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Mit ihrem "Atlas der abgelegenen Inseln", dem Roman "Der Hals der Giraffe" und dem "Verzeichnis einiger Verluste" gelangte Judith Schalansky ins Zentrum der literarischen Öffentlichkeit. Materialität, Naturerfahrung und Geschichtlichkeit sind wesentliche Ankerpunkte ihres Schaffens, das sich nicht auf das Schreiben von Texten beschränkt, sondern das Buch als visuelles und haptisches Medium begreift. Die Gestaltungsverfahren der Buchgestalterin interagieren auf das Engste mit Erzählweisen, die kontinuierlich zwischen Gegenwart und Vergangenheit oszillieren und dabei eigene Erfahrungen integrieren, ohne sich auf das rein Biografische zu beschränken. Das Heft deutet Schalanskys Werk als vielschichtige Vergegenwärtigung von Temporalität, der Mensch und Natur gleichermaßen unterworfen sind. Davon ausgehend entfaltet es sowohl übergreifende auch exemplarische Perspektiven auf ihre wichtigsten künstlerischen Handlungsfelder, dem Schreiben, Gestalten und Herausgeben von Büchern.
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Seitenzahl: 212
Veröffentlichungsjahr: 2024
TEXT+KRITIK.
Zeitschrift für Literatur
Begründet von Heinz Ludwig Arnold
Redaktion:
Meike Feßmann, Axel Ruckaberle, Michael Scheffel und Peer Trilcke
Leitung der Redaktion: Claudia Stockinger und Steffen Martus
Am Reinsgraben 3, 37085 Göttingen
Telefon: (0551) 54 76 643
Print ISBN 978-3-96707-975-3 E-ISBN 978-3-96707-977-7
Umschlaggestaltung: Thomas Scheer
Umschlagabbildung: © René Fietzek
E-Book-Umsetzung: Datagroup int. SRL, Timisoara
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© edition text + kritik im Richard Boorberg Verlag GmbH & Co KG, München 2024 Levelingstraße 6a, 81673 Münchenwww.etk-muenchen.de
Alexander Honold Werden im Vergehen. Naturpoetik als Bildungsgeschichte
Gabriele Dürbeck Nature Writing als kulturelle Zeugenschaft. Schalanskys Essay »Hafen von Greifswald«
Caroline Schaumann »Das Darwin stirbt aus!« Judith Schalanskys Werke im Spiegel der Extinction Studies
Ulrike Vedder Judith Schalanskys Kipppunkte und ihre Ästhetik
Carola Hilmes »Wo Gefahr ist, darf die Literatur nicht schweigen.« Der kultur- und ökokritische Essay »Schwankende Kanarien«
Andreas Platthaus Fraktur reden. Zum Gestaltungswillen von Judith Schalansky
Barbara Kosta Sehnsucht nach Weite. Judith Schalanskys »Blau steht dir nicht. Matrosenroman«
Philip Ajouri Die Poetik des Buchs und der Buchgestaltung
Jackie Smith Judith Schalansky übersetzen
Lilla Balint / Leonhard Herrmann Doppelte Autorschaft. Ein Gespräch mit Judith Schalansky
Carlotta Djajadisastra Forschungsbibliografie Judith Schalansky
Notizen
Alexander Honold
»Inge Lohmark trat ans Fenster. […] Die Bäume hatten sich schon zu verfärben begonnen. Das abgebaute Chlorophyll machte die Bühne frei für die leuchtenden Blattpigmente. Carotinoide und Xantophylle. Die langstieligen, von Miniermotten zerfressenen Blätter der Kastanie hatten gelbe Ränder. Dass die Bäume sich so eine Arbeit machten mit Blättern, von denen sie sich ohnehin bald trennten. Genau wie sie als Lehrerin. Jedes Jahr das gleiche Spiel. Seit über dreißig Jahren. Immer wieder von vorn.« (G 22)1
Wer so sachkundig auf die Bäume vor dem Fenster schaut, kennt sich aus in Naturdingen; mit Wachstumsschüben, Stoffwechseln und Zerfallsprozessen. Die Protagonistin in Judith Schalanskys 2011 erschienenem Roman »Der Hals der Giraffe« ist Biologielehrerin, ihr langjähriger Einsatzort ist das keineswegs zufällig so benannte Charles-Darwin-Gymnasium in einer nordostdeutschen Kleinstadt nach der Wende. Dort bestehen aufgrund des demografischen Schwundes schulische Überkapazitäten, die abgebaut werden müssen. Deshalb hat Frau Lohmark mit dem herbstlichen Beginn des neuen Schuljahres zum letzten Mal eine neunte Klasse übernommen, die sie binnen vier Jahren zur Reife führen soll. Der vegetative Rhythmus des Knospens, Erblühens, Welkens und Verfalls gibt dem Klassenzimmer eine melancholisch gestimmte Zeitkurve vor,2 und sogar das krude Gesetz des Fressens oder Gefressenwerdens scheint im Kontext schwerwiegender gesellschaftlicher Verwerfungen gefährlich aktuell.
Ein »Bildungsroman«, wie im Untertitel bezeichnet, liegt mit dieser Schulgeschichte in mehrfachem Sinne vor.3 Aus biologischer Sicht geht es, von den zahlreichen eingestreuten Abbildungen und Grafiken wie im Lehrbuch demonstriert, um den einst vom Evolutionsforscher Darwin mit provokantem Theorieansatz analysierten Reichtum der Arten. Mit der kundigen Lehrerin voran durchwandert der Erzählgang exemplarisch die eindrucksvolle Verschiedenheit und Vielfalt jener Gestaltungen, welche ›das Leben‹ auf Erden im Laufe der Zeiten ausgebildet und unterhalten hat: in den Tiefen der Meere, auf dem Erdboden und in den luftigen Höhen der Bäume, der Berg- und der Vogelwelt. So betrachtet, liefert die Handlung einen Prototyp zu der von Schalansky wenig später ins Leben gerufenen und betreuten Verlagsreihe der »Naturkunden«, welche ihrerseits die Artenvielfalt des Buchmarkts seit zehn Jahren mit wohlgestalteten und sogar erfolgreichen Bänden bereichert.
Aber die Biologie-Ausflüge sind im Roman Teil einer forcierten didaktischen Situation – in der die menschliche Bildung an den darwinistischen Bildungen ausgerichtet wird. Der titelgebende, auffallend lange »Hals der Giraffe« etwa sei, bekommt die Klasse mitgeteilt, das evolutionäre Produkt der Notwendigkeit, sich anzustrengen, um auch einmal an die hochhängenden Früchte zu gelangen (G 209).4 Indem die pittoresken Naturexempel eingebettet werden in die Dramaturgie eines rauen Schulalltags mit seinen Schwierigkeiten pädagogischer Kooperation, bewegt sich die Romangeschichte zugleich durch das schwere Geläuf einer vielfach bespielten literarischen Tradition. Unter der programmatischen Gattungskategorie des Bildungsromans pflegt die Germanistik jenes auf Wieland und Goethe zurückgehende, in der deutschen Literatur besonders intensiv ausgeformte Erzählmodell der Reise eines problematischen Individuums zu sich selbst abzuhandeln. Dabei wurde der Bildungsvorgang im Wechselspiel des Lehrens und Lernens gemäß den philosophisch weitreichenden Vorstellungen des deutschen Idealismus nie nur als Privatangelegenheit Einzelner, sondern als formatio,5 als Entwicklungsprozess der Inhalte selbst verstanden. Seine Energien bezieht das lernende Lesen im Buch der Natur demzufolge aus der inhärenten Dynamik der Gegenstände, sodass im Vorgang ihrer kognitiven Aneignung sich zugleich die werdende Welt überhaupt erst zu einem brauchbaren Gesamtbild fügt. Natur, so zeigt sich dann, ist selbst von einem unablässigen Formdrang durchwirkt, dem das künstlerische Tun durch seine Schöpfungs- und Zerstörungskräfte nacheifert.
In solche steilen Reminiszenzen des Bildungsbegriffs mischen sich als ironisches Gegengewürz die latent aggressiven Konfrontationssituationen des (noch dazu von drohender Abwicklung überschatteten) ostdeutschen Schulbetriebs. Klasse neun, mit Lehrerin: Da stehen Existenzen auf dem Spiel, müssen verträgliche Formen des Miteinanders wieder ausgehandelt werden, nachdem durch den politischen Systemwechsel die zuvor für unantastbar geltende pädagogische Autoritätsposition in schmerzvoller Plötzlichkeit delegitimiert worden war.6 Dem Vorgang des Aussterbens, der hier auf wirtschaftlicher Ebene Berufsexistenzen und soziale Einrichtungen krass bedroht, lässt sich seit dem Darwin’schen Evolutionsparadigma immerhin eine gewisse Logik zuschreiben. Denn jede unabsichtliche genetische Veränderung schafft ein breites Angebot an potenziellen Verbesserungsvorschlägen, die der Zukunft zur Auswahl serviert und damit auf den Prüfstand der Überlebenstauglichkeit gehoben werden. Wofür etwa der Sex der Pantoffeltierchen gut sein soll, oder auch die postmoderne Idee des lebenslangen Lernens, könnte sich jeweils erst in einer entwicklungsbiologisch geräumigen Langzeitbelichtung erweisen. »Allein, dass der Mensch zur Schule gehen musste, sprach für die Unzulänglichkeit seiner Konstruktion« (G 184), befindet die hier durch das Kunstmittel erlebter Rede zu Wort gebrachte Lehrerin.
Die deutsch-deutschen Umbruchzeiten und ihre Akteure fungieren dabei als ein politisches Exemplum. Zugleich und vor allem aber gilt es, das Augenmerk auf das im »Giraffen«-Roman als biologisches Leitmotiv mitlaufende und für Schalanskys Naturauffassung seit Längerem maßgebliche Thema des Werdens im Vergehen zu richten, das sich wie ein roter (und neuerdings auch gelber) Faden durch die Diversität ihrer literarischen und buchgestalterischen Arbeiten zieht.
Ein stattliches Lebensgebilde, wie etwa das Blattwerk der Kastanie, kollabiert; mühevoll Erarbeitetes wird mürbe und zerfällt, angegriffen von unbarmherzig waltenden, machtvollen Kräften und Interessen. Der deutsche Osten, dessen postreligiös naturwissenschaftliche Haltung die spröde Biologielehrerin auf nicht nur unsympathische Weise repräsentiert, hat mit und nach 1990 eine verschärfte Version dessen durchlaufen, was der Substanz unseres Erdendaseins in geologischen, biologischen und gesellschaftlichen Belangen ohnehin permanent widerfährt. Da funken langphasige und hektische Veränderungsschübe chaotisch durcheinander; zudem steuert die Menschheit, von welcher invisible hand auch immer manipuliert, in suizidaler Konsequenz auf die baldige Unbewohnbarmachung des Planeten zu.
Höchste Dringlichkeit ist demzufolge angezeigt, wie Schalansky im Hinblick auf die Weltklimakatastrophe in ihrem 2021 geschriebenen, 2023 gedruckten Essay von den »Schwankenden Kanarien« unterstreicht. »Die Frage, wann Kipppunkte eintreten«, lasse sich, obwohl zum »Gegenstand jahrzehntelanger, fieberhafter Forschung« geworden, »schwer vorhersagen« (K 14)7. Denn mit Gewissheit erkennt man die »points of no return« (K 13) eben erst dann, wenn sie längst geschehen sind und es für Gegenmaßnahmen zu spät geworden ist. Zunächst folgt Schalansky an dieser Stelle dem Impuls, an das Tragödienmodell des Aristoteles anzuknüpfen, demzufolge markante Umschlagpunkte dem jeweiligen Geschehen den entscheidenden Richtungswechsel, seine Peripetie, verleihen. Für die unglücksvollen Kippmomente im Mensch-Natur-Verhältnis aber, so ihr Vorschlag, wäre die Idee des schottischen Physiologen John Scott Haldane ein guter Anhaltspunkt. Denn Haldane hatte, um der Gefahr von Gasvergiftungen und Explosionen in den britischen Kohleminen besser vorbeugen zu können, das Hilfsmittel des Einsatzes von Kanarienvögeln ins Spiel gebracht. Als Wächtertiere, die in einem speziellen Vogelbauer mit in die Schächte einfuhren, reagierten die empfindlichen Vögel auf ausströmendes Kohlenmonoxid rasch und zuverlässig, indem sie reglos von ihrer Stange fielen; ihr ›Kippmoment‹ war artspezifisch um genau jene Zeitspanne früher erreicht, die den Menschen dann noch für sofortige Rettungsmaßnahmen zur Verfügung stand.
Im »canary in the coalmine«, so macht der praxeologische Rückgriff auf diese Redewendung klar, steckt mehr als eine überkommene industriegeschichtliche Gefahrenmetapher. Wie das gleichfalls sprichwörtliche ›Versuchskaninchen‹ zeigt die Testfigur der »schwankenden Kanarien« eine metonymische Stellvertreterschaft an, bei der die existenzielle Bedrohung eines Tierlebens oder gar einer ganzen Spezies als unbedingtes Warnsignal an die restlichen Erdenbewohner verstanden werden muss.
Für jedes einzelne Wesen, für jede im Aussterben begriffene Art wird das eigene Ende, wenn es denn eintritt, also das buchstäbliche Ausradiertwerden aus dem Schöpfungsbuch, unleugbar konkret und definitiv. Gerade deshalb, so Schalanskys Plädoyer, sollte die Literatur auch in bedrängten Zeiten auf dem erforderlichen Spielraum für Langzeitbeobachtungen und der Aufmerksamkeit für das Unscheinbare und Abgelegene bestehen.
Als Typografin und Buchgestalterin ist Judith Schalansky handwerklich engstens mit den Vorgängen vertraut, die den luftigen Einfällen des Geistes und dem Fluss der Sprache durch den Einsatz handfester materieller Produktionsmittel eine gewisse Greifbarkeit, Verbindlichkeit und Dauer verleihen. Wenn schon »die Bäume sich so eine Arbeit machten mit Blättern«, dann gilt dieser Wille zur Anstrengung erst recht für die Tätigkeiten des Schreibens, Formens und Druckens, mit welchen den Buchseiten zu eigener Schönheit und Pracht verholfen wird. Auch bei ihnen handelt es sich um vergängliche Gebilde, die ihren künftigen Zerfall, oft genug auch das schnöde Los mangelnder Wertschätzung, als Lebensrisiko stets mit sich führen.
Die sorgsame Arbeit an der grafischen und haptischen Form, für das Blättern in den Blättern, findet jedoch nicht trotz solcher undankbaren Aussichten statt, sie kann überhaupt nur ihretwegen erfolgen. Gerade aus dem Index todsicherer Vergänglichkeit bezieht das fast erotische Hingezogensein zu den Schönheiten gelungenen Gestaltens seinen Grundimpuls. Poetik, die sich begrifflich vom griechischen Verbum für das ›Machen‹ und ›Verfertigen‹ ableitet, meint somit zunächst das Wissen um die handwerkliche Aus- und Umgestaltung. Was in der Dichtung wie überhaupt in der sozialen Welt permanent stattzufinden hat, ist eine tentative Formgewinnung am Stoff beziehungsweise in der Materie, die sich das Wirken der Naturkräfte, ihre Bewegungsmuster und Aggregatformen bewusst oder unwillkürlich zum Vorbild nimmt.
Deshalb ist die Geschichte der Naturschriftstellerei poetologisch so aufschlussreich, wie sich an einem der Vorgänger Schalanskys zeigen lässt. John Muir, ein autodidaktischer Enthusiast und Erkunder der nordamerikanischen Bergwelt und ihrer Gletschermassive, pflegte im letzten Drittel des 19. Jahrhunderts seine Wanderungen über Bergkämme, durch Hochtäler und Flussschneisen der Westküsten-Massive in eindringlichen Berichten, Beschreibungen und Kartenskizzen festzuhalten. Viele Artikel, die unter dem Antrieb seiner Bergleidenschaft im Laufe mehrerer Jahrzehnte entstanden waren, fanden Eingang in die große Buchpublikation »The Mountains of California« von 1894, die eine umfassende Gesamtsicht und einen stellenweise elegisch gefärbten Rückblick auf Muirs kalifornischen Exkursionsabenteuern bietet. Fast schon im Abgesang porträtiert der Autor nochmals eine ›Wildnis‹, die seit den ersten Berührungen mit ihr »mit jedem Jahr kleiner geworden war« (B 328)8, wie Jürgen Brôcan in seinem Kommentar zur Neuauflage der deutschen Fassung von Muirs Abhandlung schreibt, die, prachtvoll aufgemacht, als eines der ersten Bücher 2013 in Judith Schalanskys »Naturkunden«-Reihe erschien.
Ein Band, der sich als Rückschau auf geologische Vorzeiten verstand, ist durch die treffsichere publizistische Geste unerwartet zum Auftakt und Aufbruchszeichen geworden. Als Naturschriftsteller war Muir ein früher Vertreter des Nature Writing, einer literarischen Bewegung, in der, damals noch ohne das formelhafte Leitkonzept, die Idee eines Lebens in und mit der Natur mit dem gestalterischen Programm eines ›Schreibens nach der Natur‹ in Verbindung trat.9 Dem Ruf des going native, eines selbstgewählten Wildnislebens, wie es etwa Henry David Thoreau in den 1840er Jahren in seiner Eremitage bei Concord, Massachusetts, führte, war Muir nur insoweit gefolgt, als er nach einer persönlichen und gesundheitlichen Lebenskrise wiederholt ausgedehnte, kräftezehrende Touren in die kalifornischen Bergmassive unternahm. Durch zwei Gebirgsketten, so skizziert Muir die Lage, hatte die Längsstruktur des Küstenstaates Kalifornien einst ihre entscheidende Prägung erfahren: »die Coast Range auf der westlichen Seite und die Sierra Nevada im Osten«. Dass der Autor zunächst die Küstenlinie würdigt mit ihren »zahllosen bewaldeten Bergspornen, Graten und rollenden Hügelwellen«, die sich bis zu 8000 Fuß hoch »als gewaltige grüne Barriere gegen das Meer erhebt« (B 9), geschieht nur, um in der Folge desto ausgiebiger vom östlichen Pendant dieses Gebirgszuges schwärmen zu können, von den aus ehemaligen Gletschermassiven hervorgegangenen Kämmen und Zacken der Sierra Nevada.
Die »gewaltige Sierra« (B 10) ist der eigentliche Hauptdarsteller in der montanen California-Saga Muirs. Das ›beschneite Sägeblatt‹ (wie der spanische Name der Kammlinie besagt) stellt sich dem faszinierten Betrachter schon aus weiter Ferne in einem leuchtenden, mehrstufigen Farbenspiel dar, dem die Schilderung mit feinsinnig nuancierter Sprachpalette folgt. Auf den Gipfeln ruht das Licht, »wie die Mauer einer himmlischen Stadt«.
»Entlang ihres Kamms und ein gutes Stück weiter abwärts erkennt man einen blassen, perlgrauen Schneegürtel; darunter einen blauen, dunkelvioletten Gürtel, der die Ausdehnung der Wälder bezeichnet; und am Fuße der Kette einen breiten Gürtel aus Rosaviolett und Gelb, wo die Goldgräberfelder und die Gärten des Vorgebirges liegen. Diese sanft ineinander übergehenden Farbgürtel erschaffen eine unbeschreiblich herrliche Mauer aus Licht, schön wie ein Regenbogen, hart wie Diamant.« (B 10)
An dieser und ähnlichen Stellen zeigt Muirs Text poetische Qualitäten. Mit dem fragilen, immateriellen Gebilde eines Regenbogens und der unbesiegbaren Härte des Diamanten werden denkbar weitgespannte Gegensätze aufgerufen, um die dynamische Schönheit der Sierra in ihrem vertikalen Farbenspiel auszudrücken. Anrührende Vergänglichkeit und monumentale Dauer scheinen im Landschaftspanorama einträchtig verbunden zu sein; ähnlich, wie diese Naturprosa ihrerseits Aspekte des informierenden Lehrgedichts und des feierlichen Lobpreisens zu einer originellen, mit eigenen Reiseerfahrungen angereicherten Textgattung vereint. Die topografischen Details des beschriebenen Reliefs bilden in der empathievollen Optik ihres Bewunderers die Kulisse eines noch andauernden Schöpfungstags, an dem gewaltige landschaftliche Großformationen über ihr eigenes Gewordensein Auskunft geben.
Es waren, so fand Muir auf seinen Erkundungen der zerklüfteten Berglandschaft heraus, hauptsächlich die Gletscher- und Eisdecken vor dem Einbruch der letzten Wärmeperiode gewesen, die mit dem Geschiebe ihrer Drucklast und danach mit ihrem sukzessiven Rückzug die gegenwärtige Formation in ihren Grundzügen geschaffen, das heißt, aus der Erdmaterie herausmodelliert hatten. Eis und Schnee, Wasser und Winde, Kälte und Erwärmung hatten in ihrem elementaren Wechselspiel ungeplant so dramatisch wirkende Hochgebirgstäler wie das Yosemite Valley hervorgebracht, »eine einzige gewaltige Steinwelle, in der sich tausend Berge, Dome, Cañons, Grate usw. verbargen« (B 21). Um ein solches bildhauerisches Großwerk zu skulpturieren, mussten zuvor eine Summe feinster, kleinteiligster Impulsgeber am Werk gewesen sein, nämlich »die sanften Schneeblumen« jener filigranen Eis- und Schneekristalle, »die lautlos durch ungezählte Jahrhunderte fielen. Mit vereinten Kräften mühten sie sich darum, die Felsen auf ihrem Marsch zu zermahlen, […] und gleichzeitig gestalteten und formten sie die Landschaften zu dieser herrlichen Vielfalt an Hügeln, Tälern und gebieterischen Bergen, welche die Sterblichen Schönheit nennen.« (B 21)
Dass aus Kräften, deren Träger »klein und zerbrechlich« waren, das »gewaltige Felswerk« der Sierra entstehen konnte, ist für Muir ein geologisches Lehrstück. Seine Naturphilosophie argumentiert im aristotelischen Sinne entelechial, weil er davon ausgeht, dass im langzeitlichen Formungsprozess der Gebirge nichts anderes als deren eigene, schon angelegte Gestaltungsidee zum Vorschein komme. Die »Landschaften der Sierra waren offenbar vorbestimmt«, glaubt Muir, »denn die physikalische Struktur der Felsen, von der die Landschaftsformen abhängen, wurde bereits erfasst, als sie noch mindestens eine Meile tief unter der präglazialen Oberfläche lagen.« (B 22) Ob diese Erklärung geologisch standzuhalten vermag, ist nicht der entscheidende Punkt. Bemerkenswert an den Überlegungen Muirs erscheint, dass sie den Schauplatz der Landschaftsbildung als einen durchgreifend poetischen Ort beschreiben, als bildnerische Werkstatt einer permanenten Umformung, die dem Werkprozess des Schreibens nicht unähnlich ist.
Nachdem sich Aristoteles’ »Poetik«, das antike literaturtheoretische Grundlagenwerk, vornehmlich mit den Strukturaspekten der dramaturgischen Handlungsführung und mit der Anordnung ihrer Gelenkstellen beschäftigt hatte, legt der Landschaftsautor John Muir in »Die Berge Kaliforniens« gleichsam eine implizite Geopoetik zeitgenössischen Naturschreibens vor, indem er den »Bildungsroman« der Gebirgszüge und Talkerben Kaliforniens in seinen tiefenzeitlichen Rhythmen und Komponenten skizziert. Immer noch, so Muir, erinnere die periodische winterliche Tilgung der postglazialen Seen und Flussläufe durch dichte Schneewehen oder Lawinen an das einstige Kräftespiel kontrastierender Aggregatformen. Denn aus der »Winterlandschaft« würden die dunklen Striche von Fließgewässern schlichtweg temporär wegradiert (B 40), womit es in der Sierra ein regelmäßiges »Begräbnis der Flüsse und kleinen Seen« (B 38) zu bestaunen gebe.
Doch ist sich der Autor andererseits sehr wohl darüber klar, dass es sich beim Wechselspiel von Wärme und Eis keineswegs um ein prästabiliertes Gleichgewicht handelt, sondern dass vielmehr jene »klimatischen Veränderungen, die das Schmelzen und den Rückzug« (B 35) der Gletscherwelt verursacht hatten, sich mutmaßlich mit noch wachsender Stärke fortsetzen würden. Ob dabei nun die »Gletscher in der Schweiz« oder die »geschlossenen Eisdecken« von »Grönland, Spitzbergen« und anderen arktischen Gebieten im Fokus stehen – für sie alle ist aus der Sicht Muirs ein gewaltiger Schwund zu prognostizieren. »Alle Gletscher der Erde sind heute kleiner, als sie es einmal waren. Überall erwärmt sich die Welt, und die Ernte der Schneeblumen nimmt ab.« (B 24) Solche Einsichten in die geologische Formungsdynamik, wie sie der Kalifornien-Liebhaber Muir auf seinen abenteuerlichen Streifzügen erhielt, würden unter den Bedingungen der Moderne nur mehr im Modus des Verschwindens, der Tilgung von erdgeschichtlichen Wirkungsfaktoren, zu gewinnen sein.
Nicht überraschend, dass »Phänomene der Zersetzung und Zerstörung« (V 12)10 ein Hauptaspekt in der literarischen Agenda Judith Schalanskys sind,11 zumal unter den Auspizien des Anthropozäns, also der Gegenwartsepoche des inzwischen hegemonial und bereits unwiderruflich durch menschliche Eingriffe veränderten irdischen Lebensraums.12 Schalanskys »Verzeichnis einiger Verluste« (2018) versucht nicht, eine historisch intakte Version der Vergangenheit zu entwerfen, in welcher diese mit Firnis und Verklärung gegen die drohende Aufzehrung durch spätere Zeitläufe vermeintlich abgedichtet bleibt. Die eigene Sterblichkeit und der unausweichliche Zerfall aller Dinge des Lebens umreißen nicht nur die unverhandelbare Begrenztheit der Existenz, sie bilden überdies wichtige Ingredienzen für das Handwerk literarischer Vergegenwärtigung.
Trauer um das Verlorene durchweht den Band, seien es nun die Liebeslieder Sapphos, der ausgestorbene Kaspische Tiger, die Hafenansicht Greifswalds auf einem Gemälde Caspar David Friedrichs oder gar der nach seiner Asbest-Sanierung achtlos niedergelegte und durch ein Remake des Preußen-Schlosses ersetzte Ostberliner Palast der Republik. Wiederum gibt sich die Autorin in den gemischten »Verzeichnis«-Prosastücken mittels punktuell angedeuteter Erfahrungssplitter ihrer ostdeutschen Sozialisation als eine sensibilisierte Chronistin von Um- und Zusammenbrüchen zu erkennen: von Vergängnissen, denen das tröstend Schöpferische nicht per se schon innewohnt. Aber Sondertränen werden keine vergossen. Und was ist da durch die Zeiten nicht alles entschwunden, versunken, verbrannt – und hinweggeraten, bei allenfalls rudimentären Spurenresten, die anstelle des Abwesenden verblieben sind – und von Schalansky auf den einzelnen Bildtafeln des Buches als haptische Negativ-Umrisse vor Schwarzgrund chimärenhaft anschaulich gemacht worden.
Im Text über den »Hafen von Greifswald«, dessen Ansicht auf dem Gemälde Friedrichs die Ausfüllung des Hafenbeckens durch den Zustrom eines kleinen, beschaulichen Flüsschens präsentiert, nimmt die Erzählerin den unfallbedingten Verlust des Ölbildes zum Anlass, die vom Maler gezeigte »schiffbare Mündung des Flusses Ryck in die Ostsee« (V 173) in ihrer hydrografischen Vorgeschichte nachzuzeichnen.13 Dabei greift sie auf ein der Autorin durchaus vertrautes, ehemals heimisches Terrain zurück, denn Greifswald ist sowohl die Geburtsstadt des Malers wie auch diejenige von Judith Schalansky selbst. Die Quelle des Rycks, »jenes alten Hildaflusses, der viele Kilometer meerwärts den Hafen Greifswald speist« (und damit letztlich auch die Gelegenheit des darüber angefertigten Textes), ist allerdings schwer auszumachen, weil am Anfang nur ein unscheinbares »Rinnsal« besteht, noch weit entfernt davon, irgendwann später »breit und beinahe stattlich in eine Bucht des Boddens, die Dänische Wieck«, einzumünden (V 174).
Welche verschlungenen Wege die Künstlerin aus der Hafenstadt bis zum Erreichen ihrer gegenwärtigen Position genommen haben mag, bleibt dabei unausgeleuchtet; schließlich steht für diesmal der ›Bildungsroman‹ ihres Heimatflusses im Vordergrund. Wie jedes Kapitel im »Verzeichnis einiger Verluste« ist auch dieses zweigeteilt. Zunächst wird in einer historischen Vignette ein konkretes Verlustobjekt anhand dokumentarischen Materials vorgestellt, hier als Ekphrasis des auf Friedrichs Gemälde ins Bild gefassten Hafens. Dann folgt die ›freie‹ erzählerische Anverwandlung des Themas, in diesem Falle mittels einer fast klassischen Feldstudie des Nature Writing, die vom Maler die Verfahren der ausschnitthaften Vergegenwärtigung und der prozesshaften, sukzessiven Nachzeichnung eines Landschaftseindrucks übernimmt.14 Mühsam und in mehreren Etappen versucht die Erzählerin, den kleinteiligen Windungen des Flüsschens nachzusteigen. Dabei ist auch sie einstigen, ansatzweise noch greifbaren geologischen Formprozessen auf der Spur.
»Die letzte Eiszeit hat diese Gegend geformt, die Niederung des Rycktals, ein Zungenbecken in einer Moränenlandschaft mit sanften Erhebungen und mächtigen, im sandigen Geschiebe und im Gletscherwasser rund geschliffenen Findlingen an den Rändern der Schollen und Sölle.« (V 175 f.)
Durch die gewählte Figuration überträgt sich das kalifornische Erkundungsverfahren John Muirs auf eine denkbar anders gestaltete Landschaft, in der die Vertikaldramaturgie gänzlich entfällt, wo hingegen sanfte, moderate Unebenheiten und Festigkeitsunterschiede im Erdmaterial den Ton angeben. Längst ist der Wasserlauf domestiziert und zur Gewinnung von Ackerland und Futterwiesen in ein weitgespreiztes Gitternetz von Gräben aufgefächert worden. »Lautlos folgt die Strömung ihrem am Reißbrett gezogenen Lauf, speist immer neue, nordwärts und südwärts abzweigende Entwässerungsgräben.« (V 178) Einzig der Zielort des Fließgewässers, mit dem ehemaligen Zisterzienserkloster von Eldena, bringt noch romantische Fragment-Ästhetik ins Spiel, handelt es sich dabei doch um »den uralten, seit dem Dreißigjährigen Krieg zur Ruine verfallenen Gründungskern von Greifswald« (V 179).
Wenn sämtliche potenziellen Einfälle, Themen und Gegenstände des Schreibens letztlich wie Orte (topoi) innerhalb eines sozialen Gefüges zu betrachten sind: nämlich entweder als Gemeinplätze der vielen oder als versteckte Winkel, dann bilden die »abgelegenen Inseln« eine Königsklasse poetischer Originalität. In sie aufzurücken, setzt enormen Spürsinn und erhebliche Ausdauer voraus. Aber was heißt das eigentlich, zu den »abgelegenen Inseln« zu gehören, von welchen Judith Schalansky in ihrem »Atlas« (2009) etliche besonders skurrile Exemplare versammelt hat? ›Abgelegen‹ doch wohl nur aus der Sicht der Mehrheitsbewohnerschaft in den infrastrukturell verdichteten Ballungszentren des Planeten.15
Nur vermeintlich können jene fernen Inseln als exotische Wunschorte dienen; in Wirklichkeit sind die meisten nicht einmal außer Reichweite zivilisatorischer Verwertungsinteressen und Zerstörungskräfte geblieben.16 Ein going native, ein Überwechseln in die außerzivilisatorische Perspektive, wie es sich Seereisende und Inselgänger oft erträumten, kann insofern schon nicht gelingen, als jeder Ankömmling im »first contact« wieder genau jenes Szenario des Besuchs in der Abgelegenheit realisiert, mit dem bereits der schiffbrüchige Robinson den zufälligen Inselstrand als schicksalhafte Bestimmung in seine neue, improvisierte Selbsthelfer-Existenz integrierte. Von Forschern und Händlern, Seekapitänen und Sträflingen, über alle Meere verstreut, langte im Laufe der Jahrhunderte die Kunde fernster Inseln in Europa an. Gewissermaßen quer zur horizontalen Episodenreihe aus der Ära globaler Entdeckungsreisen berichtet Schalanskys Inselatlas aber auch von jenen vertikalen Vorgängen tiefengeologischer Art, mit welchen sich die Erdkruste verschiedenen Orts spontangebärend immer wieder zu derartig singulären Punkt-, Strich- und Blasengebilden aufgeworfen hatte. Über die Macquarie-Insel etwa, weit südlich unterhalb des Südwestzipfels der Kontinentalmasse Australiens gelegen, steht zu lesen: »Dieser schroffe, dauerfeuchte Flecken ist niemals Teil einer Landmasse gewesen, sondern kommt direkt aus der Tiefe der See; er ist ein Stück Erdkruste vom Boden des Ozeans, das zufällig über den Meeresspiegel geschleudert wurde, die aus dem Wasser ragende Wirbelsäule eines unterseeischen Rückens.« (A 78)17
Weit draußen im Meer sind Inseln jenes Typus anzutreffen, die aus einem einzigen Berg bestehen und somit die Formanalogie von Berg- und Inselexistenz als solche verkörpern. Beide haben aus geologischer Warte auch schon ›ihren‹ Bildungsroman hinter sich. So ist die Atlassow-Insel im russisch-japanischen Niemandsland in den langen Wintern von einem zuckerweißen Schneegipfel bekränzt, der es mit der sagenhaften Schönheit des Fuji ohne Weiteres aufnehmen kann. »Der Vulkan ist der nördlichste des Feuerrings aus verstreuten Inseln, 40 000 bis 50 000 Jahre alt, bestechend wegen seiner ebenmäßigen Gestalt.« (A 82) Auf eine ähnliche Genese, die Hochpressung vulkanischen Magmas bis weit über den Meeresspiegel, lassen auch andere Kegelinseln schließen, etwa dort, »wo sich die pazifische Platte unter die philippinische schiebt und der Marianengraben kilometertief in die Erde klafft«. Denn an jener Stelle »erhebt sich eine unterseeische Bergkette, das höchste Gebirge der Welt, und ragt mit rauchenden Vulkangipfeln aus dem Meer« (A 118).
Ein wenig erinnern solche steckbrieflichen geologischen Inselporträts noch an den alten (unter anderem in Goethes »Faust« reflektierten) Streit zwischen den neptunistischen und vulkanistischen Erklärern der Erdentstehung, der sich aus heutiger Sicht durch eine allerdings die Feuergewalt leicht bevorzugende Synthese schlichten lässt. Deutlich wird an den Inselschicksalen zumal, dass im Bestimmungsmerkmal der Abgelegenheit bei genauerer Betrachtung ein wahrer Tummelplatz gewaltigster Umtriebe und Veränderungen stecken kann, der manches vergessene Eiland am Rande der Welt sogar als veritablen Hotspot zu sehen erlaubt.
Ein horizontales Gradnetz gesellschaftlicher Ökonomie ist seit den Zeiten der Entdeckungsreisen und der ersten gerundeten Weltkarten über den gesamten Erdball geworfen worden, in dem eine autoritative Grammatik von Zentrum und Peripherie das globale Geschehen diktiert. Wer am Rande steht, möglicherweise sogar auf solchen Inseln lebend, die beim weiteren Anstieg des Meeresspiegels als erste von den Wassergewalten erfasst werden, zählt nach kommerziellem Kalkül weniger als die infrastrukturell gut verflochtenen Existenzen in den Metropolregionen der Welt. Lokal eindämmen ließe sich die Urgewalt von Vernichtung und Neubildung freilich selbst mit dem größten Finanzaufwand nicht. Insofern geht von den scheinbar anekdotischen, insularen Fallbeispielen kolossaler Eruptions- und Erosionsprozesse aufgrund natürlicher Unbezähmbarkeit auch ein soziales und ethisches Korrektiv aus, das gegen die globale Verteilungs- und Verflechtungsdynamik optiert und stattdessen verstärkt auf die Tiefendimension erdgeschichtlicher Langzeitfolgen setzt.
Manche ozeanischen Inseln und ihre Menschen stehen aufgrund des ansteigenden Meerespegels jetzt schon vor der Gefahr, vom Wasser bald überspült zu werden. Die pazifischen Inselnationen seien es leid, so hat, wie in Schalanskys »Kanarien«-Essay nachzulesen, der fidschianische Premierminister bereits im Jahre 2020 proklamiert, in Sachen der globalen Klimaerwärmung als »die sprichwörtlichen Kanarienvögel im Kohlebergwerk der Welt« zu fungieren (K 30). Den Erkundungen der Reisenden und Naturgelehrten auf der Spur zu sein und der Entstehung von Gesteins-, Gebirgs- oder Inselformationen weiterhin ihre langwährenden Bildungsgeschichten abzulesen, dies bedeutet, wie Schalansky am Ende ihres Essays mit einem Zitat Rachel Carsons schreibt – damit auch ihr eigenes poetologisches Selbstverständnis pointierend –, unverdrossen an einer nächsten »fable for tomorrow« (K 45) zu arbeiten.
1 Judith Schalansky: »Der Hals der Giraffe. Bildungsroman«, Berlin 2011. Im weiteren Verlauf des Beitrags wird diese Quelle im Fließtext mit der Sigle G und der entsprechenden Seitenzahl abgekürzt. — 2
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