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Von Depressionen gequält, sieht Jay Dashwood die positiven Dinge im Leben nicht mehr. Er ist verzweifelt und möchte deswegen mit dem Leben abschliessen. Sein bester Freund, mit welchem er in einer viel zu überteuerten Wohnung lebt, hatte schon mehrere Male versucht diesen davon abzuhalten, sich sein Leben zu nehmen. Jay ist jedoch sturköpfig und fest entschlossen es durch zu ziehen. Aber dann begegnete Jay ganz unerwartet seinem Schicksal auf der Klippe. Reicht dieses aus, ihn von seinem Vorhaben abzuhalten?
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Seitenzahl: 106
Veröffentlichungsjahr: 2021
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Vorwort
Die Bibliothekarin
Die Mietzahlung
Nicks Plan
Ein Geschenk
Der Kristall
Jays Mutter
Die Kiste
Der Brand
Die Grossmutter
Jays letzte Worte
Langsam machte er einen Schritt nach vorne; ein weiterer folgte.
Der Wind wehte durch seine blonden Haare und ein Schauer lief über seinen Rücken, hinab bis zu seinen Füssen.
Kurz atmete er tief ein und aus.
Seine Hände zu Fäusten ballend, hob er seinen Blick auf das mit Mondschein beschienene Meer. Die Angst, welche sich in seinem Magen befand, wurde von Sekunde zu Sekunde stärker.
Wird es funktionieren?
Soll ich es wagen und den Versuch starten?
Soll ich springen?
Viele Fragen schwirrten durch seinen Kopf.
Ja.
Eine Träne rollte über seine Wange. Kurz holte er einen kleinen, zerknüllten Papierzettel aus seiner Jackentasche. Den Brief seiner Mutter. Betrübt seufzte er und atmete tief durch. Seine Emotionen spielten verrückt.
Sein Herz pochte gegen seinen Brustkorb. Wie wild fing er an zu weinen. Eine schwere Entscheidung stand bevor.
Viele Erinnerungen erschienen vor seinen Augen. Die ganzen Momente welche er erlebt hatte.
Er schüttelte seine blonde Haarpracht, um die vielen Gedanken aus seinem Kopf zu bekommen.
Ein letzter Blick auf den veralteten Brief seiner Mutter und ein Schritt weiter zur Klippe. Mit zitternder Hand hielt er diesen bedeutungsvollen Brief über den Klippenrand und ließ ihn los. Mit langsamen Bewegungen glitt das Stück Papier auf das Wasser zu.
Mit weinenden Augen sah Jay dem Brief hinterher. Als das letzte Andenken seiner Mutter das Wasser berührte, schmerzte sein Herz so sehr als wäre es mit einem Dolch durchstochen worden. Er sank auf seine Knie, krümmte sich und legte seinen Kopf auf seine Knie. Ein lauter Schrei verließ seine Kehle.
Der Kummer wurde immer schlimmer, er glaubte zu ersticken. Er wollte ihm ein Ende setzen. Er stand mit zitternden Beinen auf und richtete seinen Blick auf den weitausgestreckten Horizont.
Dann, völlig unerwartet, lachte er. War es aus Verzweiflung oder doch eher aus Selbstmitleid?
Dies erklären, das konnte er sich selbst auch nicht.
„Spring nicht!“, rief eine Stimme, gerade als er Anlauf holen wollte, um zu springen. Erschrocken drehte er sich um und erblickte das besorgte Gesicht eines Mädchens. „Was geht dich das an, was ich mache?“, schnauzte er sie an und wischte sich verärgert seine Tränen weg. „Mich geht es nichts an, aber denk an deine Familie“, versuchte sie auf ihn einzureden. Doch er erwiderte nichts, bis auf ein Schulterzucken. „Lass mich einfach, du kennst den Grund nicht“, meinte er und wollte springen, doch er wurde mit Gewalt zurückgezogen.
Er sah auf seinen Arm, welcher von einer Hand umklammert worden ist. „Dann sag es mir“, wollte sie ihn ablenken, doch er lachte nur. „Würdest du einem Fremden deine tiefsten Geheimnisse verraten?“, fragte er sie. Sie senkte nur ihren Blick und schüttelte behutsam ihren Kopf. Doch dann schnallte ihr Kopf wieder hoch und mit einem Lächeln im Gesicht, streckte sie ihm ihre Hand entgegen.
„Vita Watson, ein ruhiges Mädchen von nebenan“, stellte sie sich vor und schüttelte auffordernd seine Hand. Er starrte ihr ins Gesicht und erst jetzt erkannte er sie wieder. Was für eine Lüge war das denn? Von wegen ruhig, eher das Gegenteil. Jay verdrehte seine Augen und erwiderte mit einem aufgesetzten Lächeln: „Jay Dashwood, der impulsive Junge, mit welchem nie irgendjemand was zu tun haben wollte“.
Und somit schüttelte er ihre Hand.
Die Sonnenstrahlen stachen in sein Gesicht und ließen ihn sofort aufwachen. Murrend setze er sich auf und rieb sich den Schlaf aus seinen Augen. Kurz wuschelte er in seinem blonden Haar und schielte von seiner Bettkante hinab zu seinem besten Freund. „Aufstehen Nick, wir sind schon spät dran“, sprach er in seiner rauen Morgenstimme. Nick, welcher gerade erst aufgewacht war, schlug sich seine Hände vors Gesicht und nuschelte irgendeinen Schwachsinn. Jay stand auf und stieg über den verschlafenen Jungen, doch er blieb mit Absicht hängen und stieß Nick in den Bauch. „Mann, Jay, pass doch auf!“, protestierte Nick mit einem starken französischen Akzent. „T‘Schuldige, aber wenn wir uns nicht beeilen, kommen wir noch zu spät zur Vorlesung“. Nick nickte nur und stand auf, um sich anschließend seine Klamotten zu packen und ins Bad zu verschwinden. Jay stand derweilen vor dem Fenster und starrte auf die dichtbefahrene, russische Straße. Mit seiner Hand massierte er sich kurz die Schläfe und drehte sich um, um anschließend ins Bad zu laufen, aus welchem der Franzose gerade heraus kam.
Kaltes Wasser floss aus dem fast kaputten Wasserhahn. Mit seinen Händen spritze er sich das Wasser ins Gesicht. Dann sah er in den Spiegel und betrachtete sein Spiegelbild. Ein toter Blick lag in seinen Augen. Jegliche Art von Motivation zum Leben hatte ihn schon vor Monaten verlassen. Kurz seufzte er und richtete sich auf. Seine Hand griff nach der Zahnbürste, welche in einem alten Zahnbecher stand. Er schmierte sich ein wenig Zahnpasta drauf und führte sie dann zu seinem Mund.
Die Zahnpasta ausspuckend schaute er auf die Uhr an seinem Handgelenk, welche im Badzimmerlicht reflektierte. Es schien, als würde sein Herz in seine Hose sinken. Es war bereits acht Uhr siebenundfünfzig, was bedeutete, würde er nicht in den nächsten fünf Minuten das Haus verlassen, so würde er seinen Zug verpassen, was wiederum zu einer Verspätung zur Vorlesung führen würde. Schnell wischte er sich den Mund mit seinem Handrücken ab. Dann strich er sich mit seinen Fingern die Haare zurecht, bevor er in aller Eile aus dem Badezimmer stürzte. „Nick“, schrie er, doch er erhielt keine Antwort. „Was für ein Idiot“, murrte er genervt und zog sich in der Eile seine Schuhe an. Seinen Mantel packte er nur und rannte dann aus der schäbigen Zweizimmerwohnung. In vollen Zügen raste er über den Fußgängerstreifen. Die Autofahrer, welche wegen ihm auf die Bremse drücken mussten, riefen aus, doch Jay beachtete sie nicht.
„Wenn ich dich in die Finger bekomme, bist du tot!“, schrie er aus voller Kehle, als würde er hoffen, dass der Genannte es hören könnte. Die Leute, die er hin und wieder anrempelte, stießen viele erschrockene Schreie aus. Jay entschuldigte sich anfangs, doch mit der Zeit wurden es zu viele Entschuldigungen, weshalb er es ließ und ohne sich um die andern zu kümmern weiter Richtung Bahnhof hetzte.
„Der Zug Richtung Moskau fährt in einer Minute ab“, sprach die kratzige Stimme aus dem Mikrofon, welche am obersten Punkt des Bahnhofsdaches hing. „Scheisse“, murmelte Jay und gab zum Schluss noch Vollgas. Mit letzter Kraft sprang er in den Zug, welcher direkt danach seine Türen schloss. Jay stemmte seine Hände in die Knie und versuchte zu Atem zu kommen. „Auch schon da?“, sprach eine Stimme, welche Jay nur allzu bekannt vorkam. Jay richtete sich auf, drehte sich um und senkte seinen Blick, nur um in das lachende Gesicht seines Freundes zu sehen. „Wieso hast du mir nicht Bescheid gesagt?“, schrie er ihn an und wollte weitermachen, doch wurde er durch eine Hand auf seinem Mund davon abgehalten. „Schrei nicht so, die anderen schauen schon“, flüsterte Nick und nahm seine Hand wieder von Jays Mund. Kurz schaute sich der Franzose um. Er erblickte zwei freie Plätze, obwohl der Zug recht voll war. Er nahm seinen besten Freund beim Handgelenk und zog ihn zu diesen Sitzen hin.
„Also, sag mir jetzt, wieso du mir nicht Bescheid gesagt hattest“, fragte Jay erneut, doch diesmal in einem viel ruhigeren Ton.
„Also, ich sah halt aus dem Fenster und dann war da eine holde Dame, welche in Not war und einen rettenden Ritter brauchte“, sprach Nick stolz, doch Jay verdrehte nur seine Augen. „Was war es denn diesmal?“, wollte Jay wissen. „Geheimnis“, grinste Nick schelmisch. „Naja“, seufzte Jay und schloss seine Augen. „Wird wohl nicht so wichtig gewesen sein“, sprach er und wusste genau, dass Nick ihm jetzt alles sagen würde, da dessen Ego zu unerträglich sein würde. „Und wohl war es wichtig! Sie verlor schließlich ihre Brieftasche“, protestierte Nick, so wie es Jay vermutet hatte. „Gut gemacht, ach du edler Ritter“, äffte er Nicks Art nach und beide mussten lachen. Dann setzte er seine Kopfhörer ins Ohr und schaltete die Musik ganz laut. Er musste erst seinen eigenen Gedanken, freien Lauf lassen.
Die beiden Jungs standen auf, sobald ihre Haltestelle verkündet wurde. Zusammen stiegen sie dann aus und eilten zur Lomonossow-Universität. Es war ein langer und harter Weg gewesen, bis die beiden es schafften, dort angenommen zu werden. Nick fiel es leichter, da er schon von Natur aus begabt war. Ein Beispiel war, dass er bereits mit drei Jahren die ersten Kinderbücher zu lesen begann. Später wurden es immer schwierigere Bücher, bis hin zu „Stolz und Vorurteil“, der britischen Schriftstellerin Jane Austen, welches er schon mit nur zehn Jahren zu lesen begann. Von Jay kann man da nicht so schwärmen. Schon als er klein war, hatte er sehr Mühe mit der Schule. An seiner Intelligenz lag es nicht, sondern eher an der Bereitschaft zu lernen, welche er sehr lange nicht besaß. Erst als er in der dritten Klasse an eine reine Jungenschule geschickt wurde, begann er zu lernen. Dort traf er auf seinen jetzigen besten, aber auch einzigen Freund. Zusammen gingen sie durch dick und dünn, durch gute sowie schlechte Zeiten, beim Nachsitzen aber auch für Freizeitbeschäftigungen. Und das seit zweihundertundein Jahren!
Zusammen beschlossen sie dann, an die Lomonossow-Universität in Moskau zu gehen. Anfangs war Jay aber nicht so sehr davon begeistert. Doch als Nick ihn dazu brachte, endlich etwas für die Schule zu tun, änderte sich Jays Sichtweise auf die Schule. Ihm schien es sogar langsam zu gefallen. Es waren mehrere Jahre, wenn nicht sogar fast zwei Jahrhunderte von harter Arbeit, welche sich aber schlussendlich auszahlten.
Nun studierten sie seit bereits einem Jahr an der Universität in der Millionenmetropole Moskau.
Beide besuchten denselben Kurs: russische Literatur.
„Und, schon einen Weg gefunden?“, fragte Nick, kurz bevor sie das große Gebäude betraten. „Noch nicht“, schrie Jay, da es nun sehr laut wurde, denn die Menschen, welche alle an dieser Universität studierten, wie wildgewordene Hühner durcheinander redeten. „Aber ich denke, da könnte etwas sein“ murmelte er, mit der Absicht, dass es niemand hören könnte. „Sagtest du was?“, fragte Nick nach, da er meinte, etwas gehört zu haben. Doch Jay schüttelte nur seinen Kopf und somit war die Sache vom Tisch. Sie betraten den riesigen Saal und schon kamen ihnen die ersten Mädchen entgegen.
„Hey Nick“
„Wie geht’s Jay?“
„Habt ihr heute schon was vor?“
Noch viele weitere Fragen wurden ihnen an die Köpfe geworfen. Nick antwortete auf jede der Fragen mit hocherfreutem Blick, doch Jay verdrehte nur seine Augen und begab sich an einen freien Platz, so ziemlich in der mittleren Reihe. Gerade wollte sich ein Mädchen auf den Stuhl neben ihm setzen, als er diesen zu sich zog, sodass das Mädchen zu Boden viel. Empört stand sie auf und eine Reihe weiterhinten ihren Platz fand. Jay grinste nur und legte seine Bücher, welche er bis zuvor noch in seiner Schultasche hatte, vor sich auf den Tisch. Er legte seinen Kopf auf den Tisch, doch erschrak er sehr, als sich plötzlich eine Person auf ihn warf. Mit seinem Blick suchte er die Umgebung ab. Sein Kopf schnallte nach rechts, direkt ins Gesicht von Nick. „Diese Mädchen dahinten haben mich gefragt, ob sie deine Nummer haben dürfen“, brachte dieser Jay auf den neusten Stand. „Hast du sie gegeben?“, wollte Jay wissen, doch genau in diesem Moment kam der Dozent in den Raum.
Alle Studenten fanden ihre Plätze und die Vorlesung begann. Hin und wieder erwischte Jay die Mädchen vor ihnen, wie sie sich zu ihnen umdrehten und kichernd wieder abwandten. Jay nervte diese Art von Mädchen. Er fand es nervig, wenn sie so auf mysteriös taten, aber dann wieder rot werden, schon nur wenn sich ihre Blicke trafen. Nick, mit ganzem Namen Nicholas, war das totale Gegenteil. Er flirtete regelrecht mit jedem Mädchen, welches ihm über den Weg lief. Doch Jay weiß, dass Nick ganz anders sein kann. Zeigt dieser wirklich Interesse an einem Mädchen, redet er nur noch über sie und wie großartig sie doch sei.
„Heute war es mal wieder besonders langweilig“, gähnte Nick, als der Dozent sich verabschiedete und schlussendlich den Raum verließ. „Du hast gut reden, ich hatte die Hälfte nicht einmal verstanden“, brachte Jay ein. „Ach, komm schon, du bist Russe und ich Franzose. Du sprichst russisch schon von Natur aus und ich nicht. Da hast du wohl einen klaren Vorteil“, meinte er und dachte, dass dieses Gesprächsthema beendet war. Doch da hatte er sich geschnitten. „Mag sein, aber wer war es, der reden musste, als dieser alte, betrunkene Russe nach dem Weg fragte und ich keinen blassen Schimmer hatte, was er meinte?“, holte Jay ein altes Ereignis aus der Vergangenheit zurück in die Gegenwart.