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Der Autor steht für einen unverwechselbaren Schreibstil. Er versteht es besonders plastisch spannende Revolverduelle zu schildern und den ewigen Kampf zwischen einem gesetzestreuen Sheriff und einem Outlaw zu gestalten. Er scheut sich nicht detailliert zu berichten, wenn das Blut fließt und die Fehde um Recht und Gesetz eskaliert. Diese Reihe präsentiert den perfekten Westernmix! Vom Bau der Eisenbahn über Siedlertrecks, die aufbrechen, um das Land für sich zu erobern, bis zu Revolverduellen - hier findet jeder Westernfan die richtige Mischung. Lust auf Prärieluft? Dann laden Sie noch heute die neueste Story herunter (und es kann losgehen). Das Knarren war rechts von Talbot und ließ ihn geduckt herumfahren. Sein Colt zuckte hoch, sein Daumen lag auf dem zurückgezogenen Hammer. Wo sind sie?, dachte Talbot. Da schabt doch etwas am Zaun. Im nächsten Moment tauchte der Schatten auf, flog an ihm vorbei, jagte über die Bretter davon – eine Katze. Ich werde noch wahnsinnig, dachte Talbot. Ich sehe und höre die Loranes schon überall. Sie sind längst hier in Trinidad, ich weiß es seit fast drei Wochen. Man hat sie entlassen, weil sie sich so gut geführt haben. Zehn Jahre Staatsgefängnis für die drei Lorane-Brüder wegen gemeinschaftlichen Mordversuches an Victor Oldenham, dem Sheriff von Trinidad. Acht Jahre haben sie abgesessen, acht von zehn Jahren. Und vor drei Wochen haben sie gewusst, dass sie frei sein würden. Vierzehn Tage sind sie in Freiheit, aber keine Spur von ihnen. Ich habe sie damals erwischt, nachdem sie meinen Onkel niedergeknallt hatten. Inzwischen war Rockwell Talbot Sheriff von Trinidad, und zwar seit acht Jahren, denn Victor Oldenham, sein Onkel, der Vaterstelle an ihm vertreten hatte, konnte nicht mehr wie ein normaler Mensch durch die Straßen von Trinidad gehen. Die eine Kugel hatte sein Rückgrat angeschlagen. Victor Oldenham war ein Krüppel, ein Mann, der sich nur noch an Krücken weiterschleppen konnte. John Lorane hat es versprochen, dachte Talbot, er hat es mir geschworen. Sie werden mich umbringen.
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Seitenzahl: 149
Veröffentlichungsjahr: 2025
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Das Knarren war rechts von Talbot und ließ ihn geduckt herumfahren. Sein Colt zuckte hoch, sein Daumen lag auf dem zurückgezogenen Hammer.
Wo sind sie?, dachte Talbot. Da schabt doch etwas am Zaun.
Im nächsten Moment tauchte der Schatten auf, flog an ihm vorbei, jagte über die Bretter davon – eine Katze.
Ich werde noch wahnsinnig, dachte Talbot. Ich sehe und höre die Loranes schon überall. Sie sind längst hier in Trinidad, ich weiß es seit fast drei Wochen. Man hat sie entlassen, weil sie sich so gut geführt haben. Zehn Jahre Staatsgefängnis für die drei Lorane-Brüder wegen gemeinschaftlichen Mordversuches an Victor Oldenham, dem Sheriff von Trinidad.
Acht Jahre haben sie abgesessen, acht von zehn Jahren. Und vor drei Wochen haben sie gewusst, dass sie frei sein würden. Vierzehn Tage sind sie in Freiheit, aber keine Spur von ihnen. Ich habe sie damals erwischt, nachdem sie meinen Onkel niedergeknallt hatten.
Inzwischen war Rockwell Talbot Sheriff von Trinidad, und zwar seit acht Jahren, denn Victor Oldenham, sein Onkel, der Vaterstelle an ihm vertreten hatte, konnte nicht mehr wie ein normaler Mensch durch die Straßen von Trinidad gehen. Die eine Kugel hatte sein Rückgrat angeschlagen. Victor Oldenham war ein Krüppel, ein Mann, der sich nur noch an Krücken weiterschleppen konnte.
John Lorane hat es versprochen, dachte Talbot, er hat es mir geschworen. Sie werden mich umbringen. Sie sind hier, aber sie lassen sich Zeit. Vielleicht werden sie mich mit demselben Trick hereinlegen, der Victor zum Krüppel machte. Ein Mädchen schrie hinten in der Gasse, er lief hin und steckte in der Falle. Sie schossen ihn nieder, um dann ihren Vetter Davy McClure aus dem Jail zu holen. Dabei sah man sie. Das Mädchen sah niemand. Ich wette, es war ihre Schwester Stella. Sie war mit siebzehn Jahren die Geliebte ihres Vetters Davy McClure, aber sie hatte eine Reihe anderer Männer, viele Männer, die bezahlten, während McClure, der saubere Vetter, kassierte. Der Strolch hat sie damals verdorben, wenn es noch etwas zu verderben gab.
Talbot stand hinter dem Bretterstapel und konnte die Main Street und die Ecke einsehen, wo das alte Mexikanerviertel Trinidads begann. Es gab drei Punkte in dieser Stadt, von denen Talbot alles sah, was sich abspielte. Manchmal stand er hier eine halbe Stunde, oft auch noch länger. Dann ging er zum nächsten Punkt, blieb für andere unsichtbar im Schatten stehen, wartete, ob sich etwas tat.
Wo sind sie?, grübelte Rock Talbot. Sie belauern mich, ich weiß es. Sie haben acht lange Jahre Zeit gehabt, um sich einen Plan auszuhecken. Wenn es sich um ganz gewöhnliche Strolche handeln würde, wäre ich nicht besorgt, aber ich habe Angst, eine verfluchte Angst. Die Loranes sind wahre Teufel, die ganze Familie war grundschlecht. Die Mutter trieb sich mit anderen Männern herum, der Vater war ein Pferde- und Viehdieb, aber der beste Koch, sagt Victor, den er jemals kannte. Er soll einen Braten gemacht haben, dass man sich an ihm den Magen überfressen konnte.
Rockwell Talbot lächelte einen Augenblick, als er an die Bratengeschichte dachte. Eines Tages war Victor, der Sheriff, bei den Loranes vorbeigekommen. Der alte French-John Lorane hatte gerade einen Braten fertig gehabt. Und Victor Oldenham, der nichts lieber tat, als sich den Bauch vollzuschlagen, ließ sich auftischen. Drei Tage später wäre ihm, wenn das gegangen wäre, der Braten wieder zum Hals herausgekommen. Winston Elliot, der reichste Rancher in der Gegend um Trinidad, schickte nach ihm, weil ihm eine Woche zuvor ein paar Rinder verschwunden waren. Seitdem war Victor nie mehr zum Bratenessen bei den Loranes gewesen. Wenn der Sheriff schon einen gestohlenen Braten fraß …
Die Loranes, dachte Rockwell und lugte über die Bretter, sie werden zuschlagen, wenn ich es nicht erwarte. Und es wird so passieren, dass ich keine Chance habe, das weiß ich. Nun gut, ich habe Zeit gehabt und mich etwas vorbereitet, aber eine Chance lassen sie mir nicht. Ich werde die acht Jahre mit meinem Leben bezahlen müssen.
Talbot biss die Zähne zusammen. Vielleicht hatte er längst bezahlt, denn er hatte auch acht Jahre verloren. Damals war er, nachdem er alles von Victor gelernt hatte, was einen guten Sheriff ausmachte, nach Fort Morgan gegangen. Dort hatte er ein Mädchen kennengelernt, das einen Kochkursus mitmachte: Edna McPherson. Es war Liebe auf den ersten Blick gewesen – er, der junge Sheriff, sie goldblond, schlank, bescheiden und stolz. Er hatte sie für die Tochter eines kleinen Ranchers mit drei Kühen gehalten. Und dann …
Sechstausend Rinder!
Die einzige Tochter von Samuel McPherson, dem dreihundert Meilen Land an der Grenze nach Wyoming gehörten. Sie hatte keine Mutter mehr gehabt, ihr Vater hatte Rock besucht …
*
Samuel McPherson sagte:
»Ich hatte auch nichts, als ich anfing, Rock. Sie will dich, also soll sie dich haben. Aber ich warne dich! Was sie will, das will sie!«
»Ich liebe Ihre Tochter, Sir, ich bin Sheriff und kann für sie sorgen.«
»Du wirst dich an den Gedanken gewöhnen müssen, dass du eines Tages die Ranch leiten musst, Junge.«
»Sir, ich will die Ranch nicht, auch nicht das Geld, ich will Edna, sonst nichts.«
»Ah, genauso dickschädelig, wie? Na, hoffentlich geht das gut.«
Es ging gut. Sie heirateten, er suchte die Ranch auf, alles war eitel Freude und Sonnenschein. Auch Victor kam zur Hochzeit und brummte:
»Sohn, das ist die schönste Frau, die ich jemals gesehen habe. Sie liebt dich, ausgerechnet dich? Die Frau könnte an jedem Finger zehn Männer haben.
Na, dann besucht mich mal in Trinidad.«
Das geschah einige Wochen später, sie hatten viel Spaß an jenem Abend. Dann ging Victor los, um seine Runde zu drehen. Er hat nie im Office gewohnt, obgleich über dem Sheriffs Office eine komplette Wohnung war. Nein, er wohnte in einem kleinen Haus, in dem er mit seiner Frau und Rock glücklich war. Er ging hinaus, mit grimmiger Miene, festen Schrittes und mit geballten Händen.
»Rocky«, schrie Edna und hängte sich an ihn, führte sich wie eine Irre auf, als er losrannte, sein Pferd holte, die Burschen suchen wollte. »Rocky, wenn du das tust, verlasse ich dich. Dieser alte Mann oder ich, Rocky, entscheide dich! Rocky, wenn du das tust, werde ich dich hassen. Also?«
»Hör zu, Edna, er hat mich großgezogen. Was ich bin, bin ich durch ihn. Und sie haben ihn niedergeknallt wie einen Hund. Es gibt Dinge, die muss ein Mann tun, versteh mich doch.«
»Also er? Nun gut, dann geh, geh doch endlich!«
*
Er war gegangen, sie auch. So einfach war sie gegangen. Danach hatte er einen Brief, aus Fort Morgan bekommen, ihren Ersten und Letzten. Den Brief vergaß er nie. Und dann hatte sie sich scheiden lassen. Alles in ein paar Monaten.
Verflucht, dachte Rockwell Talbot, wieso denke ich gerade jetzt daran? Warum geht sie mir nicht aus dem Kopf? Jede Frau, die ich haben könnte, vergleiche ich mit Edna, aber keine hält dem Vergleich stand. Sie ist sicher längst wieder verheiratet. Ich denke an meine ehemalige Frau, während es jeden Moment knallen kann. Die Loranes werden es niemals hier tun, bestimmt nicht. In der Stadt bin ich sicher, sie können sich keine Zeugen leisten. Diese Burschen sind eiskalte Teufel. Sie sind nie erwischt worden, obwohl sie jeden Monat einmal Rinder oder Pferde abtrailten.
Ihr letzter Streich war der Überfall auf die Stagecoach gewesen. Einen Mann hatte man erkannt – Davy McClure, die anderen drei nicht. Victor erwischte McClure in Trinchera. Er brachte ihn ins Jail nach Trinidad, dort schwieg McClure eisern. Er wusste, warum er zu schweigen hatte.
Rockwell Talbot nahm den Kopf herum. Von hier aus sah er das Licht in Victors kleinem Haus. Victor schlief also noch nicht. Kurz zuvor erst hatte ihn Talbot besucht.
Dieser alte Haudegen, ging es Talbot durch den Kopf. Wenn ich nicht hier bin, kocht er sich kein Essen. Ich war ein paarmal in den letzten Tagen unterwegs. Er frisst doch einfach nichts, rührt sich nicht aus seinem Bett. Ob er mir etwas angesehen hat? Er hat mich so seltsam gefragt, ob ich etwas hätte, ich wäre so nervös. Victor kennt mich durch und durch, das ist es. Na gut, nächste Woche kommt die Monatsliste des Staatsgefängnisses mit den Namen der Entlassenen heraus. Nächste Woche weiß die ganze Stadt, dass die drei Halunken draußen sind. Dann werden sie sich zusammenreimen, warum ich tot bin.
Talbot grinste verstohlen. Galgenhumor hatte er. Ganz so leicht sollten sie ihn nun doch nicht erwischen.
Rock Talbot zuckte zusammen, als der Gesang schlagartig einsetzte. Er blickte lauschend zur Straße hinüber.
Du großer Geist, die frommen Schwestern haben ja ihre Wochenandacht. Die Andacht habe ich glatt vergessen. Jetzt steht Reverend Thomas Woodman vor den dreißig Frauen der einflussreichsten Männer Trinidads und schwenkt seine Hände. Und Mrs. Ada Porter, hager, mager, groß und stimmgewaltig, wird sicher inbrünstig den Mund aufreißen und lauter als alle anderen singen.
Woodman wird mir eine schöne Grabrede halten, dachte Rock Talbot und grinste. Ich wette, er fängt damit an, dass ich im zarten Alter von fünf Jahren mit ansehen musste, wie Indianer meine Eltern umbrachten. Zum Schluss wird er bestimmt sagen, dass Trinidad nie wieder einen Sheriff wie mich bekäme. Und dann …
Er schüttelte den Gedanken ab und starrte aus schmalen Augen über die Main Street. Noch war nicht viel los, aber die Wochenenden wurden meistens schlimm.
Aus dem Colorado-Star-Hotel kam eine Frau. Sie hatte rotblondes Haar wie ihr Bruder Tatum. Sie hatte auch den gleichen Vater wie Tatum, obwohl dieser Vater nie mit ihrer Mutter Sarah verheiratet gewesen war. Dort drüben kam die fünfundzwanzigjährige Stella Lorane aus dem Hoteleingang. Dann ging sie schnell und langbeinig über den Gehsteig zum Mexikanerviertel. Sie kam an Stevie Porters, Ada Porters kleinem Mann gehörenden Generalstore an der Straßenecke vorbei.
Stella Lorane – unverheiratet, Prostituierte ohne Gewissen, wahrscheinlich Ursache für jenes Hilfegeschrei, das Victor Oldenham in die Falle gelockt hatte. Eine Siebzehnjährige, ausgekocht wie eine Frau mit vierzig Jahren, die schon ein verderbtes Leben gehabt haben musste, um genauso schlecht wie Stella zu sein. Da ging sie. Stella war schön, trug teure Kleidung, aber sie war eiskalt. Und sie wusste seit einigen Tagen, dass ihre Brüder frei waren.
Sie wusste es, sonst niemand.
Talbot war ihr so nahe, dass er ihr spöttisches Lächeln sah, als sie zur Kapelle neben der Kirche blickte, aus der jener fromme Gesang schallte.
Jemand sah ihr nach – Grant Hopkins, der Herausgeber der einzigen Zeitung in Trinidad. Er stand vor der Tür seiner Druckerei, um Luft zu schnappen. Selbst Grant wusste nichts von den Loranes, obwohl er alle Meldungen über Freilassungen bekam. Diese würde er erst in vier Tagen erhalten. Und dann würde er einen schönen Artikel in seine Zeitung knallen, das stand fest.
Grant Hopkins blickte Stella nach, dann hob er den Kopf und starrte auf die beiden Bäume vor seinem Haus. An dem einen Baum hatte sich French-John Lorane aufgehängt, mitten in der Stadt und so, dass man ihn auch sehen musste, wenn man das Haus auf der anderen Straßenseite verließ. Dort hatte der Mann gewohnt, der Stella und Tatum Lorane gezeugt hatte. Zu ihm war Sarah, French-Johns Frau, zehn Jahre lang regelmäßig gegangen. Tatum war damals neun und Stella fünf Jahre alt gewesen. Und Sarah hatte French-John wieder einmal verlassen gehabt – zum zwanzigsten Mal endgültig, wie sie French-John geschworen hatte.
Warum sich French-John ausgerechnet an diesem Jubiläumstag einen Strick stahl – anders wäre es ganz und gar gegen seine Natur gewesen, er hatte auch den Strick noch stehlen müssen –, hatte man nie erfahren.
Am Morgen, als Sarah reumütig zu Mann und Kindern auf die schäbige Ranch zurückkehren wollte, hatte sie ihn dort gefunden und geschrien. Sie hatte damit nicht so schnell aufgehört und wimmernd und leeren Blickes Doc Warrens Behandlung ertragen. Drei Wochen später war sie tot gewesen.
Man hätte über die Loranes mehr als nur ein Buch schreiben können, doch es fand sich niemand. Man war froh, dass zwei Loranes nicht mehr waren. Um die restlichen vier kümmerte sich niemand. Der damals sechzehnjährige John, der älteste Sohn, übernahm die Versorgung seiner Geschwister. Dabei half ihm sein Vetter Davy McClure. Der war zwei Jahre älter als John. Wölfe hätten nicht schlimmer aufwachsen können. Vielleicht waren alle die an dem, was später passierte, schuld, die sich nicht um die Loranes gekümmert hatten. Aber man vergaß so gern, vor allen Dingen seine Schuld.
»Stella«, murmelte Talbot. »Wen besucht sie im Mexikanerviertel? Sie hat dort Freunde, aber …«
In diesem Moment sah er den Schatten drüben.
Eine Riesenspinne kroch im Schutz des Bretterzaunes, der Steven Porters Generalstore vollkommen umschloss, über das Fensterbrett des schmalen Fensters an der Seitenfront des Hauses.
Die Spinne hatte nur vier Beine, zwei kürzere vorn und zwei längere hinten. Sie war auch nicht so dickleibig wie eine richtige Spinne, sie war geradezu dünn und klein. Und sie ahnte nicht, dass der Sheriff von Trinidad an diesem Punkt hier auf Brettern hockte und selbst das sah, was sich hinter einem Zaun abspielte.
Sheriff Rock Talbot musste zweimal hinsehen, weil er nicht sicher war, dass er träumte. Doch das Bild blieb. Ein Kerl, der mindestens so mickrig und klein wie der arme Stevie Porter sein musste, weil das Fenster äußerst schmal war, schob sich in den Hinterraum des Ladens.
Der Store war zwar geschlossen, aber im Lagerschuppen links neben dem Store brannte noch Licht. Auch aus dem einen größeren Hinterfenster des Ladens fiel mattes Licht in den Hof.
Schon glaubte Talbot, dass der arme Stevie, den die herrschsüchtige Ada um zwei Köpfe überragte, in seinen eigenen Store krabbelte, aber dann sah er den Schatten am Frontfenster des Lagerschuppens. Stevie Porter war im Lagerschuppen. Er konnte nicht an zwei Stellen zugleich sein, unmöglich.
Ein schönes, ruhiges Wochenende, dachte Rockwell. Daniel Talbot grimmig. Hol’s der Teufel! Jetzt fängt das schöne Wochenende richtig an. Kein Mensch ahnt, was so ein armer Sheriff alles an einem einzigen Wochenende erleben kann. Und dieses scheint schlimm zu werden.
Er sollte sich nicht irren. Es wurde noch schlimmer, als er ahnte.
*
Der Mann war wirklich kaum größer als Stevie und äugte wie eine hässliche Ratte, die aus ihrem Loch gekommen war, über den Tresen.
»Den Kerl soll der Teufel holen«, zischte Horace Rodney, die kleine Ratte, wütend. »Eine Tresenkasse mit einer Alarmklingel, was? Der mickrige Zwerg da drüben gönnt anderen Leuten aber auch gar nichts. Jetzt muss ich doch wahrhaftig zum Werkzeugregal und mir einen Bohrer samt Winde holen. Den Trick, wie man eine Alarmkasse aufmacht, kannte ich schon mit zwölf Jahren. Du blöder Kerl, ich arbeite nicht gern, aber jetzt brauche ich Geld. Meinen Vorrat habe ich schon zusammen.«
Horace Rodney legte den mit Lumpen umwickelten Kupplungsgewindebolzen, sein Spezialbetäubungsmittel für Störenfriede, unter den Tresen und kroch los. Er war noch leiser als eine echte Ratte.
Stevie Porter, der mickrige Zwerg nebenan, schritt langsam um sein Hemdenregal. Ada, seine gesangsfreudige Frau und Lautenzupferin, hatte ihm befohlen, den Bestand im Schuppen endlich zu zählen.
»Eines Tages bringe ich das Rabenaas noch um«, sagte Stevie und blieb stehen. Er sprach oft so, wenn er allein war, denn dann konnte er ein Held sein. Tatsächlich aber war er viel zu friedlich, bescheiden und gutmütig, duldsam und sanft. »Den ganze Nachmittag hat sie an den verdammten Saiten gezupft und geheult, wenn sie es auch Singen nennt. Gott der Gerechte, heute hat sie es mal wieder gehabt. Ihre drei besten Betschwestern mussten ein Kuchenblech voll Aprikosen vertilgen. Drei Dollar hat das schon mal gekostet. Von den anderen drei Dollar will ich gar nicht reden, die liegen jetzt in Reverend Woodmans Klingelbeutel. Dafür ist Geld da, doch sonst frisst sie nichts. Und ich erst …«
Er lachte schrill und misstönig.
Rodney krabbelte nicht mehr, ihm stiegen die Haare zu Berge, als das schaurige Lachen vom Schuppen aus durch die Verbindungstür in den Store schallte. Horace Rodney hatte noch nie jemanden so irr und entnervt lachen gehört. Der Mickrige da drüben musste wahnsinnig sein, er sprach mit sich selbst und lachte ganz blöd dabei.
»Ich«, gurgelte der Zwerg Stevie, der lief, wenn Ada pfiff, »ich muss die Wurstabfälle und Schinkenknochen abnagen. Mich hat sie glatt vergessen, dabei mache ich hier alle Arbeit, aber ich bekomme nicht mal ein Abendessen. Diese gräuliche Meckerziege geht früh ins Bett, weil man spart, wenn man früh schläft. Aber heute singt sie, diese alte Nervensäge, und da wird den frommen Schwestern gezeigt, dass man ja nicht arm ist. Als Vorsitzende spendiert Ada mein gutes Geld. Ich würde dafür lieber ein Steak in meine Fressluke schieben, einen halben Schinken vertilgen, schlingen, würgen. Ich habe Hunger, ich habe kein Abendessen bekommen, ich bin ihr doch ganz egal. Wozu bin ich verheiratet, wenn ich nicht mal, was zu essen bekomme, he? Jetzt habe ich genug, ich will essen, ich bin hungrig! Ich bringe das Weib noch mal um.«
Sein Entschluss kam so plötzlich, dass er losrannte.
Im selben Moment hastete Horace Rodney durch den schmalen Gang hinter dem Tresen. Der wilde Schreck packte den kleinen Einsteigedieb, und er konnte gerade noch sein Bündel mit Bekleidung, den Eßvorräten und dem gestohlenen Revolver samt Patronen unter den Tresen schieben.
Dieser Irre, dachte Horace Rodney entsetzt, der kommt ja hierher. Lieber Himmel, wenn der Käse essen will, was dann? Ich habe allen Käse unter der Glocke weggestohlen. Bloß weg, schnell – in die Ecke da!
Horace Rodney hatte nur ein Messer bei sich – auch gerade gestohlen. Er sauste um die Tresenecke in die Nische am großen Fenster, richtete sich blitzschnell auf und presste sich zwischen Regal und Nischenwand gegen die kahle Mauer.
Der Mann kam mit affenartiger Geschwindigkeit von der anderen Seite um den Tresen. Und wenn er Käse essen wollte …
*
Stevie schnitt sich ein Stück Schinken ab, stopfte es in den Mund und schluckte. Dann bekam er Durst.
»So«, sagte Stevie giftig, »und jetzt koche ich mir den ganz teuren Kaffee, meine Teure. Was ich im Bauch habe, kannst du mir nicht mehr nehmen.«