Tagebuch IV - Henry David Thoreau - E-Book

Tagebuch IV E-Book

Henry David Thoreau

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Beschreibung

In diesem Jahr 1852 beginnt sich Henry D. Thoreau mit der Fotografie zu beschäftigen und mit den Einflüssen des Lichts auf die Wahrnehmung. Immer häufiger werden seine Spaziergänge im Mondschein, der für ihn die Dinge genauer erscheinen lässt als die Ausleuchtung durch die pralle Sonne. Detailreiche und systematische Beobachtungen der Schneeflut, dann der durch das Tauwasser verursachten Wasserflut, regen weitreichende Reflexionen über die Veränderungen der Landschaft und die Einflüsse des Klimas auf die Natur an. Der Leser begleitet Thoreau in seinem Gang durch die Jahreszeiten, der dessen Sinne für die Details der uns umgebenden Welt schärft.

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Henry David Thoreau

Tagebuch IV (1852)

(Fluten / Sichten)

Aus dem amerikanischen Englischübersetzt und mit Anmerkungen versehenvon Rainer G. Schmidt

Mit einem Nachwortvon Ruth Young

Inhalt

Januar 1852

Februar 1852

März 1852

April 1852

Mai 1852

Juni 1852

Juli 1852

August 1852

Editorische Notiz. Fluten / Sichten

Ruth Young: Cage und Thoreau

Anmerkungen

Januar

1. Januar(…)

Ich habe beobachtet, dass die eine Stimmung der natürliche Kritiker der anderen ist. Wenn ich von einer starken Empfindung für einen Gegenstand erfüllt bin, der demjenigen fremd ist, über den ich gerade schreiben mag, dann weiß ich sehr wohl, was ich über Letzteren an Gutem oder Schlechtem geschrieben habe. Er sieht für mich jetzt so aus, wie er in zehn Jahren aussehen wird. Mein Leben ist dann ernsthaft und wird weder Notbehelf noch Unsinn dulden. Durch solch einen Prüfstein werden Tand oder Schwulst oder Belanglosigkeit aufgedeckt. Im Licht einer starken Empfindung nehmen alle Dinge ihren Platz ein, und Wahrheit jeder Art wird als solche angesehen. Lasst mich jetzt meine Verse lesen, und ich werde euch sagen, ob ein Gott seine Hand im Spiel hatte. Für einen Augenblick möchte ich mein Gedicht aus dem ungünstigsten Blickwinkel betrachten. Ich wünsche, in die Zukunft versetzt zu werden und mein Werk anzuschauen, als sei es ein Bau auf der Ebene, damit ich beobachten kann, welche Teile unter der Wirkung der Elemente eingestürzt sind.

Halb acht abends. – Nach Fair Haven.

Mond etwas mehr als halb voll. Keine Wolke am Himmel. Es ist bemerkenswert warm für die Jahreszeit, der Boden fast völlig kahl. Die Sterne sind strahlend hell. Vielleicht liegt das an meiner eigenen Dürftigkeit, doch mir scheint, dass der winterliche Nachthimmel eine gewisse Armut hat. Die Sterne der ersten Größenklasse sind heller und blendender und scheinen daher näher und zahlreicher zu sein, während diejenigen, die im Sommer undeutlich und unendlich fern erscheinen, wodurch sie zum Eindruck der Unergründlichkeit des Himmels beitragen, fast überhaupt nicht zu sehen sind. Die näheren Räume des Himmels sind so hell erleuchtet, dass sie die ferneren ganz überstrahlen. Der Himmel hat sich um viele Grade gesenkt.

Der Fluss ist gestiegen und hat wieder die Wiesen überflutet. Die Weymouthskiefern werden jetzt wieder vor dem Mond erblickt und wirken mit ihrem einfachen Laubkleid dünn.

Dies sind einige der Unterschiede zwischen dieser Nacht und den Herbst- oder Winternächten: der erstarrte Boden unter meinen Füßen, die blendende und scheinbare Nähe der Sterne, der schwächere Glanz vom Eis auf Flüssen und Seen, die weißen Flecken auf den Feldern und Streifen an den Mauerseiten mit den Resten noch nicht geschmolzener Wehen. Das Einzige vielleicht, das mich auf diesem Spaziergang ansprach, war der kahle, mit Flechten bedeckte graue Fels bei der Klippe, im Mondlicht nackt und fast warm wie im Sommer.

(…)

3. JanuarEichengalläpfel sind eine Winterfrucht. Jetzt, da das Laub fort ist, treten sie deutlich hervor und glänzen in der Sonne. Einige Bäume sind ganz voll von ihnen. Legen sie nicht nahe, dass jede pflanzliche Frucht auch nichts anderes ist als das Eiweiß um junges tierisches Leben?

Der Boden war einige Tage lang unbedeckt gewesen, und wir hatten warmes Wetter. Der Fluss war gestiegen, und jetzt sind die Flutwiesen so gefroren, dass sie tragen – ein dunkles, dünnes, aber ziemlich undurchsichtiges Eis, als sei es mit Dampf bedeckt –, und ich sehe jetzt: in langen Bahnen wandern, fegen, jagen zarte Schneekügelchen darüber hinweg, wie Baumwolle zart, rund und trocken, die ich nicht in der Luft entdecke, bevor sie niedergefallen sind. Sie setzen sich an einem Geländer fest und bilden kleine Wehen. Dadurch wird umso mehr das Schlittschuhlaufen verdorben.

Ein Geist bringt die Saite der Telegrafenharfe zum Schwingen, und klangvolle Melodien, endlos wie der Draht selbst, werden ihm entlockt. Für einen Ursprung jetzt brauchen wir Musik und Dichtung nicht Griechenland zuzuschreiben. Was wird an der heutigen Meeresküste aus der Geschichte mit der Schildkröte?1) Die Welt ist jung, und Musik ist ihre Kinderstimme. Ich gebe nicht die Hoffnung an eine Welt auf, in der man nur einen gewöhnlichen Draht von Mast zu Mast zu spannen braucht, um Weisen zu hören, die ihm von Neu-Englands Winden abgewonnen werden und die Griechenland und die gesamte Antike als musikalisch arm erscheinen lassen. Warum wurde es so eingerichtet, dass ein Mensch durch das Erzittern eines Drahts bis ins Innerste erschüttert wird? Lassen nicht Eingebung und Verzückung die Nerven schneller erbeben, wenn sie durch den hereinstürmenden erregten Geist, ob er nun zephyrhafter oder borealer Natur ist, zum Schwingen gebracht werden?

4. JanuarAuf teilweise schneebedecktem Eis nach Fair Haven.

Die Risse im Eis zeigen ein weißes Bruchmuster. Welcher Gesetzmäßigkeit folgen sie? Ein bisschen wie Blattwerk, aber zu eckig, gleichen sie den Schriftzeichen einer Sprache des Orients. Es ist mir, als könnte ich Grammatik und Wortschatz verstehen und mich in sie begeben. Sie haben die Form, die eine dünne Eisscholle beim Schmelzen annimmt, ungefähr rechtwinklig mit unregelmäßigem Rand.

Der See ist bedeckt – gescheckt oder gesprenkelt –, ist mehr als zur Hälfte bedeckt mit flachen Wehen oder Flecken von Schnee, der hängengeblieben ist und anmutig gebogene Konturen bildet. Man möchte gern darüber hinweggleiten wie ein Habicht und ihre Gesetzmäßigkeit entdecken.

(…)

7. JanuarGestern Abend ging ich in einem heftigen Schneesturm nach Lincoln, um einen Vortrag zu halten2, doch spendete mir der unsichtbare Mond noch durch das dichteste Gestöber Licht. Ich beobachtete, wie prächtig der Schnee auf den Zedern lag.

Heute Nachmittag liegt der Schnee in den Waldtälern und auf der Leeseite des Walds, wo der Wind ihn noch nicht durcheinandergewirbelt hat, immer noch so üppig auf den Bäumen wie je. Er war gerade feucht genug, um zu haften. Die Pechkiefern tragen ihn am besten, ihre Büschel hängen hinab wie die Federn von Straußen oder der Schwanz des Kasuars, und derart reinweiß – leider kann ich nicht sagen schnee weiß, denn in puncto Reinheit gleicht er nur sich selbst. Im Kontrast zu den dunklen Nadeln und Stämmen der Bäume ist er weißer denn je auf dem Boden. Sogar die kahlen Äste und Zweige der Apfelbäume tragen in den Vertiefungen jeweils einen kleinen, fünf oder sechs Zoll hohen Schneekamm, Schneekragen. Die Bäume sind unter dem Gewicht in mannigfachen Haltungen – Bögen usw. – gebeugt. Ihre Zweige und Kronen sind durch die Schneelast so miteinander verbunden und stehen in solch neuen Haltungen da, die Wipfel oft wie Baldachine oder Sonnenschirme geballt, dass sie mich an die Abbildungen von Palmen und anderer orientalischer Bäume erinnern. An manchen Stellen bis zum Boden geneigt und ganz den Weg versperrend, nicht vor Gram gebeugt, sondern in einem zufriedenen Winterschlaf. Wenn nur die Kronen oder Äste oder Büschel gekrümmt sind, sehen die Bäume oft aus wie Reisende, die dem Sturm trotzen und deren Köpfe und Schultern mit einem weißen Umhang bedeckt sind, in einem Faltenwurf, der hie und da Vorsprünge zu erkennen gibt – Stirnen und Ellbögen. (…)

9. JanuarDer Himmel ist durch Schneewolken den Blicken entzogen. Es flockt leicht, dann hört es auf zu schneien. Wo auf der Straße ein Weg durch Wehen geschaufelt und Schollen aufgehäuft wurden, sehe ich in den Rissen und Spalten kleine Azurflächen, kleine Himmel. Je tiefer sie liegen und je mehr Schnee sich um sie häuft, desto dunkler ist ihr Blau. Manche sind sehr hellblau mit einem Hauch Grün. Mich dünkt, ich sehe dies am häufigsten bei Schneefall. Jedenfalls muss die Atmosphäre in einem besonderen Zustand sein. Offenbar absorbiert der Schnee die anderen Strahlen und reflektiert das Blau. Er hat die Luft gesiebt, und nur die blauen Strahlen sind durch das Sieb gegangen. Ist also dann das blaue Wasser von Walden Schneewasser? Ich sehe den Himmel sich in Winkeln und Spalten im Schnee verbergen. In jede Spur, die der Fuhrmann hinterlässt, stürzt diese elysische, empyräische Atmosphäre. Das Blau meines Auges ist im Einklang mit diesem Blau im Schnee.

Der große Kiefernwald bietet heute Nachmittag einen besonderen Anblick. Dieser recht feine Schnee hat sich in den Ästen festgesetzt und ihnen ein leicht graues Aussehen verliehen. Doch da er in Stammnähe höher liegt, entsteht aus einer gewissen Entfernung der Eindruck undeutlicher weißer Linien, die sich in mannigfachen Winkeln wie ein gewaltiges Netzwerk über den Wald ziehen oder eher wie Spinnweben in Sommerfrühen auf dem Gras. Eine Art Schleier über dem Wald.

Ich sah die Pechkiefern nie besser beschneit. Sie wirken wie chinesische Pagoden.

(…)

11. Januar3Wir stellen manchmal fest, dass wir schnell leben – unergiebig und grob sogar – wenn wir uns dabei ertappen, unser Essen in unerklärlicher Hast zu uns zu nehmen. Doch in einer Hinsicht können wir nicht müßig genug leben. Möge ich nicht leben, als sei die Zeit knapp. Schreite mit den Jahreszeiten; habe Muße, jedem Phänomen der Natur beizuwohnen und jeden Gedanken zu hegen, der dir kommt. Möge dein Leben ein gemächliches Fortschreiten durch die Reiche der Natur sein, auch in Gastquartieren.

(…)

Wozu reisen? Keine Sierras gleichen den Wolken am Sonnenuntergangshimmel. Und haben diese nicht genügend Substanz? In einer tief gelegenen oder ebenen Landschaft treten die Wolkenformen fürs Auge vielleicht an die Stelle von Gebirgen und Klippen, die dichtere Atmosphäre schafft eine Gebirgslandschaft am Himmel.

Die Pracht dieser Nachmittage, selbst wenn der Himmel zumeist bedeckt ist, beruht auf unbeschreiblich hellblauen oder auch blassen grünlich-gelben Himmelsflecken im Westen kurz vor Sonnenuntergang. Niemals ist das gesamte, auf einmal erblickte Himmelsgewölbe so elysisch. Fenster zum Himmel, himmelwärts gewandte Fenster der Erde. Und das Ende des Tags ist wahrlich hesperisch.

(…)

Die Frage ist nicht, wohin der Reisende ging – welche Orte er sah – es wäre schwierig, zwischen Orten zu wählen – sondern wer der Reisende war – wie er reiste – welch unverfälschte Erfahrung er machte. Denn Reisen ist in der Hauptsache so, als bliebe man zu Hause, und dann lautet die Frage, wie man zu Hause lebt und sich verhält. Ich meine, die Entscheidung könnte schwerfallen, ob ich zum Lake Superior oder nach Labrador oder Florida reisen möchte. Vielleicht wäre kein Ort der Mühe wert, wenn ich auf übliche Weise reiste. Aber wenn ich es auf einfache und ursprüngliche Weise täte und in einer echteren Beziehung zu Menschen und Natur stünde, mich vom Alten und Gewohnten wegbewegte, eine echte Erfahrung vom Leben machte, wenn sie nur meinen Füßen und meinem Heimweh entspränge, dann wird es weniger wichtig, wohin ich gehe und wie weit. Ich sehe so die Welt unter einem neuen Gesichtspunkt, der einen besseren Überblick bietet. Vielleicht ist es einfacher, ein echtes und natürliches Leben zu führen, während man reist – da man weniger linkisch sein kann, wenn man sich bewegt, als wenn man stillsteht.

12. Januar, Montag(…)

Manchmal denke ich, dass ich zu harten und ernsthaften Wanderungen ausziehen und ein wesentlicheres Leben führen und eine glanzvolle Erfahrung machen kann; viel auswärts sein in Hitze und Kälte, Tag und Nacht; mehr leben, mehr Atmosphären verzehren, oft erschöpft sein usw. usw. Doch dann kommt mir rasch der Gedanke: Weiche nicht, wegen eines echteren Lebens, so weit von deinem Weg ab; schreite genau einzig auf dem Weg weiter, den dein Genius dir weist. Tue Dinge, die dir am nächsten sind, aber schwierig zu tun. Lebe ein reineres, gedankenvolleres und arbeitsameres Leben, sei wahrhaftiger zu deinen Freunden und Nachbarn, edler und großmütiger, und das wird besser sein als ein wildes Umherwandern. In Wahrheit und Aufrichtigkeit mit Menschen zu leben, hieße, in einem Grenzland zu wohnen. Welch wilde und wenig besuchte Wildnis wäre das! Welche Saguenays4 der Großmut könnten dort entdeckt werden! Es wird in dieser oder jener Weise übers Reisen geredet, als sei das Sehen allein auf die Augen beschränkt, und ein Mensch könnte zur Genüge über das berichten, vor dem er körperlich steht – wenn das Sehen überhaupt vom Sein abhängt. Jeder Reisebericht ist der Bericht von Sieg oder Niederlage, von einem Wettkampf mit jedem Ereignis und Phänomen und wie man daraus hervorging. Ein Blinder, der innere Wahrheit und Festigkeit besitzt, wird mehr sehen als jemand, der zwar tadellose Augen hat, aber keinen ernsthaften und arbeitsamen Astronomen, um durch sie zu schauen. Als seien die Augen der einzige Teil des Menschen, der reiste! (…)

13. JanuarJames Wood jr.5 erzählte mir heute Nachmittag von einer Weymouthskiefer in Concord, für die ihrem Besitzer dreißig Dollar geboten wurden, der es aber ablehnte. Er hatte die Parzelle wegen des Baums gekauft und ließ ihn stehen.

Jetzt bin ich hier um halb vier oder vier auf den Klippen. Der Schnee liegt mehr als ein Fuß hoch auf dem ganzen Land. Einige Wolken, flaumig und dunkel, treiben oben. Heiterer Himmel und strahlende Sonne, und noch keine Röte. Auffällige, doch bewundernswerte Mäßigung, dass jene auf Morgen und Abend beschränkt sein soll. So war es bei den Griechen. Eine perlmuttfarbene Tönung ist das Äußerste, das sie deinem Mittag zugestehen werden, und dies nur selten. Als ich zwanzig Minuten später auf blickte, sah ich wunderlicherweise eine lange, sich von Nord nach Süd erstreckende, dicht gewobene Wolke samt einer graubraunen, hell gesäumten Masse, wobei ihr unterer, nach Westen gerichteter Rand von wunderschöner Perlmuttfarbe war, so bemerkenswert wie ein Regenbogen, der sich über den halben Himmel erstreckt; und darunter, im Westen, huschen perlmuttfarbene Wolken, die ihre locker gewobene Form verändern und rasch dahinschmelzen, so schnell, dass ich mit dem Schreiben gar nicht nachkomme. Bevor ich diesen Satz vollende, schaue ich auf, und sie sind fort, wie Rauch oder eher wie Lokomotivendampf in der Winterluft. Selbst eine ansehnliche Wolke gleich einem sagenhaften Atlantis oder einer Unglücksinsel im hesperischen Meer wird in ein, zwei Minuten aufgelöst und versprengt, und nichts bleibt als reiner Äther. Dann kommt durch Zauberei eine weitere, wird aus dem reinen blauen Empyreum geboren, mit schönen perlmuttfarbenen Tönungen, wo vorher kein Dunstfetzen zu sehen war, nicht genug, um Glas zu färben oder eine Stahlklinge zu polieren. Sie wird heller und poröser; hier und da werden die blauen Tiefen durch sie erblickt; nur ein paar Flocken sind übrig; und jetzt sind auch diese verschwunden, und niemand weiß, wohin. Du musst einfach an den Himmel schauen, denn die Erde ist unsichtbar.

Wären Schneewehen nicht ein gutes Studienobjekt – ihre Philosophie und Poesie? Haben sie nicht ein Kapitel verdient? Werden sie immer aufgebaut oder nicht eher vom Wind, der durch die Mauerritzen weht, aus den Schneehaufen gemeißelt? Ich kann nicht erkennen, dass sie erbaut sind. Sie sind so etwas wie Rippelmarken, die das Luftmeer auf dem schneebedeckten Boden schafft.

Warum kann ich nicht in sein Büro gehen und mit John Wood sprechen und erfahren, was seine Wirklichkeit ist? Doch sollte ich ihm gewisse Beschränkungen auferlegen. Wir sind streng begrenzt auf unsere Leute; wem wir freie Hand geben. Ich sah ihn mit E. Wood Bäume aus dem Wald bei Fair Haven herausziehen – grobe Nordmännerarbeit mit Ketten und Kufen, die Elijah Wood leitete. Stand ein Baum im Weg, wurde er gefällt und beim Fallen beiseitegedrückt, damit er nicht die Ochsen traf, auch wenn er das Pferd erschrecken könnte, das dann mit seinem scheppernden Geschirr durch den Wald zu stürzen begänne, unbekümmert wie Pferde eben sind, bereit, sich selbst, wenn nicht gar anderen Schaden zuzufügen, instinktiv Schaden von dieser Unternehmung erwartend – bereit, sich auf dem erstbesten Pfahl aufzuspießen und seine blutigen Eingeweide der Luft auszusetzen und dieses Kunstwerk, das es darstellt, zu verderben – ein schauriger Anblick. Pferde haben so wenig Klugheit wie manche Menschen. Ich hörte von einem, das an einen Pfosten gebunden war und sich beim Abfeuern einer Kanone aufbäumte und auf die scharfe Spitze des Pfostens niederfiel, die es glatt durchbohrte und, es pfählend, an seinem Rücken wieder herauskam; und so ereilte sein Schicksal es, und es gab seinen Pferdegeist auf. So sorglos wie ein Pferd, das »aufgescheucht« wird.

Wir vergessen es, uns strebend zu bemühen, es besser zu machen als je von uns erwartet wurde. Ich kann nicht dabei verweilen, Glückwünsche entgegenzunehmen. Ich möchte die Welt hinter mir lassen. Wir müssen uns von unseren Schmeichlern zurückziehen, sogar von unseren Freunden. Sie ziehen uns hinab. Selten gebrauchen wir unser Denken so entschlossen wie ein Ire seinen Spaten. Um unseren Freunden und Verwandten zu gefallen, schaffen wir unser Silbererz in Wagenladungen hinaus, während wir es versäumen, unsere Goldminen weit oben in den Sierras zu bearbeiten, die nur uns selbst bekannt sind, wo wir bei unserer Bergwanderung einen Busch ausrissen und den glitzernden Schatz sahen. Lasst uns dorthin zurückkehren. Möge es der Preis unserer Freiheit sein, jenen bekannt zu machen.

14. JanuarWenn ich die abgestorbenen Stängel des Rainfarns, der Goldrute, des Hartheus, der Astern und der Filzigen Spierstaude usw. sehe, wie sie sich am Wegesrand, manchmal in rauen Mengen, über dem Schnee erheben und mich in Gedanken zurückversetzen in ihr grünes Sommerleben, stelle ich zaghaft eine Frage, die ich noch nicht beantwortet höre: Warum stehen sie da? Warum sollten die abgestorbenen Maisstängel das Feld länger einnehmen, als es die grünen und lebenden taten? Viele von ihnen sind Kornkammern für die Vögel. Das gemahnt daran, dass der Mensch nicht einjährig ist. Er sieht die einjährigen Pflanzen verwelken. Und es hört auch sein Saft im Winter nicht auf zu fließen wie der von Bäumen, auch wenn er zu dieser Jahreszeit eine leichte Neigung zur Winterruhe haben mag. Für die meisten ist es in gewissem Maße eine Zeit der Untätigkeit. Der Mensch legt seine Vorräte an und ist vielleicht ein wenig abgekühlt. Beim Nahen des Frühlings steigt in seinen Adern die Flut von Lebensgeistern, von Blut.

Hier liegen dicht aufgehäuft trockene Rainfarnstängel, immer noch mit denselben Wurzeln verbunden, die ihnen im Sommer Stütze boten, doch welch ein Unterschied zwischen diesen und jenen. Hier gibt es keine gelben Scheiben, keine grünen Blätter; hier ist kein strenger Geruch, der manche an Begräbnisse erinnert.6 Eine größere Veränderung als die hier stattgefundene lässt sich nicht denken. Kahle, braune, geruchlose Stängel, an denen immer noch die dürren Köpfe hängen. Farbe, Geruch und Aroma sind fort.

Wir sind mit der gesamten Natur verbunden, der belebten und unbelebten, und folglich haben wir in gewissem Maße teil an der Natur der Wesen, die Winterschlaf halten. Wir alle fühlen uns durch den Winter ein wenig begrenzt; die Nächte sind länger, und wir schlafen mehr. Wir tragen auch mehr Kleider. Doch ist das Denken nicht minder tätig; vielleicht sogar mehr.

(…)

Ich mag es, jetzt einen Haufen dunkel-rötlichen Wiesenheus anzuschauen, voll Farn und anderer Wiesenpflanzen der gröbsten Sorte. Meine Einbildungskraft sorgt für das Grün und das Bienensummen. Welch ein Sommermemento ist solch ein Heuhaufen! Im Winter neben einem mit Schnee bedeckten Heuhaufen stehen, durch den die trocknen Wiesenpflanzen hervorlugen! Und doch überleben unsere Hoffnungen.

(…)

15. Januar(…)

Es ist eine gute Schule für die Söhne von Farmern, zu diesen Nachmittagen zu gehen und für die Sägemühle große Stämme, riesiger als ein Kanonenrohr, zu verladen und zu befördern – eine Art Kampf im Wald. Sie gewinnen ihrer Arbeit wohl eine solche Erregung ab, dass sie nicht darüber reden können. Nachdem ich in Snorri Sturlesons Chroniken7 über das Leben und die Kämpfe der Nordmänner gelesen habe, erinnern mich deren Arbeiten stark an diese heutigen. Einige dieser Stämme sind für Pumpen bestimmt; die meisten für Bretter, Bauholz und Brückenpfähle. Ich traf einen meiner früheren Schüler, der Länge nach auf einen Baumstamm gestreckt, der einer riesigen Balliste8 oder einem Sturmbock glich, während ein Ochsengespann mit einem beladenen Schlitten allein voranging und ein weiteres folgte. Wie sie die Waldwege neu bahnen und abnutzen. Diese Männer halten mich für einen Bummler. Ich meine, sie schuften für Gewinn. Doch zweifelsohne ist unsere Beschäftigung ähnlicher, als wir vermuten, und wir dienen beide den Zwecken des großen Meisters mehr als unseren eigenen. Ich habe meine Arbeit im Wald, wo ich ihnen begegne, doch wandern meine logs zu einer anderen Mühle.9 Ich mache einen anderen Gebrauch von Kufen. Auch scheinen mir diese Männer, die Holz auf Schlitten transportieren und die Stämme im Wald der Länge nach zersägen, mehr nach der alten Nordmännerart beschäftigt zu sein als die Mechaniker in ihren Werkstätten oder die Kaufleute hinter ihren Ladentheken. Es sind jetzt viel mehr Menschen im Wald als im Sommer.

Das Wetter war vierzehn Tage lang mild gewesen. Die einander überdeckenden Schneewehen an den Wegrändern erinnern mich an Marmorgräber und Meißelwerk, das ich gesehen habe. Ich sehe die Stellen, an denen der Fuhrmann ab und zu seine Peitsche niedergelegt hat. Er befleckt die makellose Reinheit des Schnees mit seinem Kautabaksaft.

In einem Bericht über ein chinesisches Begräbnis heißt es, dass die anwesenden Freunde »bei ihrem Gang keine besondere Ordnung einhielten.«10) Das scheint eine natürlichere und passendere Gepflogenheit zu sein, mehr der Trauer gemäß. Die Reihen sollten nicht geschlossen sein. Wie muss die Moral in jenem Land beschaffen sein, wo es die Sitte verlangt, dass der erste Leidtragende die äußerlichen Anzeichen tiefster Trauer vorgibt, wo er sie doch gar nicht empfindet, dass er sich zu Boden wirft und schluchzt und heult, auch wenn keine einzige Träne vergossen wird, und er beim Gehen die Unterstützung anderer benötigt! Welche Zuflucht kann die Wahrheit in einem solchen Land haben?

16. JanuarIch stelle fest, dass für manche Menschen ihre Beziehung zur Menschheit höchst bedeutsam ist. In ihren Augen ist es verhängnisvoll, gegen die Meinungen und Sitten ihrer Mitmenschen gröblich zu verstoßen. Misslingen und Erfolg werden daher von ihnen nie absoluten und allgemeinen Prüfungen unterzogen. Ich selbst fühle mich meinen Mitmenschen nicht so lebensnotwendig verbunden. Ich komme nur an einer Stelle seitlich in Berührung. Ich habe keine siamesische Zwillingsverbindung mit ihnen. Es ist eine unsichere Sache, sich der Menschheit und den Meinungen der Gesellschaft allzu sehr zu unterwerfen, denn diese sind stets, von der Höhe der Philosophie betrachtet, ausnahmslos heidnisch und barbarisch. Ein kluger Mensch sieht das Heidnische und Barbarische seiner eigenen Landsleute ebenso deutlich wie das der Staaten, in die seine Landsleute Missionare schicken. Engländer und Amerikaner sind ebenso anfällig für nationalen Aberglauben wie Hindus und Chinesen. Meine Landsleute sind fremdländisch für mich. Ich habe für sie nur wenig mehr Mitgefühl als für die Menschenmassen Indiens und Chinas.

Alle Staaten lassen ihre Pflichten schleifen und bleiben hinter ihren Ansprüchen zurück. Madame Pfeiffer11) erzählt, dass sie von den Parsen oder Feueranbetern in Bombay, die doch alle auf der Esplanade zur Begrüßung der ersten Sonnenstrahlen bereit sein müssten, nur wenige hie und da angetroffen habe und dass manche nicht vor neun Uhr erschienen seien.

Ich sehe nicht, dass die vorgetäuschte Feierlichkeit und die gekaufte Grabrede des Gemeindegeistlichen sich von dem Geheul und dem Sich-auf-die-Brust-Trommeln der angeheuerten Klageweiber des Ostens wesentlich unterscheiden.

Bill Wheeler12 hatte statt Füße zwei Klumpen und kam nur langsam voran, mit kurzen Schritten – da ihm einst die Füße erfroren sind, wie ich erfuhr. Ich war ihm bestimmt alle fünf Jahre mal begegnet, wie er auf seinen Stumpen in die Stadt vorrückte und sich dabei auf der Straßenmitte hielt, als triebe er eine unsichtbare Herde vor sich her, insbesondere an einem Militärfeiertag. – Aus welchen Gefilden er kam, von wem er gedungen worden war – in welch entlegener Scheune er all diese Jahre gehaust hatte –, das erfuhr ich nie. Er schien zu einer ganz anderen Menschenkaste zu gehören und erinnerte mich sowohl an die indischen Parias wie auch an Märtyrer. – Ich erfuhr, dass sich jemand gefunden hatte, der ihm für die wenigen Arbeiten, die er machen konnte, seinen Trank beschaffte. Von Speise war nie die Rede gewesen, so sehr hatte er sein Leben verfeinert.13 – Eines Tages, vor nicht allzu langer Zeit, sah ich auf meinem Spaziergang im Wald nahe der Great Meadows eine Art Unterschlupf, ein grobes, mit Wiesenheu überdecktes Gestell, wie es von Waldarbeitern benutzt werden mag. – Als ich meinen Kopf in eine Öffnung hineinschob, wie ich es in solchen Fällen zu tun pflege, fand ich Bill Wheeler dort schlafend eingerollt auf dem Heu, der, als er jäh aus tiefem Schlaf geweckt wurde, sich die Augen rieb und fragte, ob ich irgendein Wild entdeckt hätte, da er meinte, ich sei auf der Jagd. Als ich ging, dachte ich viel über das Leben dieses Mannes nach – dass er mit niemandem verkehrte; vielleicht jetzt für niemanden kleine Arbeiten erledigte; dass er ein niedriges Leben führte, vielleicht aus einem tiefen Grundsatz heraus, dass er vielleicht ein mächtiger Philosoph war, größer als Sokrates oder Diogenes, der das Leben vereinfachte, zur Natur zurückkehrte, den Städten den Rücken zugewandt, dass er vieles abgelegt hatte – Luxus, Komfort, menschliche Gesellschaft, sogar seine Füße – und mit seinen Gedanken rang. Ich fühlte mich sogar wie Diogenes, der seinen Becher wegwarf, als er den Jungen aus seinen hohlen Händen trinken sah. Hier war jemand, der seinen Weg allein ging, keine Arbeit machte, der, meines Wissens, keine Verwandten hatte, nicht ehrgeizig war, wie ich sehen konnte, nicht von der guten Meinung von Menschen abhing. Musste er die Dinge nicht mit einem unparteiischen Auge sehen, gleichgültig, wie eine Kröte den Gärtner beobachtet? Vielleicht ist das hier einer aus einer Sekte von Philosophen, der Einzige, im Denken und Leben so abgesondert von seinen Zeitgenossen, dass seine Weisheit für sie tatsächlich Torheit ist. Wer weiß, ob er nicht in seinem einsamen Heubett in Gedanken voll von triumphierendem Spott über die Menschheit ist? Wer weiß, ob das hier nicht, unausgedrückt und unausdrückbar, der Literatur und dergleichen überlegen ist? Jemand, der beschlossen hat, sich selbst zu erniedrigen und zu kasteien, wie niemand zuvor erniedrigt und kasteit wurde. Dessen lebendige Wahrnehmung gar, dessen Wissen und Verständnis, ihn stumm gemacht und kein gemeinsames Bewusstsein und keinen gemeinsamen Boden für das Sprechen mit seiner Art gelassen haben – oder eher seiner ungleichen Verwandtschaft! Dessen Neuigkeiten einfach nicht meine oder eure sind. Ich war für einen Augenblick nicht sicher, ob dies nicht ein Philosoph war, der die Philosophen Griechenlands und Indiens weit hinter sich gelassen hatte, und ich beneidete ihn um seinen vorteilhaften Blickwinkel. Ich war natürlich nicht durch ein paar dumme Worte und offensichtliche Torheit zu täuschen. Über seine Stellung und seinen Werdegang dachte ich nach.

(…)

Ich hätte gern erfahren, wie er das Leben betrachtete. Ein oder zwei Monate danach wurde er, wie ich hörte, tot im Gebüsch hinter dem Hügel gefunden. – Er war schon so stark verwest, dass man seinen Sarg zu seinem Leichnam bringen musste, den man mit Heugabeln hineinlegte. Ich habe dennoch meine Vermutungen, er könnte den Tod eines Brahmanen gestorben sein, zuletzt bei Baumwurzeln hausend, und in den Geist von Brahma eingegangen sein; auch wenn mir inzwischen versichert worden ist, er habe an enttäuschter Liebe gelitten – habe einen Liebesknacks gehabt. Und was kann denn ein edleres Leiden, ein schönerer Tod für ein menschliches Wesen sein als eines, das ihn dazu brachte zu trinken, sich die Füße erfrieren zu lassen und das auch das Übrige für ihn tat. Warum haben die Menschen nicht Nutzen aus seiner langen Prüfung gezogen?

(…)

17. JanuarEines Tages – an einem Sonntag – machten zwei junge Frauen an der Tür meiner Hütte halt und baten um etwas Wasser. Ich erwiderte, ich hätte kein kaltes Wasser, aber ich würde ihnen eine Schöpfkelle leihen. Sie brachten die Schöpfkelle nie zurück, und ich konnte mit Recht annehmen, dass sie zum Stehlen gekommen waren. Sie waren eine Schande für ihr Geschlecht und die Menschheit. Parias der moralischen Welt. Üble Geister, denen nicht nach Wasser dürstete, sondern die die Schöpfkelle in den See warfen. Solche, wie Dante sie sah. War der See für sie nur flüssiges Feuer und Schwefel? Sie werden erst Frieden finden können, wenn sie die Schöpfkelle zurückgegeben haben. Dies ist in allen Welten beschlossen.

(…)

In dem Maße, wie ich himmlische Gedanken hege, besteht für mich die Notwendigkeit, im Freien zu sein und an diesen Wintertagen den Westhimmel vor Sonnenuntergang zu betrachten. Das ist das Symbol des unbewölkten Geistes, das weder Sommer noch Winter kennt. Wem ist dein Denken gleich? Es ist die Farbe, die Reinheit und Transparenz, der Abstand zur irdischen Tönung meines innersten Geistes, denn was immer wir draußen sehen, ist ein Symbol von etwas Innerem, und das Fernste ist das Symbol dessen, was am tiefsten innen ist. Der Liebhaber der Kontemplation wird demgemäß viel in den Himmel blicken. Schöne Gedanken und ein heiterer Sinn ergeben schöne Tage. Der Regenbogen ist das Symbol des Triumphs im Gefolge eines Kummers, der uns zu unserem Vorteil geprüft hat, sodass wir zuletzt durch unsere Tränen hindurch lächeln können. Mit solcher Miene kommen wir aus dem Haus des Klagens. Wir haben unseren Trost in Tränen gefunden. Wie der Himmel einem Menschen erscheint, so ist sein Geist. Manche sehen dort nur Wolken; manche Wunder und Vorzeichen; manche schauen überhaupt selten hoch; ihre Köpfe sind, wie die der Tiere, auf den Boden gerichtet. Einige sehen dort Heiterkeit, Reinheit, unaussprechliche Schönheit. (…)

Welch unendliche Vielfalt in den Formen und dem Gefüge der Wolken! – einige zart, andere grobkörnig. Heute Abend sah ich droben etwas, das sich über zwei Drittel des Himmels hinzog und dem Rückgrat mitsamt den Rippenteilen eines fossilen Ungeheuers glich. Jede Gestalt und jedes Geschöpf ist so im Dampf am Himmel vorgezeichnet.

Sah einen Fuhrmann, der heute Nachmittag die Boston Road heraufkam; hinter zwei Pferden saß er auf seiner offenbar aus Mais- oder Salzsäcken bestehenden Ladung und klatschte, der Kälte wegen, in die Hände. Schließlich stieg er ab und ging nach hinten, um sein Blut schneller kreisen zu lassen, und ich bemerkte seinen hohen Wuchs. Doch als ich mich ihm näherte, sah ich, dass er ein Hüne war und alle in seiner Nähe als Zwerge erscheinen ließ, sodass ich nicht wusste, ob er groß war oder sie klein. Doch obwohl er so hoch aufragte, war er doch beträchtlich vorgebeugt, mehr als irgendwer, der mir in den Sinn kommt, und er trug eine flache, glatte Mütze, um seine Größe zu verbergen, und als er ins Dorf kam, setzte er sich wieder auf seine Säcke. Ich hörte, wie er einem Jungen gegenüber bemerkte, es sei kalt, was auch stimmte; doch fragte ich mich, warum er die Kälte so stark empfinden sollte, denn ich meinte, es müsse wohl lange dauern, bis ein so großer Körper ausgekühlt ist.

Ich erfuhr, dass es Kimball14 aus Littleton war, wahrscheinlich noch keine zwanzig Jahre alt. Die Familie war nicht groß. Wilde, der die Zählung15 vornahm, sagte dies, und dass seine Schwester meine, er bringe nicht viel zuwege – es mangele an Gesundheit und Kraft. Es betrübte ihn, so groß zu sein, denn die Leute starrten ihn an. Der Anblick eines solchen Menschen lässt sogleich an etwas Ungeheuerliches im schlechten Sinn denken. Riesenhaftigkeit ist unmenschlich. Als hätte ein Mensch mit seiner Geburt die Erde an sich hängen. Ich sah ihn auf einem Schlitten stehen und mit dem Fahrer sprechen, während sein eigenes Gespann weiterfuhr, und aufgrund des Größenvergleichs der beiden nahm ich an, dass sein Gefährte saß, doch es stellte sich heraus, dass er stand. Solch ein Mensch ist um so viel weniger menschlich; und das kann ihn traurig machen.

(…)

Es scheint mir, dass der Geist des Menschen sehr früh, vielleicht gleichzeitig mit seinem Körper, aufhört, biegsam zu sein. Seine Geisteskraft wird ein wenig begrenzt und beschränkt. Er denkt nicht ausgedehnt, so wie er sich in der Zeit seines Heranwachsens streckte. Was dehnbarer Saft war, härtet sich zu Kernholz, und es gibt keine weitere Veränderung. In der Jugendzeit ist der Mensch, wie mich dünkt, zu geistiger Leistung und Anstrengung fähig, die alle Regeln und Grenzen überschreitet; da die Jugend ihre ganze Kraft ohne Angst oder Vorsicht ausbreitet und ihre Grenzen nicht spürt. Das ist der Übergang von Dichtung zu Prosa. Der junge Mensch kann laufen und springen; er hat nicht genau erfahren, wie weit, er kennt keine Grenzen. Der Erwachsene geht nicht über seine tägliche Arbeit hinaus. Er hat keine Kraft zu vergeuden.

(…)

18.Januar. Sonntag(…)

Ich erinnere mich noch an jenes wundervolle Funkeln auf Pelham Pond. Sogar die Jäger in der Ferne, mit ihren Flinten und Hunden, boten Oberflächen, auf die ein Glitzern übergreifen konnte, so war die transparente, aufblitzende Luft beschaffen. Es war eine höchst belebende, berauschende Luft, wie wenn Dichter vom funkelnden Wein singen.

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Während der Schnee fällt, erschallt die Telegrafenharfe über die Felder. Als käme der Telegraf einem Attribut der Göttlichkeit so nahe, dass Musik sie auf natürliche Weise begleitete.

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19. JanuarIch war ein wenig erstaunt neulich abends, dass der Riese so selbstverständlich zum Menschengeschlecht zählte, dass er nicht vermutete, zu einer anderen Gattung zu gehören, dass er nicht mit einer Menagerie loszog, mit Elefant und Giraffe. Man braucht nicht weit zu gehen, braucht nur stark zu wachsen, um über den Bereich des Menschlichen hinauszugelangen. Warum sollte er als eine Art Anhängsel des Menschengeschlechts existieren? Wo war seine restliche Familie? Er war gleichsam verloren gegangen. Er hat etwas komisch Ergreifendes. Was ließ ihn glauben, er gehöre zum Menschengeschlecht? Entwickelte er allmählich diesen Glauben? Sein Wachstum war pflanzlich. Seinem Gesicht fehlte der Ausdruck. Als seine breiten Gesichtszüge bereits ausgebildet waren, trat das Fleisch immer noch weiter hervor, wie bei einem Riesenkürbis, der all seine Warzen noch vergrößert. Riesenwachstum des Körpers lässt ans Pflanzliche denken. Er war eine Weymouthskiefer, eine Platane. Ein Kürbiswachstum ganz und gar. Mehr Fleisch, als seine Seele beleben konnte. Sogar seine Gedanken haben etwas Ungeheuerliches.

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20. JanuarGing die Boston Road entlang. Es war gut, über die großen, makellosen Schneefelder zu blicken, in denen die Mauern und Zäune fast begraben waren und wo fast kein Rasenstück oder Pfosten frei geblieben war, auf dem sich die hungernden Krähen niederlassen konnten. Keine Spur, kein Zeichen könnte jenseits der einzelnen Schlittenspur die Reinheit des Schnees beeinträchtigen, außer dort, wo jede halbe Meile ein Reisender zur Seite getreten ist, um einen Schlitten vorbeizulassen.

Jetzt können die Farmer Torf und Dung über die gefrorenen Flutwiesen fahren. Der Gelehrte tut, wie mich dünkt, etwas Entsprechendes; mit geballtem Schwung und Winterjubel fährt er auf seinen frisch gefestigten Wiesengrund und karrt und schleppt die jungfräuliche Fracht fruchtbar machenden Bodens herbei, den er zunächst im warmen, weichen Sommer ausgeworfen hat. Wir bringen jetzt unseren Dung von den Wiesen herunter, doch wurde er zuerst im Sommer ausgeworfen. Die Arbeiten von Gelehrtem und Farmer sind ganz und gar ähnlich. Leicht befördert er jetzt auf dem Schlitten große Fuhren Brenn- und Bauholz, das in vielen Sommern gewachsen ist, vom Wald zur Stadt. Er handelt mit dürrem Heu und Kühen, der Ausbeute von Sommerauen und -feldern, die er in seinen Scheunen lagert und tagtäglich austeilt, und produziert Milch für Menschen. Wenn ich den Farmer mit einer Ladung Dung, dessen Schwärze seltsam mit dem weißen Schnee kontrastiert, in seinen Scheunenhof fahren sehe, habe ich die geschilderten Gedanken. Sein Tun gleicht meinem. Mein Tagebuch ist mein Scheunenhof.

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22. Januar(…)

Mein Freund ermuntert mich, ihm meine Abhandlungen vorzulesen. Gern möchte ich lesen, wenn er nur hören würde. Nicht grob hören, sondern fein, und nicht erlauben, dass das Mindeste durchs Sieb des Hörens hindurchgeht. Sich jahrelang mit jemandem freudig verbinden, der einem nie von Gedanke zu Gedanke begegnete! Eine überfließende Sympathie, während es doch keine geistige Gemeinschaft gibt. Könnten wir uns nicht mit der gleichen Herzlichkeit auf höherer Ebene begegnen? Es ist öde Arbeit, jemandem vorzulesen, der einen nicht begreift. Wie kann es weitergehen? Ich will dennoch in meinem Gespräch und Umgang mit meinen Freunden bei der Wahrheit bleiben, ob ich ihnen nun nähergebracht oder weiter von ihnen entfernt werde. (…) Es ist nutzlos, durch Wort oder Tat zu lügen. Ist die immerwährende Wahrheit nicht annehmbar für dich?

Solche ausgesuchten Erfahrungen niederschreiben, dass meine eigenen Schriften mich inspirieren können und ich schließlich aus Teilen Ganzheiten machen kann. Es ist gewiss ein ganz anderer Beruf, die Gefühle und Gedanken, die alle Menschen mehr oder weniger allgemein haben, dem Vergessen zu entreißen und festzuhalten. Möge die Betrachtung des unfertigen Bildes seine harmonische Vollendung anregen.16 Verkehre ehrerbietig und so oft du kannst mit deinen erhabensten Gedanken. Jeder Gedanke, der begrüßt und aufgezeichnet wird, ist ein Nestei, neben dem weitere Eier gelegt werden. Zufällig zusammengewürfelte Gedanken werden zu einem Rahmen, in dem es möglich ist, mehr zu entwickeln und zu zeigen. Vielleicht besteht der Wert der Gewohnheit des Schreibens, des Tagebuchschreibens, hauptsächlich darin – dass wir uns so an unsere besten Stunden erinnern und uns selbst anregen. Meine Gedanken sind meine Gesellschaft. Sie haben eine gewisse Individualität und Besonderheit, ja, Persönlichkeit. Nachdem ich ein paar unzusammenhängende Gedanken zufällig aufgezeichnet und nebeneinandergestellt habe, legen sie ein vollständiges neues Feld möglichen Arbeitens und Denkens nahe. Gedanke zeugte Gedanken.

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23. Januar(…)

Keine Musik von der Telegrafenharfe auf dem Dammweg, wo der Wind stark ist, doch im Durchstich höre ich an diesem kalten Tag erinnerungswürdige Melodien. Was müssen die Vögel und Tiere denken, die vorher nur das Knarren der Bäume hörten, wenn solche Weisen durch den Wald ziehen! Vermutlich gehen diese Melodien schließlich in ihre Musik ein. Wird man nicht die Spottdrossel eines Tages hören, wie sie diese Klänge in ihr Potpourri einfügt? Sie berauschen mich. Orpheus lebt noch. Jegliche Dichtung und Mythologie lebt wieder auf. Die Geister aller Barden bringen die Saiten zum Schwingen. Ich höre das hellste Silber, Töne wie von der Lyra, tyrtäische Töne. Ich denke an Menander und die Übrigen.17 Es ist die herrlichste Musik, die ich je hörte. All diese Barden leben auf und erblühen wieder in den fünf Minuten im Eisenbahndurchstich. Der Wind kam durch eine Eiche, die immer noch ihr welkes Laub trug. Die hauchzarten, klaren Töne schienen aus Kern und Mark des Telegrafenmastes selbst zu kommen. Ich weiß nicht, ob das meine eigenen Saiten sind, die so göttlich erbeben. Es gibt Baritontöne und hohe schrille Klänge. Einige kommen anscheinend von weit her längs des Drahts gesaust. Die verborgene Musik der Erde hat sich hier Luft verschafft. Äolische Musik. Auf jeder Seite waren in der Tat zwei Saiten. Ich weiß nicht, ob mich das dazu bringen wird, die griechischen Dichter zu lesen. So ist, wie immer, der schönste Gebrauch, den man von Dingen machen kann, zufällig. Mr. Morse erfand diese Musik nicht.

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24. JanuarWenn du ein Schriftsteller bist, schreibe, als ob deine Zeit kurz bemessen wäre, denn sie ist es in der Tat, wenn sie am längsten scheint. Benutze jede Gelegenheit, wenn deine Seele erreicht ist. Leere den Kelch der Eingebung bis zur Neige. Fürchte keine Unmäßigkeit, denn es werden Jahre kommen, in denen du andererseits ungenutzte Gelegenheiten bedauern wirst. Der Frühling wird nicht ewig währen. Diese fruchtbaren und sich ausdehnenden Jahreszeiten des Lebens, wenn der Regen deine Wurzel erreicht, wenn deine Lebenskraft aufschießt, wenn deine Blüte knospt, werden seltener und die Abstände dazwischen größer. Nochmals sage ich: Gedenke in den Tagen deiner Jugend deines Schöpfers.18 Gebrauche und übergebe dem Leben, was du nicht dem Gedächtnis übergeben kannst. Ich höre die Klänge des Klaviers meiner Schwester unten.19 Es erinnert mich an Melodien, die ich einst öfter hörte, als ich, von dem unhörbaren Rhythmus eingenommen, mein Zimmer in der Kälte aufsuchte und mich mit meinen eigenen Gedanken besprach. Es ist, als empfing ich damals die Gaben der Götter mit allzu viel Unbekümmertheit. Warum bestellte ich nicht jene Felder, die mir bekannt gemacht worden waren? Widersteht denn nichts dem unvermeidlichen Lauf der Zeit? Warum gebrauchte ich meine Augen nicht, als ich auf dem Berg Pisgah stand? Jetzt höre ich diese Melodien nur selten. Meine rhythmische Stimmung dauert nicht fort. Ich kann mich in Gedanken nicht von ihr zurückziehen und zu ihr zurückkehren, wie jeden Abend oder jeden Morgen zu einem Brunnen. Ich kann meine Feder nicht in sie tauchen. Ich kann ihre Maserung nicht bearbeiten, sie ist so zart und flüchtig. Ah, süße, unauslöschliche Erinnerungen!

In dein Tagebuch soll nie ein Scherz gelangen! Für den Ernsten gibt es nichts Lächerliches!

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Selbst die dürren Blätter sind gesellig und sammeln sich in den Schneemulden zu kleinen Haufen, oder sogar auf den ebenen Oberflächen, wo der Wind sie in Scharen herbeitreibt. Wie scheue Mädchen, die sich mit ihren Schals umhüllen, flattern sie vorbei! Die Eichen sind dazu bestimmt worden, ihre Blätter zu behalten, damit diese über die Schneekrusten spielen und die Winterlandschaft vielfältiger machen können. Will man Blätter sammeln, braucht man im Schnee nur Kuhlen als Fallen zu machen. Ich sehe, dass meine Spuren oft zwei Fuß tief mit ihnen gefüllt sind. Sie werden auf dem welligen Schnee ganz über den Walden Pond geweht. Zwei, die ruckartig vorbeiflattern – mal stürmt eines vor, mal das andere – lassen mich an Eichhörnchen denken. Zumeist die Blätter von Weißeichen, aber auch von den anderen Eichen, insbesondere Roteichen. Verglichen mit den wilden, jähen Spitzen der Rot- und Färber- und Scharlach- und Zwergeichen lassen die gerundeten Ausbuchtungen, die bogenförmig gezackten Ränder der Weißeiche an eine gewisse Verfeinerung oder Kultivierung, ja sogar Weiblichkeit denken.

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Im Wald sehe ich die erloschenen Gluten des Waldarbeiters, die dort, wo er mittags seinen Kaffee aufgewärmt hat, eine kreisrunde Öffnung in den Schnee geschmolzen haben. Aber zurzeit schmilzt das Feuer den Schnee nicht weiter als in einem Bereich von drei Fuß.

Diese Wälder! Warum empfinde ich nicht größeren Schmerz, wenn sie gefällt werden? Geht es mir nicht nahe? Die Axt kann mir vieles nehmen. Concord ist um seinen Stolz gebracht worden. Ich bin folglich umso weniger mit meiner Heimatstadt verbunden. Ein Bindeglied, und zwar ein wesentliches, ist zerbrochen. Ich werde weniger häufig zum Walden Pond gehen.

Wenn die Telegrafenharfe erbebt und zittert, bin ich am stärksten berührt, als käme sie fast dem Sprechen nahe. Sie spielt so mit meinen Herzsaiten. Wenn die Harfe ein wenig verklingt, dann lebe ich statt ihrer auf. Sie kann gar nicht zu leise sein. Fast beneide ich die Iren, deren Hütte im Eisenbahndurchstich so dicht daran liegt, dass sie diese Musik täglich an ihrer Tür hören können. Wie seltsam der Gedanke, ein so besänftigender, erhebender, erziehender Klang, der von Griechenland und den Musen kündet, könnte gehört worden sein, wie er über andere Saiten strich, in einer Zeit, als nur der rote Mann diese Gefilde durchstreifte!, und hätte diesen vielleicht im Laufe der Zeit zivilisiert haben können.

Wenn ein tapferer Indianer Marter nicht fürchten wird und seinen Feinden hilft, ihn zu quälen, was wird dann aus Nächstenliebe und hundert anderen christlichen Tugenden? Die Barmherzigen sind plötzlich ohne Beschäftigung.

Beim Hinaustreten auf die Dammstraße erblickte ich ein prächtiges Bild im Westen. Wenn man die Wolken in den Westen tauchen sieht, haben sie damastartige Muster, wie eine unten funkelnde Spalte in einer Kohlengrube. Wenn Wolken sich in der Mitte des Nachmittags erheben, ist nicht vorherzusehen, welches Sonnenuntergangsbild sie für uns vorbereiten. Eine einzelne Ulme bei dem Anwesen von Hayden hebt sich vor dem bernsteinfarbenen und goldenen Saum ab, wird tief düster, um aber am Horizont bald rot zu sein.

Und nun ist die Mondsichel zu sehen, und ihr Begleitstern ist weiter entfernt als letzte Nacht.

25. Januar, SonntagDer Schnee hat auf den Ebenen eine ganze Zeit lang mehr als einen Fuß hoch gelegen, und einige Straßen waren völlig zugeweht; es war einige Wochen über eisig kalt gewesen, mit Temperaturen von zwanzig und einundzwanzig Grad frühmorgens.20 Ein kanadischer Winter. Manche sagen, wir hätten keine so lange Kälteperiode seit 1831 gehabt, als es sechs Wochen kein Tauwetter gegeben haben soll. Doch letzte Nacht und heute ist es milder geworden. Es ist herrlich, heute Nachmittag draußen zu sein. Der Schnee schmilzt an der Oberfläche. Die Wärme der Sonne lässt mich an den Sommer denken. Der Hund läuft vor uns auf dem Eisenbahndamm und scheint es ebenso zu genießen wie wir. (…)

Die Tonerde im Eisenbahndurchstich schmilzt und fließt hinab, glitzernd in der Sonne. Ich bin es, der schmilzt, während die Harfe oben tönt und die Schneewehen auf der Westseite wie Wolken wirken.

Wir wandten uns längs des Bachs bei Haywoods Wiese hinab. Es war sehenswert, wie das Wasser, selbst im Sumpfland, wo der Bach beinahe stillsteht, in der Atmosphäre funkelte, denn trotz der Wärme ist es bemerkenswert klar. Wasser, das im Sommer dunkel und vielleicht trübe aussehen würde, glitzert jetzt wie die Seen im November. Dieses Wasser ist jetzt verlockender, da alles ringsum tief verschneit ist. Der Bach hier ist voller Katzenschwänze (Typha latifolia) (Rohrkolben). Als ich die immer noch fast vollkommenen Kolben dieses schönen Schilfs auseinanderpflückte oder aufbrach, so wie man Brot bricht, stellte ich fest, dass die Blüten an ihrer Basis, an der Verbindungsstelle mit dem Stängel, rot oder karminrot waren. Als ich dergestalt das abrieb, was zuerst nur ein Fingerhut voll dieser trockenen Blümchen war, nahmen sie plötzlich Luft auf und flogen hoch wie Puder, breiteten sich aus wie Federn und Schaum, füllten und überfluteten meine Hand, der sie ein ganz bemerkenswertes Wärmegefühl verliehen. Mit Erstaunen sah ich, wie eine kleine Menge ausgedehnt und aufgeblasen wurde, nachdem sie freigesetzt und der Luft überlassen war, und unermüdlich wiederholte ich das Experiment. (…) Das hat für jemanden, der es zum ersten Mal versucht, etwas Magisches. Wie ein Puderwölkchen steigen sie auf. Man weiß zuerst nicht, woher sie alle kommen. Das ist der Trick des Zauberers in der Natur, als holte man aus einem Hut genug Federn hervor, um einen Bettbezug zu füllen. Wenn du das getan hast, aber gar nicht aufhören kannst, den fast kahlen Stängel abzukratzen, überfluten sie immer noch deine Hand wie zuvor. Schaue wieder hin und überprüfe, wie leicht sich der Pollen entzünden lässt. Indes die Blümchen sich öffnen und freisetzen, zeigen sie ihre roten Enden, wodurch eine schillernde Farbwirkung entsteht.

Ah, und dann der Bach dahinter, sein plätscherndes Wasser und seine sonnenbeschienenen Sandbänke! Sie ließen mich vergessen, dass es Winter war. An Stellen, wo Quellen aus dem weichen Ufer über dem abgestorbenen Laub und dem grünen Sphagnum sickerten, hatten sie den Schnee geschmolzen, oder der Schnee war vielleicht im Fallen geschmolzen, und die Kaninchen hatten den Schlamm ringsum auf den Schnee gespritzt. Die Sonne warf von dem sandigen, kiesigen Grund manchmal einen glänzenden sonnigen Streifen zurück, nicht größer als dein Finger, reflektierte von einer Kräuselung wie von einem Prisma einen Lichtschein, und das Sonnenlicht, von hundert Stellen der gewellten Bachoberfläche abgestrahlt, versetzte mich in die Lage, mir den Sommer vorzustellen. Doch verdarb der Hund teilweise die Transparenz des Wassers, indem er in den Bach lief. Ein junger Hund, der noch nie einen Sommerbach gesehen hatte.

Ich bin beeindruckt und verlockt vom Parallelismus der Hainbuchenzweige, zarter Parallelismus.

26. Januar(…)

Welcher Einfall auch immer durch die Eingebung des Augenblicks zustande kam, er wird es ertragen müssen, mit Trägheit betrachtet und umgeformt zu werden. Der Pfeil wird am besten nicht locker geschossen. Die flüchtigste und beiläufigste Bemerkung muss vom Schriftsteller berücksichtigt, gesichert und bestätigt werden, als hätte die Erde auf ihrer Achse geruht, und alle natürlichen Kräfte hinter ihr. Der Schriftsteller muss seine Sätze so sorgfältig und bedächtig ausrichten wie der Scharfschütze sein Gewehr, der im Sitzen schießt und der ein Auflagegestell, Patentvisiere und Spitzkugeln neben sich hat. Er braucht nicht bloß scheinbar die Wahrheit zu sagen. Er muss sie wirklich sagen. Wenn du voraussiehst, dass ein Teil deines Aufsatzes nach einer gewissen Zeit umstürzen wird, dann stürze ihn jetzt selber um.

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Lass dich durch den Augenblick anspornen. Diese gesammelten Eingebungen treiben das Leben des Genius an. Es sind die Schwammwülstchen oder Würzelchen, durch die sein Stamm genährt wird. Vernachlässigst du die Augenblicke, schneidest du deine Faserwurzeln ab, was sonst ist dann zu erwarten als ein saft- und kraftloses Leben? Mögen uns die Sporen zahlloser Augenblicke unaufhörlich ins Leben treiben. Ich spüre, wie die Spore des Augenblicks tief in meine Flanke stößt. Die Gegenwart ist ein unerbittlicher Reiter. Der Augenblick spornt immer mit scharfen oder stumpfen Sporen an. Sind meine Weichen schon verhärtet? Lasst uns darauf vertrauen, dass der Reiter den Weg kennt, dass er weiß, wann Raschheit und Anstrengung nötig sind. Auf welchen Antrieb sonst warten wir? Lasst uns gewissenhaft und bestimmt die Übereinstimmung unseres Lebens mit dem Leben der Natur bewahren und beschützen. Was sind sonst Hitze und Kälte, Tag und Nacht, Sonne, Mond und Sterne für uns? Sind wir nicht aus Mitgefühl mit dem gegenwärtigen Leben der Natur eher in dieser Zeit als in einer anderen geboren worden?

Der wahrste Bericht vom Himmel ist der schönste, und ich werde keinen akzeptieren, der Erwartungen nicht erfüllt. Es ist glanzvoller, einen besseren zu erwarten, als sich an einem schlechteren zu erfreuen.

Mein Leben gehört so wesentlich zur Gegenwart wie das eines Weidenbaums im Frühling. Jetzt, jetzt entfalten sich seine Kätzchen, seine gelbe Rinde glänzt, sein Saft strömt. Jetzt oder nie muss man Pfeifen daraus machen. Bringe den Tag dazu, dich zu stützen; lass ihn dich stützen und die Nacht.

Wenn die Temperatur auf 20 Grad Fahrenheit gefallen ist, erklingen die Gedankenströme unten wie die Flüsse unter dem Eis. Das Denken hat wie der Ozean nahezu die gleiche Temperatur. Ideen – sind sie die Gedankenfische?

Dichtung enthält die gesamte Wahrheit. Philosophie bringt einen Teil von ihr zum Ausdruck.

Möchtest du deinen Geist sehen, schau zum Himmel, möchtest du deine eigenen Stimmungen kennenlernen, sei wetterkundig. Wen das Wetter enttäuscht, der enttäuscht sich selbst.

Möge alles dem Trieb, sich auszudrücken, Platz machen, das ist die sich entfaltende Knospe, der ewige Frühling. Ebenso halte den Frühling fest. Wer wird dem Tauwetter widerstehen?

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In wenigen Ländern erfreut man sich eines so schönen Gegensatzes von Sommer und Winter. Wir haben wirklich vier Jahreszeiten, jede ist für die andere unglaublich. Winter kann hier nicht irrtümlich für Sommer gehalten werden. Auch wenn ich das Boot sehe, umgedreht auf dem Ufer und halb unter Schnee begraben, während ich über den unsichtbaren Fluss gehe, ist der Sommer, mit seinem raschelnden Ried, weit entfernt. Er lässt nur an die Verschwendung, die Achtlosigkeit seines Besitzers denken.

Natur schwelgt nie in Ausrufen, sagt nie Ah! oder Ach! Sie ist nicht französischer Herkunft. Sie ist ein schlichter Schriftsteller, gebraucht wenige Gesten, fügt ihren Verben nichts hinzu, verwendet wenig Adverbien, keine Füllwörter. Ich stelle fest, dass ich viele Wörter, die wirklich die Kraft meiner Sätze nicht vergrößern, um des Nachdrucks willen verwende, und sie wirken in dem Augenblick entlastet, in dem ich sie gestrichen habe. Wörter, durch die ich meine Stimmung, meine Überzeugung eher als die einfache Wahrheit ausdrücke.

Trotz warmer Witterung war es klar genug dafür, dass Wasser und Fenster funkelten.

Jugend versorgt uns mit Farben, Alter mit Leinwand. Wie selten wird unser Leben im Alter eine neue Färbung bekommen! In meinen jungen Jahren war der Himmel blau, und diese Farbe hat er immer noch. Farbe ist kostspielig. Dennoch möge dein Bericht so farblos sein, wie es der Farbe entspricht, die der Geist des Berichtenden hat; möge er dessen Farben haben. Seit meiner Kindheit glaube ich, dass der Himmel nur einen einzigen Farbanstrich gehabt hat, und sein Blau ist an manchen Stellen verblichen, schmutzig und abgenutzt. Ich kann es mir nicht leisten, ihm einen neuen Anstrich zu geben. (…) Wenn wir jung sind, sind alle unsere Farben gemischt. Mich dünkt, der Himmel braucht eine neue Farbe. Haben eure Augen etwas Blau übrig? Wenn man den Himmel einiger Menschen sieht, möchte man nicht glauben, dass er je azur oder himmelsblau gewesen ist, sondern dass ihr Anstreicher sie getäuscht hat, dass er eine Handvoll Dreck zu ihren Füßen aufgehoben und den Himmel mit dieser Farbe bemalt hat, die mehr im Einklang mit dem Leben der Leute steht. (…)

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Die gleitende Tonerde auf dem Osthang ist heute noch reichhaltiger. Ich kenne nichts, das derart von winterlichen Aufwallungen und Verdauungsstörungen reinigt. Und dann ist hoch droben wieder die Harfe zu hören, ein neuer Orpheus, der die Erde moduliert und formt und den Sand veranlasst, seinen Melodien zu folgen. Wer ist da nicht wieder jung? Gibt es Wundervolleres als eine einfache Saite, ein einfacher Draht, auf zwei Pfosten gespannt, auf der die Winde spielen, was kann mit seinen Vibrationen derart das Menschengeschlecht erregen und Laute hervorbringen, die mit dem Lied von Barden und den bewundernswertesten Werken der Kunst verwandt sind?

Tauwetter mit seiner sanften Überzeugungskraft ist machtvoller als Thor mit seinem Hammer. Das eine bringt zum Schmelzen, der andere schlägt nur in Stücke. Diese neuen Entwürfe enthalten mehr als die Freiheit griechischer Kunst, mehr als Akanthuslaub. Es strömt sogar über den Schnee.

Die Vibrationen dieser Saite werden einen Menschen gewiss an all das erinnern, was in seiner Erfahrung am glanzvollsten ist, werden ihm die Geschichten des delphischen Orakels mehr als vergegenwärtigen, werden ihn gefangen nehmen, verrückt machen. Durch das Hören wird das Ferne ihm nahegebracht. Er weilt noch im Körper, seine Seele ist nicht ganz entrückt, doch erreichen ihn Nachrichten aus anderen Sphären als denen, worin er lebt. Es ist deutlich, dass sein Leben nicht auf dieser Ebene verläuft.

27. JanuarDas Werk eines Genius zeichnet sich durch die Abwesenheit des Sprechers von seiner Sprache aus. Er ist nur das Medium. Man erblickt ein vollkommenes Werk, doch erblickt man nicht seinen Schöpfer. Ich lese die Seite des Buchs, doch ist sie wie eine unwegsame Wüste so frei von einem erinnerbaren Menschen.

Ich denke, dass das eine Wort, welches das Shakespeare-Wunder erklärt, »Unbewusstheit« lautet. Wenn er seine eigene vergleichsweise Größe gekannt hätte, hätte er es nicht versäumt, sie unaufhörlich publik zu machen, auch wenn Bacon das nicht tat.21 Es hat wahrscheinlich kein bewussteres Zeitalter gegeben als das jetzige.

Mill Road, südlich von Ministerial Swamp, 15 Uhr nachmittags.

Während ich dort unter dem Hügel hinter J. Hosmers Haus stehe und westwärts über die Ebenen nach Acton schaue und die Farmhäuser beinahe eine halbe Meile entfernt sehe, einige wenige einzeln stehende, auf diesen großen Feldern zwischen diesen ausgedehnten Wäldern, außerhalb der Welt, wo es die Kinder weit haben zur Schule; das stille, stagnierende, kummervolle, lebenslängliche, verkümmernde Land, so weit entfernt vom Postamt, wohin die Wochenzeitung kommt, worin die frisch vermählte Frau wegen Einsamkeit nicht leben kann und der junge Gatte auf sein Pferd angewiesen ist, um Gesellschaft zu haben; und das Haus des jungen J. Hosmer sehe, in das er mit seiner Frau verzweifelt zurückkehrte, nachdem er in der Stadt gelebt hat – während ich auf der Straße von Tarbell stehe, die er allein nicht freischaufeln kann – ist die Welt im Winter für die meisten Gehenden auf eine Schlittenspur geschrumpft, die sich weithin durch die Wehen schlängelt, alle Quellen sind versiegelt, und es gibt keine Abschweifungen; wo der alte Mann denkt, er könne es sich leisten, alles verrosten zu lassen, da er nicht mehr lang zu leben hat, aber der junge Mann will unbedingt näher ans Postamt und ans Lyzeum rücken, ist ruhelos und beschließt, nach Kalifornien zu gehen, weil der Bahnhof eine Meile entfernt ist (er hört in einer gewissen Entfernung das Rattern der Waggons und denkt, die Welt zieht vorbei und lässt ihn zurück); wo die Zahl der Kaninchen und Rebhühner zunimmt und Bisamratten zahlreicher sind als je, und wo keiner der Farmersöhne Farmer werden will und die Apfelbäume morsch sind und es mehr Kellerlöcher gibt als Häuser und die Geländer mit Flechten bedeckt sind und die alten Jungfern sich auskaufen lassen wollen, um ins Dorf zu ziehen, und deswegen zwanzig Jahre vergebens gewartet haben und auch nie nur einen Raum in dem Haus fertig bekommen, nie verputzt oder angestrichen haben, weder drinnen noch draußen, Ländereien, die den Indianern schon vor Langem weggenommen wurden, und jetzt sind die Farmen am Ende, und was Wälder waren, sind Kornfelder, und was Kornfelder waren, sind Viehweiden, Behausungen, die nur solche Arnolds der Wildnis, solche coureurs de bois,22