.3 Die Aufbaustruktur für ein Systemdesign

4.2.4 Die Ablaufstruktur für ein Systemdesign

4.2.5 Die Systemsteuerung für ein Systemdesign

4.3 Die Systemdesign-Schleife – Entwicklung und Implementierung eines Konfliktmanagementsystems

Kurt Faller

4.3.1 Einleitung

4.3.2 Auftrag – Entwicklung – Integration

4.3.3 Die Auftragsschleife

4.3.4 Die Entwicklungsschleife

4.3.5 Die Integrationsschleife

Kapitel 5: Konfliktmanagementsysteme in der Praxis

5.1 Das Konfliktmanagementsystem der SAP AG

Jürgen Briem

5.1.1 Einleitung

5.1.2 Bestandsaufnahme der Konfliktanlaufstellen

5.1.3 Netzwerk für Conflict Management Services schaffen

5.1.4 Konflikt-Prophylaxe durch Analyse-Workshops

5.1.5 Der Round Table Mediation und Konfliktmanagement der deutschen Wirtschaft (RTMKM)

5.1.5 Evaluation des Conflict Management Services

5.1.7 Das CMS in der Systemdesign-Schleife

5.2 Ein Unternehmen wird konfliktfest – Konfliktbearbeitung, Systemdesign und Implementierung eines Konfliktmanagementsystems für die Unternehmensgruppe Wozabal

Gerhard Führer/Christian Radmayr

5.2.1 Einführung

5.2.2 Der »Auslöser«

5.2.3 Ziele der Konfliktklärung

5.2.4 Unternehmenskultur und Generationenkonflikt

5.2.5 Steuerungsgruppe

5.2.6 Konfliktmanagement-Angebot – Diagnose und Systemdesign

5.2.7 Entscheidung für ein Systemdesign

5.2.8 Konfliktkommission

5.2.9 KonfliktlotsInnen

5.2.10 Erarbeitung des Handbuchs

5.2.11 Erprobung

5.2.12 Verankerung des Konfliktmanagementsystemt

5.2.13 Aufbau der Struktur für das erweiterte Konfliktmanagementsystem

5.2.14 Qualifizierung und Betreuung der KonfliktlotsInnen

5.2.15 Dokumentation und Evaluation

5.2.16 Wirkungen des Konfliktmanagementsystems

5.3 Das Konfliktmanagement-System der Vereinigung Cockpit – ein Zwischenbericht

Wilfried Kerntke/Tim Bäßler

5.3.1 Die Organisation

5.3.2 Historie des Auftrags zum Aufbau eines Konfliktmanagement-Systems

5.3.3 Besonderheiten des KMS der Vereinigung Cockpit – Marktmodell der Konfliktbearbeitung

5.3.4 Die ersten Aufträge für die Konfliktkommission

5.3.5 Bedarf zur weiteren Entwicklung

5.3.6 Der nächste Schritt wird diskutiert

5.3.7 Ein erster Rückblick

5.4 Evaluierung der (Betriebs-)Vereinbarung zur Konfliktkultur im Oberösterreichischen Landesdienst – eine Projektbeschreibung

Petra Preining

5.4.1 Projektauftrag

5.4.2 Projektziele

5.4.3 Projektüberblick

5.4.4 Analyseschritte

5.4.5 Entwicklung eines Systemdesigns

5.4.6 Entwicklung von Maßnahmenvorschlägen und Detailkonzepten eines Umsetzungsentwurfs

5.5 Wo nur der Wandel das Beständige ist – die Konfliktkultur der Stadt Graz

Elke Pölzl

5.5.1 Einleitung

5.5.2 Konfliktkultur 2.0

5.6 Entwicklung und Aufbau von Konfliktmanagementsystemen in Einrichtungen der Behindertenhilfe

Dorothea Faller

5.6.1 Rahmenbedingungen in Einrichtungen der Eingliederungshilfe

5.6.2 Konfliktmanagement in Einrichtungen der Behindertenhilfe

5.6.3 Das MEDIUS-Konzept »Selbstbestimmt leben und arbeiten«

5.6.4 Praxisbeispiele zur Entwicklung und Implementierung eines Konfliktmanagementsystems in Einrichtungen der Behindertenhilfe

5.7 Etablierung einer dialogischen Feedbackkultur: Konfliktmanagementsystem bei einem sozialpsychiatrischen Flächenversorger

Christine Baldt/Bernd Fechler/Willi Opp

5.7.1 Einleitung

5.7.2 Die Projektphasen

5.7.3. Erfahrungen

5.7.4 Wie ist es heute? – das Projekt fünf Jahre später

Kapitel 6: Konfliktmanagement im Wandel

6.1 Fair Leadership – Management Add-on für nachhaltige Unternehmensentwicklung

Alex Lanz/Ruud Hendrikx

6.1.1 Managementkonzept über zwei Dialogebenen

6.1.2 Einflüsse aus der Entrepreneurship-Forschung

6.1.3 Kulturveränderung über Fair Leadership

6.2 Schock – Kampf – Verstrickung: Elemente eines Change begleitenden Konfliktmanagements

Bernd Fechler

6.2.1 Was meint Change begleitendes Konfliktmanagement?

6.2.2 Schock – Kampf – Verstrickung: Das 3-Phasenmodell des Change begleitenden Konfliktmanagements

6.2.3 Schock: Konfliktprävention durch Kommunikation und Sensibilisierung

6.2.4 Kampf: Mediative Interventionen bei Gruppen-, Ressourcen und Machtkonflikten

6.2.5 Verstrickung: Überwindung der doppelten Schweigemauer durch Bottom-up-Feedbacks

6.2.6 Empowerment – Faktencheck – Würdigung: Elemente einer »systemintelligenten« Rückmeldung

6.2.7 Die Kraft des Dialogs: Über die Ermöglichung eines unmöglichen Umgangs mit Paradoxien und den Grenzen des Machbaren

Literatur

Stichwortregister

Die Herausgeber

Die Autoren

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Dafür vielen Dank!

Reihe Systemisches Management

Bibliografische Information der Deutschen NationalbibliothekDie Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der DeutschenNationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über<http:⁄⁄dnb.d-nb.de> abrufbar.

E-Book ISBN 978-3-7992-6737-3

Dieses Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen.

© 2014 Schäffer-Poeschel Verlag für Wirtschaft · Steuern · Recht [email protected]

Einbandgestaltung: Dietrich Ebert, Reutlingen/Melanie Frasch

Satz: Marianne Wagner

Juli 2014

Schäffer-Poeschel Verlag Stuttgart

Ein Tochterunternehmen der Haufe Gruppe

Vorwort

Klaus Doppler

Konflikte waren schon immer eine ganz normale und alltägliche Begleiterscheinung menschlichen Zusammenlebens. Es gibt keine dauerhaft konfliktfreien Beziehungen. Wo immer Menschen zusammenwirken, treffen unterschiedliche Meinungen, Bedürfnisse und Interessen aufeinander – mal zwischen einzelnen Individuen, mal innerhalb kleinerer Gruppen, mal zwischen kleineren Gruppen, mal innerhalb von Unternehmen, mal auch zwischen Unternehmen. Und aller Wahrscheinlichkeit nach werden sich zusätzlich neue konfliktschwangere Schwerpunkte ergeben oder bestimmte Herausforderungen eine größere Bedeutung gewinnen. In turbulenten Umwelten sind Unternehmen immer stärker gefordert, flexible Strukturen zu entwickeln, um im Hinblick auf Markt, Kunde und Wettbewerb schnell reaktionsfähig zu sein. Dazu dienen neue Organisationsstrukturen wie Matrix und Netzwerk. Konflikte gelten in solchen Organisationsformen nicht nur als Folge, sondern als Bedingung für das kreative Spiel der Kräfte und die produktive Balance in der operativen Umsetzung unterschiedlicher Zielsetzungen und komplexer Interessenlagen. Diese beinhalten ein erhebliches Potenzial an unterschiedlichen Interessen, das unabhängig von einzelnen Personen Konflikte nicht nur generiert, sondern auch Auseinandersetzung, Aushandlung und Kompromissbildung erfordert. Konflikte – so die Idee der Organisatoren – sollen von den Schnittstellenpartnern bewusst und genau an dieser Stelle frühzeitig identifiziert, fair und kooperativ angegangen und im produktiven Interessenausgleich wirksam bewältigt werden. In diesem von Veränderungen geprägten generellen Kontext gibt es keine absolut sicheren »alternativlosen« Wege. Man muss selbst herausfinden, was im Rahmen der eigenen Funktion und Kompetenz für die jeweilige Situation am besten passt.

Vor diesem Hintergrund vermitteln die in diesem Buch vorgestellten Modelle, Methoden und Praxisberichte sehr gute Impulse sowohl für Fachleute – Berater, Mediatoren, Organisationsentwickler – als auch für Führungskräfte. Das Spannende dabei sind die unterschiedlichen Perspektiven, aus denen jeweils Situationen analysiert und entsprechende Vorgehensmodelle entwickelt werden. Übergreifend ist der systemische Ansatz, der Person, Institution, Kultur, Prozesse und Strukturen miteinander verbindet und verhindert, dass Konflikte einseitig personalisiert werden.

Wir könnten aber darüber hinaus unseren Blick nach draußen werfen in das Umfeld der Unternehmungen. Die Gesamtszene ist mehrfach beschrieben: Wir leben alle global vernetzt in einem auf Dauer turbulenten Umfeld und sind gezwungen, uns in diesem instabilen Umfeld zu positionieren und zu behaupten. Das betrifft völlig unterschiedliche Dimensionen, u. a. technologische Entwicklungen, wie zum Beispiel Informationstechnologien, Produktion, Logistik, gesellschaftliche Entwicklungen im Hinblick auf Ausbildung, Besitz, Einkünfte, Arbeitsplätze und damit verbundene Befindlichkeiten und Erwartungen an das Gemeinwesen. Konsequenz: Die Unsicherheit unseres Umfeldes was die Zukunft betrifft ist vorprogrammiert. Wir könnten also den Horizont erweitern auf Themen wie zum Beispiel: Auf welche Entwicklungen sollten wir uns einstellen? Welche speziellen Kontexte – politisch, gesellschaftlich, technologisch, kunden und wettbewerbsbezogen, lebensweltlich, interkulturell – sind für unsere Unternehmung besonders relevant? Welche Konflikte könnten in diesem Zusammenhang in Zukunft auf uns zukommen? Welche Rolle werden Konflikte möglicherweise überhaupt spielen? Und daraus abgeleitet: Welche Anregungen finden sich dazu in den vorgestellten Modellen? Und welche Ideen entstehen bei dieser Auseinandersetzung, wie die aktuell vorgestellten Methoden weiter entwickelt werden können?

Und genau hier könnten wir mit einem Dilemma konfrontiert sein. Jedes stabil etablierte und gut eingespielte System zur Steuerung unternehmerischen Handelns, eben auch Systeme zur Bearbeitung von Konflikten, hat die Tendenz, sich in Form von Routinen zu verfestigen, um seinen Erhalt sicherzustellen. Wie kann es gelingen, nicht dieser natürlichen Tendenz zu erliegen, uns in der Binnenbetrachtung und Binnensteuerung einzuschnüren? Wie können wir es schaffen, »out of the box« zu denken und die Umwelten schon in der Frühphase von Veränderungen zu erkunden? Wie können wir verhindern, beim Betrachten der neuen Entwicklungen der natürlichen Neigung zu erliegen, nach alten bekannten Wahrzeichen zu suchen, um uns das neue Gelände vertraut zu halten und uns damit in der Sicherheit zu wiegen, uns auszukennen? Wie können wir es fertig bringen, das neue Unvertraute als unvertraut zu belassen und wirklich nach den neuen Mustern zu suchen, die sich eventuell andeuten?

Ein junges Unternehmen ist voll darauf konzentriert, das unternehmerische Umfeld radikal auszuforschen, um seine Ideen danach auszurichten und zielgenau zu verwirklichen, sowohl im Hinblick auf Produkte und Dienstleistungen wie auch im Hinblick auf notwendige interne Steuerungssysteme. Das Prinzip gilt: Sich so organisieren, dass die neuen Ideen möglichst schnell marktfähig gemacht werden können, dass dieser Prozess offen, kreativ bleibt und nicht durch herkömmliche, gegebenenfalls in der eigenen Entwicklung erfahrene bzw. erlernte Strukturmuster zu früh stabilisiert, standardisiert und dadurch gezähmt wird. Devise: lieber zu schnell und spontan als zu systematisch und dadurch zu langsam. Je länger allerdings ein Unternehmen inklusive seiner unternehmerischen Steuerungssysteme besteht, umso stärker ist es gefährdet, immer mehr innerhalb seiner Binnenwelt um sich selbst zu kreisen – und den Kontakt zur Umwelt (Markt, Kunde, Wettbewerb, technologische Entwicklungen, soziale und politische Rahmenbedingungen…) nur noch gelegentlich aufzunehmen. Ein Großteil der Gestaltungsenergien wird in die Optimierung der Binnenstruktur investiert, statt das neue Umfeld wie in der Startphase mit hoher Neugier und Erkundungslust zu analysieren, dem freien Fluss der sich dabei entwickelnden kreativen Ideen zu folgen und passende Formen bzw. Strukturen neu zu erfinden und experimentell zu erproben – und dabei die gewohnten eingespielten Muster zu hinterfragen, zu irritieren, zu konfrontieren, zu dynamisieren.

Zunehmen werden meines Erachtens auch unterschiedliche Vorstellungen, wie Lebens und Arbeitsgestaltung miteinander in Einklang gebracht werden können. Und grundsätzlich können wir damit rechnen, dass die Haltbarkeit von Unternehmen sich immer stärker verkürzt und abgelöst wird durch häufigen Wechsel von völlig unterschiedlichen Formen, ausgerichtet an Kriterien wie zum Beispiel Steuerung des Produktportfolios und optimales Ressourcenmanagement.

Auf diesem Hintergrund scheint es mir empfehlenswert, die hier dargestellten Systeme der Konfliktbearbeitung nicht als in Stein gemeißelte, nicht hinterfragbare Dogmen zu sehen, sondern regelmäßig einer Prüfung zu unterziehen, inwieweit sie noch in den aktuellen gesellschaftlichen und unternehmerischen Kontext passen. Um diese regelmäßige Überprüfung zu gewährleisten, wäre es vielleicht durchaus sinnvoll, jedes derartige System symbolisch mit einem Verfallsdatum zu versehen, an dem es automatisch erlischt, soweit es nicht offiziell neu begründet wird. Geschieht dies nicht, ist der natürliche Alterungsprozess mit seinen entsprechenden Begleiterscheinungen Selbstsicherheit, Behäbigkeit, als Erfahrung getarnter Blick in den Rückspiegel bei der Fahrt nach vorn, nicht zu vermeiden.

Es geht also darum, die in diesem Buch immer wieder angesprochene Zukunftsfähigkeit von Unternehmen und Stakeholdern im Auge zu behalten. Dies wird in dem Maße gelingen, wie bei den Betroffenen und Beteiligten das entsprechende Bewusst und Gewahrsein gepflegt wird.

Einleitung: Systemisches Konfliktmanagement – fast ein Gespräch

Kurt Faller/Bernd Fechler/Wilfried Kerntke

Innerbetriebliche Konfliktbearbeitung und ihre Metaebene, das System des in- nerbetrieblichen Konfliktmanagements, rücken in ihrer Bedeutung für Unterneh- men immer weiter auf. Die Arbeit an der Zukunftsfähigkeit von Organisationen, das wird immer deutlicher, verlangt Arbeit an der Konfliktfähigkeit ihrer Füh- rungskräfte. Die Konfliktfähigkeit der Führungskräfte, sagt Friedrich Glasl, macht Unternehmen konfliktfest.

Dafür braucht es Vorkehrungen. Viele Berater in einer weit verzweigten Fach- szene sind – dabei, sie zu konzipieren, zu erproben und zu beschreiben. Wir sind uns einig: Das Schaffen von Strukturen, die wie ein klug erdachtes Netz von Kanälen die Konflikte zur Behandlung tragen, wird nicht ausreichen. Stefan Kühl (2011: 96) sagt: Der Strukturbegriff schmiegt sich gerne in Denklücken.

Die Herausgeber dieses Bandes, jeweils auch mit etlichen Fachbeiträgen ver- treten, sind, bei Medius in Münster und bei inmedio in Frankfurt am Main, auf unterschiedlichen Wegen zu ihren Ansätzen gekommen. Und wo es alternativ zwei Ansätze gibt, da wird leicht auch denkbar, dass es drei oder vier oder mehr Ansätze sein könnten. Zweifellos, es gibt sie. Wir möchten zum Entstehen einer lebhaften Fachdiskussion beitragen.

Das Gemeinsame unserer Ansätze ist die innige Verbindung von Organisa- tionsentwicklung und Mediation. In der Verbindung dieser beiden tritt ihre syste- mische Qualität deutlich zu Tage; sie spielen einander die Bälle zu. Als Verfasser der Artikel haben wir versucht, das aufzunehmen. Dabei ist ein Erzählfaden entstanden.

Kapitel 1: Konfliktmanagement

Faller und Kerntke: Unternehmen müssen heute mehr verhandeln und vermitteln als früher. Einige der heutigen Managementkonzepte setzen sich damit produk- tiv auseinander. Eine wachsene Zahl von Mediatoren arbeitet an der Entwick- lung von Beratungsformaten, die nicht mehr allein der Bahandlung des einzel- nen Konflikts dienen, sondern dem allgemein zunehmenden Vermittlungsbedarf gerecht werden. Es ist, im Kontakt zwischen mehreren Beratungsdisziplinen, etwas Neues im Entstehen, breiter als die Linie vom Konflikt zur Mediation.

Kapitel 2: Systemische Zugänge

Fechler:

Für das Grundverständnis des Geschehens brauchen wir, wenn es um Konflikte geht, zwei Quellen: Ein systemisches Konflikt- und Organisationsver- ständnis und Beobachtungen zur Anerkennungs-Dynamik in sozialen Systemen. Es lohnt sich, das Verhältnis der beiden näher anzuschauen.

Kerntke: Welches beraterische Handeln in einer Organisation möglich ist oder für möglich gehalten wird, hängt stark davon ab, wie man die Organisation an- schaut. Dafür gibt es unterschiedliche Modelle – wir schildern an dieser Stelle zwei Organisationsmodelle, von denen wir viele Impulse für Interventions- möglichkeiten gewonnen haben.

Faller: Auch innerhalb solcher Bilder brauchen wir ein triadisches Verstehen des Geschehens. Person, Sache und System ständig in Beziehung zu sehen, stei- gert die Dimensionalität des zu Verstehenden und reduziert zugleich die Komple- xität, indem ein vielschichtiger Sachverhalt als Dreiecksstruktur überschaubar gemacht wird.

Kerntke: Als Berater wie auch als Führungskräfte im Unternehmen brauchen wir Beobachtungsgrößen, an denen der Zustand des Systems fortwährend deutlich wird und dazu einlädt, an geeigneten Stellen den Detaillierungsgrad zu erhöhen. Die Folgekosten der Konflikte sind eine solche Beobachtungsgröße.

Fechler: Wir beobachten unter den Gesichtspunkten von Systemtheorie und Anerkennungsdynamik den Zustand einer Organisation, die gerade von Grund auf umstrukturiert wurde – eine Erfahrung, die heute viele größere Unternehmen fast schon im Jahresrhythmus machen. Hier entstehen Konflikte, die einen ho- hen Anspruch an das Management stellen. Ihnen sollte ein Konfliktmanagement- system gerecht werden.

Kapitel 3: Mediation und systemische Organisationsentwicklung

Faller: Das Konzept des Instituts Medius wird von sieben Orientierungen geprägt, die sich in 25 Jahren Praxis als zentral erwiesen haben. Sie alle spielen eng zu- sammen bei der Erreichung des doppelten Ziels: Den Betroffenen zu helfen, ih- ren Konflikt zu klären, und zugleich das Unternehmen zu unterstützen, seine Arbeit zu tun. All dies gilt auch für das Systemdesign. Bei der kooperativen Auftragsgestaltung als fünftem Punkt wird deutlich, dass über den Einzelfall hi- naus das Systemdesign die verschiedenen Elemente des Unternehmens in einen ständigen Austausch bringen muss.

Kerntke: Mediation als Organisationsentwicklung bei inmedio führt zu einem ähnlichen Ergebnis, sieht aber anders aus. Für die Vermittlung in innerbetrieblichen Konflikten haben wir das mediatorische Handeln den in der Praxis der Organisationsentwicklung gängigen Leitlinien der Prozessgestaltung unterworfen.

Dadurch sind neue, allgemeine Verfahrensgrundsätze entstanden, die auch die Eckpunkte von Systemdesign markieren. Besonders deutlich wird dies an der Feedbackschleife der Organisationsmediation: Sie entstand als wichtiger Bestandteil des innerbetrieblichen Mediationsverfahrens – und sie bedeutet im Systemdesign, dass Rückmeldung an die Unternehmensleitung über Verän- derungsbedarfe der Organisation ein ständiges Element des Konfliktmanagements sein sollte.

Kapitel 4: Systemdesign

Kerntke: Antreiber und Orientierung für das Systemdesign sind die Erwartungen des Kunden. Er möchte das Konfliktmanagementsystem für ganz spezifische Pro- blemstellungen nutzen. Diese für das einzelne Unternehmen charakteristischen Nutzungsaspekte sind ein Fixpunkt der Orientierung für unsere Beratungsarbeit und den Aufbau des Systems.

Faller: Mittlerweile wissen wir, welche Elemente das Systemdesign benötigt – sie bieten Ebenen der Konfliktregelung mit unterschiedlicher Eingriffstiefe, und wir kennen einige Grundformen für Konfliktmanagement-Systeme, die unabhän- gig vom Typ der Organisation angewandt werden können. Die Aufbau- und Ab- laufstruktur sowie die Systemsteuerung sind die Elemente eines passgenauen Systemdesigns für eine Organisation.

Faller: Für die Anpassung und Einarbeitung dieser Elemente ins System gibt es eine spezielle Variante der Entwicklungs- und Implementierungs-Schleife. Wer diese Systemdesign-Schleife versteht, hat eine gute Orientierung für seine Vorgehensweise. Damit geben wir den Verantwortlichen im Unternehmen ein Mindestmaß an Planungssicherheit.

Kapitel 5: Konfliktmanagement­Systeme in der Praxis

Hier stellen wir einige Beispiele der Umsetzung von Konfliktmanagement in der Praxis vor. Unterschiedliche Arten von Organisationen sind vertreten: vom Wirt- schaftsunternehmen über Sozialeinrichtungen bis hin zum Verband und weiter zur öffentlichen Verwaltung. Die Projekte werden von den Beratern zum Teil gemeinsam mit ihren Kunden präsentiert. Stets arbeiten sie das ganz Besondere am jeweiligen Gestaltungsprozess heraus.

Kapitel 6: Konfliktmanagement im Wandel

Lanz/Hendrikx: Führung sollte das Konfliktmanagement aufnehmen und es sich zu eigen machen – jenseits der noch vorherrschenden Mechanismen des be- triebsinternen Methodenmarktes. Fair Leadership beschreibt eine geeignete Form konfliktsensibler Führung.

Fechler: Häufige Reorganisationen verschleißen die Führungskräfte ebenso wie die Mitarbeiter des Unternehmens. Das Konfliktmanagement kommt dabei meist zu kurz. Change begleitendes systemisches Konfliktmanagement bietet spezifische, den einzelnen Phasen und ihren charakteristischen Konflikten angemessene Formen der Konfliktprävention und Bearbeitung. Nicht zuletzt erleichtert es die Verständigung über und das Lernen aus Erfahrungen des Scheiterns von Changeprojekten.

Das ist es, was wir derzeit zu erzählen haben. Die Konzepte und Erfahrungen, von denen wir berichten, sind nicht im luftleeren Raum entstanden. Mit einigen unserer Kunden pflegen wir einen intensiven Austausch über die konzeptionel- len Aspekte unserer Arbeit mit ihnen und holen damit auch ein sehr genaues Feedback von ihnen ein. Zudem arbeiten wir fachlich kollegial eingebettet: In zwei Verbänden, dem Bundesverband Mediation (BM) und dem Bundesverband Mediation in Wirtschaft und Arbeitswelt (BMWA). Beide Verbände pflegen die Fachdiskussion. Als Lehrmediatoren resp. Ausbilder dieser Verbände haben wir an der Praxis von mehreren hundert Teilnehmer/innen und Absolventen/innen unserer Ausbildungen teil. Und schließlich bekommen wir im Kontakt mit ande- ren Autoren unseres Fachs, aus Organisationsentwicklung, Wirtschaftsmediation und Führungskräfte-Coaching, immer wieder wertvolle Anregungen. Einige Mit- glieder des Round Table Mediation und Konfliktmanagement der deutschen Wirtschaft beteiligen sich rege an unserer Diskussion und tragen zu ihr bei. Mit der Veröffentlichung unserer eigenen Erträge möchten wir uns bei ihnen allen bedanken und etwas zurückgeben.

Kapitel 1: Konfliktmanagement

1.1 Vom »Entweder­oder« zum »Sowohl­als­ auch«

Kurt Faller/Wilfried Kerntke

Mit den Begriffen Flüchtigkeit, Unsicherheit, Komplexität und Vieldeutigkeit ist die Situation, in denen Unternehmen Arbeitsplätze sichern und Ergebnisse erzielen müssen, ganz gut umschrieben. Die Eindeutigkeiten und die lange Zeit gültigen Orientierungsrahmen für Maßnahmen innerhalb der bisherigen Markt- und Branchenstrukturen verlieren immer mehr ihre Bedeutung, die Umwelt von Unternehmen ist kaum durchschaubar und die Zukunft ist und bleibt ungewiss. »Die Prämisse von Organisation ist das Unbekanntsein von Zukunft und der Erfolg der Organisation liegt in der Behandlung dieser Ungewissheit« (Luhmann 2000: 10 zitiert nach Nagel/Wimmer 2009: 11). Die Wirtschaftskrise 2008 hat diese Entwicklung offensichtlich gemacht. Die einzelnen Faktoren dafür aber waren schon länger sichtbar. Doppler/Lauterberg benannten in ihrem schon 1994 erstmals erschienenen Buch »Change-Management« (Doppler/Lauterburg 12. Aufl 2008) fünf Rahmenbedingungen, die heute das unternehmerische Handeln und das Management bestimmen, und die wir durch eigene Überlegungen ergänzen.

Innovationssprünge in der Informatik und Telekommunikation PC, Internet und moderne Telekommunikation wirken direkt auf die betrieblichen Abläufe und verändern die tägliche Arbeit und die interne Kommunikation. Paradox dabei ist, dass mit der zunehmenden Geschwindigkeit und Reichweite der technischen Kommunikationsmittel die Räume für den sorgfältigen Diskurs schwinden.

Die Verknappung der Ressource Zeit Die zunehmende Beschleunigung des sozialen Wandels, verschärft und angefeuert durch globale Konkurrenz und die technologischen Entwicklungen, wirkt in jedes Unternehmen und in fast jeden Arbeitsalltag hinein. Sie überlastet und überfordert viele Führungskräfte und Mitarbeitende in den Unternehmen.

Interkulturelle Zusammenarbeit Globalisierung und internationale Vernetzung erfordern neue Kompetenzen im Umgang mit anderen Kulturen und unterschiedlichen Denk- und Verhaltensmustern. Durch die Auf- und Abwertung ganzer Berufsgruppen innerhalb eines Unternehmens entstehen zusätzliche Diversitäts-Dynamiken.

Die Verknappung der Ressource Geld Nach der Finanz- und Bankenkrise ist es für Unternehmen schwerer geworden, Kredite zu bekommen. Die Eurokrise belastet in Europa die Staatshaushalte, und die Begrenztheit der natürlichen Ressourcen verteuert die Grundstoffe.

Dramatische Steigerung der Komplexität »Technische, ökonomische, politische und gesellschaftliche Prozesse beeinflussen sich gegenseitig und entwickeln ihre Eigendynamik. Es kommt zu ›Kipp-Effekten› und von heute auf morgen hat sich ein bisher realistisches Szenario in sein Gegenteil verwandelt« (Doppler/Lauterburg 2005: 36). So hat in den letzten Jahren in den Unternehmen eine Verschiebung von der Innenzur Außenorientierung stattgefunden. Die Überlegungen zu Strategie, Struktur und Abläufen in der Organisation werden immer häufiger durch Entwicklungen von außen bestimmt. Wie dramatisch sich die Veränderungen der Rahmenbedingungen auf die interne Entwicklung auswirken, kann man aktuell bei den großen Energieunternehmen besichtigen. »Im Übergang zu einer anderen, reflexiven Moderne stehen die Institutionen vor der Herausforderung, eine neue Handlungs- und Entscheidungslogik zu entwickeln, die nicht mehr dem Prinzip des ›Entweder- oder‹, sondern des ›Sowohl-als-auch‹ folgt. Entscheidungen bedürfen neuer Begründungen und Verfahren« (Beck/Lau 2004: 16-19).

1.1.1 Das Unerwartete Managen

Diese Herausforderung, neue Begründungen und neue Verfahren zu entwickeln, haben wichtige Vordenker für Management und Führung aufgenommen und neue Ideen entwickelt. Sie haben sich davon verabschiedet, die alten Gewissheiten durch neue zu ersetzen. Ihre Botschaft lautet, ständig zu lernen, mit Veränderungen flexibel umzugehen und eine achtsame Haltung zu entwickeln.

Diese Haltung haben US-amerikanische Managementlehrer wie Peter Drucker und Edgar Schein begründet. E. Schein hat mit seinen Büchern »Organisationskultur« (2003 a) und »Prozessberatung für die Organisation der Zukunft« (2003 b) Grundlagen für eine veränderte Haltung geschaffen. Er machte deutlich, dass die veränderte Haltung das Entscheidende ist, um schwierige Situationen zu bewältigen. Edgar Schein und Peter Senge haben dieses Denken am MIT (Massachusetts Institute of Technology) – der wohl größten Managementschule der Welt – verankert. Mit seinem Buch »Die fünfte Disziplin« hat Senge den Gedanken des Unternehmens als lernende Organisation verstärkt (Senge 2011). Otto Scharmer hat mit seiner Arbeit »Theorie U« einen Vorschlag vorgelegt, wie man »von der Zukunft her« führen kann (Scharmer 2007).

In Europa hat sich die große europäische Managementschule in St. Gallen/ Schweiz mit den veränderten Bedingungen befasst. Johannes Rüegg-Stürm nennt als Stichworte für das neue St. Galler Modell »Management als Komplexbewältigung« und die gewachsene Bedeutung des »Managements von sozialen Prozessen« (Rüegg-Stürm 2003: 6f).

»Ein erfolgreiches Management des Unerwarteten ist ein achtsames Management des Unerwarteten«, schreiben Karl E. Weick und Kathleen M. Sutcliffe in ihren Buch »Das Unerwartete Managen« (Weick/Sutcliffe 2010: 14). Sie haben sich in langfristigen Studien mit so genannten HROs (High Reliability Organisations) – also Organisationen, in denen die Sicherheitsfragen entscheidend sind – beschäftigt. Diese Organisationen, oder Organisationseinheiten, wie Feuerwehren, Besatzungen von Flugzeugträgern usw., die ständig mit Unsicherheit umgehen müssen, haben – so die These von Weick/Sutcliffe – Herangehensweisen und Führungsmethoden entwickelt, um mit schwierigen und komplexen Situationen umgehen zu können. Diese Verhaltensweisen bilden die Grundlage für ein allgemeines Verständnis von achtsamem Management. Diese 5 Prinzipien sind übertragbar auf »alle Organisationen, die zuverlässiger arbeiten möchten« (Weick/Sutcliffe 2010: 7).

Diese Prinzipien sind:

Konzentration auf Fehler In HROs wird auf Fehler, auch auf kleine Fehler, geachtet, um daraus lernen zu können. Diese Fehlerkultur bewahrt die Organisation davor, in Selbstzufriedenheit und Routine abzugleiten.

Abneigung gegen vereinfachende Interpretationen Diese Unternehmen gehen von der systemischen Grundhaltung aus, dass die Prozesse und Umweltbedingungen, mit denen sie zu tun haben, komplex, unbeständig, oft unbegreiflich und unvorhersehbar sind. Daher versuchen sie, möglichst viele Informationen zu gewinnen und eine möglichst umfassende Wahrnehmung zu entwickeln.

Sensibilität für betriebliche Abläufe und Beziehungen Weick betont den engen Zusammenhang zwischen der Sensibilität für betriebliche Abläufe und der Sensibilität für Beziehungen. Denn: Ob und welche Informationen im Unternehmen weiter gegeben werden, hängt von der Qualität der Arbeitsbeziehungen ab. »Wenn Manager nicht untersuchen wollen, was zwischen den Menschen in ihren Unternehmen vor sich geht, werden sie nie verstehen, was in diesen Menschen vorgeht« (Weick/Sutcliffe 2010: 26).

Streben nach Flexibilität »Flexibilität«, schreiben Weick/Sutcliffe (2010: 27) »ist eine Mischung aus der Fähigkeit, Fehler frühzeitig zu entdecken und der Fähigkeit, das System durch improvisierte Methoden am Laufen zu halten. Beide Formen der Beweglichkeit erfordern, dass man die Technik, das System, die Kollegen, sich selbst und die Ressourcen sehr gut kennt.«

Respekt vor fachlichem Wissen und Können Diese Haltung drückt sich in der alltäglichen Arbeit in diesen Unternehmen aus. HROs unterscheiden zwischen normalen Zeiten, stürmischen Phasen und unvorhergesehenen Ereignissen und signalisieren deutlich, in welchem Modus sie gerade operieren. Wenn alles normal läuft, kommen Entscheidungen von oben. Wenn es stürmischer wird, »wandern« die Entscheidungen zu den Experten vor Ort, und bei Krisen tritt ein festgelegter Maßnahmenkatalog in Kraft.

Die Beachtung dieser Prinzipien verändert die Haltung zur Arbeit und die Arbeit selbst. Weick/Sutcliffe definieren Achtsamkeit folgendermaßen: »Mit Achtsamkeit meinen wir das Zusammenspiel verschiedener Momente: die bestehenden Erwartungen werden laufend überprüft, überarbeitet und von Erwartungen unterschieden, die auf neueren Erfahrungen beruhen; es besteht die Bereitschaft und die Fähigkeit, neue Erwartungen zu entwickeln, durch die noch nie dagewesene Ereignisse erst verständlicher werden. Ferner gehört dazu eine besonders nuancierte Würdigung des Kontextes und der darin enthaltenen Möglichkeiten der Problembewältigung, sowie das Ausloten neuer Kontextdimensionen, die zu einer Verbesserung des Weitblicks und der laufenden Arbeitsvorgänge führen« (Weick/Sutcliffe 2010: 5 f).

Die Umsetzung dieser Prinzipien erfordert eine veränderte Haltung des Managements und eine Veränderung der Unternehmenskultur. Der entscheidende Wettbewerbsvorteil für Unternehmen heute liegt in ihrer Kompetenz zur Problemlösung und ihrer Fähigkeit, flexibel auf Veränderungen zu reagieren. Das heißt konkret, dass die sog. weichen Faktoren – persönliche Haltung, Kommunikation, Verhandlungs- und Vermittlungskompetenz, Feedback – die wirklich harten Faktoren geworden sind. Denn von diesen Faktoren hängt es entscheidend ab, ob ein Unternehmen die Fähigkeit und die entsprechenden Strukturen besitzt, um Veränderungen früh zu erkennen und schnell darauf reagieren zu können. Darin liegen die Wettbewerbsvorteile und Chancen für die Weiterentwicklung. Der zentrale Punkt ist die Sensibilität für Abläufe und Beziehungen. Nicht entweder ZDF (Zahlen, Daten, Fakten) oder Beziehung, sondern sowohl die Zahlen, Strukturen und Abläufe im Augen zu haben als auch die Gestaltung der Beziehungen und das Arbeitsklima. Beide Seiten zu beachten und in einem guten Sinne auszubalancieren – das ist Management in Zeiten erhöhter Unsicherheit.

1.1.2 Sensibilität für Abläufe und Beziehungen

Nun verfügen die Unternehmen auf der Ebene von Strukturen und Abläufen über eine Fülle von Instrumenten, um Prozesse zu steuern, Veränderungen früh zu erkennen und Maßnahmen zu entwickeln. Qualitätsmanagement, Controlling, Risikomanagement, Kennzahlensysteme wie die Balanced Scorecard sichern den Überblick über die sachliche Seite des Arbeits- und Wertschöpfungsprozesses. Dieser Fülle von konkreten Instrumenten auf der einen Seite stehen auf der anderen Seite meist nur einige allgemeine Sätze in Leitbildern oder Führungsleitlinien gegenüber. »In unserem Leitbild steht der Satz ‚Probleme werden schnell und konstruktiv gelöst‘, aber wir haben fast nichts im Unternehmen, um das umzusetzen«, meinte der Personalvorstand eines Pharmaunternehmens. Der Widerspruch ist offensichtlich. Auf der einen Seite steigt die Erkenntnis, dass der Blick auf die Beziehungen und die Problemlösefähigkeit wesentliche Faktoren für das Überleben des Unternehmens sind. Auf der anderen Seite gibt es nur geringe Anstrengungen, die dafür notwendigen Instrumente im Unternehmen zu verankern. Damit werden viele Chancen der Weiterentwicklung vergeben.

Gleichwohl ist die Zurückhaltung nachvollziehbar. Denn die Implementierung dieser Instrumente ist nicht nur eine technische Angelegenheit. Die Implementierung von Instrumenten wie Fehlerkultur, Verantwortungskultur, Gesundheitsmanagement und Konfliktmanagement erfordert eine Veränderung in der Haltung und damit der Unternehmenskultur. Ganz deutlich kann man dies in der Diskussion der Fehlerkultur beobachten. Viele Produktionsunternehmen, die sich mit dem Thema Sicherheit beschäftigen, diskutieren über Fehlerkultur und fordern ihre Mitarbeitenden auf, »Beinahe-Fehler« zu melden. Dabei beziehen sie sich auf Weick/Sutcliffe, die schreiben: »HROs motivieren ihre Mitarbeitenden dazu, Fehler zu melden. Sie analysieren sehr gründlich alle Erfahrungen, bei denen man noch einmal mit einem blauen Auge davongekommen ist, um daraus zu lernen, und sie achten auf die potenziellen Gefahren des Erfolgs wie Selbstzufriedenheit, Nachlässigkeit bei den Sicherheitsstandards und Abgleiten in Routine« (Weick/Sutcliffe 2010: 23). Und Gesine Hofinger betont zu dem Thema »Fehler und Unfälle«: »Die Lernchance, die mehr im Blick auf den Fehler als im Fehler selbst steckt, braucht jedoch einen entsprechenden Kontext, in dem sie sich entfalten kann, wie z.B. Zeit zum Nachdenken, eine offene Kommunikationsatmosphäre, Angstfreiheit und den Willen zur Veränderung« (Badke-Schaub/Hofinger/Lauche 2012: 47).

Die Aufforderung an Mitarbeitende, »Beinahe-Fehler« zu melden, macht daher keinen Sinn, wenn eine Kultur der Schuldzuweisung, der Abwertung und Angst besteht. Es ist klar, dass die Entwicklung einer offenen, ressourcenorientierten Kommunikationsatmosphäre einen erheblich größeren und tiefgreifenderen Wandel darstellt als das Führen von Fehlerlisten.

1.1.3 Konfliktmanagement

Eine Weiterentwicklung der Unternehmenskultur macht es möglich, dass im Umgang mit Fehlern und Konflikten bedeutsame Lernchancen für das Unternehmen entstehen. Die Instrumente dafür sind die Entwicklung einer Fehlerkultur und ein erweitertes Konfliktmanagement. Vor allem das Konfliktmanagement ist eine nach wie vor unterschätzte Ressource für das Lernen in Organisationen.

Die Ingredienzen dafür müssen nicht erst mit großem Aufwand herbeigeschafft werden. Sie sind im Unternehmen längst vorhanden, werden auch vielfältig verwendet – und müssen nur poliert, in Form gebracht und neu kombiniert werden. Bekannt und beschrieben (Ury/Brett/Goldberg 1991)sind sie schon lange:

Das autoritätvolle Machtwort schreitet im Konfliktfall ein, indem es klar anweist, was jetzt geschehen soll. Das kann auch Züge von Fürsorge haben. In all seinen Schattierungen geht es davon aus: Ich habe Macht und kann sie einsetzen.

Der Rekurs auf geltende Regeln behauptet, dass eine Konfliktaustragung unnötig sei – weil die Lösung für das, was ausgetragen werden könnte, bereits als Regel festgehalten ist.

Die Vermittlung zwischen unterschiedlichen Standpunkten, Interessen, Anliegen behauptet: Ihr könnt eine Lösung finden, aber Ihr müsst sie erarbeiten.

Macht, Regeln und Vermittlung stehen nicht isoliert für sich, sondern jede der drei Formen verweist vielfältig auf die beiden anderen. Am komplexesten sind vielleicht die Regeln: Sie können durch Setzung oder durch Aushandlungsprozesse entstehen, und für ihre anhaltende Geltung müssen sie durch Macht unterstützt werden, was auf lange Sicht nur gutgeht, wenn es einen Grundkonsens (also ein ideelles Aushandlungsergebnis) gibt, der darauf beruht, dass diese Regeln gerechtfertigt sind. Macht hingegen muss durch Regeln gezähmt werden, und sie bedarf ebenfalls einer Legitimation durch den Grundkonsens. Vermittlung, vor allem wenn sie durch Dritte und professionell angeboten wird, folgt klaren Regeln. Und sie verlangt von den Beteiligten, insbesondere vom »Besteller«, vom Auftraggeber, einen gewissen, klar definierten Machtverzicht. Macht (in der Prozessleitung) wird an den Vermittler übertragen. Die meisten Mitglieder einer Organisation haben die drei Grundformen bereits in unterschiedlicher Qualität kennengelernt: Das Machtwort nicht nur als fürsorglich, sondern auch als blanke Willkür; die Regeln nicht nur als gute Ordnung, sondern auch als bloßen Zwang; und die Vermittlung nicht nur als echte Verständigung, sondern auch als konsequenzloses Gequatsche. So bringt im Umgang mit den drei Grundformen jeder seine eignen Erfahrungen ein und verhält sich auch in der Gegenwart noch zu diesen Erfahrungen. Das KMS (Konfliktmanagementsystem) als Projekt für Kulturwandel muss auch damit umgehen können: alte Erfahrungen durch neue, bessere außer Kraft zu setzen. Das gehört zu den psychosozialen Lernprozessen in jedem Organisationsentwicklungsprozess und gilt aber in verschärftem Maß, wenn es um den Umgang mit Konflikten geht.

Macht, Regeln, Vermittlung beschreiben das Grundrepertoire der Führungskraft im Umgang mit den Mitarbeitern, und auch auf der kollegialen Ebene spielen sie eine Rolle. Alle drei Ansätze sind gleich wichtig, keiner ist verzichtbar – doch meist sind die Vorlieben der einzelnen Führungskraft ungleichmäßig verteilt. Das gründet in der Persönlichkeit, moderiert durch das, was der Einzelne in dem durch die Organisation gegebenen Rahmen für angemessen hält.

In der Organisation insgesamt bilden Macht, Regeln und Vermittlung die Grundstruktur jeder (wie auch immer gearteten) Konfliktkultur, also der ganz besonderen Art und Weise, wie man in der Organisation gemeinhin mit Konflikten umgeht. Macht, Regeln, Vermittlung – welches ist im Erleben der Organisationsangehörigen die am häufigsten eingesetzte Regulierungsform? Und in welcher Qualität werden diese Grundformen eingesetzt – fürsorglich oder als Willkür, als Zwang oder als gute Ordnung, als Verständnis oder als Gequatsche? Eine intentionale Veränderung der Konfliktkultur muss meist bei beidem ansetzen: Dass die Mengenanteile der Regulierungsformen angemessen für die Art und den Entwicklungsstand der Organisation werden – und dass die Qualität der Interventionen gestärkt wird.

Die Konfliktbehandlung in einem geplanten, reflektierten und sorgfältig kommunizierten Prozess, sei es durch interne oder durch externe Kräfte, wird in jedem Einzelfall im Licht der vorhandenen Konfliktkultur wahrgenommen. Als möglich und machbar erscheint vor allem, was mit dieser in Übereinklang steht. Als gangbar erscheint nur, was »zum Unternehmen passt«. Das gibt der Konfliktkultur des Unternehmens ihren Geradeauslauf und Kontinuität – und das erschwert die Integration neuer Formen der Konfliktbehandlung. Konfliktbehandlungsprozesse, bei denen alle drei Grundformen angesprochen werden – das erleben wir als externe Berater – sind tendenziell erfolgreicher als Ein-Punkt-Initiativen. Sie treffen aber auf sehr unterschiedliche Bedingungen.

Der Konfliktforscher und Mediator Friedrich Glasl beschreibt diese Bedingungen als kalte und heiße Konfliktkulturen (Glasl 2013: 74ff.). Eine eher kalte Konfliktkultur ist dadurch geprägt, dass Probleme ignoriert, Konflikte nicht angesprochen und ihre Bearbeitung eher vermieden werden. Es besteht die unausgesprochene Regel, keine unangenehmen Dinge zu thematisieren. Ist es unvermeidlich, wird die Ursache schnell im Versagen einzelner Personen gesehen. Betroffene versuchen, Konflikte für sich selbst zu klären, was nicht selten zu Erkrankungen führt. Die hinter diesem Verhalten stehende positive Absicht ist, den anderen nicht zu verletzen und die Akzeptanz in der Gruppe nicht zu gefährden.

Eine eher heiße Konfliktkultur ist dadurch geprägt, dass Probleme direkt, fordernd und häufig auch abwertend angesprochen werden. Die unausgesprochene Regel lautet, sich zu behaupten und keine Unklarheiten bestehen zu lassen. Recht zu haben und seine Meinung durchzusetzen ist wichtiger, als Kompromisse zu finden. Die beiden gegensätzlichen Verhaltensweisen haben eines gemeinsam: Sie verhindern beide einen konstruktiven und lösungsorientierten Umgang mit Fehlern und Konflikten.

Dieses Dilemma versucht das bestehende Konfliktmanagement dadurch zu bewältigen, dass für möglichst viele Bereiche Betriebsanweisungen und Regelwerke entwickelt und bei Verstößen formalisierte Verfahren in Gang gesetzt werden. Diese eingeübten und erprobten Routinen der klassischen Konfliktanlaufstellen im Betrieb (Personalabteilung, Rechtsabteilung und Betriebsrat) sind in ruhigen Zeiten durchaus geeignet, auftretende Konflikte zu regeln. In Zeiten hoher Unsicherheit und hoher Komplexität aber sind die traditionellen, stark am juristischen Denken orientierten Formen der Konfliktregelung zunehmend überfordert.

Konfliktmanagement-Systeme, die Meta-Ebene der Konfliktbehandlung, sind auch ein Versuch, die Konfliktkultur des Unternehmens zu verändern, neu zu ordnen. Das heißt konkret, dass die Grundformen Macht, Regeln, Vermittlung in neuer Ausprägung im Management der Organisation verankert werden. Die herkömmlichen Konfliktanlaufstellen werden in der Regel nur fakultativ genutzt – man sucht sie auf und nutzt das bei ihnen verfügbare Angebot, wenn man es unumgänglich findet. Das folgt einer Art Marktlogik. Ganz anders ist die Logik eines in der Führungstätigkeit verankerten Konfliktmanagements. Zum Management des Unternehmens gehört dann eine bestimmte Art der Befassung mit Konflikten; diese wird durch das Konfliktmanagementsystem unterstützt. Es macht die Konfliktanlaufstellen nicht überflüssig, und es bedarf geeigneter Strukturen, die allen Beteiligten zur Verfügung stehen – sonst läuft es wie bislang:

Zunahme der Konflikte und der Konfliktfolgekosten Die Turbulenzen in den Märkten und die Gewinnerwartungen der Investoren verschärfen den Druck auf die Arbeitssituation in den Unternehmen. Damit steigen der Arbeitsdruck in den Prozessen und die Angst um die Arbeitsplätze. Dies führt zu einer Zunahme von Konflikten und Konfliktfolgekosten. Diese erhebliche Wertvernichtung hat erstaunlicherweise noch wenig Eingang in die doch sehr detaillierten Berechnungen des Controllings gefunden.

Überlastung der Führungskräfte Die Zunahme der Konflikte und der Mangel an niedrigschwelligen Regelungsmechanismen führt dazu, dass Führungskräfte sich mit einer Fülle von kleinen und kleinsten Problemen beschäftigen müssen. »30-50 Prozent der wöchentlichen Arbeitszeit von Führungskräften werden direkt oder indirekt mit Reibungsverlusten, Konflikten oder Konfliktfolgen verbracht«, stellt die Konfliktkostenstudie der KPMG (Kerntke/KPMG 2009 b: 20) fest. So wird Arbeitszeit von Führungskräften blockiert, die eigentlich dringend in Marktbeobachtung und Weiterentwicklung investiert werden sollte.

Die Überforderung der klassischen Konfliktanlaufstellen und die Zunahme der Kosten der Streitbeilegung Die erprobten und bewährten Routinen der Konfliktregelung durch die klassischen Konfliktanlaufstellen sichern normalerweise die Arbeitsfähigkeit in den Unternehmen. Die späte Erfassung der Konflikte und die formalisierten Verfahren behindern aber zunehmend eine schnelle und flexible Lösungssuche. Außerdem leistet die Ausprägung von Konfliktanlaufstellen auf Grundlage einer falsch verstandenen Freiwilligkeit dem Vorschub, dass Konflikte und ihre Behandlung immer wieder als Privatsache der Beteiligten angesehen werden. Das liegt sicher auch daran, dass Konflikte als unangenehm empfunden werden, weh tun und persönliche Eigenschaften offenbaren, die uns im Nachhinein peinlich sind. Diese persönlichen Erfahrungen übertragen Führungskräfte und Mitarbeitende auch auf das Arbeitsleben. Wenn dann zu den Konflikten noch der Streit über die Konflikte und der Streit über die Konfliktlösung (Glasl 2011: 33) zwischen den Sozialpartnern kommen, sind die klassischen Konfliktanlaufstellen häufig überfordert. Viele Vertreter von Personalmanagement und Betriebsräten sehen dieses Problem und versuchen, Verhandlungs- und Vermittlungselemente in ihre Arbeit einzubauen.

Unterschiedliche Verfahren der Konfliktlösung Die Veränderung in den Anforderungen hat in den meisten Unternehmen auch zu einer Veränderung der Organisationsstrukturen geführt. Basis ist zumeist noch die traditionelle Linienorganisation. In diese Linienstruktur werden andere Organisationsformen wie Arbeitsgruppen, Projektgruppen oder matrixähnliche Strukturen integriert. Dadurch können viele Aufgaben effektiver bewältigt werden. Wenn es kein einheitliches Konfliktmanagement im Unternehmen gibt, scheitern diese Arbeitsgruppen aber häufig an den in ihren »Silos« erlernten unterschiedlichen Herangehensweisen bei Problemen. Es lohnt sich für die Unternehmen, Verfahren der Konfliktregelung einheitlich zu gestalten und damit die neuen Arbeits- und Organisationsformen konfliktfester zu machen.

Aus all diesen Gründen lohnt es sich für Unternehmen, sich stärker mit Fragen der Weiterentwicklung des bestehenden Konfliktmanagements zu beschäftigen.

Abb. 1: Anforderungen an ein professionelles Konflikt­ management

Schon einige der frühen Konfliktmanagementsysteme in deutschen Unternehmen enthielten – neben der Stärkung von Vermittlungsfähigkeit – Elemente zur Stärkung spezifischer Formen für die Wahrnehmung von Autorität und für mehr Regelhaftigkeit: Kollegiale Beratung stärkt die Entscheidungsmacht des Einzelnen, Leitbildentwicklung untermauert Regelbildung, die Einführung von Mitarbeitergesprächen stärkt hierarchieübergreifend Vermittlungs- und Feedbackfähigkeit.

Heute sorgen wir mit verstärktem Ansatz bei den Führungskräften dafür, dass die Elemente des Konfliktmanagementsystems im Management verankert werden. So gibt es Strukturen zur Konfliktbehandlung, die neu aufgebaut werden. Einige ihrer Angebote müssen sehr deutlich unabhängig von der Linienorganisation verankert werden, um die Vertraulichkeit der Gespräche zu sichern. Verstärkt kommt heute beim Systemdesign hinzu, dass die Adressierung dieser Angebote für das Management nicht mehr nur unverbindlich optional sein kann. Stattdessen muss die Einbindung der Konfliktbearbeitungsangebote in das Managementhandeln integriert werden. Hierfür sind Macht, Regeln und Vermittlung wiederum die Anknüpfungspunkte für jede einzelne Führungskraft, im Rahmen eines von ihr verantworteten Gesamtsystems. Ist die Konfliktbehandlung bislang eine Obliegenheit des Einzelnen, so bilden Systemdesign und Kultur die Entsprechungen innerhalb der Organisation. Systemdesign ist Kulturwandel. Dieser ergreift, wenn er erfolgreich ist, auch umgekehrt wieder das individuelle Handeln. Das muss verbindlich werden. Konfliktmanagement bedarf, so wie alle anderen Managementtätigkeiten, der Verbindlichkeit.

1.1.4 Der Begriff »Systemdesign«

»Verhandeln ist eine Grundform, Gewünschtes von anderen Leuten zu bekommen. Es ist wechselseitige Kommunikation mit dem Ziel, eine Übereinkunft zu erreichen, wenn man mit der anderen Seite sowohl gemeinsame als auch gegensätzliche Interessen hat. Die Zahl der Fälle, in denen Verhandlungen erforderlich sind, wächst ständig. Der Konflikt ist gerade heute eine Wachstumsindustrie«, schreiben Roger Fischer und William Ury in der Einleitung ihres 1981 erstmals erschienenen Buches »Getting to Yes« (Fisher/Ury 2009:15, in deutscher Sprache 1984 erschienen unter dem Titel »Das Harvard Konzept«). Dieses Buch wurde ein Bestseller und veränderte nicht nur die Diskussion um Verhandlung und Vermittlung, sondern auch das konkrete Verhalten von Verhandlern in den unterschiedlichsten Bereichen, sei es in der Politik oder in der Wirtschaft. Neu war der Ansatz der »principled negotiation«, was – wie der Übersetzter anmerkt – am besten mit »sach-und menschengerechte« Verhandlung übersetzt werden kann. (ebd.: 18) Fisher/Ury plädieren für eine veränderte Haltung beim Verhandeln, nämlich weg aus dem Kampf-Modus des Feilschens um Positionen, hin zu einem Vermittlungs-Modus, in dem die eigenen und die Interessen des Anderen einbezogen werden. Auf dieser Basis betonen sie vier Aspekte (ebd.: 31):

Menschen: Menschen und Probleme getrennt voneinander behandeln!

Interessen: Nicht Positionen, sondern Interessen in den Mittelpunkt stellen!

Möglichkeiten: Vor der Entscheidung verschiedene Wahlmöglichkeiten entwickeln!

Kriterien: Das Ergebnis auf objektiven Entscheidungsprinzipien aufbauen!

Dieses Denken war auch wegweisend für die Entwicklung der Wirtschaftsmediation. W. Ury konzentrierte sich danach auf das Thema Konfliktmanagement und brachte 1988 mit Jeanne M. Brett und Stephen B. Goldberg das Buch »Getting Disputes Resolved« heraus, das 1991 unter dem Titel »Konfliktmanagement« auf Deutsch erscheinen ist (Ury/Brett/Goldberg 1991). Dieses Grundlagenwerk hat auch unseren Blick auf Macht, Regeln und Vermittlung geprägt.

Die Autoren beschreiben die Entwicklung eines Konfliktmanagementsystems in der US-amerikanischen Kohleindustrie in den 1980er-Jahren. In den Bergwerken gab es sehr viel Unruhe, Auseinandersetzungen und Streiks, die das wirtschaftliche Überleben der Unternehmen gefährdeten. Ury, Brett und Goldberg entwickelten ein Konzept, das die bestehenden Verfahren zur Konfliktregelung durch Mediation ergänzte. Das dabei entwickelte niedrigschwellige Mediationsangebot wurde integriert. Aus diesen konkreten Erfahrungen erarbeiteten die Autoren einen grundlegenden Ansatz für die Entwicklung und Implementierung von Konfliktmanagementsystemen. In dieser Diskussion entstand der Begriff »Systemdesign« oder »dispute systemdesign« aus einer Verbindung der Begriffe Konfliktmanagementsystem und Design zu Konfliktmanagement-Systemdesign und dann kürzer zu »Systemdesign«.

In den 1990er-Jahren entwickelte sich Systemdesign zu einem eigenständigen Fachbereich in der Wirtschaftsmediation. So entstand in der SPIDR (Society of Professionals in Dispute Resolution) der »Dispute Systems Design/Organisation Development Sector« als eigener Fachbereich. Systemdesign etablierte sich als eine Facette der Wirtschaftsmediation und die Aktiven nennen sich »mediator and systemdesigner«. Die damaligen Sprecherinnen der SPIDR und des DSD/OD- Sectors Christina Sickles Merchand und Cathy A. Constantino veröffentlichten 1996 ihr Buch »Designing Conflict Management Systems. A Guide to Creating Productive and Healthy Organisations«. Dabei betonten sie die enge Verbindung von Mediation und Organisationsentwicklung: »we offer concrete approaches to conflict management, grounded in a marriage of organisation development (OD) dispute Systems design (DSD) und alternative dispute resolution (ADR) principles« (Constantino/Sickles Merchand 1996: XV).

In den USA wurden in den letzten 20 Jahren in vielen Unternehmen und Verwaltungen Konfliktmanagementsysteme eingeführt. In dem 2003 erschienenen Buch von David B. Lipsky, Ronald Seeber und Richard D. Fincher »Emerging Systems for Managing Workplace Conflict« werden eine ganze Reihe von innerbetrieblichen Konfliktmanagementsystemen vorgestellt.

Die US-amerikanischen Erfahrungen in der Entwicklung und Implementierung von Konfliktmanagementsystemen bilden eine wichtige Grundlage für die Diskussion um Systemdesign in Europa. Aber die Ansätze sind nicht einfach übertragbar. Zu unterschiedlich sind die Unternehmenskulturen und vor allem die gesellschaftlichen und gesetzlichen Rahmenbedingungen für die innerbetriebliche Konfliktregelung.

Mit den nächsten Kapiteln legen wir einen Entwurf vor, wie dieser Begriff auf der Grundlage europäischer Denkweisen und europäischer Erfahrungen für die Praxis in Unternehmen und Organisationen mit Leben gefüllt werden kann.

Kapitel 2: Systemische Zugänge

2.1 Konfliktmanagement als Regulation der moralischen Anerkennungsökonomie

Bernd Fechler

2.1.1 Jenseits von Struktur und Emotion

In diesem Kapitel formulieren wir einen Konfliktbegriff, der Elemente aus der systemischen Konflikt- und Organisationstheorie mit sozialwissenschaftlichen Ansätzen verbindet, die mit dem Anerkennungsbegriff operieren. Das führt zu einer Sicht auf das Zusammenspiel zwischen Individuen und Organisationen, die für unser Vorhaben, systemische Konfliktmanagementsysteme zu entwerfen, von Interesse sein dürfte. Konflikte sind nach unserem Verständnis eine zwingende Folge und damit ein Bestandteil sozialen Grenzmanagements, das innerhalb und zwischen sozialen Systemen betrieben wird. Auch Organisationen treten durch die basale Unterscheidung zwischen System/Umwelt ins Leben und finden über interne Differenzierungen (Rollen, Prozesse, Funktionsbereiche) ihre spezifische Textur. Man könnte auch sagen: Organisationen sind eine paradoxe Form ritualisierter Konfliktregulation und Konflikterzeugung (Robrecht 2012). Über dieses Grenzmanagement und die mit ihm verbundenen Konfliktdynamiken erfahren wir Nützliches, wenn wir sie als soziale Anerkennungsverhältnisse beschreiben.

In meiner Darstellung wird der Anerkennungsbegriff einen deutlich breiteren Raum einnehmen als systemtheoretische Überlegungen. Ich gehe davon aus, dass systemische Ansätze für die Leserschaft bekannter sind als das soziologische Anerkennungskonzept. Der Charme dieses Konzepts liegt darin, dass es Beratern und ihren Kunden einen etwas anderen – sowohl intellektuellen als auch lebensnahen – Zugang zum Beziehungsthema eröffnet. So zustimmungsfähig die Feststellung sein mag, dass soziale Konflikte vor allem auch Beziehungsstörungen sind, so unbeliebt ist noch immer in vielen Arbeits- und Organisationskulturen die Thematisierung der Beziehungsaspekte von Kommunikation. »Beziehung« riecht nach »Gefühl« – und Gefühle sollten bei der Lösung von Problemen nicht im Zentrum stehen, sondern »sachliche Argumente«. Gefühle sind ein schambesetztes Thema. Die Sprache der Berater sollte sich nicht darüber hinwegsetzen. Im Lichte des Anerkennungsbegriffs geht es beim Beziehungsthema nicht primär um Gefühle, sondern um die Frage des Status bzw. sozialen Ortes, den eine Person in einem bestimmten Kontext einnimmt.

Axel Honneth versteht einen sozialen Konflikt als eine »Störung des Anerkennungsverhältnisses« (Honneth 1992, 2003) zwischen sozialen Akteuren, Individuen wie Kollektiven. Diese Definition ist erklärungsbedürftig, insbesondere weil der von Honneth verwendete Anerkennungsbegriff weit mehr umfasst, als sein geläufiger Gebrauch im Sinne von Wertschätzung, Lob, Gratifikation oder Bestätigung. Honneths Konzept der sozialen Anerkennung beschreibt etwas Grundsätzliches, ein generatives Prinzip, das erklären soll, wie soziale Systeme entstehen und funktionieren, und das darüber hinaus eine Brückenfunktion – systemtheoretisch: die strukturelle Koppelung – zwischen zwei aus systemtheoretischerischer Sicht voneinander getrennten Wirklichkeitsbereichen darstellt: sozialen Systemen, also zum Beispiel Organisationen, auf der einen und psychischen Systemen, zu denen auch die menschlichen Mitglieder der Organisation gerechnet werden, auf der anderen Seite (vgl. Luhmann 1984, 1990).

Aus organisationssoziologischer Sicht stellt Anerkennung bzw. das Bedürfnis nach Anerkennung das zentrale Motiv dar, sich an soziale Regeln zu halten sowie etwas zu leisten und Verantwortung zu übernehmen (vgl. Parsons 1964, nach Honneth 2013: 17). Voraussetzung dafür ist, dass die »Anerkennungsbilanz« stimmt, d. h. dass die Betroffenen ihre Anerkennungsverhältnisse als einigermaßen ausgewogen und stimmig erleben. Die Vermutung liegt nahe, dass Zustand und Qualität der Anerkennungsverhältnisse einer Organisation für ihr Funktionieren und ihre Zielerreichung eine Schlüsselrolle einnehmen.

2.1.2 Soziale Systeme als Anerkennungsverhältnisse

Wo immer Menschen miteinander kommunizieren, handeln sie Beziehungen aus. In jeder Gruppe, in jedem sozialen System (Freundschaft, Familie, Team, Abteilung, Organisation, Staat, Community, Gesellschaft etc.), wird ein »Kampf um Anerkennung« (Honneth 1992) ausgetragen, in dem es darum geht, wer dazu gehört und wo in der Statushierarchie die Einzelnen sich positionieren: Gehöre ich dazu? Wer hat das Sagen? Wo genau stehe ich im Vergleich zu anderen, was bin ich also wert? Welches Verhalten kann ich mir gegenüber den anderen »leisten«, um meine Statusposition zu unterstreichen oder zu verbessern? Und was sollte ich auf keinen Fall tun, um nicht degradiert oder gar ausgeschlossen zu werden?

Dieser »Kampf um Anerkennung« ist ein elementarer Aspekt menschlichen Zusammenlebens. Anerkennung ist eine existenzielle Kategorie, ein Grundbedürfnis. Sie beschreibt die Art und Weise, wie Menschen in Beziehung zueinander treten und damit das Soziale, die Gesellschaft in allen ihren Ausprägungen bilden – und wie umgekehrt diese Beziehungen das Bewusstsein und die Identität der Menschen formen. Dabei äußert sich der weitaus größere Teil dieses »Kampfes« nicht als offener Konflikt, sondern vollzieht sich subtil, als »normale Härte« menschlichen Zusammenlebens. Er ist eingewoben in alltägliche Kommunikation und Austauschprozesse und strukturiert diese, je nach soziokulturellem und historischem Kontext, nach unterschiedlichen Kriterien und Spielregeln. Zusammen formen sie die jeweiligen Anerkennungsverhältnisse bzw. Anerkennungsordnungen einer Gesellschaft und ihrer Subsysteme. Dazu im Folgenden einige Präzisierungen.

Anerkennung als Grenzmanagement

Beziehungshandeln ist soziales Grenzmanagement. Seine zentralen Operationen sind die Unterscheidungen zwischen Innen und Außen (wir/die anderen) sowie Distanz und Nähe bzw. Oben und Unten (ich/die anderen):

Nach außen geht es um die Zugangsberechtigung bzw. Zugehörigkeit zu einem Kollektiv. Systemtheoretisch handelt es sich um die Unterscheidung zwischen System und Umwelt, die die Existenz und Identität eines sozialen Systems begründet.

Nach innen geht es um Differenzierungen innerhalb der Gruppe: formell um Rollen und Arbeitsteilung etc.; informell um die gruppeninterne Hierarchie und den sozialen Status ihrer Mitglieder.

Kriterien der Anerkennung