"The Great War" in ausgewählten Werken von Virginia Woolf - Simone Kleuser - E-Book

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Simone Kleuser

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Beschreibung

Examensarbeit aus dem Jahr 2009 im Fachbereich Didaktik für das Fach Englisch - Literatur, Werke, Note: 1,0, Bergische Universität Wuppertal, Sprache: Deutsch, Abstract: “The lamps are going out all over Europe. We shall not see them lit again in our lifetime” (Grey zitiert in Terraine 11). Mit dieser Äußerung kommentierte der britische Außenminister Sir Edward Grey am 3. August 1914 im Außenministerium die deutsche Kriegserklärung an Frankreich und prophezeite epochale Veränderungen, die sich durch den Ausbruch des Ersten Weltkrieges, den die Engländer auch Great War nennen, in Europa ereignen würden. In allen Krieg führenden Ländern fühlten sich Schriftsteller dazu verpflichtet, die Kriegshandlungen ihrer Nation mit literarischen und künstlerischen Mitteln zu unterstützen. Die Briten waren in dieser Hinsicht den Deutschen voraus, denn schon am 2. September traf sich eine Reihe von Schriftstellern, unter anderem Robert Bridges, Thomas Hardy, Rudyard Kipling und H. G. Wells, in London, um die politische und literarische Kampagne für die Regierungspolitik zu koordinieren (vgl. Mommsen 156). Besonders zu Beginn des Great War wurden zahlreiche patriotische Gedichte und Beiträge abgedruckt, die Ehre und Stolz ausdrückten und die Propagandamaschinerie des Ersten Weltkriegs unterstützten. Alles das geschah mit der Intention, möglichst viele junge Männer für den Kriegseinsatz zu gewinnen. Insbesondere Thomas Hardys “Song of the Soldiers” weckte Enthusiasmus, den Glauben an Englands Rechtschaffenheit und die Überzeugung von Englands Sieg im Krieg: In our heart of hearts believing Victory crowns the just, And that braggarts must Surely bite the dust March we to the field ungrieving In our heart of hearts believing Victory crowns the just (Hardy zitiert in Ouditt 173). [...]

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Veröffentlichungsjahr: 2010

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Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
2. Virginia Woolfs Kriegssensibilität
3.1 Jacob Flanders als Repräsentant und Opfer der britischen Kriegspropaganda
3.2 Kriegsbilder in Jacob’s Room
3.3 Kriegstrauer
3.3.2 Der Erzähler als distanzierter Kriegsbeobachter
4. Virginia Woolfs Mrs Dalloway
4.1 Das soziale System in Mrs Dalloway
4.2 Satire in Mrs Dalloway: Clarissa Dalloway und die Armenien-Frage
4.3 Posttraumatische Kriegsstörungen
4.3.1 Septimus Warren Smith und das Phänomen des Shell Shock
4.3.2 Lucrezia Smith als Opfer des Great War
5. Virginia Woolfs To The Lighthouse
5.1 Virginia Woolfs politische Philosophie in To The Lighthouse
5.4.2 Kunst als Hoffnungsträger nach dem Great War
6. Fazit
7. Bibliografie

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1. Einleitung

“The lamps are going out all over Europe. We shall not see them lit again in our lifetime” (Grey zitiert in Terraine 11).

Mit dieser Äußerung kommentierte der britische Außenminister Sir Edward Grey am 3. August 1914 im Außenministerium die deutsche Kriegserklärung an Frankreich und prophezeite epochale Veränderungen, die sich durch den Ausbruch des Ersten Weltkrieges, den die Engländer auchGreat Warnennen, in Europa ereignen würden.

In allen Krieg führenden Ländern fühlten sich Schriftsteller dazu verpflichtet, die Kriegshandlungen ihrer Nation mit literarischen und künstlerischen Mitteln zu unterstützen. Die Briten waren in dieser Hinsicht den Deutschen voraus, denn schon am 2. September traf sich eine Reihe von Schriftstellern, unter anderem Robert Bridges, Thomas Hardy, Rudyard Kipling und H. G. Wells, in London, um die politische und literarische Kampagne für die Regierungspolitik zu koordinieren (vgl. Mommsen 156).

Besonders zu Beginn desGreat Warwurden zahlreiche patriotische Gedichte und Beiträge abgedruckt, die Ehre und Stolz ausdrückten und die Propagandamaschinerie des Ersten Weltkriegs unterstützten. Alles das geschah mit der Intention, möglichst viele junge Männer für den Kriegseinsatz zu gewinnen. Insbesondere Thomas Hardys “Song of the Soldiers” weckte Enthusiasmus, den Glauben an Englands Rechtschaffenheit und die Überzeugung von Englands Sieg imKrieg:In our heart of hearts believing Victory crowns the just, And that braggarts must Surely bite the dust March we to the field ungrieving In our heart of hearts believing Victory crowns the just (Hardy zitiert in Ouditt 173).

Samuel Hynes spricht vom Mythos desGreat War,wenn er sagt, dass eine Generation unschuldiger junger Männer in ihren Köpfen Werte wie Ehre, Ruhm, Mut und Patriotismus verinnerlicht hatte und eben wegen dieser Liebe zum Vaterland England, geblendet von der Propagandamaschinerie, freiwillig in den Ersten Weltkrieg zog, in der Absicht, Demokratie herzustellen und mit Stolz und Ehrfurcht ihr Vaterland zu verteidigen (vgl. Hynes X). Die jungen Männer, die

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überlebten, litten ihr Leben lang unter Kriegstraumata, auch bekannt alsshell shock.Erst jetzt erkannten sie, dass ihre wirklichen Gegner imGreat Warnicht die deutschen Soldaten waren, gegen die sie an der Front gekämpft hatten, sondern die alten englischen Generäle, die ihnen den Mythos vom Krieg und vom Patriotismus vorgelogen und den Tod tausender junger britischer Soldaten schamlos in Kauf genommen hatten.

Besonders durch die Tyrannei der Northcliffe-Presse wurde derGreat Warfunktionalisiert und mythologisiert, die Zivilbevölkerung an derhome frontwurde dabei im Unklaren gelassen (ibid. X). Viele der Soldaten schrieben in Briefen nicht die Wahrheit über den Krieg, aber selbst wenn sie dies taten, kam dies in den seltensten Fällen an derhome frontan, da alle ausgehende Post von den Offizieren zensiert wurde. Diese Zensur betraf während der gesamten vier Kriegsjahre ebenfalls die Presse (vgl. Fussell 87). Virginia Woolf sprach in einem ihrer Briefe aus dem Jahr 1916 von irrsinniger männlicher Darstellung und bezog dies konkret auf die Presse, welche versuchte, die Realität des Krieges bewusst zu verschleiern und für die Zivilisten an derhome frontzu verharmlosen (vgl. Ouditt 173). Wie Woolf in ihrem Tagebucheintrag vom 12. Oktober 1918 vermerkte, taten die Verantwortlichen der Northcliffe-Presse alles, um auf der Notwendigkeit und der ,,Freude” desGreat Warzu bestehen (vgl. Woolf,Diary 1200). Für Woolf war derGreat Wareine vollkommen männliche Angelegenheit. Das äußert sie in einem Brief an Margaret Llewelyn Davies vom 23. Januar 1916:

I become steadily more feminist owing to The Times, which I read at breakfast and wonder how this preposterous masculine fiction [the war] keeps going a day longer - without some vigorous young woman pulling us together and marching through it - Do you see any sense in it? I feel as if I were reading about some curious tribe in Central Africa (Woolf,The Letters76).

Zivilisten wie Virginia Woolf wurden als Außenseiter oder sogar als Eindringlinge in diese Männerwelt betrachtet und standen auf der sicheren Seite des Geschehens, welche Jay Winter treffend mit dem Ausdruck: “unbridgeable existential divide in the experience of war” (305) bezichnet. Konkret meint er damit die Kluft zwischen der Realität alltäglicher Erfahrungen der Zivilisten auf der einen und den Erfahrungen der Frontkämpfer auf der anderen Seite (vgl. Levenback,A Chasm68). Als Zivilistin hatte Woolf wenig Zugang zum realen Kriegsgeschehen. Sie hatte keine männlichen Freunde, die ihr persönliche

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Kriegserlebnisse hätten mitteilen können. Die Brüder ihres Mannes Leonard, Philip und Cecil (welcher durch eine Bombenexplosion starb), waren die einzigen Kontakte dieser Art. Nur durch Quellen aus dritter Hand konnte sich Woolf über den Kriegsalltag informieren (vgl. Ouditt 172). Gerade dass sie als Zivilistin vom Kriegsgeschehen ausgeschlossen wurde, rief ihr Interesse an der Situation der Zivilisten hervor. Da es Woolf um eine wahrheitsgemäße Darstellung desGreat Warging, lag ihr viel daran, trotz aller Widrigkeiten möglichst nah an das Kriegsgeschehen heranzukommen und dieses realistisch wahrzunehmen.

Während viele Autoren über den Krieg in den Schützengräben schrieben, war Virginia Woolf eine der wenigen, deren Ausführungen sich nicht auf die direkte Kriegsberichterstattung oder auf die Kämpfe bezogen, sondern sich mehr mit den Auswirkungen desGreat Warbeschäftigten.

Woolfs Vision wurde nicht durch persönliche Kriegserfahrungen an der Front genährt, sondern durch ihren Wunsch, falsche Konstrukte und gefährliche Werte, die demGreat Warund seiner Propagandamaschinerie vorausgingen und viel Elend zur Folge hatten, mittels ihrer Romane offenzulegen. In der vorliegenden Examensarbeit sollen speziell Virginia Woolfs NachkriegsromaneJacob’s Room, Mrs DallowayundTo The Lighthouseim Hinblick auf ihre unterschiedlichen Darstellungsweisen desGreat Waranalysiert werden. Die drei Romane wurden ausgewählt, weil sie die literarische Darstellung des Ersten Weltkrieges sowie Woolfs Kritik am Kriegsidealismus und an patriarchalischen Haltungen vorbildlich illustrieren. Des Weiteren sind die Rolle der Zivilisten während desGreat Warund ihre Darlegung inJacob’s Room, Mrs DallowayundTo The Lighthousewesentlich. Zusätzlich weisen alle drei Romane zentrale Gemeinsamkeiten und Zusammenhänge auf, welche sie eng miteinander verbinden.

Im Folgenden soll daher explizit untersucht werden, auf welche Art und Weise und mittels welcher Techniken Woolf ihre Kritik am Kriegsidealismus in den einzelnen Werken präsentiert, welche Rolle Zivilisten während desGreat Warspielten, wie diese dargestellt werden und welche GemeinsamkeitenJacob’s Room, Mrs Dalloway und To The Lighthouseaufweisen. Ferner soll die Frage nach der Rolle Woolfs als Zivilistin imGreat Warbehandelt werden. Inwieweit autobiografische Aspekte in die drei Romane einfließen, ist ebenfalls

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Gegenstand der Analyse.

WährendJacob’s Roomschwerpunktmäßig von Kriegspropaganda und einem mutigen jungen Mann namens Jacob Flanders handelt, der aufopfernd dem Vaterland zuliebe in den Krieg zieht und dort ums Leben kommt, richtet Woolf inMrs Dallowayden Fokus auf das Nachkriegsleben und beschreibt, welche Kriegstraumata der ehemalige Frontsoldat Septimus Warren Smith zu bewältigen hat und mit welcher Ignoranz und Oberflächlichkeit ihm im Nachkriegsalltag begegnet wird.To The Lighthouseweist im Gegensatz zuJacob’s RoomundMrs Dallowayeine dreigliedrige Struktur auf. Im ersten Teil des Romans, “The Window”, wird das Leben der Familie Ramsay vor dem Ausbruch desGreat Wardargestellt. Hierbei verbindet Woolf in besonderem Maße patriarchalische Haltungen, verkörpert unter anderem durch den Charakter des Mr Ramsay, mit den Ursachen desGreat War.Während das zweite Kapitel, “Time Passes”, die Verwahrlosung des Sommerhauses der Familie Ramsay durch den Ersten Weltkrieg beschreibt, behandelt der dritte Teil, “To The Lighthouse”, das Nachkriegsleben der Familie Ramsay und stellt die Künstlerin Lily Briscoe sowie die Frage nach der Aufgabe der Kunst, nach dem Chaos und der Zerstörung desGreat Warwieder Ordnung und Sicherheit herzustellen, in den Mittelpunkt.

Vor der eigentlichen Analyse der drei Nachkriegsromane ist zunächst eine Darstellung von Virginia Woolfs Kriegssensibilität unerlässlich. Diese verdeutlicht, welche persönlichen Beweggründe Woolf hatte, über denGreat Warzu schreiben, und führt dem Leser somit den Ausgangspunkt ihrer drei NachkriegsromaneJacob’s Room, Mrs DallowayundTo The Lighthousevor Augen.

An dieser Stelle sei ergänzend hinzugefügt, dass auch Bezug auf Briefe, Dokumente und weitere Werke von Virginia Woolf genommen wird, wenn dies für die Gesamtbetrachtung und das Verständnis notwendig erscheint. Auch muss darauf hingewiesen werden, dass aus Kapazitätsgründen auf die Rolle der Bloomsbury Group und auf den Bloomsbury-Pazifismus imGreat Warnicht eingegangen werden kann. Dazu sei auf ausführliche Darstellungen in Christine Froulas WerkVirginia Woolf and the Bloomsbury Avant-Garde: War -Civilisation - Modernitysowie Helen WussowsThe Nightmare of History: The Fictions of Virginia Woolf and D. H. Lawrenceverwiesen. Propaganda und

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Propagandasprache können ebenfalls nur in aller Kürze dargestellt werden. Es sei hier besonders auf Irene Cooper Willis Analyse und Darlegung der Zeitschriftenpropaganda im Ersten Weltkrieg inEngland’s Holy War: A Study of English Liberal Idealism during the Great Warhingewiesen sowie für eine detaillierte Abhandlung zum Themashell shockauf Peter Leeses WerkShell Shock: Traumatic Neurosis and the British Soldiers of the First World War.In einer abschließenden Bewertung werden die aus der Analyse gewonnenen Erkenntnisse schließlich wieder auf die Ausgangsfragen zurückzuführen und diese damit zu beantworten sein. Des Weiteren soll ein kurzer Forschungsausblick gegeben werden.

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