The Legacy of Magic - Paul Kosmala - E-Book

The Legacy of Magic E-Book

Paul Kosmala

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Beschreibung

Zwischen Licht und Schatten liegt die Wahrheit. Jaro glaubt, ein gewöhnlicher junger Mann zu sein – bis eine dunkle Macht seine Heimatstadt Varentis erschüttert und sein Leben für immer verändert. Schattenkreaturen steigen aus den Ängsten der Menschen empor, uralte Bücher flüstern von verbotener Magie, und ein geheimnisvoller Fremder erscheint: Lucien – verflucht, aber voller Wissen, das Jaro dringend braucht. Als Jaro entdeckt, dass eine mächtige Hexe zu seinen Vorfahren gehört, beginnt ein innerer Kampf zwischen dem Licht, das in ihm wächst, und der Dunkelheit, die ihn zu verschlingen droht. Während die Stadt unter der Bedrohung zusammenzubrechen droht, muss er sich entscheiden: Wem kann er trauen? Was ist stärker – Erbe oder Wille? Gemeinsam mit Lucien und der mutigen Leah stellt er sich einer Armee aus Albträumen und einem Gegner, der Wahnsinn atmet. Doch der größte Feind lauert in seinem eigenen Blut.

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Seitenzahl: 151

Veröffentlichungsjahr: 2025

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Als kleine Warnung zuvor. Hier werden Kreaturen beschrieben, welche aus Albträumen und Ängsten entstehen. Es kommt zu dem Blut vor.

Prolog – Der Fluch der Schatten

Paro

Der Himmel über dem alten Schlachtfeld war von dunklem Rauch und bleigrauen Wolken verhangen, als hätte die Welt selbst den Atem angehalten. Blitze zuckten wie gebrochene Adern über das Firmament, und das Heulen des Windes vermischte sich mit dem metallischen Klirren von Waffen und dem schrillen Kreischen der Verwundeten.

Zwischen den Trümmern der gefallenen Banner und zerborstenen Rüstungen stand ein Mann wie aus Licht gemeißelt: Lucien. Sein weiß-silberner Brustpanzer war an mehreren Stellen aufgerissen, blutverkrustet, doch seine Haltung blieb aufrecht – wie ein letzter Leuchtturm im Mahlstrom der Finsternis.

„Standhaft bleiben, Männer!“ rief er mit bebender Stimme. Sie war kräftig, aber durchzogen von einer tiefen Müdigkeit. Seine Augen – einst hell wie der Morgen – lagen nun schattig unter einem von Schweiß und Blut verklebten Helm.

Die Reihen der Ritter um ihn herum hatten sich gelichtet. Was einst ein stolzes Heer war, war nun ein Häuflein Überlebender, das verzweifelt gegen das Unmögliche kämpfte: Schattenkreaturen, wie aus Albträumen geboren.

Sie waren keine einfachen Feinde. Jedes von ihnen war ein groteskes Echo menschlicher Angst: Ein Wesen bestand aus Spinnengliedmaßen mit menschlichen Händen an den Enden, die zuckend in der Luft griffen. Ein anderes hatte keinen Kopf, nur ein aufgerissenes Maul auf der Brust, das flüsterte, schrie, lachte. Manche waren knochige, schattenhafte Gestalten mit Masken, deren Fratzen je nach Blickwinkel Emotionen wechselten – von Hass zu Angst, von Schmerz zu Wahnsinn. Diese Kreaturen waren Angst – geformt aus den dunkelsten Erinnerungen und verborgensten Albträumen jener, die sie sahen.

Lucien stürzte sich in den Kampf, sein Schwert entlud bei jedem Hieb eine Welle aus Licht, die die Schattenwesen kurzzeitig zurücktrieb. Doch für jeden Gefallenen kamen drei neue aus dem dichten, schwarzen Nebel, der das Schlachtfeld verschluckte.

Dann kam das Grollen. Die Erde bebte unter einem donnernden Dröhnen, das tiefer war als jedes Tierbrüllen. Die Schattenwesen hielten inne – nicht aus Angst, sondern aus Ehrfurcht. Der Nebel teilte sich wie ein Vorhang, und aus ihm trat sie.

Gekleidet in einen Mantel aus schwarzem Rauch, das Gesicht unter einer Kapuze verborgen, trat eine Frau mit bedächtigen, lautlosen Schritten auf das Feld. Ihre Augen glühten rot, als brenne in ihr eine uralte, boshafte Flamme. In ihrer rechten Hand hielt sie ein Buch – in dunklem Leder gebunden, als wäre es aus getrockneter Haut gefertigt. Es pulsierte leicht, als hätte es ein eigenes Herz.

„Die Schattenhexe...“ flüsterte ein junger Knappe, der sich hinter Lucien duckte. Seine Stimme zitterte, als hätte das bloße Aussprechen ihres Namens Macht.

Lucien presste die Zähne zusammen. „Beatrice...“ Er spürte, wie die Magie in ihm bebte – nicht vor Kraft, sondern vor Widerstand. Er zog sein Schwert fester und trat nach vorn.

Beatrice hob die linke Hand, und schwarze Ranken aus Rauch schossen über das Feld. Sie zischten wie Peitschen, rissen Bäume aus dem Boden, zerdrückten Schild und Helm gleichermaßen. Doch Lucien stemmte sich dagegen. Ein Lichtstoß schoss aus seiner Klinge, durchbrach die erste Welle der Dunkelheit.

„Du kämpfst noch immer, tapferer Ritter?“ Ihre Stimme war ein Wispern – zart und zersetzend wie Säure. „Wie edel. Wie... bedeutungslos.“

Mit einem einzigen Wort öffnete sie das Buch. Die Seiten begannen zu glühen – nicht mit Licht, sondern mit Dunkelheit, die alles verschlang. Lucien wollte sie aufhalten, doch ehe er reagieren konnte, umschlangen ihn die Ranken, rissen ihn in die Luft. Seine Magie zuckte in alle Richtungen, Licht blitzte, aber es war zu spät.

„Lucien!“ schrie einer der Ritter. Doch nur ein letzter Lichtblitz ging von ihm aus, ehe sein Körper vom Sog des Buches erfasst und hineingezogen wurde – als hätte die Welt ihn verschluckt.

Dann war alles still.

Sein Helm fiel mit einem letzten metallischen Klang zu Boden.

Beatrice lachte. Es war kein lautes, triumphales Lachen, sondern ein kaltes, klirrendes Gackern, das sich durch Mark und Bein schnitt. „Die Hoffnung eurer Welt liegt nun zwischen meinen Seiten. Wer wagt es noch, mir zu trotzen?“

Doch genau in diesem Moment brach das Dunkel auf. Ein Lichtstrahl durchstieß die Wolken, Gold und rein wie ein Schwert aus Sonnenfeuer.

„Du hast deine Grenzen überschritten, Beatrice.“

Die Stimme war ruhig, aber trug ein Gewicht, das selbst die Schatten verstummen ließ.

Aus dem Licht trat eine Frau mit silberweißem Haar, in einen Mantel aus leuchtenden Runen gehüllt. In ihrer Hand hielt sie einen Kristallstab, der pulsierte wie das Herz der Sonne.

„Eleonore...“ Beatrice verzog den Mund zu einem zynischen Grinsen. „Du lebst noch. Wie... langweilig.“

„Solange ich lebe“, sagte Eleonore, „wird dein Schatten nicht siegen.“

Ein Blitz aus Licht schoss aus ihrem Stab, traf Beatrice frontal und schleuderte sie zurück. Die Schattenwesen schrien, zerfielen wie Staub in der Sonne.

Beatrice fauchte, öffnete mit einem Riss ein schwarzes Portal. „Der Fluch ist gelegt. Der Ritter gehört mir. Und bald auch diese Welt.“

Eleonore fing das Buch mit einem Zauber ab, bevor es Beatrice wieder erreichte. Ihre Stimme war leise, aber durchdringend: „Solange ich atme, wirst du ihn nicht besitzen.“

Beatrice verschwand mit einem Kreischen in der Dunkelheit.

Als Stille einkehrte, sank Eleonore auf die Knie, das Buch in den Händen. Um sie herum lagen Leichen, zerbrochene Rüstungen, versengte Erde.

„Diese Schlacht ist verloren“, flüsterte sie. „Doch die Hoffnung lebt.“

Sie erhob sich, das Buch an die Brust gepresst, und ging langsam zurück zum Schloss – der Nebel wich ihr, das Licht folgte ihr.

Doch hinter ihr, tief unter dem Boden, rührte sich etwas. Und der Schatten lächelte.

Kapitel 1 – Das Buch auf dem Dachboden

Der Wind heulte durch die engen Gassen der alten Stadt, als wolle er Geheimnisse mit sich tragen, die besser verborgen blieben. Das Haus von Jaros Großmutter stand am Rand eines kleinen Viertels, das wie aus der Zeit gefallen wirkte – hohe Backsteinfassaden, verwitterte Fensterrahmen, spitze Dächer und schmiedeeiserne Balkone, auf denen längst keine Blumen mehr wuchsen. Zwischen all den modernen Glasbauten ringsum wirkte es wie ein Relikt aus einer anderen Ära – fremd, aber voller Geschichten.

Im Inneren des Hauses knarrten die Dielen bei jedem Schritt. Staub tanzte im schräg einfallenden Licht der Nachmittagssonne, und die Schatten, die an den Wänden entlanghuschten, schienen mit jeder Bewegung den Atem anzuhalten.

Jaro stand auf der obersten Stufe der knarrenden Dachbodentreppe. Der Geruch von altem Holz, vergessenen Dingen und einer fast süßlichen Note von getrockneten Kräutern hing in der Luft. Es roch nicht nur nach Staub, sondern nach Vergangenheit. Nach Magie – auch wenn er es noch nicht benennen konnte.

„Nur kurz nach dem Globus suchen“, murmelte er zu sich selbst. Doch etwas in ihm wusste längst: Es würde nicht dabeibleiben.

Der Dachboden war ein Chaos aus Kisten, Decken, alten Möbelstücken und Erinnerungen. Und da, zwischen einem zerschlissenen Ohrensessel und einem mit vergilbten Büchern gefüllten Regal, ragte eine Truhe hervor – halb verborgen unter einer alten Wolldecke.

Sie war nicht groß, aber sie wirkte fehl am Platz. Zu makellos. Kein einziger Kratzer zierte ihr dunkles Holz, das eher an polierten Obsidian erinnerte als an irgendeine heimische Holzsorte. Das Metallband auf der Oberseite war mit filigranen Gravuren verziert – zwei ineinander verschlungene Ranken und eine Sonne in der Mitte.

Jaro trat näher, legte die Hand auf den Deckel – und zuckte zurück.

Warm.

Das Holz fühlte sich nicht nur glatt an – es war lebendig. Als würde es atmen. Oder horchen.

Er schluckte, zwang sich zur Ruhe, strich mit den Fingern über das Wappen – und genau in diesem Moment begann es leicht zu glimmen. Nur ein sanftes Leuchten, kaum sichtbar. Doch es reichte, um sein Herz schneller schlagen zu lassen.

„Ein Trick des Lichts...“, flüsterte er und schüttelte den Kopf. Doch innerlich wusste er längst: Das war kein Zufall. Nicht in diesem Haus. Nicht in dieser Familie.

Mit einem knarzenden Laut öffnete er die Truhe.

Keine Goldmünzen. Keine alten Briefe. Keine Globusse.

Nur ein einziges Buch.

Dunkles Leder, eingefasst mit goldenen Ornamenten, die im Licht wie flüssiges Metall glitzerten. In der Mitte – dasselbe Wappen wie auf der Truhe. Jaro beugte sich vor. Er roch das Leder, alt, aber nicht muffig. Vielmehr hatte es etwas Uraltes, beinahe Heiliges. Und gleichzeitig etwas Bedrohliches.

Zögernd nahm er es heraus. Es war schwerer, als es aussah. Und warm – erneut. Wieder dieses merkwürdige Prickeln in den Fingern, das bis in die Schultern kroch. Als würde sich etwas in ihm regen. Eine Erinnerung, die nicht seine war.

„Jaro?“ Die Stimme seiner Großmutter hallte dumpf durch das Haus.

Er zuckte zusammen. Schnell legte er das Buch unter den Arm, ließ die Truhe offenstehen, als hätte sie all ihre Kraft in diesen einen Moment gelegt, und hastete die Treppe hinunter.

In der Küche saß seine Großmutter am alten Esstisch. Der Tisch war aus dunklem Holz, vollgestellt mit Teekanne, Tassen, Kräuterbündeln – wie immer. Doch als sie Jaro sah, erstarrte sie.

Ihr Blick fiel sofort auf das Buch.

„Was hast du da?“ Ihre Stimme war nicht streng, nicht laut – aber sie war anders. Tiefer. Erschrockener.

„Ich... ich hab’s auf dem Dachboden gefunden. In einer Truhe“, sagte Jaro und legte das Buch vorsichtig auf den Tisch.

Die Teekanne in ihrer Hand zitterte leicht, ehe sie sie abstellte.

„Die Truhe... du konntest sie öffnen?“

Jaro nickte.

„Und das Buch war darin.“

Seine Großmutter setzte sich langsam. Ihre Augen – grau, aber hell – ruhten auf dem Einband, als würde sie versuchen, durch das Leder hindurchzusehen.

„Ich dachte, das wäre nur eine Geschichte“, murmelte sie. „Ein Familienmärchen. Niemand konnte diese Truhe je öffnen. Nicht einmal dein Großvater.“

„Was ist es?“, fragte Jaro.

Sie schwieg einen Moment, dann sagte sie: „Es heißt, dieses Buch gehörte einst einer mächtigen Hexe. Manche nennen sie die Hexe des Lichts, andere sagen, sie sei eine Tochter der Dunkelheit gewesen. In unserer Familie wird erzählt, dass wir von ihr abstammen – oder dass einer unserer Ahnen sie bestohlen hat. Niemand weiß es genau. Nur eines ist sicher: Dieses Buch ist kein Spielzeug.“

Jaro blickte das Buch an. Es wirkte ruhig. Doch unter der Oberfläche vibrierte etwas. Wie ein schlafender Riese.

„Und du glaubst, das ist das echte?“, fragte er.

Seine Großmutter seufzte. „Ich glaube... es hat dich gefunden. Und das heißt, die Zeit beginnt sich zu drehen. Was auch immer du tust, Jaro – sei vorsichtig. Manche Geschichten sind mehr als nur Worte. Und manche Bücher... lesen auch dich.“

Kapitel 2 – Die Magie erwacht

Das Buch lag auf Jaros Schreibtisch. Regungslos. Doch es war da – präsent wie ein lauter Gedanke, den man nicht abschalten konnte. Obwohl es keine Geräusche machte, keinen Atem hatte, kein Leben zeigte… fühlte es sich an, als würde es ihn beobachten.

Der Raum war in goldenes Abendlicht getaucht, doch Jaro spürte eine Kälte auf der Haut. Er saß auf seinem Bett, den Blick starr auf das Buch gerichtet. Stundenlang hatte er versucht, sich abzulenken – Musik gehört, ein anderes Buch gelesen, auf dem Handy gespielt –, doch immer wieder wanderte sein Blick zurück. Immer wieder zog es ihn an.

„Du bist doch nur ein altes Buch…“, murmelte er. Aber seine Stimme klang nicht überzeugt.

Langsam erhob er sich, trat vorsichtig an den Schreibtisch heran. Die Luft um das Buch wirkte... dicker. Wie elektrisiert. Jaro hob die Hand, zögerte – dann legte er sie auf den Einband.

Das Leder war warm. Kein bisschen alt oder spröde. Es fühlte sich an wie Haut – lebendig. Wieder durchzuckte ihn dieses Prickeln, und diesmal war es stärker. Es zog nicht nur durch seine Finger, sondern durchdrang ihn – wie ein Impuls, der etwas in ihm berührte, das bislang geschlafen hatte.

Er flüsterte: „Ich will nur wissen, was du bist.“

Erneut versuchte er, das Buch zu öffnen. Doch die Seiten klebten zusammen, versiegelt durch eine unsichtbare Kraft. Jaro fluchte leise. Dann, ganz instinktiv, strich er mit dem Finger über das Wappen auf dem Einband.

Es begann zu glimmen.

Ein leichtes, pulsierendes Leuchten breitete sich aus. Und diesmal – ganz langsam – öffnete sich das Buch.

Ein Lichtstrahl schoss daraus hervor und hüllte den Raum in ein warmes, goldenes Leuchten. Jaro keuchte, riss die Arme vors Gesicht – aber die Lichtflut brannte nicht. Sie durchdrang ihn, wärmte ihn, als würde sie in seinem Innersten etwas zum Leben erwecken, das lange verborgen lag.

Dann kam die Stimme.

Sie war weder männlich noch weiblich. Tief, ruhig, zeitlos. Und sie sprach nicht durch seine Ohren – sondern direkt in seinen Geist.

„Du bist erwacht, Kind des Lichts. Und mit dir die Erinnerung an das, was war.“

Jaro taumelte einen Schritt zurück. Doch das Licht hielt ihn. Um ihn herum begann sich der Raum zu verändern. Die Wände verschwanden, der Boden löste sich auf, und er stand plötzlich in einem weißen, endlosen Raum. Kein Geräusch, kein Wind – nur das Licht, das sich wie Wasser bewegte.

Dann erschienen die Bilder.

Sie kamen nicht wie Visionen, sondern wie Erinnerungen. Ein Schlachtfeld. Männer in Rüstungen. Eine dunkle Gestalt mit leuchtenden Augen. Ein Buch – dieses Buch – in ihrer Hand. Schattenkreaturen, die aussahen wie aus purer Angst geformt: Ein Mädchen, das gegen eine riesige Spinnenkreatur kämpfte, deren Beine aus menschlichen Fingern bestanden. Ein Mann, der vor einem Spiegel floh, der seine innersten Schuldgefühle verzerrt widerspiegelte.

Dann sah Jaro sich selbst – als Teil dieser Bilder.

Er stand zwischen Licht und Dunkelheit.

„Was ist das?“, flüsterte er.

Die Stimme antwortete:

„Du bist das Erbe. Du bist die Verbindung. Die Hexe des Lichts war deine Ahnherrin – doch ihr Licht hat nicht nur Gutes hinterlassen. Auch das Dunkel ist in dir.“

Ein kalter Schauer lief ihm über den Rücken. „Was meinst du mit… Dunkel?“

Das Licht flackerte – und wurde schwächer. Dann verdichtete sich etwas Schwarzes darin. Eine zweite Stimme flüsterte, kaum hörbar, aber voller Gier:

„Du musst mich nicht fürchten. Ich bin Teil von dir. Du musst mich nur zulassen...“

Jaro riss die Augen auf. „Nein.“

Das Licht flammte auf – heller, stärker – und riss ihn zurück in die Realität.

Er stand wieder in seinem Zimmer. Keuchend. Schweißgebadet. Die Sonne war untergegangen. Der Raum war still – nur das Buch lag vor ihm, offen, aber mit leeren Seiten.

Er starrte auf seine Hände.

Sie glommen schwach golden.

„Magie…“, flüsterte er. „Ich habe wirklich… Magie.“

Die Tür ging auf. Seine Großmutter trat ein. Ihr Blick fiel sofort auf das offene Buch – und auf seine leuchtenden Hände.

Für einen Moment sagte sie nichts. Dann: „Du hast es geöffnet.“

Jaro nickte. „Es hat mich gerufen… und ich habe etwas gesehen. Bilder. Und Stimmen. Ich... ich glaube, ich habe Magie.“

Sie kam langsam zu ihm, nahm seine Hände in ihre. Ihre Augen zitterten, doch ihre Stimme war ruhig.

„Dann war es wahr…“ Sie sah ihn lange an. „Jaro, dieses Buch hat dich gewählt. Und das bedeutet, dass du etwas in dir trägst, das größer ist als du selbst.“

„Oma…“, flüsterte er. „Ich glaube… ich habe auch etwas Dunkles gespürt. Etwas in mir.“

Sie legte eine Hand an seine Wange. „Vielleicht. Aber du hast auch das Licht gespürt, nicht wahr?“

Er nickte.

„Dann liegt es an dir, welchen Weg du wählst.“

Sie lächelte – schwach, aber mit Trauer in den Augen. „Du bist mein Enkel. Und egal was kommt – du wirst deinen Weg finden.“

Dann ließ sie ihn allein.

Jaro blickte zum Fenster. Draußen war die Stadt in Nacht getaucht. Die Lichter der modernen Welt flackerten in der Ferne – doch in seinem Zimmer war etwas erwacht, das älter war als alles, was er je gekannt hatte.

Er war nicht mehr nur Jaro.

Etwas Altes lebte in ihm.

Etwas Mächtiges.

Etwas, das erwacht war – und nicht mehr schlafen würde.

Kapitel 3 – Der falsche Zauber

Das Buch lag offen auf dem Schreibtisch, seine Seiten leer – und doch fühlte es sich an, als würde es Jaro beobachten. Die Schriftzeichen, die sich vor Stunden noch magisch auf die Seiten gezeichnet hatten, waren verschwunden. Zurück blieb nur ein unscheinbares, altes Buch. Aber Jaro wusste es besser.

Er war nicht mehr derselbe wie gestern.

Seit das Licht ihn durchflutet hatte, war etwas in ihm aufgebrochen. Eine Kraft, die tief in seinem Inneren pulsierte, aber jeder Ordnung widersprach. Sie war wild, unbeholfen – wie ein Sturm, der noch nicht weiß, wohin er ziehen will. Seine Großmutter hatte es „Magie“ genannt. Aber Magie klang nach etwas Schönem. Etwas, das man beherrschen konnte.

Doch was in ihm erwacht war, ließ sich nicht zähmen.

Noch nicht.

Jaro schloss die Augen, versuchte sich zu konzentrieren. Auf dem Tisch lag eine Feder – leicht, zerbrechlich. Er erinnerte sich an Geschichten, in denen Zauberer mit einem Wort Dinge schweben ließen. Das musste doch möglich sein.

Er flüsterte: „Levita.“

Nichts geschah.

Er runzelte die Stirn. Vielleicht fehlte die Geste. Vielleicht musste er es fühlen.

„Aerium!“

Wieder nichts – oder doch? Die Feder zuckte. Ganz leicht. War das Wind? Oder war es... er?

Er hob die Hand, schloss die Augen, konzentrierte sich. Er stellte sich vor, wie die Feder leicht vom Tisch abhob, sich im Licht drehte, tanzte.

„Schwebe“, flüsterte er.

Die Feder bewegte sich – diesmal deutlich. Ein paar Millimeter. Dann fiel sie wieder zurück. Ein kleiner Sieg. Und doch spürte Jaro nichts als Frust. Es war, als würde die Magie mit ihm spielen.

„Was willst du von mir?“, fragte er leise, den Blick auf das Buch gerichtet. „Warum gibst du mir Kraft, wenn du mich scheitern lässt?“

Ein Zittern lief durch seine Fingerspitzen. Die Luft im Raum wurde drückend, als würde sich etwas in ihm zusammenbrauen. Seine Gedanken wirbelten durcheinander – Wut, Versagen, Angst. Und inmitten all dessen... flackerte ein anderer Gedanke auf.

Lass los.

Er wusste nicht, woher der Gedanke kam. Doch er spürte ihn – wie einen dunklen Impuls. Er legte seine Hand auf das Buch. Eine Seite blätterte sich wie von selbst um. Seine Lippen bewegten sich, ohne dass er darüber nachdachte. Das Wort kam wie ein fremder Reflex:

„Ignifera.“

Ein Flammenstoß schoss vom Buch aus über den Tisch, streifte den Vorhang – und setzte ihn in Brand.

„Nein!“

Jaro sprang zurück. Die Flammen leckten hungrig am Stoff, warfen zitternde Schatten an die Wände. Panik schoss in ihm hoch. Er hatte kein Wasser. Kein Zauber zum Löschen. Nur Angst. Nur Chaos.

Er riss die Arme hoch, seine Stimme überschlug sich: „Extinguo!“