Tagebuch einer LaienRICHTERIN - Münevver Can - E-Book
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Beschreibung

Einblicke aus dem Gerichtssaal: Imaginäre Lebensgeschichten Was passiert, wenn menschliche Emotionen auf das Rechtssystem treffen? Seit 2018 bin ich als Hauptschöffin am Strafgericht tätig und habe zahlreiche vielschichtige Fälle erlebt, die mich tief bewegt haben. In diesem Buch präsentiere ich 226 erfundene Lebensgeschichten, inspiriert von den Abgründen und Facetten der menschlichen Natur. Die Geschichten sind frei erfunden und dienen der Unterhaltung, doch jede enthält eine Wahrheit, die über das Geschriebene hinausgeht. Tauchen Sie ein in eine Welt voller Emotionen, moralischer Dilemmas und unerwarteter Wendungen. Diese Geschichten regen zum Nachdenken an und hinterfragen unser Verständnis von Gerechtigkeit. Sind Sie bereit, die schmalen Grenzen zwischen Recht und Unrecht zu erkunden

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Veröffentlichungsjahr: 2024

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Inhaltsverzeichnis

Impressum

Tagebuch

einer

Laienrichterin

Impressum

Copyright © 2024 Münevver Can

Postfach 6005

33281 Gütersloh

Alle Rechte vorbehalten. Die Inhalte dieses Buches sind fiktiv und dürfen ohne schriftliche Genehmigung der Autorin weder kopiert noch vervielfältigt werden.

Vorwort

Seit 2018 bin ich als Hauptschöffin am Strafgericht tätig und durfte in dieser Zeit zahlreiche Fälle miterleben. Diese Erlebnisse waren so vielfältig wie das Leben selbst – mal tragisch, mal humorvoll. Einige davon haben sich so tief in mein Gedächtnis eingeprägt, dass sie mir bis heute nachklingen.

Mein Buch enthält jedoch keine realen Fälle. Sämtliche beschriebenen Situationen und Personen sind frei erfunden und dienen ausschließlich der Unterhaltung der Leserinnen und Leser.

Ich wünsche Ihnen viel Freude beim Lesen und danke allen, die mich dazu ermutigt haben, dieses Buch zu schreiben.

Prolog

Seit 2018 bin ich als Hauptschöffin am Strafgericht tätig und habe in dieser Zeit die vielfältigen Facetten des Justizsystems hautnah erlebt. In meinem Berufsalltag begegnen mir zahlreiche Fälle, die nicht nur die menschliche Psyche und das moralische Dilemma widerspiegeln, sondern auch die unterschiedlichen Schicksale der Menschen, die vor Gericht stehen. Diese Erlebnisse sind so vielfältig wie das Leben selbst und reichen von tragischen und ernsten Situationen bis hin zu skurrilen und humorvollen Momenten, die oft unerwartet in den Alltag eines Gerichtssaals einfließen.

Einige dieser Geschichten haben sich tief in mein Gedächtnis eingeprägt und werden mir wahrscheinlich mein ganzes Leben lang in Erinnerung bleiben. Sie sind nicht nur Zeugnisse menschlicher Schwächen und Stärken, sondern auch von den Herausforderungen, die wir im Umgang mit dem Rechtssystem und der Gesellschaft meistern müssen. Die Emotionen, die in diesen Fällen mitschwingen – Angst, Verzweiflung, Wut, aber auch Hoffnung und Resilienz – sind Teil dessen, was das Richterdasein ausmacht und uns täglich vor neue Herausforderungen stellt.

In diesem Buch möchte ich einige dieser Erlebnisse reflektieren und in fiktiver Form aufbereiten. Es ist wichtig zu betonen, dass sämtliche beschriebenen Situationen und Personen rein erfunden sind. Sie dienen ausschließlich der Unterhaltung und sollen den Leserinnen und Lesern einen Einblick in die Gedankenwelt und die emotionalen Dimensionen der Menschen geben, die im Gerichtssaal aufeinandertreffen. Die Geschichten sind inspiriert von den vielfältigen Erfahrungen, die ich im Laufe meiner Tätigkeit gemacht habe, doch sie sind nicht wörtlich genommen und sollen keine realen Ereignisse widerspiegeln.

Ich hoffe, dass die Erzählungen in diesem Buch nicht nur zum Nachdenken anregen, sondern auch die Komplexität menschlicher Beziehungen und die Schwierigkeiten des Lebens aufzeigen. Jeder Fall ist ein kleines Stückchen Wahrheit, das in der Fiktion neu erzählt wird. Die Themen sind universell und zeitlos: Liebe, Verrat, Hoffnung und die Suche nach Gerechtigkeit.

Abschließend möchte ich mich bei all jenen bedanken, die mich auf meinem Weg unterstützt und ermutigt haben, dieses Buch zu schreiben. Ihre Inspiration und Ihr Glaube an mich waren entscheidend, um dieses Projekt in die Tat umzusetzen. Ich wünsche Ihnen viel Freude beim Lesen und hoffe, dass Sie die Geschichten ebenso fesselnd und bewegend finden wie ich beim Verfassen.

Münevver Can

Als Hauptschöffin im Amtsgericht im Strafgericht würdest du an der Seite von Berufsrichtern an Gerichtsverhandlungen teilnehmen und Entscheidungen über Schuld oder Unschuld sowie das Strafmaß mittragen. Die folgenden Beispiele zeigen unterschiedliche Arten von Fällen, mit denen du in deiner Rolle als Hauptschöffin konfrontiert werden könntest:

1. Körperverletzung im Straßenverkehr

Fall: Ein Mann wird beschuldigt, in einem Streit um einen Parkplatz einen anderen Autofahrer absichtlich verletzt zu haben, indem er ihn geschubst und zu Boden gestoßen hat. Der Geschädigte hat sich den Arm gebrochen.Verhandlung: In der Verhandlung wird der genaue Hergang des Streits geprüft. Zeugenaussagen, Kameraaufnahmen und ärztliche Gutachten spielen eine Rolle.Deine Rolle: Du musst bewerten, ob die Körperverletzung absichtlich oder fahrlässig verursacht wurde, und zusammen mit den Berufsrichtern über das Strafmaß entscheiden.

2. Trunkenheit am Steuer

Fall: Eine Frau wird angeklagt, mit über 1,5 Promille Alkohol im Blut Auto gefahren zu sein. Sie hat auf einem Parkplatz einen anderen Wagen beschädigt.

Verhandlung: Es werden die Ergebnisse des Alkoholtests und der Unfallhergang besprochen. Zeugen berichten, wie sich die Angeklagte verhalten hat.

Deine Rolle: Hier geht es um die Bewertung der Schwere des Vergehens. Du entscheidest mit, ob es bei einer Geldstrafe bleibt oder ob ein Fahrverbot oder sogar ein Entzug der Fahrerlaubnis angemessen ist.

3. Diebstahl in einem Supermarkt

Fall: Ein junger Mann wird beschuldigt, in einem Supermarkt Lebensmittel im Wert von 50 Euro gestohlen zu haben. Er ist bereits zweimal wegen Diebstahls vorbestraft.Verhandlung: Der Angeklagte gibt den Diebstahl zu und erklärt, dass er es aus finanzieller Not getan habe. Der Supermarktleiter tritt als Zeuge auf.

Deine Rolle: Du wärest mit den Berufsrichtern gefragt, ob eine Haftstrafe verhängt wird oder ob noch einmal eine Bewährungsstrafe ausreicht, um den Angeklagten zu resozialisieren.

4. Beleidigung eines Polizisten

Fall: Ein Mann wird angeklagt, einen Polizisten bei einer Verkehrskontrolle verbal schwer beleidigt zu haben. Er war offenbar aufgebracht, weil er für eine Geschwindigkeitsüberschreitung zur Rechenschaft gezogen wurde.Verhandlung: Der Vorfall wird rekonstruiert. Der Polizist beschreibt den Wortlaut der Beleidigung und das Verhalten des Angeklagten.

Deine Rolle: Du musst zusammen mit dem Gericht entscheiden, wie schwerwiegend die Beleidigung war und ob eine Geldstrafe oder andere Sanktionen angemessen sind.

5. Schwarzfahren (Erschleichen von Leistungen)

Fall: Eine Frau wurde zum wiederholten Male beim Schwarzfahren in öffentlichen Verkehrsmitteln erwischt. Sie hat kein Ticket gekauft und behauptet, dass sie sich das nicht leisten könne.Verhandlung: Es wird geklärt, ob es sich um eine wiederholte Tat handelt und ob die Angeklagte bereits vorbestraft ist.

Deine Rolle: Du entscheidest mit, ob eine Geldstrafe verhängt wird, möglicherweise in Kombination mit Sozialstunden, oder ob ein anderes Strafmaß angemessen ist.

6. Hausfriedensbruch

Fall: Ein Mann wird beschuldigt, in das Haus seiner Ex-Freundin eingedrungen zu sein, obwohl diese ihm Hausverbot erteilt hatte.

Verhandlung: Die Ex-Freundin sagt als Zeugin aus, und es wird erörtert, ob der Angeklagte trotz des Hausverbots die Wohnung betreten hat.

Deine Rolle: Hier ist zu klären, ob die Tat vorsätzlich begangen wurde und ob es sich um eine ernste Bedrohung für die Ex-Freundin handelt, die eine härtere Strafe erfordert.

7. Fahrlässige Tötung durch unterlassene Hilfeleistung

Fall: Eine Frau wird angeklagt, nicht geholfen zu haben, als sie Zeugin eines schweren Unfalls wurde. Der verletzte Fahrer starb später im Krankenhaus, und es wird behauptet, dass die Angeklagte rechtzeitig hätte helfen können.

Verhandlung: Es wird geprüft, ob die Frau wirklich die Möglichkeit hatte, einzugreifen, und inwiefern ihre Unterlassung zum Tod des Unfallopfers beigetragen hat.

Deine Rolle: Deine Aufgabe besteht darin, das Maß der Fahrlässigkeit zu bewerten und mit den Berufsrichtern über eine mögliche Verurteilung zu beraten.

8. Bedrohung und Stalking

Fall: Ein Mann wird beschuldigt, seine ehemalige Partnerin über Monate hinweg gestalkt und bedroht zu haben. Er hat mehrfach unangemeldet vor ihrer Wohnung gestanden und ihr bedrohliche Nachrichten geschickt.

Verhandlung: Die Aussagen der Ex-Partnerin sowie Chatprotokolle und Zeugenaussagen werden in der Verhandlung besprochen.

Deine Rolle: Du musst bewerten, ob die Bedrohung glaubhaft und ernst zu nehmen ist und ob eine Schutzanordnung oder eine härtere Strafe gerechtfertigt ist.

Als Schöffin bringst du in jedem dieser Fälle deine Lebenserfahrung ein und trägst zusammen mit den Berufsrichtern zur Wahrheitsfindung und zur Urteilsfindung bei. Dein Votum hat dabei das gleiche Gewicht wie das eines Berufsrichters.

Tagebuch einer Hauptschöffin

Die ersten Verhandlungstage

Tagebuch einer Hauptschöffin

Tag 1 – Der erste Verhandlungstag

Heute war mein erster Tag als Hauptschöffin im Amtsgericht. Schon früh am Morgen war ich aufgeregt, was mich erwarten würde. Der Saal war größer, als ich es mir vorgestellt hatte, und die Spannung im Raum war spürbar. Der Berufsrichter stellte sich höflich vor und erklärte uns, wie der Tag ablaufen würde. Wir hatten drei Fälle auf dem Plan, alle unterschiedlich. Am meisten blieb mir der Fall eines jungen Mannes in Erinnerung, der wegen Diebstahls vor Gericht stand. Es war nicht leicht, objektiv zu bleiben, da man sofort Sympathien oder Antipathien entwickelt. Aber ich habe mir Mühe gegeben, alle Fakten zu berücksichtigen. Der erste Tag war anstrengend, aber auch unglaublich spannend.

Tag 5 – Trunkenheit am Steuer

Der heutige Fall war für mich besonders emotional. Ein Mann, Mitte 40, wurde wegen Trunkenheit am Steuer angeklagt. Er hatte einen Unfall verursacht, bei dem zum Glück niemand verletzt wurde, aber die Gefahr war deutlich. Während des Prozesses schien der Angeklagte reumütig, aber er hatte bereits zwei ähnliche Vorstrafen. Es war schwierig, ein angemessenes Urteil zu finden. Ein Teil von mir wollte ihm eine Chance geben, während der andere Teil strengere Maßnahmen für notwendig hielt, um ihn von weiteren Taten abzuhalten. Nach langen Beratungen mit den anderen Schöffen und dem Berufsrichter einigten wir uns auf eine hohe Geldstrafe und den Entzug der Fahrerlaubnis für ein Jahr. Es fühlte sich richtig an, auch wenn es keine leichte Entscheidung war.

Tag 12 – Körperverletzung und Wut im Gerichtssaal

Heute war es im Gerichtssaal besonders angespannt. Der Angeklagte, ein Mann Anfang 30, war wegen schwerer Körperverletzung angeklagt. Er hatte in einer Bar jemanden schwer geschlagen, nachdem es zu einem Streit gekommen war. Während der Verhandlung wurde klar, dass der Angeklagte selbst Schwierigkeiten hatte, seine Aggressionen zu kontrollieren. Mehrmals hat er den Zeugen und auch uns Schöffen wütend angesehen. Das machte mich nervös, aber ich bemühte mich, ruhig zu bleiben. Nach der Urteilsverkündung – er erhielt eine Haftstrafe von 18 Monaten – begann der Angeklagte laut zu protestieren. Es war eine eindringliche Erinnerung daran, wie emotional solche Verfahren sein können.

Tag 20 – Ein emotionaler Fall von häuslicher Gewalt

Heute hatten wir einen Fall von häuslicher Gewalt, der mich tief getroffen hat. Eine Frau stand als Zeugin gegen ihren Ehemann vor Gericht, der sie jahrelang misshandelt hatte. Während ihrer Aussage brach sie mehrmals in Tränen aus. Es war schwer, die emotionale Distanz zu wahren. Ich habe mich oft gefragt, wie viele Jahre sie wohl in Angst gelebt haben muss, bevor sie den Mut fand, sich zu wehren. Der Angeklagte hingegen bestritt alle Vorwürfe und zeigte keinerlei Reue. Am Ende entschieden wir, ihn zu einer mehrjährigen Haftstrafe zu verurteilen. Ich verließ das Gericht mit einem schweren Herzen. Es war einer der Tage, an denen ich mich fragte, wie viele Menschen im Stillen leiden, ohne dass es jemand bemerkt.

Tag 32 – Die Fälle werden komplexer

Mit jedem Verhandlungstag scheinen die Fälle komplexer zu werden. Heute hatten wir einen Betrugsfall, bei dem eine ältere Frau von einem vermeintlichen Finanzberater um ihre gesamten Ersparnisse gebracht wurde. Der Betrüger hatte ein überzeugendes System entwickelt, das sogar Experten täuschte. Die Verhandlung war voller technischer Details über Finanztransaktionen und Vertragsklauseln, und ich merkte, wie herausfordernd es sein kann, solche Fälle vollständig zu verstehen. Am Ende des Tages war ich erschöpft, aber auch stolz, dass ich mit meiner Stimme zur Entscheidung beitragen konnte. Der Angeklagte wurde zu einer mehrjährigen Haftstrafe verurteilt, was sich in Anbetracht des Schadens als gerecht anfühlte.

Tag 45 – Der Fall, der mich nachdenklich machte

Heute war ein eher ungewöhnlicher Tag im Gerichtssaal. Ein junger Mann stand wegen wiederholtem Schwarzfahren vor Gericht. Auf den ersten Blick ein relativ harmloser Fall, doch als wir mehr über sein Leben erfuhren, wurde mir klar, dass dahinter mehr steckte. Er lebte in schwierigen sozialen Verhältnissen, hatte keine Familie, und das Schwarzfahren war eher ein Ausdruck seiner Hilflosigkeit. Es war einer der seltenen Fälle, in denen ich das Gefühl hatte, dass eine Strafe allein nicht die Lösung war. Stattdessen entschieden wir uns für eine Kombination aus Sozialstunden und einem Betreuungsprogramm. Ich hoffe wirklich, dass er dadurch eine zweite Chance bekommt. Dieser Fall hat mich daran erinnert, wie oft hinter Straftaten tiefer liegende Probleme stecken.

Tag 60 – Ein großer Fall: Fahrlässige Tötung

Heute stand ein besonders schwerer Fall auf der Tagesordnung: fahrlässige Tötung im Straßenverkehr. Ein junger Mann hatte in einer unübersichtlichen Kurve die Kontrolle über sein Fahrzeug verloren und eine Radfahrerin erfasst, die später ihren Verletzungen erlag. Die Verhandlung war emotional aufgeladen, besonders als die Familie der Verstorbenen aussagte. Der Angeklagte war sichtlich verzweifelt und beteuerte, dass er niemals die Absicht hatte, jemanden zu verletzen. Die Entscheidung in diesem Fall fiel mir sehr schwer. Es war offensichtlich, dass es sich um einen tragischen Unfall handelte, aber dennoch musste eine Strafe

verhängt werden. Nach langen Überlegungen entschieden wir uns für eine Bewährungsstrafe und den Entzug der Fahrerlaubnis. Ich verließ das Gericht mit gemischten Gefühlen – die Tragik dieses Falls wird mir noch lange in Erinnerung bleiben.

Tag 75 – Rückblick auf meine Zeit als Hauptschöffin

Mit jedem neuen Fall wird mir mehr bewusst, wie komplex das Rechtssystem ist und wie wichtig es ist, als Schöffin mit Verantwortung und Menschlichkeit zu handeln. Es gibt keine

„einfachen“ Entscheidungen – hinter jedem Fall stehen Menschen, Schicksale und oft tiefgreifende Emotionen. Ich habe gelernt, dass Recht und Gerechtigkeit nicht immer dasselbe sind und dass man als Schöffin die Verantwortung trägt, beides so gut wie möglich in Einklang zu bringen.

Kapitel 1

Hier sind einige Kurzgeschichten, die verschiedene Fälle im Strafgericht beleuchten und die komplexen Themen von Schuld, Verantwortung und den Konsequenzen von Handlungen erforschen:

Die letzte Chance (Jugendstrafrecht)

Max war ein typischer Teenager, der die meiste Zeit mit seinen Freunden herumhing, in der Schule schlecht abschnitt und oft frustriert über sein Leben war. Er hatte keine großen Pläne für die Zukunft und ließ sich oft von der Gruppe mitziehen, in der er sich beweisen wollte. Mit gerade mal 17 Jahren fühlte er sich erwachsen, doch in Wahrheit war er auf der Suche nach sich selbst. Es war eine kalte Herbstnacht, als sich sein Leben für immer verändern sollte.

Es begann ganz unschuldig. Max und seine Freunde hingen am späten Abend auf dem Spielplatz herum, tranken Bier aus Dosen und redeten über alles Mögliche – über Schule, Mädchen und darüber, wie langweilig ihr kleines Viertel war. Irgendwann kam einer von ihnen auf die Idee, etwas „Aufregendes“ zu tun. Der Plan, in einen nahegelegenen Kiosk einzubrechen, kam schnell auf. Es sollte nur ein harmloser Streich werden, dachten sie. Ein paar Süßigkeiten, Zigaretten, vielleicht ein bisschen Geld aus der Kasse – nichts Ernstes. Max war zwar unsicher, ob das eine gute Idee war, doch er sagte nichts. Er wollte nicht der Spielverderber sein.

In der Dunkelheit machten sie sich auf den Weg. Der Kiosk war ein kleines, unscheinbares Geschäft, das tagsüber von einem älteren Mann geführt wurde, den jeder im Viertel kannte. Die Jungs dachten, nachts würde niemand da sein. Doch sie hatten sich geirrt. Kaum hatten sie das Fenster aufgebrochen und waren eingestiegen, da hörten sie ein Geräusch. Der Besitzer des Kiosks, der zufällig in der Nähe gewohnt hatte, war von dem Lärm geweckt worden und eilte sofort herbei. In Panik versuchten Max und seine Freunde zu fliehen, doch Max war der Letzte, der es schaffte, das Fenster zu erreichen. Der Besitzer packte ihn am Arm und hielt ihn fest, bis die Polizei eintraf.

Max erinnerte sich noch genau an das blaue Licht der Polizeiwagen, das durch die Nacht blitzte, und an das bedrückende Gefühl, als ihm die Handschellen angelegt wurden. Alles ging so schnell, dass er kaum Zeit hatte, zu begreifen, was geschehen war. Innerlich war er völlig durcheinander. Ein Teil von ihm war schockiert, der andere einfach nur voller Angst vor dem, was jetzt kommen würde.

Und nun saß er hier im Gerichtssaal, die Hände zittrig und den Kopf gesenkt. Neben ihm seine Mutter, deren Gesicht vor Kummer gezeichnet war. Sie hatte ihn nie so gesehen – gefangen in dieser Situation, die er nicht mehr rückgängig machen konnte. Auf der anderen Seite stand der Kioskbesitzer, der immer noch sichtlich aufgebracht war. „Es hätte so viel schlimmer ausgehen können“, hörte Max den Mann sagen. „Was, wenn sie mich angegriffen hätten?“

Der Richter, ein älterer Mann mit grauem Haar und ernsten Augen, blickte Max eindringlich an. „Warum, Max?“ fragte er mit einer ruhigen, aber eindringlichen Stimme. Es war keine Frage des Zorns, sondern der Enttäuschung. Max fühlte sich klein, so klein wie noch nie zuvor in seinem Leben. Wie sollte er diese Frage

beantworten? Warum hatte er es getan? Weil seine Freunde es auch getan hatten? Weil er sich langweilte? Weil er dazugehören wollte? Er wusste es nicht genau. Alles schien plötzlich so dumm und sinnlos.

„Ich weiß es nicht“, flüsterte Max schließlich. Es war alles, was er sagen konnte.

Der Richter seufzte und blätterte durch die Akten. „Du hast keine Vorstrafen“, begann er, „und du bist noch jung. Das bedeutet, dass ich bereit bin, dir eine letzte Chance zu geben. Aber das bedeutet nicht, dass es keine Konsequenzen gibt. Was du getan hast, war illegal und gefährlich, und du musst dafür die Verantwortung übernehmen.“

Max hielt den Atem an, während der Richter fortfuhr: „Ich verurteile dich zu 100 Stunden gemeinnütziger Arbeit. Du wirst hart arbeiten müssen, um der Gesellschaft etwas zurückzugeben. Dies ist deine letzte Chance, Max. Wenn du das nächste Mal hier stehst, wird das Jugendstrafrecht dich nicht mehr schützen.“

Max nickte, doch innerlich kämpfte er mit seinen Gefühlen. Er war erleichtert, dass er nicht ins Gefängnis musste, aber gleichzeitig fühlte er sich unendlich schuldig. Die Scham über seine Tat wog schwer auf seinen Schultern, und als er den Gerichtssaal verließ, konnte er den enttäuschten Blick seiner Mutter kaum ertragen.

Die nächsten Monate waren hart. Max musste früh

aufstehen, um seine Sozialstunden abzuleisten. Er arbeitete in einem Altenheim, half dabei, Essen auszuteilen und die Räume zu reinigen. Die Arbeit war anstrengend, aber sie gab ihm auch viel Zeit zum Nachdenken. Er sprach mit den älteren Menschen, hörte ihre Geschichten und begann langsam zu begreifen, dass das Leben, das er geführt hatte, nicht das Leben war, das er wollte.

Die Tat, die ihn vor Gericht gebracht hatte, war töricht gewesen, das wusste er jetzt. Doch es war auch eine Chance, über seine Zukunft nachzudenken. Er begann zu verstehen, dass er sein Leben in die Hand nehmen musste, bevor es zu spät war. Die 100 Stunden Sozialarbeit vergingen schließlich, doch die Lektionen, die Max daraus zog, blieben.

Als er am letzten Tag der Sozialarbeit das Altenheim verließ, schwor er sich, nie wieder auf diese Weise in Schwierigkeiten zu geraten. Die Worte des Richters hallten immer noch in seinem Kopf wider: „Dies ist deine letzte Chance.“ Max wusste, dass er sie nutzen musste. Er hatte einen Fehler gemacht, aber jetzt hatte er die Möglichkeit, es besser zu machen – für sich selbst und für seine Familie.

2. Die Entscheidung (Verkehrsdelikt)

Es war eine jener Nächte, an denen sich die Welt schwer und bedrückend anfühlte. Der Regen fiel unaufhörlich und bildete kleine Flüsse auf den Straßen, die im Schein der Straßenlaternen funkelten. Lisa saß noch im Auto vor dem Haus ihrer Freundin, wo sie gerade eine Feier verlassen hatte. Sie starrte durch die beschlagene Windschutzscheibe und dachte nach. Es war eine schöne Feier gewesen – mit alten Freunden lachen, gute Musik hören und ein paar Gläser Wein trinken. Die Stimmung war ausgelassen, doch nun, allein in der Dunkelheit, spürte Lisa die Last des Abends. Sie war müde, und der Alkohol begann, seine Wirkung zu zeigen.

Ihre Freunde hatten sie gewarnt: „Nimm lieber ein Taxi, Lisa. Es regnet stark, und du hast getrunken.“ Doch Lisa hatte die Bedenken mit einem Lächeln abgewinkt. Sie fühlte sich noch fähig, zu fahren, und wollte nicht das Geld für ein Taxi ausgeben. „Ich schaffe das schon“, hatte sie gesagt. Doch während sie jetzt da saß, mit dem Motor des Autos bereits laufend, begann sie sich unsicher zu fühlen. Ein leichter Kopfschmerz pochte hinter ihren Schläfen, und die Dunkelheit vor ihr schien undurchdringlich.

Lisa atmete tief ein und fuhr los. Die Straßen waren leer, nur ab und zu kam ein Auto entgegen, und der Regen erschwerte die Sicht noch mehr. Sie spürte, wie ihre Konzentration nachließ. Ihre Augen mussten sich anstrengen, die Linien auf der Straße zu erkennen, und jedes Mal, wenn sie blinzelte, dauerte es eine Sekunde zu lange, bis sie wieder klar sah. Ihr Herz begann schneller zu schlagen, doch sie sagte sich immer wieder, dass sie es nach Hause schaffen würde. „Es ist nicht weit“, dachte sie. „Nur noch ein paar Minuten.“

Plötzlich, wie aus dem Nichts, tauchte eine Gestalt direkt vor ihrem Auto auf. Lisa schrie auf und riss das Lenkrad

herum, trat so fest sie konnte auf die Bremse, doch es war zu spät. Sie spürte den heftigen Aufprall, ein dumpfer Schlag, der durch den ganzen Wagen dröhnte. Das Auto rutschte noch einige Meter weiter, bevor es zum Stehen kam. Für einen Moment schien die Welt stillzustehen. Lisa saß starr da, ihr Atem ging schnell, und ihr Herz hämmerte in ihrer Brust. Ihre Hände umklammerten das Lenkrad so fest, dass ihre Fingerknöchel weiß hervortraten.

„Nein, nein, das kann nicht wahr sein“, flüsterte sie verzweifelt. Sie wusste, dass sie jemanden angefahren hatte. Mit zitternden Händen öffnete sie die Tür und stolperte aus dem Auto. Der Regen fiel noch immer in dichten Strömen, und ihre Kleidung klebte sofort an ihrer Haut, doch sie spürte nichts davon. Ihre Augen suchten panisch die Straße ab, bis sie ihn sah – den Mann, der reglos auf dem nassen Asphalt lag.

„Oh Gott…“ Tränen stiegen ihr in die Augen, als sie auf ihn zulief. Seine Brust hob und senkte sich schwach, aber er war bewusstlos. Lisa zitterte am ganzen Körper. Sie griff nach ihrem Handy und wählte mit bebenden Fingern den Notruf. Die Minuten, bis der Krankenwagen kam, fühlten sich wie Stunden an. Sie kniete neben dem Mann, sprach mit ihm, obwohl er nicht reagierte, und bat verzweifelt, dass er am Leben bleiben möge.

Der Mann überlebte, doch die Diagnose war niederschmetternd: schwere Knochenbrüche, innere Verletzungen – er würde monatelang im Krankenhaus bleiben müssen. Lisa fühlte sich schuldig, als hätte sie sein Leben für immer zerstört. Sie konnte nicht aufhören, sich den Moment des Unfalls immer wieder in ihrem Kopf abzuspielen. Der Aufprall, der Regen, die schreckliche Stille danach – es verfolgte sie in ihren Träumen, und auch am Tag konnte sie kaum an etwas anderes denken.

Nun, Wochen später, stand Lisa vor Gericht. Die Gerichtsverhandlung zog sich wie ein böser Traum in die Länge. Die Familie des Mannes war da, seine Frau, die mit Tränen in den Augen über die schwierige Genesung ihres Mannes sprach. Lisa konnte dem Schmerz in ihren Gesichtern kaum standhalten. Sie wusste, dass sie einen Fehler gemacht hatte, einen unverzeihlichen Fehler. Sie hatte getrunken, war trotz der Warnungen ihrer Freunde gefahren, und jetzt musste sie die Konsequenzen tragen.

Der Richter, ein ernster Mann mit tiefen Falten auf der Stirn, sah sie über den Rand seiner Brille an. „Frau Müller“, begann er, und seine Stimme war ruhig, aber voller Entschlossenheit. „Es war eine Entscheidung – eine Entscheidung, die Sie getroffen haben, obwohl Sie wussten, dass Sie unter Alkoholeinfluss standen. Sie hätten ein Taxi nehmen können. Sie hätten Ihre Freunde um Hilfe bitten können. Stattdessen haben Sie sich entschieden, zu fahren, und dadurch einen Menschen schwer verletzt. Sie hätten jemanden töten können.“

Jede Silbe traf Lisa wie ein Schlag. Sie kämpfte gegen die Tränen an, doch sie spürte, wie ihre Augen feucht wurden. Sie wollte etwas sagen, wollte sich entschuldigen, doch die Worte blieben in ihrem Hals stecken. Es gab nichts, was sie sagen konnte, um die Sache besser zu machen.

„Angesichts der Umstände“, fuhr der Richter fort, „verurteile ich Sie zu zwei Jahren Haft auf Bewährung. Zudem wird Ihnen Ihre Fahrerlaubnis für die nächsten fünf Jahre entzogen. Dies soll Ihnen und allen anderen eine Lehre sein, dass das Fahren unter Alkoholeinfluss niemals eine Option ist.“

Lisa konnte nicht glauben, was sie da hörte. Zwei Jahre auf Bewährung – es hätte viel schlimmer kommen können, doch der Verlust ihres Führerscheins und die Tatsache, dass sie beinahe jemanden getötet hätte, überwältigte sie. Als der Richter das Urteil verkündete, ließ sie die Tränen endlich frei. Ihr Körper bebte vor Schuld und Scham. Sie wusste, dass ihr Leben nie wieder so sein würde wie zuvor.

Der Unfall hatte nicht nur das Leben des Fußgängers verändert – es hatte auch ihr eigenes Leben auf den Kopf gestellt. Sie wusste, dass sie einen Fehler gemacht hatte, und sie würde für den Rest ihres Lebens mit den Konsequenzen leben müssen. Der Gedanke, dass eine einzige Entscheidung so viel zerstören konnte, ließ sie nicht los.

3. Die Begegnung (Körperverletzung)

Tom und Michael hatten seit Jahren als Nachbarn nebeneinander gelebt, aber sie hatten nie wirklich eine Verbindung zueinander aufgebaut. Sie kannten sich, grüßten sich höflich, wenn sie sich im Treppenhaus begegneten oder ihre Mülltonnen zur Straße brachten, aber darüber hinaus gab es kaum Austausch. Tom war in seinen Dreißigern, ledig und genoss es, am Wochenende mit Freunden laute Musik zu hören. Michael hingegen war einige Jahre älter, verheiratet und hatte gerade erst ein Baby bekommen. Er sehnte sich nach Ruhe, besonders in den Nächten, in denen sein Kind endlich einmal durchschlief.

An einem Freitagabend, nach einer langen und anstrengenden Arbeitswoche, wollte Michael nur noch ins Bett. Er war erschöpft und müde, doch kaum hatte er sich hingelegt, da begann die Musik aus Toms Wohnung zu dröhnen. Es war nicht das erste Mal, dass Tom am Wochenende laut feierte, und normalerweise war Michael geduldig oder ließ es einfach über sich ergehen. Aber in dieser Nacht war etwas anders. Sein Baby war nach stundenlangem Schreien endlich eingeschlafen, und die Musik bedrohte diese kostbare Stille, nach der Michael sich so sehr gesehnt hatte.

Er lag wach, die Musik dröhnte durch die dünnen Wände. Mit jedem Bassschlag wuchs die Frustration in ihm. Michael dachte darüber nach, Tom eine Nachricht zu schreiben, doch dann hörte er lautes Lachen und das Klirren von Flaschen – es war offensichtlich, dass eine Feier im Gange war. Sein Ärger stieg in ihm auf wie eine Welle, und irgendwann konnte er es nicht mehr ertragen. Er stieg aus dem Bett, zog sich einen Pullover über und stapfte wütend zur Tür.

Seine Schritte hallten im Treppenhaus wider, als er hinüber zu Toms Wohnung ging. Seine Hand zitterte, als er mit der Faust gegen die Tür hämmerte, und sein Herz

raste. Im Inneren hörte er das Geräusch von Stühlen, die über den Boden scharrten, und dann öffnete sich die Tür. Tom stand in der Türöffnung, ein Bier in der Hand und ein ungläubiges Grinsen im Gesicht.

„Was gibt’s denn?“ fragte Tom, als ob es ihn völlig amüsierte, dass jemand an seiner Tür klopfte.

„Könnt ihr bitte die Musik leiser machen?“ Michael bemühte sich, ruhig zu bleiben, doch in seiner Stimme schwang die Erschöpfung mit. „Es ist schon nach Mitternacht, und wir haben ein Baby, das endlich schläft.“

Tom musterte Michael von oben bis unten und schüttelte leicht den Kopf. „Ach komm schon, es ist doch Wochenende. Chill mal.“

Etwas in dieser abfälligen Bemerkung ließ die Wut in Michael explodieren. Er war müde, erschöpft, frustriert – und dieser Mann vor ihm schien es nicht zu verstehen oder zu respektieren. Ohne zu überlegen, griff er nach der Bierflasche, die auf einem kleinen Tisch im Flur stand, und schlug sie Tom mit voller Wucht über den Kopf.

Die Flasche zersplitterte, und Tom stürzte nach hinten. Blut begann, aus einer Platzwunde an seiner Stirn zu fließen, während er benommen am Boden lag. In dem Moment realisierte Michael, was er getan hatte. Seine Hände begannen zu zittern, und er wich einen Schritt zurück. Die Musik verstummte, und die anderen Partygäste eilten herbei. Einige schrien, einer rief sofort den Notarzt.

Als die Polizei kam und Michael in Handschellen abführte, fühlte er sich taub. Die Realität dessen, was er getan hatte, begann erst nach und nach in ihm zu sinken. Wut, die er sich nie erlaubt hatte zu zeigen, hatte in einer einzigen unbedachten Sekunde alles zerstört.

Nun, einige Wochen später, saß Michael im Gerichtssaal. Er fühlte sich elend, als er auf den Richter wartete. Vor ihm stand Tom, der als Zeuge aussagte. Sein Gesicht war noch immer von der Platzwunde gezeichnet, und seine Nase war in einem Verband, nachdem sie bei dem Angriff gebrochen war. Tom sprach ruhig und sachlich über die Ereignisse jener Nacht, aber jedes Wort war für Michael wie ein Stich ins Herz.

„Ich weiß, dass er nicht so reagieren wollte“, sagte Tom schließlich, als er dem Richter direkt in die Augen sah. „Aber das, was er getan hat, war gefährlich. Es hätte schlimmer enden können.“

Michael wollte etwas sagen, wollte sich entschuldigen, aber die Worte blieben ihm im Hals stecken. Die Schuld überwältigte ihn. Er hatte nicht nur Tom verletzt, sondern auch das Vertrauen zwischen ihnen als Nachbarn unwiderruflich zerstört. Sein Blick wanderte nervös zu dem Richter, der mit ernster Miene die Aussagen durchging.

„Herr Bauer“, begann der Richter schließlich und sah Michael an. „Wut ist keine Entschuldigung für Gewalt. Sie haben jemanden verletzt, und das hätte weitaus schlimmere Folgen haben können. Dennoch berücksichtige ich, dass Sie keine Vorstrafen haben und Reue zeigen.“

Der Richter verhängte eine Geldstrafe und ordnete an, dass Michael an einem Anti-Aggressionskurs teilnehmen musste. Die Worte klangen hart, aber gerecht. Michael nickte nur stumm, dankbar, dass er nicht ins Gefängnis musste. Doch er wusste, dass die eigentliche Strafe der Gedanke war, dass er jemanden verletzt hatte, den er eigentlich nur hatte zur Vernunft bringen wollen.

Nach der Verhandlung ging Michael langsam auf Tom zu. Seine Hände zitterten noch immer leicht, und er fühlte, wie ihm das Blut in den Ohren rauschte. „Es tut mir leid“, brachte er schließlich hervor. Seine Stimme war kaum mehr als ein Flüstern, und die Scham stand ihm ins Gesicht geschrieben.

Tom sah ihn eine Weile an, sagte aber nichts. Er nickte nur kurz, als Zeichen, dass er die Entschuldigung zur Kenntnis genommen hatte, aber ob er sie akzeptierte, blieb unausgesprochen. Sie standen einander gegenüber, zwei Männer, die jetzt mehr denn je fremd waren, trotz all der Jahre, die sie Tür an Tür gelebt hatten.

Manche Wunden heilen nur langsam – und manche Narben bleiben für immer.

4. Die Versuchung (Diebstahl)

Anna hatte nie erwartet, dass sie einmal vor Gericht stehen würde. Seit fünf Jahren arbeitete sie als

Kassiererin in einem kleinen, familiengeführten Supermarkt. Es war kein glamouröser Job, aber er brachte das nötige Geld, um ihre kleine Familie über Wasser zu halten. Ihr Mann, Paul, war seit fast einem Jahr arbeitslos. Die Fabrik, in der er gearbeitet hatte, hatte geschlossen, und seitdem suchte er verzweifelt nach einer neuen Anstellung. Doch in ihrer kleinen Stadt waren die Jobmöglichkeiten rar. Ihr Sohn, Tim, war krank – er litt an Asthma und brauchte regelmäßig teure Medikamente, die das ohnehin knappe Haushaltsbudget weiter belasteten.

Jeden Monat war es ein endloser Kampf. Die Rechnungen häuften sich, und es gab Tage, an denen Anna nicht wusste, wie sie die nächste Miete zahlen sollte. Sie war erschöpft, ausgelaugt von der ständigen Sorge um Geld und die Gesundheit ihres Kindes. Es schien, als würde sich das Leben gegen sie verschwören. Trotzdem versuchte Anna, stark zu bleiben – für Tim und für Paul.

---ENDE DER LESEPROBE---