Blut im Staub - Ringo - E-Book

Blut im Staub E-Book

Ringo

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Beschreibung

Western Helden – Die neue Reihe für echte Western-Fans! Harte Männer, wilde Landschaften und erbarmungslose Duelle – hier entscheidet Mut über Leben und Tod. Ob Revolverhelden, Gesetzlose oder einsame Reiter auf der Suche nach Gerechtigkeit – jede Geschichte steckt voller Spannung, Abenteuer und wilder Freiheit. Erlebe die ungeschönte Wahrheit über den Wilden Westen Die Reiter brechen genau in dem Augenblick aus dem engen Canyon, als die Bremsen des Zuges kreischen und die Lok langsam unter den großen Wasserbehälter rollt. Cole Coxall sieht die Männer zuerst. Er steht neben dem Wassertank, um den Schlauch in den Einfüllstutzen zu hängen. Vor Schreck bleibt ihm sogar der Fluch im Halse stecken, und als er den Warnungsschrei hinausbrüllt, lässt der Lokführer gerade den Dampf zischend entweichen, und der Schrei ertrinkt in dem fauchenden Lärm. Es sind fünf Reiter, die in halsbrecherischem Galopp über den Schienenstrang setzen und über den freien Platz vor der Wellblechbaracke von Beekers Point an die Waggons heranpreschen. Es besteht kein Zweifel an ihren Absichten – nicht nur, weil sie ihre Gesichter bis unter die Augen mit den Halstüchern zugedeckt haben. Überfall! Immer noch zischt der Dampf. Cole Coxall langt zum Colt, den er stets bei sich trägt, denn der Dienst in Beekers Point ist einsam und nicht ohne Gefahr. Breitbeinig steht er oben auf dem Tank und brüllt vergeblich gegen den zischenden Dampf an. Er schießt einfach blind drauflos – und die Dampfwolke reißt plötzlich ab, und er sieht, dass zwei Sättel leer sind. Zwei Reiter kleben förmlich am mittleren Wagen und reißen die Tür auf. Die plötzliche Stille, als das Dampfventil sich schließt, ist nur kurz. Sie wird von der brüllenden Detonation einer Schrotbüchse zerrissen – und von einem tierischen Aufschrei, der aus dem mittleren Wagen kommt. Cole Coxall stöhnt leise vor Zorn und Erbitterung. Wieder hebt er den Colt und zielt sorgfältig. Aber er ist nicht halb so schnell wie der Mann im schwarzen Leder, der plötzlich das Gewehr herumreißt und das Blei aus dem Lauf jagt, das Blei, das Cole Coxall mit schmetternder Wucht in die Schulter trifft, ihn halb um die eigene Achse dreht und vom Tank hinabschleudert. Es geht alles rasend schnell. Der Lokführer Les Sterling und sein Heizer haben noch nicht begriffen, dass dies ein Überfall ist, als die Banditen schon den Sack mit dem Lohngeld aus dem Waggon werfen und in die Sättel springen. Im Galopp queren sie wieder den Schienenstrang und jagen auf die enge Einmündung des Canyons zu.

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Seitenzahl: 154

Veröffentlichungsjahr: 2025

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Western Helden – 10 –Blut im Staub

Ringo

Die Reiter brechen genau in dem Augenblick aus dem engen Canyon, als die Bremsen des Zuges kreischen und die Lok langsam unter den großen Wasserbehälter rollt. Cole Coxall sieht die Männer zuerst. Er steht neben dem Wassertank, um den Schlauch in den Einfüllstutzen zu hängen. Vor Schreck bleibt ihm sogar der Fluch im Halse stecken, und als er den Warnungsschrei hinausbrüllt, lässt der Lokführer gerade den Dampf zischend entweichen, und der Schrei ertrinkt in dem fauchenden Lärm.

Es sind fünf Reiter, die in halsbrecherischem Galopp über den Schienenstrang setzen und über den freien Platz vor der Wellblechbaracke von Beekers Point an die Waggons heranpreschen. Es besteht kein Zweifel an ihren Absichten – nicht nur, weil sie ihre Gesichter bis unter die Augen mit den Halstüchern zugedeckt haben. Überfall!

Immer noch zischt der Dampf. Cole Coxall langt zum Colt, den er stets bei sich trägt, denn der Dienst in Beekers Point ist einsam und nicht ohne Gefahr. Breitbeinig steht er oben auf dem Tank und brüllt vergeblich gegen den zischenden Dampf an. Er schießt einfach blind drauflos – und die Dampfwolke reißt plötzlich ab, und er sieht, dass zwei Sättel leer sind. Zwei Reiter kleben förmlich am mittleren Wagen und reißen die Tür auf.

Die plötzliche Stille, als das Dampfventil sich schließt, ist nur kurz. Sie wird von der brüllenden Detonation einer Schrotbüchse zerrissen – und von einem tierischen Aufschrei, der aus dem mittleren Wagen kommt. Cole Coxall stöhnt leise vor Zorn und Erbitterung. Wieder hebt er den Colt und zielt sorgfältig. Aber er ist nicht halb so schnell wie der Mann im schwarzen Leder, der plötzlich das Gewehr herumreißt und das Blei aus dem Lauf jagt, das Blei, das Cole Coxall mit schmetternder Wucht in die Schulter trifft, ihn halb um die eigene Achse dreht und vom Tank hinabschleudert.

Es geht alles rasend schnell. Der Lokführer Les Sterling und sein Heizer haben noch nicht begriffen, dass dies ein Überfall ist, als die Banditen schon den Sack mit dem Lohngeld aus dem Waggon werfen und in die Sättel springen. Im Galopp queren sie wieder den Schienenstrang und jagen auf die enge Einmündung des Canyons zu.

»By Gosh«, flüstert Les Sterling und wird ganz grau im Gesicht. »Das ist die Hölle!«

Es ist die Hölle, besonders für Cole Coxall. Es hat ihn auf den Holzstapel neben dem Wassertank geschleudert. Trotzdem zwingt er sich auf Ellbogen und Knie hoch, starrt hinter den Banditen her, die über den schlanken Pferdeleibern zu tanzen scheinen. Einer, der Letzte in der Kette, wendet den Kopf. Bei der plötzlichen Drehung verrutscht sein rotes Halstuch und gibt das Gesicht für eine Sekunde frei. Das Gesicht eines jungen Boys, knapp achtzehn Jahre alt. Ein Gesicht, das Cole Coxall genau kennt. Und weil er es kennt, vergisst er für einen Augenblick sogar die rasenden Schmerzen.

»Bob Kelland!«, flüstert er. »Das kann nicht wahr sein …«

*

Mit einer Stunde Verspätung rollt der Zug in Bellamy ein, der vorläufigen Endstation.

Les Sterling springt von der Lok, ehe sie richtig steht. Er wischt mit der schmutzigen Hand den Schweiß aus dem Gesicht. Als der Ingenieur Stanley Morgan aus dem Verwaltungsbau kommt, krächzt er: »Überfall, Boss! Das Geld ist zum Teufel! Der Arzt muss her – falls er überhaupt noch helfen kann!«

Es ist nicht die Art der rauen Männer, viele Worte zu machen. Zuerst kommt der Verwundete, Cole Coxall. Dann die Toten – die beiden Männer, die das Geld zu bewachen hatten und von der Ladung gehackten Bleis erwischt worden sind, ehe sie einen Finger rühren konnten. Und ganz nebenbei berichtet Les Sterling in ein paar dürren Sätzen, wie und wo es geschehen ist.

Stanley Morgan nickt nur dazu. Er schaut starr in das schmerzverzerrte schweißige Gesicht Cole Coxalls und beugt sich hinab, als der Verwundete die Lippen bewegt.

»Haben Sie einen Wunsch, Cole?«, fragt er.

»Ich – ich muss Jerry Kelland sprechen. So schnell wie möglich!«

»Kelland? Ist das nicht ein Rancher hier im County?«

»K-im-Kreis«, murmelt Coxall.

Morgan nickt. »In Ordnung, Cole. Ich schicke gleich einen Mann los. Eine Frage noch: Haben Sie zufällig einen Banditen erkannt?«

Coxall presst die Lippen fest aufeinander und schüttelt den Kopf. Morgan richtet sich auf, winkt einen Mann heran und sagt: »Reiten Sie in die Stadt, Tex. Ich brauche Marshal Barry Boston, und zwar sofort. Und suchen Sie nach einem gewissen Jerry Kelland, einem Rancher.«

»Okay, Boss.«

*

Die Townhalle mit den Offices von Sheriff, Richter und neuerdings auch dem Marshal liegt im Zentrum Bellamys. Es ist ein kleines Gebäude, dem plötzlichen Wachstum der Stadt gar nicht angemessen. Denn Bellamy platzt seit dem Bahnbau aus allen Nähten.

Sheriff Lank Keever hat das am meisten zu spüren bekommen. Damals, als er gewählt wurde, konnte er seinen Job mit der linken Hand erledigen. Jetzt ist ihm das Amt über den Kopf gewachsen, und er ist froh, dass er sich nicht mehr um die Stadt zu kümmern braucht, seit Marshal Barry Boston das erledigt.

Kein Mensch weiß, weshalb Boston plötzlich in die Heimat zurückgekehrt ist und gleich den Stern an seine Weste heften ließ. Nicht mal Lank Keever hat das herausgekriegt.

Es ist genau neunzehn Uhr an diesem Samstag, als Barry Boston kurz in Lank Keevers Office schaut und sagt: »Wenn mich jemand brauchen sollte, ich bin im Belling House.«

Einen Augenblick geht Barry Boston auf dem Stepwalk – ein großer Mann mit leicht vorgebeugten Schultern, den grauen Stetson auf dem Blondschopf, die Arme locker herabhängend.

Er dreht eine Zigarette und zündet sie an. Dann quert er mit schwingenden Schritten die staubige Straße. Eine Gruppe hartgesichtiger Cowboys hält vor Elmer Dodges Tanzhalle, aber noch schweigt die Musik.

Zwei Häuserblocks oberhalb liegt das Belling House, unmittelbar neben dem Stage Depot von Wells Fargo. Nachdenklich betrachtet Barry Boston die Brandzeichen der Pferde vor dem Hotel Craig Bellings. Ein bulliger Mann wippt in einem Schaukelstuhl und grinst Barry spöttisch an.

»Bei uns finden Sie keine Arbeit, Marshal«, kichert er. »Porto und ich erledigen alles, was zu tun ist!«

»Um so besser, Graziano«, entgegnet Barry trocken. Er stößt die Schwingtür auf und betritt die Hotelhalle. Sie hat sich während seiner Abwesenheit nur wenig verändert. Auch die Frau hinter dem Stehpult sieht nicht anders aus als damals – eher ist sie noch schöner geworden, eine vollerblühte Blume der Prärie. Linda Belling.

Sie ist nicht allein, ein gut aussehender schlanker Mann lehnt vor ihr am Pult und redet eifrig auf sie ein. Er verstummt erst, als er die Schritte Barrys hinter sich hört und dreht sich jäh um. Etwas Wachsames lauert hinter seinen Augen, doch gleich lächelt er sanft und ruft: »Hallo, Barry! Lässt du dich auch mal hier blicken?«

Barry zieht den Hut und gibt das Lächeln zurück.

»Hallo! Ich störe hoffentlich nicht?«

»Aber nein, gar nicht. Seit einer geschlagenen Stunde versuche ich Linda zu überreden, aus mir einen anständigen Kerl zu machen, indem sie mit mir zum Traualtar geht. Aber wie die Dinge liegen …«

»Lass die dummen Witze, Milton!«, fährt die Frau spröde dazwischen.

»Siehst du«, stöhnt Milton Ryder, »schon kriege ich wieder mein Fett. Well, darauf muss ich einen genehmigen. Du schlägst mir doch wohl einen Drink nicht ab, Barry?«

»Später gern, Milt.«

»Okay, ich warte auf dich!«

Milt Ryder, der größte Rancher des Countys, schwenkt übertrieben fröhlich seinen Hut und geht eilig in die Bar. Barry schaut ihm nach und murmelt: »Ich habe ihn doch hoffentlich nicht vertrieben, Linda?«

Das Gesicht der Frau verkrampft sich. Heiser stößt sie hervor: »Warum bist du zurückgekommen? Musst du alles wieder aufwühlen, worüber endlich Gras gewachsen ist?«

»Nein, Linda. Die Vergangenheit ist tot – für mich wenigstens.«

»Für dich! Nach meinem Vater und mir fragst du natürlich nicht!«

Ein bitterer Zug gräbt sich tief in die Mundwinkel des Marshals ein. »Habt ihr damals nach mir gefragt – und nach meinem Vater? Dort draußen vor eurer Tür hat er gelegen und ist verblutet. Ihr habt ihn als Dieb und Mörder gebrandmarkt. Die ganze Stadt hat ihn gejagt wie einen Wolf. Ihr hättet auch mich vernichtet, wenn ich nicht gegangen wäre.«

Linda Belling senkt den Kopf. »Du hättest nicht wiederkommen dürfen. In diesem Land stirbt die Vergangenheit nie. Du solltest das am besten wissen. Und wenn du jetzt noch Rache nehmen willst …«

»Du kennst mich schlecht, Linda. Hass ist ein böser Ratgeber. Rache ist ein Wort, das nicht in meinem Lexikon steht. Wo finde ich deinen Vater?«

Die Frau schüttelt heftig den Kopf. »Du wirst ihn nicht sprechen! Dein Vater hat meinen Vater zum Krüppel geschossen. Das steht zwischen uns so unverändert wie damals.«

Barry Bostons Augen verengen sich, die Lippen werden schmal wie ein Strich. »Das ist eine Lüge, und dein Vater weiß das genauso gut wie ich. Ich muss ihn sprechen! Ich habe ihm einige Tage Zeit gelassen, ehe ich in euer Haus gekommen bin. Ich will endlich klare Verhältnisse schaffen!«

»Ich dulde es nicht, dass du alte Wunden wieder aufreißt! Verlass das Haus – auf der Stelle! Oder ich zwinge dich!«

»So weit ist es also gekommen zwischen uns! Gut, es ist deine Entscheidung. Ich muss sie hinnehmen. Aber man kann auch die Kindesliebe übertreiben, Linda Belling!«

Der Marshal macht scharf kehrt und geht zur Tür. Dort wendet er sich knapp um und sagt: »Richte bitte Milt Ryder aus, dass ich verhindert bin. Und sag deinem Vater, dass der Mörder, an dessen Stelle mein Vater sterben musste, Bud Capone heißt …«

Die Tür fällt hinter dem Marshal zu. Mit brennenden Augen starrt Linda Belling vor sich hin, und jede Farbe ist aus ihrem Gesicht gewichen.

»Bud Capone?«, flüstert sie. »Das ist doch nicht möglich!«

*

Der alte Mann sitzt am Fenster der Bar, halb von den Gardinen verborgen. Er starrt auf den breiten Rücken des Marshals, und zwei rote Flecke stehen auf seinen Backenknochen. Milt Ryder schüttelt verwundert den Kopf und lässt seine Zigarre zwischen den Lippen wippen. »Da geht er hin und singt nicht mehr«, brummt er. »Dabei habe ich ihn zu einem Drink eingeladen. Ich wette, Ihre Tochter hat ihn rausgeekelt, Craig.«

Der alte Belling rührt sich nicht. Erst nach einer Weile tastet er mit einer unbewussten Bewegung nach seinem Holzbein und verzieht das Gesicht.

»Ich kann nicht verstehen«, sagt Milt Ryder, »dass die Stadt ihm den Stern angehängt hat. Ausgerechnet dem Sohn eines Mörders.«

»Schweigen Sie davon«, faucht der alte Mann. »Es ist nie bewiesen worden, dass Hugh Boston den Mord an meinem Bruder wirklich begangen hat.«

»Ja, zum Teufel. – Sie selbst haben Boston doch in den Tod gehetzt! Sie haben ihn zusammenschießen lassen, dort im Staub der Straße!«

»Ich habe es nicht gewollt. Gott weiß, dass ich es nicht gewollt habe! Einer von den Männern hat die Nerven verloren – und Hugh Boston war nicht der Mann, der aufgab. Er hat noch eine Kugel aus dem Lauf gebracht, die letzte Kugel, ehe er starb.«

»Und er hat Ihr Bein erwischt! Manchmal möchte ich wissen, was in Ihrem Kopf eigentlich vorgeht, Mr. Belling. Sie haben Boston gehasst wie die Pest, Sie waren fest von seiner Schuld überzeugt – und doch verteidigen Sie ihn jetzt wieder.«

»Zerbrechen Sie sich nicht den Kopf. Ich habe viel Zeit gehabt, über alles nachzudenken. Aber wozu sage ich Ihnen das! Rufen Sie meine Tochter herein!«

»Moment!«, murmelt Ryder überrascht. »Ich glaube, da tut sich etwas. Einer von den Bahnleuten hält neben dem Marshal. Sieht aus, als habe er es mächtig eilig gehabt. Ob was passiert ist?«

Craig Belling stemmt sich mühsam vom Sitz hoch und starrt durch die Scheibe. Er sieht, wie Barry Boston die paar Stufen zum Stadthaus hinauf mit einem Satz nimmt, während der Boy der Railway seinen Mustang wendet und auf das Hotel zukommt. Milt Ryder reißt seinen Hut vom Haken und rast hinaus. In der Halle trifft er auf den Boy und sprudelt die Frage hinaus: »Was ist los?«

»Eine Schweinerei ist passiert, Mister. Oben bei Beekers Point ist ein Zug überfallen worden.«

»Hölle! Weiß der Sheriff schon Bescheid?«

Der Boy spuckt aus. »Der Sheriff interessiert uns nicht. Sein Bezirk endet ja doch direkt hinter Beekers Point. Ich habe den Marshal gerufen.«

»Das ist ein Witz, Mann! Der Amtsbereich des Marshals endet schon an der Stadtgrenze. Das sollten Sie doch wissen!«

»Bitte, Mr. Ryder, fragen Sie unseren Boss, der kanns Ihnen genau sagen. Was glauben Sie denn, warum er Barry Boston gerufen hat?«

»Das soll der Teufel verstehen!«, ruft Ryder und wetzt hinaus. Wie ein geölter Blitz flitzt er in den Sattel, löst die Laufschlinge und galoppiert die Straße hinab. Als Barry Boston aus dem Stallgang neben dem Stadthaus heraustrabt, ist Ryder schon auf die offene Savanne eingebogen.

*

Sie stehen in dichten Gruppen beieinander vor ihren Unterkünften, vor der Verwaltung und neben dem Unglückszug. Schon von weit her hört Barry Boston die erregten Stimmen, die erst verstummen, als er durch die Gasse der Männer reitet.

Ingenieur Stanley Morgan erscheint auf der überdachten Veranda vor seinem Büro. »Barry? Gott sei Dank, dass Sie da sind! Es ist der dritte Überfall in zwei Monaten. So geht das nicht weiter! Ich möchte bloß wissen, wie die Bande ausgerechnet den Geldtransport spitzgekriegt hat!«

Barry wirft einen prüfenden Blick über die beiden Mustangs an der Ecke der Baracke. Sie dampfen noch von eiligem Ritt. Einen davon hat er vorhin noch in der Stadt vor dem Hotel gesehen. »Wie viel Geld?«, fragt er knapp.

»Doppelte Löhnung, Barry. Annähernd fünfzigtausend Dollar.«

»Zwei Männer sind tot?«

»Ja. Die Bewacher. Ich wollte, ich hätte den ganzen Wagen mit Revolverschützen vollgestopft!«

Barry geht an Morgan vorbei in das Büro. Er zeigt keine Überraschung, als er Milt Ryder in einem der bequemen Sessel sitzen sieht, neben einer tizianroten Schönheit.

»Sie kennen meine Tochter Judy noch nicht«, sagt Stanley Morgan. »Mit Mr. Ryder sind Sie ja schon länger bekannt, wie ich annehmen darf.«

Barry nickt dem schönen Girl zu. »Freut mich, Madam. – Hallo, Milt. Es passte leider nicht mit dem Drink.«

»Oh, das lässt sich immer noch nachholen. Was sagst du zu dieser Schweinerei, Barry?«

»Es ist nicht das erste und nicht das letzte Mal, dass so etwas geschieht. Geld lockt Banditen an wie der Honig die Bienen.«

»Eine schlimme Wahrheit«, knurrt Morgan. »Well, Barry, wir wissen leider nicht mehr, als dass fünf maskierte Reiter es getan haben. Sie sind in einem Canyon gegenüber Beekers Point verschwunden. Kein Anhaltspunkt, wer es gewesen sein könnte. Wenn Sie mit dem Lokführer und dem Heizer sprechen wollen?«

»Ich denke, die haben mir auch nicht mehr zu erzählen.«

»Yeah. Dann ist da noch der Stationswärter von Beekers Point, Cole Coxall. Ihn hats übel erwischt.«

»Coxall?«, fährt Barry auf. »Glauben Sie, dass er es nicht übersteht?«

»Keine Ahnung. Doc Willard spielt nicht gern den Propheten. Möchten Sie Coxall sehen?«

»Ja, bitte.«

»Dann kommen Sie mit, Barry. Übrigens hat Coxall schon Besuch. Er verlangte nämlich nach Jerry Kelland. Ist er etwa mit Heiland verwandt?«

»Nein. Aber sie sind Freunde – jedenfalls waren sie es vor fünf Jahren.«

Barry Boston nickt Judy Morgan und Milt Ryder zu und folgt dem Ingenieur zur Ambulanz des Camps.

*

Der Docht der Lampe ist ganz niedrig geschraubt, und der schwache Lichtschimmer reicht gerade aus, um sich in Cole Coxalls fiebrigen Augen zu spiegeln.

Jerry Kelland steht am Fußende des Bettes – ein starkknochiger, untersetzter Mann mit einem Stiernacken.

Jerry ruckt herum, er duckt sich unwillkürlich und entspannt sich erst, als Barry Boston ruhig sagt: »Hallo, Freund.«

Cole Coxall bewegt sich unruhig und murmelt: »Die Stimme sollte ich kennen. Hell und damnation, wenn das nicht Barry ist! Mann, welcher Wind weht dich hierher?«

Jerry Kelland rührt sich nicht. Seine Stimme klingt tonlos. »Er trägt den Stern, Cole. Wusstest du das nicht? Und er kennt seine alten Freunde nicht mehr.«

Barry tritt langsam an das Lager des Verwundeten. Sein Blick schwenkt über Jerry Kelland hin und dann zu Cole Coxall. »Mein Vater starb als Verfemter. Ich habe das County bei Nacht und Nebel verlassen – als Flüchtling. Ein Mann in meiner Lage rechnet nicht mehr auf Freundschaft.«

»Narrheit!«, knurrt Kelland. »Ich habe nie an die Schuld deines Vaters geglaubt. Und selbst wenn er ein Mörder gewesen wäre – was hätte das mit uns zu tun?«

»Danke, Jerry. Das macht vieles leichter.«

Er streckt beide Hände aus, Jerry Kelland ergreift die eine, Cole Coxall die andere. Es ist, als wäre die Zeit fünf Jahre stehen geblieben.

»Ich wollte, ich hätte mehr Zeit«, sagt Barry, »aber die Pflicht ruft. Hast du irgendeinen Verdacht, Cole, wer dir das Ding verpasst haben kann?«

Jerry Kelland schüttelt den Kopf. »Weshalb fragst du? Dich geht das doch nichts an. Du bist für die Stadt zuständig und nicht …«

Barry schüttelt den Kopf. »Nein, Jerry. Ihr beide seid außer Stanley Morgan die Ersten, denen ich die Wahrheit sagen will. Ehe ich den Stern des Town-Marshals von Bellamy bekam, habe ich schon einen anderen Stern getragen. Diesen hier.«

Er nestelte den vielgezackten Stern aus der Brusttasche des Hemdes, auf dem im Innenkreis eingraviert steht: »US-Marshal«.

Das Metall blinkt matt auf Barrys flacher Hand. Er hebt den Kopf und sagt mit seltsamem Lächeln: »Das ist mein Job – seit Jahren schon. Ich hoffe, es macht euch nichts aus.«

Jerry Kelland presst scharf den Atem durch die Zähne.

Cole Coxall stöhnt leise und flüstert: »Das ist die Hölle. Bedeutet das, dass du Jagd auf die Banditen machen wirst?«

»Genau.«

Jerry Kelland richtet sich straff auf. Sein Gesicht zuckt, aber das können auch die Schatten sein, die das blakende Licht wirft. »Tu’s nicht, Barry!«

»Was denn? Du meinst im Ernst, ich soll nicht hinter den Banditen her, bloß weil’s fünf Mann waren?«

»Das ist nicht der Grund. Ich wollte, ich könnte es dir sagen. Ach, verdammt, ich kanns ja selbst noch nicht glauben …«

»Du musst schon einen sehr guten Grund haben, Jerry, wenn du mich zurückhalten willst. Vergiss nicht, dass zwei Männer sterben mussten – bloß wegen dieser dreckigen Geldscheine. Vergiss nicht, dass Cole hier liegt und verdammt, was auszustehen hat!«

»Ich weiß, Barry. Es ist die Hölle! Verdammt, du musst mir einfach glauben …«

Cole Coxalls flache, tonlose Stimme fällt dazwischen. »Ich würd’s ihm sagen, Jerry. Alles. Sind wir noch immer Freunde, oder sind wir’s nicht? Stehen wir füreinander ein wie früher?«

Jerry senkt hilflos den Kopf. »Ich weiß nicht, Cole, du darfst nicht vergessen, dass er den Stern trägt. Er ist zuerst Beamter des Gesetzes, dann vielleicht mal unser Freund!«

Barry verschränkt die Hände ineinander.

»Ich nehme an, ich erfahre es früher oder später doch. Mir wäre es lieber, ich würde es aus deinem Munde hören, Jerry. Warum hat Cole dich sofort rufen lassen? Wen hat er erkannt?«

Jerrys Kopf zuckt hoch.

»Du weißt –«