Szenen aus DDR-Gefängnissen - Eugen Wenzel - E-Book

Szenen aus DDR-Gefängnissen E-Book

Eugen Wenzel

0,0
2,99 €

-100%
Sammeln Sie Punkte in unserem Gutscheinprogramm und kaufen Sie E-Books und Hörbücher mit bis zu 100% Rabatt.
Mehr erfahren.
Beschreibung

"Um einen Staat zu beurteilen, muss man sich seine Gefängnisse von innen ansehen", schrieb einmal Lew Nikolajewitsch Graf Tolstoj. Diesem Diktum folgend, stellt das Buch Szenen aus Gefängnissen der DDR dar, um dem Leser plastisch vors Auge zu führen, wie die Realität jenseits der Berliner Mauer in der Zeit der kommunistischen Gewaltherrschaft über Ostdeutschland ausgesehen hat.

Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:

EPUB

Seitenzahl: 53

Veröffentlichungsjahr: 2022

Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.


Ähnliche


Eugen Wenzel

SZENEN AUSDDR-GEFÄNGNISSEN

Mit Illustrationen vonMaria Semibratova

© 2022 Eugen Wenzel (Text)

© 2022 Maria Semibratova (9 Abbildungen & Umschlag)

ISBN Softcover: 978-3-347-52833-8

ISBN Hardcover: 978-3-347-54070-5

ISBN E-Book: 978-3-347-54071-2

ISBN Großschrift: 978-3-347-54079-8

Druck und Distribution im Auftrag des Autors:

tredition GmbH, Halenreie 40-44, 22359 Hamburg, Germany

Das Werk, einschließlich seiner Teile, ist urheberrechtlich geschützt. Für die Inhalte ist der Autor verantwortlich. Jede Verwertung ist ohne seine Zustimmung unzulässig. Die Publikation und Verbreitung erfolgen im Auftrag des Autors, zu erreichen unter: tredition GmbH, Abteilung "Impressumservice", Halenreie 40-44, 22359 Hamburg, Deutschland.

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek: Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

Den Opfern der DDR-Gewaltherrschaft

Inhalt

SZENEN AUS DDR-GEFÄNGNISSEN

I. Zwei Hände

II. 1x2 Meter

III. Ohne Heimat

IV. Gestürzte Mauern

V. Götter in Weiß

VI. Römer 13, Vers 1-2

VII. Die 3. Schuld

VIII. Erlösung

IX. Jetzt und ehedem

SZENEN AUS DDR-GEFÄNGNISSEN

 

»Um einen Staat zu beurteilen,muss man sich seine Gefängnissevon innen ansehen.«

Lew Nikolajewitsch Graf Tolstoj

I ZWEI HÄNDE

Auf der Bühne ist ein Mann zu sehen, der entweder gerade verhört wird oder sich in einem leicht an Wahnsinn grenzenden Zustand in seiner Gefängniszelle aufhält. Jemand trägt aus dem Hintergrund das Gedicht »Zwei Hände« vor:

Zwei Hände hat der Mensch von Gott bekommen,

damit er gut durch dieses Leben kommt,

doch hat er Gott nicht wirklich ernstgenommen

und hat die Schöpfung etwas umgeformt.

Die eine Hand, sie gibt den Kindern Nahrung

und streichelt liebevoll den alten Hund;

sie kämpft für Frieden und für dessen Wahrung

und macht die Welt ganz farbenfroh und bunt.

Die and’re Hand, sie weiß zu unterwerfen,

zu nehmen gierig, was ihr nicht gehört;

sie lehrt bereits die Kleinen Messer schärfen

und wie man alles Glück der Welt zerstört.

Der Mensch versteht’s, die Dinge klar zu trennen

und welche Hand er wann benutzen muss.

Drum kann er glücklich und zufrieden leben

bis zu des Daseins allerletztem Schluss.

Und die Moral von der Geschicht’?

Der Dichter weiß es selber nicht.

Wissen Sie, was ein Samowar ist? Nun machen Sie nicht so ein Gesicht, ich will Sie nicht auf den Arm nehmen, denn Sie können es wahrlich nicht wissen. Als einen Samowar bezeichnete man in der Stalin-Zeit einen Menschen, der im Großen Vaterländischen Krieg beide Beine und beide Arme verloren hatte. Solche »halben« Menschen sind in der Regel weggesperrt worden, weil sie nicht wirklich zum heroischen Selbstverständnis eines Siegers passten, und so nimmt es nicht wunder, dass kaum jemand diese Bezeichnung kennt.

Und nun wollen Sie sicherlich wissen, woher ich sie kenne? Von meinem Großvater. Und von wem hat er sie erfahren? Na, von den Russen natürlich, denn er hat für die Faschisten inStalingrad gekämpft, gekämpft mit seinen starken Händen, als ein Chirurg.

Wussten Sie, dass das Wort Chirurg von χείρ, dem altgriechischen Ausdruck für Hand abstammt, und finden Sie nicht auch, dass es ein zutiefst symbolisches Ereignis war, als mein Opa bei einer Bombendetonation ausgerechnet seine Hände verlieren musste? Sein großes Glück war es, dass er kurz darauf in russische Gefangenschaft geriet, denn die Deutschen waren zu diesem Zeitpunkt schon längst nicht mehr dazu in der Lage, ihm angemessen zu helfen. Die Russen taten, was sie konnten, doch es blieb ihnen kaum etwas übrig, als beide Arme komplett zu amputieren. Seit diesem Moment war er für sie ein nicht ganz zu Ende gefertigter, ein halber Samowar und natürlich zu nichts zu gebrauchen. Als einen der ersten schickten sie ihn daher auch wieder zurück nach Deutschland, sobald der Krieg zu Ende war.

Sie schauen sich so wissbegierig meine Hände an. Die eine ist so unbeschreiblich schön und formvollendet, die andere, wenn Sie diese blutige Binde abnehmen, eine amorphe Fleischmasse, ein ekelerregender Klumpen. Haben Sie keine Sorge, ich werde es Ihnen schon noch verraten, weshalb und warum das Ganze.

Beantworten Sie mir aber zuvor die Frage: Wissen Sie, was es heißt, ein Samowar zu sein? Mussten Sie jemals Ihrem Großvater das Glied beim Pissen halten? Nein? Ich schon. Ich, meine Brüder, mein Vater, seine Brüder, jeder, der gerade zur Stelle war, als der Alte auszutreten hatte. Ich will damit sagen, dass ich mich wegen Ihnen und Ihrer Clique jahrelang wie ein solcher Samowar gefühlt habe.

Anfangs war die Musik noch ein Zufluchtsort für mich, wohin ich vor Ihrem glorreichen Bauernparadies jederzeit fliehen konnte. Doch dann, wo mein außergewöhnliches Talent sich immer deutlicher abzuzeichnen begann, fingen Sie an, mich zu instrumentalisieren. Wenn ich nicht wollte, machten Sie Druck, und so nahmen Sie mir zusehends auch mein letztes Refugium. Sie schnitten mir Schritt für Schritt meine Gliedmaßen ab.

Und was kam dann? Die Erkenntnis, dass die Kunst keine Nutte ist! Bei Ihnen sollen alle gleich werden. Doch den Bauern werden Sie nie zu einem Intellektuellen emporheben können. Also setzen Sie alles daran, den Intellektuellen zu einem Bauern werden zu lassen. Und dafür ist Ihnen jedes Mittel recht, muss jeder vor Ihren Karren gespannt werden, selbst die Kunst.

Aber die Kunst ist frei und Sie vergewaltigen sie, wenn Sie dem Künstler vorschreiben, was und wie er es zu tun hat. Wer soll eine solche Kunst am Ende wahrnehmen? Bauern? Wie primitiv muss die Kunst jedoch werden, dass sie selbst noch einem Bauern gefällt? Bei so etwas wollte ich nicht länger mitmachen, aber wie konnte ich Ihren Erpressungen entgehen?

Da blieb allein der Hammer. Ich nahm ihn in die Rechte und schlug mit ihm auf die Linke, bis ich sicher sein konnte, dass ich nie wieder würde Klavier spielen können.

Und wissen Sie, was mich darauf brachte? Die Erinnerung an meinen Großvater. Als Gott, ja, Sie hören richtig, Gott hat nicht aufgehört zu existieren, nur weil Sie ihn offiziell für tot erklärt haben, als Gott meinem Großvater die Hände abschlug, was gab er ihm da zu verstehen? Du sollst den Faschisten, diesen Hurensöhnen nicht helfen! Er hätte es nicht deutlicher sagen können und exakt dasselbe hat er auch zu mir gesagt: Du sollst diesen Hurensöhnen nicht helfen! Und dann schlug ich zu.

Ich zerstörte das Schönste, was ich besaß, mein Talent, und damit vernichtete ich mich