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Auf dem Flohmarkt im Hafen von Palinghuus entdeckt Sarah das Tagebuch eines angeblichen Piraten aus dem 17. Jahrhundert. Doch kaum hat sie den Stand verlassen, lauert ihr ein unheimlicher Mann auf, der ihr das Buch für viel Geld abkaufen will. Sarah wird neugierig - befindet sich darin etwa eine Karte zu einem Schatz?
Trotz spannender Lektüre wird allerdings schnell klar, dass das Tagebuch gar nicht so alt ist, wie es aussieht. Und darin sind Mordfälle beschrieben, die vor 50 Jahren tatsächlich passiert sind! Enthält das Buch etwa Hinweise, mit denen Sarah den Täter von damals überführen kann?
Über die Serie: Palinghuus in Ostfriesland: Zwischen weitem Land und Wattenmeer lebt Sarah Teufel mit ihrem amerikanischen Ex-Mann James in einer Windmühle. Gemeinsam betreiben sie das einzige Taxiunternehmen weit und breit - mit einem Original New Yorker Yellow Cab! Bei ihren Fahrten bekommt Sarah so einiges mit. Und da die nächste Polizeistation weit weg ist, ist doch klar, dass Sarah selbst nachforscht, wenn etwas nicht mit rechten Dingen zugeht. Denn hier im hohen Norden wird nicht gesabbelt, sondern ermittelt!
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Seitenzahl: 222
Veröffentlichungsjahr: 2025
Cover
Inhalt
Grußwort des Verlags
Über diese Folge
Taxi, Tod und Teufel - Die Serie
Titel
1. Kapitel
2. Kapitel
3. Kapitel
4. Kapitel
5. Kapitel
6. Kapitel
7. Kapitel
8. Kapitel
9. Kapitel
10. Kapitel
Epilog
Über die Autorin
Impressum
Cover
Inhaltsverzeichnis
Titelseite
Inhaltsbeginn
Impressum
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Auf dem Flohmarkt im Hafen von Palinghuus entdeckt Sarah das Tagebuch eines angeblichen Piraten aus dem 17. Jahrhundert. Doch kaum hat sie den Stand verlassen, lauert ihr ein unheimlicher Mann auf, der ihr das Buch für viel Geld abkaufen will. Sarah wird neugierig – befindet sich darin etwa eine Karte zu einem Schatz?
Trotz spannender Lektüre wird allerdings schnell klar, dass das Tagebuch gar nicht so alt ist, wie es aussieht. Und darin sind Mordfälle beschrieben, die vor 50 Jahren tatsächlich passiert sind! Enthält das Buch etwa Hinweise, mit denen Sarah den Täter von damals überführen kann?
Palinghuus in Ostfriesland: Zwischen weitem Land und Wattenmeer lebt Sarah Teufel mit ihrem amerikanischen Ex-Mann James in einer Windmühle. Gemeinsam betreiben sie das einzige Taxiunternehmen weit und breit – mit einem Original New Yorker Yellow Cab! Bei ihren Fahrten bekommt Sarah so einiges mit. Und da die nächste Polizeistation weit weg ist, ist doch klar, dass Sarah selbst nachforscht, wenn etwas nicht mit rechten Dingen zugeht. Denn hier im hohen Norden wird nicht gesabbelt, sondern ermittelt!
LENA KARMANN
Tagebuch eines Piraten
»Jetzt bin ich schon seit drei Stunden mit dir unterwegs, und es hat sich noch immer kein Verbrechen ereignet«, beklagte sich Britta Kerstenbach ironisch, während sie auf dem Deich vor Palinghuus gemeinsam mit ihrer besten Freundin Sarah Teufel unterwegs war. Es war der dritte Samstag im Mai, und auf dem Deich und im Hafen wurde traditionell Flohmarkt veranstaltet – auch wenn das nicht so ganz richtig war, denn traditionell fanden die Flohmärkte von April bis September immer am zweiten Samstag im Monat statt. In diesem Jahr hatte man von der Regel aber abweichen müssen, da am Wochenende zuvor das Festival Tausend Watt am Watt stattgefunden hatte.
Sarah blieb stehen und ließ den Blick über den Strand und das Meer wandern, das an diesem fast windstillen Tag so gut wie gar nicht in Bewegung zu sein schien. Die Möwen waren in Scharen inmitten der flachen Ausläufer der kaum vorhandenen Wellen unterwegs, um dort nach etwas Essbarem zu suchen, und stiegen nur kurz auf in die Lüfte, wenn ihnen die Badegäste in die Quere kamen, die auf dem Weg ins Wasser oder zurück an den Strand waren.
Der Flohmarkt war eine Mischung aus Ständen von Privatleuten und von Händlern, die von ihren Verkäufen lebten. Dementsprechend fanden sich auf dem Deich auch fast nur Profis, die für ihre Tische eine recht hohe Gebühr zahlen mussten, während die privaten Verkäufer im Hafen gar nichts zu bezahlen hatten.
An allen Ständen herrschte Gedränge, und das, obwohl der Strand auch ausgesprochen gut besucht war. Zweifellos hatte die Aussicht auf Sonnenschein und Temperaturen von über zwanzig Grad sowohl die Sonnenhungrigen als auch die Schnäppchenjäger nach Palinghuus gelockt.
»Der Tag is noch lang«, gab Sarah schmunzelnd zurück. »Es kann noch immer etwas passieren. Auch wenn es mir lieber wäre, wenn es gar nich erst dazu kommt. Mir steckt noch der letzte Mord in den Knochen, und Kommissar Scharrmann kann sicher auch darauf verzichten, die Statistik weiter in die Höhe zu treiben.«
»Na ja, mir ist es ja auch lieber, wenn sich das Verbrechen von uns fernhält«, sagte Britta, die ihre langen blonden Haare ausnahmsweise einmal offen trug, weil kein Wind sie ihr ständig ins Gesicht wehen konnte. Während Sarah wie üblich in Jeans und T-Shirt unterwegs war, trug ihre Freundin ein bunt gemustertes, langes und weit geschnittenes Leinenkleid, das sie selbstironisch auf den Namen Kartoffelsack getauft hatte. »Hier passiert schon genug, auch wenn es noch wenig ist im Vergleich zu Bremen oder Hamburg.«
»Dafür is unsere Aufklärungsquote viel, viel besser«, betonte Sarah, während sie beiläufig einen Blick auf den Stand warf, an dem sie gerade vorbeikamen. Sie stutzte. »Wer kauft denn heute noch alte Filme auf Video, und dann noch für ... hundert Euro?«, fragte sie verwundert und zeigte auf eine der klobigen Hüllen, auf der das Filmplakat von Das Imperium schlägt zurück zu sehen war.
»Sammler, die ihre alten Filme vor Jahren für eine Mark das Stück verkauft haben, als DVDs auf den Markt kamen«, antwortete der Händler, der ihre Frage mitbekommen hatte. »Irgendwann fällt den Leuten auf, wie sehr sie das vermissen, was sie für einen Spottpreis verscherbelt haben, um Platz für DVDs zu schaffen.«
»Und Sie nehmen solche Preise für alte Videokassetten, die Sie für eine Mark gekauft haben?«, fragte Britta ungläubig. »Ist das nicht schon Wucher?«
Der Händler strich sich über seinen Schnauzbart und entgegnete: »Der Markt regelt den Preis. Und Sie dürfen nicht vergessen, dass das alles hier zwanzig Jahre in einem Lagerraum gelegen hat, für den ich ziemlich viel Miete zahle. Und ich musste den Stand mieten und meinen Wagen betanken. Da kommt eine Menge zusammen.«
Sarah nickte verstehend. »Aber is das hier nich eigentlich der verkehrte Ort, um solche Sammlerstücke anzubieten? Wären Sie damit nich auf einer Filmbörse besser aufgehoben?«
»Sollte man meinen«, räumte er ein. »Aber auf eine Filmbörse gehen nur die Leute, die bereits wissen, was sie da wahrscheinlich finden werden. Die haben schon eine bestimmte Preisvorstellung, und außerdem sind da garantiert noch zehn andere Händler, die das meiste von diesen Filmen ebenfalls anbieten. Hier bin ich der Einzige, und hier kommen potenzielle Kunden vorbei, die nicht damit rechnen, solche alten Schätzchen noch mal wiederzusehen.«
Sarah zog eine Augenbraue hoch. »Das entbehrt nich einer gewissen Logik«, musste sie zugeben.
»Danke«, erwiderte der Verkäufer.
»Das wäre doch was für deinen Mann, oder?«, überlegte Britta.
»O ja«, bestätigte Sarah. »James wäre vermutlich kaum zu bremsen, zumal er das meiste nur aus seiner alten Heimat und damit in der Originalfassung kennt. Aber wir haben kein Abspielgerät, und ich weiß genau, dass er sich später ohrfeigen wird, weil er nicht weiß, wieso er sich dazu hat verleiten lassen, für viel Geld ein halbes Dutzend Filme zu kaufen, die er sich gar nich ansehen kann.«
»Dann sollten wir ihn besser vor diesem Schicksal bewahren und nichts sagen«, entschied ihre Freundin.
Sie gingen weiter, während sich der Händler einem älteren Ehepaar widmete, das auf das ungewöhnliche Angebot aufmerksam geworden war.
»Eigentlich dürfte man überhaupt nichts wegwerfen und stattdessen alles horten«, meinte Sarah, während sie an einem Stand mit einer riesigen Auswahl an Wolle und allem möglichen Handarbeitszubehör vorbeigingen, an dem großes Gedränge herrschte. »Wenn ich manchmal auf Ebay nach etwas suche und sehe, welche Preise da für Fernsehzeitungen aus den Siebzigern oder Achtzigern oder manchmal auch für reine Werbeprospekte verlangt werden ... Da denke ich immer, dass ich in zwanzig oder dreißig Jahren ein Vermögen damit machen könnte, wenn ich alles aufbewahre und am besten auch noch in Schutzhüllen einschweißen lasse.«
»Vergiss nicht, dass du das aber auch dreißig Jahre lang in einem Lagerraum liegen lassen musst, der dich eine Menge Geld kosten würde«, gab Britta zu bedenken. »Du hast es ja eben von diesem Händler gehört.«
Sarah zuckte betont lässig mit den Schultern. »Ich kann das doch alles wunderbar in deinem Yoga-Studio lagern. Da is Platz genug ...«
»... wenn gerade mal kein Kurs läuft«, warf Britta lachend ein. »Also kannst du deine imaginäre Sammlung für exakt eine Woche bei mir lagern, bis die Dachdecker fertig sind und es nicht mehr auf die Yoga-Matten regnet. Und auf deine wertvolle Sammlung künftiger Schätze.«
»Ach, bei meinem Glück in solchen Dingen würde ich am Ende ja doch niemanden finden, der solche Horrorpreise bezahlen will«, sagte Sarah und winkte ab.
»Apropos Horrorpreise«, erwiderte ihre Freundin und zeigte auf die Anlegestelle für die Fähre nach Baltrum, während sie die Treppe nahmen, die vom Deich nach unten in den Hafen führten. »Der neue Betreiber hat die Preise für die Überfahrten aber kräftig angezogen.«
»Ja, is mir auch aufgefallen«, musste Sarah ihr zustimmen. »Ich hatte zuerst gedacht, dass diese neue Firma nur den Festivalbesuchern das Geld aus der Tasche ziehen wollte, aber die Preise sind seitdem nich wieder nach unten korrigiert worden.«
»Damit tut er sich aber bestimmt keinen Gefallen«, fand Britta.
Sarah verzog den Mund. »Ich würde eher sagen, dass er nur sich einen Gefallen tut. Wer von der Insel auf das Festland muss, egal ob es Touristen oder Einheimische sind, der hat ja keine andere Wahl, wenn er den kürzesten Weg nehmen will. Natürlich kann man über Norden oder Bensersiel ausweichen, aber das dauert länger, auch wenn die Fahrten jetzt im Verhältnis günstiger sind, weil diese neue Firma hier so aufgeschlagen hat.« Nach einer kurzen Pause fügte sie skeptisch hinzu: »Und wenn ich diesen Parganini richtig verstanden habe, dann will seine Gesellschaft wohl auch andere Fähren übernehmen. Nich, dass die am Ende auch noch alle die Preise erhöhen.«
»Da kann man ja nur hoffen, dass unser Fährmann Fehrmann bald auftaucht und sich wieder selbst um seine Fähre kümmert«, sagte Britta. »Die Polizei hat noch keine Spur von ihm?«
»Nein, immer noch nichts«, musste Sarah bestätigen. »Der Mann is wie vom Erdboden verschluckt. Oder vom Wasser«, fügte sie betrübt hinzu. »Immerhin ist die Polizei im Hafenbecken schon mal nicht fündig geworden.«
»Immerhin ein kleiner Lichtblick«, fand Britta, während sie am ersten Stand der privaten Trödler vorbeigingen. Der Tisch war übersät mit Spielzeugautos in allen Größen und Farben. Ein paar Kinder liefen vor dem Tisch hin und her und nahmen mal das eine, mal das andere Modell in die Hand. Eine Mutter und zwei Elternpaare beobachteten das aufgeregte Treiben.
Der nächste meterlange Tisch war für Sieben- oder Achtjährige schon deutlich uninteressanter, da das Paar hinter dem Tisch anscheinend einen oder mehrere Bücherschränke geplündert hatte.
»Konsalik, Simmel, Kishon ...«, las Sarah leise die Autorennamen vor, die besonders häufig vertreten waren. »Ich habe das Gefühl, vor dem Bücherregal meiner Großeltern zu stehen.«
»Das musste ich auch gerade denken«, ergänzte Britta amüsiert. »Damals haben die Leute auch ganz ohne Influencer das Gleiche gelesen.«
Sarah musste schmunzeln. »Von der Seite habe ich das noch gar nich betrachtet. Aber du hast recht. Da hat sich auch ohne Internet herumgesprochen, was man unbedingt gelesen haben muss, um mitreden zu können.«
Das Paar hinter dem Tisch war noch damit beschäftigt, weitere Kartons auszupacken und die Bücher kreuz und quer auf der unteren Lage zu verteilen. »Wenn Sie etwas Bestimmtes suchen, fragen Sie einfach«, sprach die Mittvierzigern mit der wallenden rotblonden Mähne sie an, als sie bemerkt hatte, dass mögliche Kundschaft an ihrem Stand eingetroffen war.
»Wir sehen uns nur mal um«, erwiderte Britta.
»Die Preise sind im Buch mit Bleistift vermerkt«, fügte die Frau hinzu. »Bei mehreren Büchern gibt's natürlich Mengenrabatt.«
»Was ist das da?«, fragte Britta und zeigte auf das einzige Buch in einem speckigen, ramponierten Einband, das sich dadurch und durch die Tatsache vom Rest abhob, dass auf dem Umschlag weder ein Verfasser noch ein Titel zu finden waren.
»Das ist mal ein echter Dachbodenfund«, erklärte die Verkäuferin und setzte ein schiefes Lächeln auf. »Ich stöhne jedes Mal innerlich auf, wenn ich in einer Kleinanzeige lese, dass etwas ein Dachbodenfund ist. So viele Dachböden gibt es im ganzen Land nicht, wie da Funde angeboten werden.« Sie deutete auf das Buch, in dem Sarah blätterte. »Aber das haben wir tatsächlich auf unserem Dachboden gefunden. Es war in eine Ritze im Fußboden gerutscht, und wir haben es nur durch Zufall entdeckt. Vermutlich stammt es vom vorherigen Eigentümer, aber wir hatten ehrlich gesagt keine Lust, den erst noch ausfindig zu machen. Wenn er es vermisst hätte, dann wäre er bestimmt auf die Idee gekommen, über den Makler eine Anfrage an uns zu schicken, ob wir was gefunden hätten. Das ist jetzt schon einige Jahre her. Deshalb haben wir uns entschieden, es zusammen mit der Büchersammlung meiner Eltern und der Eltern meines Mannes zu verkaufen.«
»Und was genau stellt es dar?«, wollte Sarah wissen.
»Sie können es sich gern ansehen«, sagte die Frau und reichte ihr das Buch. »Angeblich handelt es sich um das Tagebuch eines Piraten, aber das scheint nichts Echtes von anno sonst wann zu sein. Es wirkt ehrlich gesagt mehr wie das Werk eines Zwölfjährigen, der ein paar Schauergeschichten zusammengetragen hat, um sie als Eintrag in einem Tagebuch in dieses Notizbuch zu schreiben. Aber auf jeden Fall hat er sich viel Mühe gegeben.«
Sarah schlug das Buch auf und stellte beim Blick auf das oberste, vergilbte Blatt erstaunt fest: »Das is ja alles von Hand geschrieben.«
»Wie gesagt, der Verfasser hat sich viel Mühe gegeben«, bekräftigte die Frau.
»Tagebuch des Pirathen Hannes der Schlaechter«, las Britta halblaut vor, was auf der ersten Seite geschrieben stand. »Verfasst in den Jahren 1594 bis 1621 A.D.«
»Das ist so einer von diesen ziemlich offensichtlichen Punkten«, sagte die Frau. »Das A in A.D. steht ja schon für ,Jahr', also würde niemand beides zusammen hinschreiben. Das liest sich so, als hätte jemand mal aufgeschnappt, dass hinter alten Jahreszahlen oft ein A.D. steht, ohne sich darüber Gedanken zu machen, was es heißen könnte.«
Sarah musste ironisch lächeln. »Ich kann mir gut vorstellen, dass es 1631 auch schon Leute gab, die das nich wussten. Nur konnten nicht genügend andere lesen und schreiben, um solche Fehler zu erkennen.«
»Mag sein«, räumte die Frau ein. »Aber ich möchte wetten, dass weder das Papier noch die Tinte älter als fünfzig Jahre sind. Allerdings möchte ich auch nicht das Geld für eine genaue Analyse ausgeben.«
»Sollten Sie nicht Ihre Bücher anpreisen«, fragte Britta amüsiert, »anstatt ein Argument nach dem anderen zu liefern, das den Preis nach unten drückt?«
»Eigentlich haben Sie völlig recht«, stimmte ihr die Frau zu. »Aber uns geht es nur darum, heute möglichst alles zu verkaufen, weil es uns viel zu umständlich ist, jedes einzelne Buch bei Ebay anzubieten und dann auch alles einpacken und zur Post tragen zu müssen.«
Sarah klappte das Piraten-Tagebuch zu und sagte: »Dann mache ich mit dem originellen Band hier schon mal den Anfang. Wie teuer ist dieses Werk von fragwürdiger Herkunft?«
»Zwei Euro fünfzig würden wir schon ganz gern dafür bekommen.«
»Einverstanden«, sagte Sarah, holte ein paar Münzen aus der Hosentasche und zählte sie ab. »Ich hab's passend.«
»Umso besser«, erwiderte die Frau erfreut und steckte das Geld ein, während sich Sarah und Britta verabschiedeten und weitergingen.
Nachdem sie ein paar Meter gegangen waren, drehte sich Britta zu ihr um und sah sie ernst an. »Ist dir eigentlich bewusst, dass du die oberste Flohmarktregel missachtet hast?«
Verwundert zog Sarah die Augenbrauen hoch. »Die oberste Flohmarktregel? Gibt's so was?«
»Aber natürlich. ,Verhandeln ist Pflicht'«, antwortete ihre Freundin todernst. »Als die Frau dir ihren Preis nannte, hättest du eins fünfzig sagen müssen, dann hättet ihr euch bei zwei Euro getroffen.
Sarah zuckte flüchtig mit den Schultern. »Ich find zwei fünfzig okay. Ich will gar nich runterhandeln.«
»Oha«, rief Britta erschrocken. »Wenn das die Flohmarktpolizei erfährt, wirst du bestimmt mit einem Besuchsverbot für die nächsten sechs Monate belegt.«
»Dann ziehe ich eben vors Flohmarktgericht und verklage die Flohmarktpolizei, damit sie aufhört mit diesem ... Flohzirkus.«
»Da hast du keine Chance«, sagte Britta und setzte eine wissende Miene auf. »Das Flohmarktgericht wird regelmäßig gerügt.«
»Gerügt? Wieso das denn?«
»Na, wegen Trödelei«, gab Britta zurück.
Sarah kniff die Augen zu und stöhnte leise auf. »Den Kalauer hätte ich doch kommen sehen müssen.«
»Damit hatte ich auch gerechnet«, meinte ihre Freundin. »Aber jetzt geht der Punkt wenigstens mal an mich.«
Sie schlenderten weiter von Stand zu Stand und wunderten sich immer wieder darüber, dass neben durchaus sinnvollen Angeboten wie gut erhaltener Kleidung ein paar Verkäufer unglaublich dreist waren. Sie boten alte Küchengeräte oder Werkzeuge an, die anscheinend nur noch durch Klebeband zusammengehalten wurden, und deklarierten das Ganze auch noch als ,geprüfte Ware'. Umso erstaunlicher war, dass sich immer wieder mal Kunden fanden, die das zu glauben schienen und freudestrahlend mit fragwürdiger Beute den Stand verließen.
»Was is eigentlich mit dem Rest?«, fragte Sarah.
»Welcher Rest?«
»Na, der Rest der Flohmarktregeln. Wenn Verhandeln die oberste Regel is, was is dann mit den anderen?«
»Ach, da gibt es einige«, antwortete Britta, nachdem sie kurz überlegt hatte. «,Kein übermäßiges Interesse an einem Objekt erkennen lassen.' Dann weiß der Verkäufer nämlich, dass du etwas unbedingt haben willst, und kommt dir mit dem Preis gar nicht entgegen. Am besten machst du immer den Eindruck, dass du nach etwas suchst, was du jemandem schenken willst, damit der dir endlich die Freundschaft aufkündigt.«
»Von der Sorte habe ich aber heute schon einige Beispiele gesehen«, gab Sarah lachend zurück. »Und weiter?«
»Lass mich nachdenken«, sagte Britta. »Ich habe die nicht auswendig gelernt.«
»Das wäre auch ziemlich schwierig, wenn man berücksichtigt, dass du sie dir gerade erst ausdenkst«, ulkte Sarah augenzwinkernd. »Wie wäre es denn damit: ,Nach dem Runterhandeln immer so tun, als hättest du zwei Euro zu wenig in der Tasche'?«
»Oh, der ist raffiniert«, fand Britta.
»Noch raffinierter is die Frage: ,Kostet das bei Ihnen auch fünfzig Cent wie an dem Stand da drüben?'«, fuhr Sarah fort. »Verdammt, du hast mich mit deinen Flohmarktregeln auf eine Idee gebracht, und jetzt kann ich an nichts anderes mehr denken.«
»Versuch dich abzulenken«, riet Britta ihr. »Wenn du ...«
»Entschuldigen Sie«, wurde sie von einer Männerstimme unterbrochen.
Sarah und Britta drehten sich gleichzeitig um und entdeckten einen älteren Mann, der dicht hinter ihnen stand. Er trug einen fast himmelblauen dünnen Sommeranzug, mit dem er sich von so gut wie allen anderen Besuchern des Trödelmarkts unterschied, von denen niemand ein Jackett trug. Entweder sah man T-Shirts oder schulterfreie Tops, oft in Kombination mit kurzen oder dreiviertellangen Hosen.
»Ja, bitte?«, erwiderte Sarah.
»Sind Sie die Frau, die vor ein paar Minuten an dem Stand dahinten das Piratentagebuch gekauft hat?«
»Um was geht es denn?«, fragte sie, anstatt dem Mann zu antworten. Er schien dem Gesicht nach zu urteilen Mitte bis Ende sechzig zu sein, sein schütteres Haar hatte er nachlässig nach hinten gekämmt, aber wahrscheinlich durch eine zu hastige Kopfbewegung war es wohl schnell wieder zerzaust worden. Die Ausstrahlung des Fremden hatte etwas Undefinierbares an sich und schien aus einem unerklärlichen Grund in Richtung Bedrohung zu deuten. Dieses vage Gefühl war es auch, was Sarah davon abhielt, mit einem klaren Ja zu antworten.
»Ich kaufe es Ihnen für den doppelten Preis ab«, antwortete der Mann.
Sarah stutzte. »Angenommen, ich hätte das Buch, warum sollte ich es Ihnen verkaufen?«
»Weil ich Ihnen den doppelten Preis biete.«
Sie schüttelte den Kopf. »Das is kein Argument. Was hat es mit diesem Buch auf sich?«
»Nichts. Ich will es nur haben«, kam die ausweichende Antwort, die sich für Sarah nicht sehr überzeugend anhörte.
»Nun, ich wollte es auch haben, und deshalb habe ich es gekauft«, konterte sie. »Ich wüsste nich, warum ich das Buch an Sie abtreten sollte.«
»Hören Sie, ich habe das Buch vor Ihnen gesehen«, erwiderte er. »Also habe ich auch das Recht, es zu kaufen.«
»Es würde Ihnen gehören, wenn Sie es gekauft hätten, als Sie es gesehen haben«, korrigierte Britta ihn. »Wenn meine Freundin es kaufen konnte, dann heißt das doch, dass Sie wieder gegangen sind, nachdem Sie es gesehen hatten. Wenn Sie es haben wollten, hätten Sie direkt zugreifen müssen.«
»Ich musste zu meinem Wagen gehen und Geld holen«, sagte er.
Sarah konnte sich ein Grinsen nicht verkneifen. »Entschuldigung, aber Sie gehen auf einen Trödelmarkt und haben nich mal zwei Euro fünfzig in der Tasche?«
»Das tut nichts zur Sache!«, knurrte er ungehalten. »Ich will dieses Buch haben.«
»Wissen Sie, wenn Sie höflich gefragt hätten oder wenn Sie mir ein rührseliges Märchen erzählt hätten, dass Sie als Kind dieses Tagebuch geschrieben haben und es Ihnen später abhandengekommen is, dann hätte ich mich ja vielleicht erweichen lassen«, machte Sarah dem grimmig dreinblickenden Mann klar. »Aber weil ich von Ihnen nichts anderes als ,Ich will' und andere Forderungen zu hören bekomme, habe ich kein Interesse an einem Weiterverkauf.«
»Ich will es Ihnen aber trotzdem abkaufen!«, beharrte der Mann.
»Ich verkauf es Ihnen aber nich«, sagte Sarah und drehte sich weg, um weiterzugehen.
In der nächsten Sekunde bemerkte sie, wie eine Hand auf ihre Schulter gelegt wurde. Bevor der ältere Mann noch etwas sagen konnte, wirbelte sie herum und hielt ihm mahnend den ausgestreckten Zeigefinger vors Gesicht. »Fassen Sie mich nich noch mal an, sonst vergesse ich mich«, fuhr sie ihn so heftig an, dass er erschrocken zurückwich. »Ich habe begriffen, dass Sie dieses Buch haben wollen. Aber Sie sollten begreifen, dass ich es Ihnen nich verkaufen werde. Weder für die zwei Euro fünfzig, die ich dafür bezahlte, noch für die fünf Euro, die Sie mir dafür geben wollen. Auch nich für zehn oder zwanzig Euro. Ich will ...«
»Ich gebe Ihnen hundert Euro!«, fiel er ihr ins Wort.
Sarah sah kurz zu Britta, dann legte sie den Kopf schräg und musterte den Mann aufmerksam. »Hundert Euro?«
»Ja, in bar und auf der Stelle«, versicherte er ihr.
»Jetzt haben Sie tatsächlich mein Interesse geweckt«, sagte Sarah. »Nich an Ihrem Kaufangebot, damit wir uns da nich falsch verstehen. Sondern an diesem Buch. Irgendwas sehr Interessantes muss ja wohl darin zu finden sein, sonst würden Sie mir nich hundert Euro bieten und vermutlich sogar zweihundert zahlen, wenn ich für den Preis verkaufen würde. Was steht so Wichtiges in diesem Buch?«
»Das weiß ich nicht«, gab er schroff zurück. »Darum will ich es ja haben.«
Sarah zuckte mit den Schultern. »Tut mir leid, es is nich zu verkaufen.«
»Dann verkaufen Sie es mir, wenn Sie es gelesen und nichts Interessantes gefunden haben«, beharrte der Mann verärgert, holte seine Brieftasche und einen Kugelschreiber aus der Innentasche seines Jacketts und notierte etwas auf einem kleinen Zettel, den er aus der Brieftasche gefischt hatte. »Hier, meine Nummer. Rufen Sie mich an.«
»Bitte«, erwiderte sie lächelnd.
»Was?« Er schüttelte irritiert den Kopf.
»Rufen Sie mich bitte an.« Sie musterte ihn abwartend.
Nachdem er die Augen verdreht und leise geschnaubt hatte, entgegnete er: »Rufen Sie mich bitte an.«
Sarah nickte bedächtig. »Ich werde darüber nachdenken. Und jetzt lassen Sie mich in Ruhe. Habe ich mich verständlich genug ausgedrückt?«
»Ja, schon gut«, murmelte er und machte kehrt.
»Was sollte das denn?«, wunderte sich Britta.
»Frag mich was Leichteres.« Sarah sah dem Mann hinterher, der sich nur langsam entfernte und dabei so übertrieben zu den Ständen rechts von ihm sah, dass es so schien, als würde er Sarah und Britta weiter aus dem Augenwinkel beobachten und nur darauf warten, dass sie sich endlich wegdrehten. »Irgendwas in diesem Buch scheint so wertvoll zu sein, dass er dafür mindestens hundert Euro ausgeben wollte. Mal sehen, ob wir dahinterkommen, was es is.«
»Wir?«, wiederholte Britta erfreut. »Heißt das, ich darf auch mal wieder mitmischen?«
»Du darfst immer mitmischen, Britta, und das weißt du auch«, beteuerte Sarah. »Du bist nur nich immer abkömmlich, wenn dein Mitmischen gebraucht wird.«
»Und wie gehen wie vor?«, wollte ihre Freundin wissen.
»Als Erstes gehen wir an deinem Yoga-Studio vorbei und von da weiter zur Werkstatt«, sagte Sarah.
»Zur Werkstatt?«, fragte sie. »Was haben wir denn da verloren?«
»Da steht James' schicker brandneuer Drucker-Scanner-Kopierer«, antwortete sie grinsend. »Da mache ich gleich zwei Kopien von dem Buch, und wir können auf den Kopien unsere Anmerkungen notieren, falls wir da wirklich auf irgendwas Interessantes stoßen.«
Ihre Freundin setzte eine irritierte Miene auf. »Dass das an meinem Studio vorbei ein Umweg ist, ist dir doch klar, oder?«
Sarah zwinkerte ihr zu. »Natürlich is mir das klar. Aber ich möchte wissen, ob dieser seltsame Kerl uns mit viel Abstand verfolgt. Ich will nich, dass er sieht, wohin wir gehen. Sonst kommt er noch auf die Idee, in die Werkstatt einzubrechen und alles zu durchwühlen, weil er das Buch da vermutet.«
»Du hast mal wieder drei Schritte weiter gedacht als ich«, musste Britta neidlos zugeben. »Und du hast recht. Wenn wir rechts entlang zur Werkstatt gehen, kann er unbemerkt beobachten, wohin wir verschwinden.«
»Genau, und da wir nich wissen, was der Typ in diesem Buch finden will, können wir auch nich einschätzen, zu welchen Mitteln er greift, um es sich doch noch irgendwie unter den Nagel zu reißen«, redete Sarah weiter. »Mag sein, dass er völlig harmlos is, aber ich bin lieber vorsichtig.«
Sie gingen weiter in Richtung des Yoga-Studios, wobei sie abwechselnd einen Blick über die Schulter warfen, um sich zu vergewissern, dass der seltsame Mann ihnen nicht folgte. Dank seines hellblauen Anzugs war es für sie kein Problem, festzustellen, dass er sich nicht an ihre Fersen geheftet hatte.
Spätestens wenn sie das zweite Mal rechts abgebogen und auf dem Weg zur Werkstatt waren, würden sie den Mann sofort bemerken, sobald er um die erste Ecke kam, da die kurze, schnurgerade Straße keine Möglichkeit bot, in Deckung zu gehen und ihnen unbemerkt zu folgen.
Sarah hoffte, dass der Mann eben nicht um diese Ecke kam und sie ihn auf dem Trödelmarkt zum ersten und zugleich letzten Mal gesehen hatte.
»Und?«, fragte James seine Frau am frühen Sonntagabend, nachdem sie sich den Nachmittag über ein paar Stunden lang in das Tagebuch des Piraten vertieft hatte. »Was hältst du bislang von diesem Buch?«
Er hatte es sich gemeinsam mit Mischlingshund Chico auf der Couch bequem gemacht und sah sich das Buch von allen Seiten an, während Sarah die Kopien zur Seite legte, die sie in der Werkstatt gemacht hatte. Sie schüttelte den Kopf. »Ich bin noch nich ganz durch, aber das is alles ein seltsames Geschreibsel. Ich habe das Gefühl, dass der Verfasser zuerst versucht, möglichst altmodisch und holprig zu schreiben. Aber je weiter er in einem Absatz vorankommt, umso moderner und flüssiger liest es sich. So als würde er mit jedem Satz ein bisschen mehr vergessen, wie er eigentlich klingen will.«
