The Lesbiana's Guide to Catholic School - Sonora Reyes - E-Book

The Lesbiana's Guide to Catholic School E-Book

Sonora Reyes

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Beschreibung

Der 16-jährigen Yamilet Flores wäre es lieber, für ihren tollen Eyeliner bekannt zu sein, als dafür, dass sie eines der einzigen mexikanischen Kinder an ihrer weißen, sehr reichen katholischen Schule ist. Aber wenigstens weiß hier niemand, dass sie queer ist, und Yami will, dass das auch so bleibt. Nachdem sie vor ihrem Wechsel auf die katholische Schule Slayton von ihrem heimlichen Schwarm und ehemaliger besten Freundin geoutet wurde, hat Yami neue Prioritäten: ihren Bruder aus Schwierigkeiten herauszuhalten, ihre Mutter stolz zu machen und, was am wichtigsten ist, sich nicht zu verlieben. Allerdings ist es schwer, so zu tun, als sei man hetero, wenn Bo, das einzige offen queere Mädchen an der Schule, so nervtötend perfekt ist. Und klug. Und begabt. Und süß. So süß. Wie auch immer ... Yami wird den gleichen Fehler nicht noch einmal machen. Oder doch?

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EPUB
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Seitenzahl: 524

Veröffentlichungsjahr: 2025

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Für meine Mutter. Mi otro yo.

Anmerkung der Autorin

In diesem Buch geht es um Rassismus, Homophobie, Migration und die suizidalen Gedanken sowie die Klinikeinweisung einer Figur. Ich habe mich nach Kräften bemüht, diese Themen sensibel und mit der gebotenen Sorgfalt darzustellen. Sollten diese Themen für euch problematisch sein, achtet bitte gut auf euch und vergesst nicht, dass euer seelisches und emotionales Wohl an erster Stelle steht.

1 DU SOLLST NICHT VERTRAUEN EINER FALSCHZÜNGIGEN BITCH

Sieben Jahre Pech können mich am Arsch lecken.

Ist schon viel zu lange her, dass ich irgendwas zerschlagen habe, und dieser Schminkspiegel hat’s verdient. Scheiß-Spiegel. Scheiß-Yami.

Auch egal. Spiegel sind überschätzt, und mit der Faust reinschlagen ist unterschätzt. Ich habe mich eh noch nie gern angeguckt. Nicht, weil ich mich nicht hübsch finde. Also, ich bin hübsch – objektiv gesehen –, aber darum geht’s nicht. Ich mag dieses neue Spiegelbild lieber. Es ist so gesprungen, dass ich mich kaum noch erkenne. An den richtigen Stellen gebrochen. Das habe ich gemacht. Mit meiner Faust. Wer sagt, dass ich nicht hart bin?

Ich renne vor keinem Kampf weg – solange mein Gegner bloß ein Gegenstand ist. Ich habe nicht so fest gegen den Spiegel geboxt, dass er zersplittert ist, aber das Pochen in den Fingerknöcheln sagt mir, dass ich ziemlich hart zugeschlagen habe. Mir schwillt die Brust vor Stolz über meine Leistung, und so auch meine Hand.

Scheiße. Das ist echt viel Blut.

Okay, vielleicht hätte ich das doch lassen sollen. Meine Hand zittert und fängt an zu tropfen, aber ich kann mich nicht rühren. Ich kann nur an Bianca denken und an die andere Sache, die ich ganz sicher hätte lassen sollen.

Wer kündigt den Job, bloß um kein Risiko einzugehen, einer Ex zu begegnen? Eigentlich nicht mal einer Ex. Einer EX-trem fiesen lügnerischen Bitch. Einer ehemaligen besten Freundin, für die ich zu meiner Schande auch andere Gefühle hatte.

Bianca konnte noch nie gut Geheimnisse hüten, darum weiß ich gar nicht, wieso ich geglaubt habe, sie könne dieses für sich behalten. Bin selbst schuld, dass ich ihr vertraut habe. Das letzte Mal gesehen habe ich sie, als sie mich am Ende der zehnten Klasse geoutet hat. Ich war so froh, sie nie wiederzusehen, aber dann musste sie ja heute einfach in das Café marschieren, in dem ich arbeite. Arbeitete.

Die hat Nerven, mich dort zu belästigen. Wo ich mich nicht verteidigen kann. Gegen sie war ich sowieso immer wehrlos.

»Jetzt rennst du also weg auf diese katholische Schule? So verzweifelt willst du mir aus dem Weg gehen?«

Ja. Sogar verzweifelt genug, meinen Job zu kündigen. Alles nur, damit ich sie nicht sehen muss. Alles.

»Yami? Alles okay bei dir?« Cesar klopft an die Tür, wartet aber gar nicht auf meine Reaktion, sondern macht sie gleich ein Stück auf und schaut herein. Er muss gehört haben, wie der Spiegel gesplittert ist.

Mein Bruder starrt auf meine blutigen Knöchel und auf den Spiegel, wartet auf eine Erklärung, die ich ihm nicht gebe. Ich sollte mir um ihn Sorgen machen, nicht umgekehrt. Seine Knöchel sind frisch verschorft, wie es auch meine bald sein werden, und er hat ein blaues Auge. Eine Variation des Üblichen.

»Bei dir alles okay?«, frage ich zurück. Sein Blick zuckt zum Spiegel und zurück zu mir, ehe er ins Zimmer kommt. Er hüpft über die schmutzige Wäsche am Boden auf mein Bett und grinst.

»Ich habe nur Einsen!«, sagt er. Okay, nicht nur ich lenke also ab. Cesar und ich haben eine ungeschriebene Regel: Wir dürfen persönliche Fragen genau einmal stellen. Weicht der oder die andere der Frage aus, bohren wir nicht nach. So bewahren wir den Frieden. Mit meiner unverletzten Hand klatsche ich Cesar ab, dann gehe ich in unser gemeinsames Bad, um mir das Blut abzuwaschen. Ich lasse die Tür offen, damit er mich hören kann.

»¡Eso! Kein Wunder, dass du ein Stipendium für Slayton gekriegt hast.«

Cesar ist auf jeden Fall besser in der Schule als ich. Er hat eine Klasse übersprungen, deshalb werden wir jetzt beide in die Elfte kommen. Junior Year. Viele halten uns für Zwillinge, was mir nichts ausmacht. So ist es weniger peinlich, dass mein kleiner Bruder so viel klüger ist als ich. Ich bin nicht in jedem Fach in der Leistungsstufe wie er, aber ich komme ganz gut klar.

Ohne eigenes Stipendium muss ich mir allerdings so schnell wie möglich einen neuen Job besorgen, um meine Hälfte des Schuldgelds bezahlen zu können. Sonst kann es sich meine Mutter nicht leisten, uns beide zur Slayton Catholic School zu schicken, und ich habe auch gar kein Problem damit, ein bisschen mehr dafür zu arbeiten. Wenn ich nach Biancas Aktion wieder zur Rover High gehen müsste, würde ich wahrscheinlich vor Scham sterben. Die katholische Schule und ein Nebenjob sind ein anständiger Preis dafür, dass ich ihr wunderschönes, hinterhältiges Gesicht nie wieder sehen muss. Leb wohl, Rover, kann nicht behaupten, dich zu vermissen.

Ich wasche sorgfältig alles Blut ab, ehe ich in mein Zimmer zurückgehe. Am Ende sieht man kaum noch, dass ich mir wehgetan habe. Eine Sache, in der ich gut bin.

Cesar liegt auf meinem Bett und starrt an die Decke, nestelt an dem Kreuz herum, das er um den Hals hängen hat. »Willst du wirklich nach Slayton?«

Ich zucke die Achseln und lasse mich neben ihn auf die Matratze fallen.

Bianca ist nicht der einzige Grund, wieso ich nach Slayton gehen muss, aber das kann ich Cesar nicht erzählen. Er glaubt, Mom zwingt uns beide auf die katholische Schule, weil wir »eine bessere Ausbildung« brauchen, die besten Profs und anspruchsvolleren Unterricht. Außerdem will sie damit ausgleichen, dass sie keine Zeit mehr hat, mit uns in die Kirche zu gehen.

Das sind jedenfalls die Gründe, die wir Cesar glauben lassen. Wir sagen ihm nicht, dass es auch an dem Ärger liegt, in den er an der Rover ständig geraten ist, und dass Mom die Slayton einfach für sicherer hält (wegen der katholischen Werte). Wir sagen ihm nicht, dass ich darauf bestanden habe, mitzukommen, um ihn vor Problemen zu schützen. Es ist zwar eine schicke katholische Schule, aber auch ein Neustart für uns beide. Und jetzt weiß ich auf jeden Fall, dass ich den Mund halten muss, wenn ich auf irgendwen stehe. Ich werde heimlich lesbisch sein. Wie Kristen Stewart.

Cesar rollt sich auf die Seite und sieht mich an. »Ich habe gehört, da gehen bloß Weiße hin.«

»Wahrscheinlich.« An der Rover sind die meisten Schülerinnen und Schüler Chicanx oder Schwarz, aber Slayton liegt in der Nordstadt, vierzig Minuten Fahrt von uns aus. Sagen wir mal so: Der Melanin-Anteil ist dort deutlich geringer. Wahrscheinlich könnte ich mein Schulgeld auch zusammenkriegen, indem ich in den Pausen Sonnencreme verkaufe.

»Und das Football-Team ist richtig scheiße«, sagt er.

»Du spielst doch gar nicht Football.«

»Und jetzt werde ich auch keine Gelegenheit mehr dazu haben.« Ein trauriger Glanz legt sich auf seine Augen, als wäre Football mal sein Traum gewesen. Ich schwöre, er ist echt so eine Dramaqueen.

»Ach, pobrecito.« Ich will ihn in die Wange kneifen, aber er schlägt meine Hand weg. Er ist bloß zehn Monate jünger als ich, aber ich erinnere ihn ständig daran, dass er das Küken ist.

»Ich habe gehört, da muss man irgendwie so zehn Stunden Hausaufgaben machen. Jeden Tag. Das ist Kindesmissbrauch. Wann sollen wir denn schlafen? Oder essen? Wir werden verhungern!« Er wirft die Arme in die Luft.

Ich lache und schlage mit dem Kissen nach ihm. »Wir werden es überleben.« Ich lasse unerwähnt, dass vor allem er Zusatzaufgaben kriegen wird, weil er schließlich in lauter Leistungskursen sitzen wird. »Außerdem ist es immer noch besser als die Alternative, oder?«

»Welche Alternative?«

»Na«, ich zeige auf sein blaues Auge, »verprügelt zu werden?« Sein Kiefer verkrampft sich, und mir tut es sofort leid, dass ich davon angefangen habe, also rede ich weiter: »Oder gammelige Chicken Nuggets zum Mittag. Das ist Kindesmissbrauch. Immerhin kann sich die Slayton anständiges Essen leisten.«

»Kann schon sein.« Er klingt nicht begeistert. Cesar hat keinerlei Selbsterhaltungstrieb. Manchmal kommt es mir vor, als wollte er an der Rover verkloppt werden.

Ich lege ihm den Arm um die Schulter. »Keine Bange, wenn du das Schulessen von Rover jemals vermissen solltest, kannst du einfach an deinen Schuhsohlen lecken. Dann kommt es dir vor, als wärst du nie weg gewesen.«

Er schnaubt kurz und reckt ein Bein in die Luft. »Entschuldige mal, meine Schuhe sind clean as fuck. Fünf-Sterne-Restaurant-Qualität.«

»Die Sohle habe ich gesagt, tonto.« Ich will sein Ohrläppchen schnippen, aber er sieht es kommen und schnippt meins zuerst. »Au!« Ich reibe mir das Ohr. Mann, sind meine Reflexe lahm.

Aber nicht schlimm. Lieber lasse ich mir ans Ohr schnippen, als dass mein kleiner Bruder sauer auf mich ist.

Mein Handy vibriert, und das Bild meiner Mutter erscheint auf dem Display. Keine Ahnung, warum sie mich anruft, wenn sie genauso gut nach mir rufen könnte. Unser Haus ist nicht so groß, dass ich sie nicht hören würde. Ich gehe trotzdem ran.

»Hey, mami.«

»Ven pa ca, mija.«

»Ich komme.« Hektisch versuche ich, mir was zu überlegen, um den zerbrochenen Spiegel zu erklären.

»Sag ihr, ich hätte ihn kaputt gemacht.« Cesar muss meine Gedanken gelesen haben, obwohl er nicht mal in meine Richtung guckt. Das kann er echt gut.

»Warum?«

»Sie wird es dir glauben, und ich kriege sowieso keinen Ärger.« Er hat recht. Cesar ist Moms kleiner Liebling. Wenn er einen Spiegel zerschlägt, will sie bloß wissen, ob seine Hand verletzt ist. Wenn ich einen zerschlage, kriege ich mindestens Hausarrest. Trotzdem werde ich ihm das nicht in die Schuhe schieben.

Ich verdrehe die Augen und gehe in Moms Zimmer. Im Flur vermeide ich den Blick auf die Sammlung von Kruzifixen und Jesusbildern an den Wänden. Anscheinend ist ein Jesus noch nicht heilig genug, um mir die Homosexualität auszutreiben – wobei Mom natürlich gar nichts davon weiß. Ich wünschte, Cesar wäre nicht genauso fanatisch in dieser Hinsicht, dann könnte ich wenigstens mit ihm darüber lästern. Das größte Porträt macht mich besonders nervös. Dieser Jesus starrt mich direkt an – nein, in mich hinein, und er hat so einen traurigen Blick, als wüsste er genau, dass ich zur Hölle fahre. Ich werde das Gefühl nicht los, dass es gar keinen Unterschied macht, ob ich mich oute oder nicht. Moms Stimme tönt in meinem Kopf: Jesus sieht alles. Ich spüre so ein Brennen im Bauch, als wollten die ganzen Kreuze das Lesbischsein aus mir rausexorzieren. Ich schaue auf den Teppich und bringe den Walk of Shame in ihr Schlafzimmer zügig hinter mich.

Als Erstes trete ich beinahe auf einen halb fertigen Ohrring aus kleinen aufgefädelten Perlen. Das Zackenmuster sieht aus, als sollte es eine orangerote Blüte darstellen. Wie üblich liegen überall auf dem Boden bunte Perlen, Nylonschnüre, Draht und andere Utensilien ihres Nebenjobs herum. Mom stellt in ihrer Freizeit Schmuck und mexikanische Perlarbeiten zum Verkaufen her, und das macht sie richtig gut. Als hätte sie nicht schon genug zu tun. Ich versuche festzustellen, ob sie bemerkt hat, dass ich beinahe den Ohrring zertreten habe, aber sie reagiert nicht.

Sie klopft neben sich auf ihr Bett, auf dem sie liegt. Sie hat die Haare zu einem unordentlichen Knoten zusammengebunden und trägt ihre Sonnenbrille – wie immer, wenn sie gerade geweint hat. Ich habe keine Ahnung, was los ist, aber der Spiegel kann es eigentlich nicht sein. Mich ruft sie immer, wenn sie die Sonnenbrille aufsetzen muss. Sie macht sich schon zu viele Sorgen um Cesar, um ihm auch noch ihre eigenen Probleme aufzuhalsen.

Ich weiß, eigentlich soll ich sie jetzt trösten, aber ich habe so ein schlechtes Gewissen. Ich muss sofort beichten.

»Ich habe gekündigt«, sage ich. Am besten das Pflaster mit einem Ruck abreißen. Sie hätte es ja sowieso gemerkt. »Aber ich besorge mir einen anderen Job, versprochen.«

»Ay dios mío …« Sie seufzt und bekreuzigt sich. »Erzähl mir nicht, dass Bianca dich dazu überredet hat. Die hat keinen guten Einfluss auf dich.« Als ich Biancas Namen höre, wird mir einen Augenblick ganz kalt.

»Nein, mami … wir sind gar nicht mehr befreundet …« Ich versuche zu ignorieren, dass sie das nicht mal bemerkt hat.

»Ay, ay, ay … Gut, über einen neuen Job reden wir später.« Aus irgendeinem Grund scheint sie wegen meiner Kündigung gar nicht sauer zu sein. Mit der Reaktion habe ich nicht gerechnet.

»Okay …« Es dauert eine Weile, bis sie mit dem herausrückt, worüber sie eigentlich reden will.

»Du musst mir einen Gefallen tun, okay, Schatz?« Sie klingt heiser.

»Ja, mami?«

»Du weißt ja, ich will nur das Beste für dich und deinen Bruder.«

»Ich weiß.«

»Ich weiß wirklich nicht, was ich mit dem Jungen anfangen soll.« Sie dreht sich auf den Rücken. »Dein Vater konnte immer so gut mit ihm reden.«

Ich antworte nicht. Ich war zehn, als Dad abgeschoben wurde. Wir telefonieren und facetimen ab und zu, aber richtig gesehen habe ich ihn seit Jahren nicht mehr. Er und Cesar sind die einzigen Menschen, die mich wirklich verstehen, glaube ich. Und es nervt, dass ich immer nur so kurz über einen Bildschirm mit ihm reden kann.

»Ich habe heute mit ihm gesprochen. Er vermisst dich. Und Cesar.« Sie reibt sich die Augen unter der Sonnenbrille. »Cesar … Cesar hört einfach nicht so auf mich, wie er auf euren Vater gehört hat.« Als ich merke, dass sie sich wegen Cesar Sorgen macht und nicht wegen meinem Job oder dem Spiegel, kann ich etwas freier atmen. Aber ich weiß, irgendwann wird es wieder um mich gehen. Das ist immer so bei ihr.

»Cesar kommt schon klar, mami.« Ich drücke ihre Hand. Cesar sagt sowieso immer, dass alles in Ordnung ist, und spielt den harten Mann, aber dass er sich wehrt, bedeutet ja nicht, dass die Kämpfe fair sind. Mom und ich haben herauszufinden versucht, warum er ständig in Schlägereien verwickelt ist und was los ist, aber wenn er das Gefühl hat, verhört zu werden, dann wird er bloß aggressiv oder zieht sich zurück. Ich kann nichts weiter für ihn tun, als ein Auge auf ihn zu haben, und selbst das gelingt mir nicht. Ich habe das Gefühl, dass er sofort Streit anfängt oder angegriffen wird, sobald ich mal wegschaue, und deswegen schaffe ich es einfach nicht, die ganzen blauen Augen und aufgeplatzten Lippen zu verhindern, mit denen er ständig nach Hause kommt.

»Auf dich hört er.« Moms Lippe zittert, und ich weiß nicht, was ich tun soll. Ich stecke die verletzte Faust in die Tasche meines Hoodies. Wenn sie merkt, dass ich damit zugeschlagen habe, dann denkt sie womöglich, ich bin der Grund, warum sich Cesar prügelt. Wenn ich einen Fehler mache, ist immer sofort alles meine Schuld. Es ist echt ein enormer Druck, dass ich immer ein perfektes Vorbild für meinen Bruder sein soll, obwohl ich selbst kaum klarkomme.

Seit Dad nicht mehr da ist, gilt die stillschweigende Regel, dass ich mich so um Cesar kümmere, wie Dad es zuvor getan hat. Nach Moms Ansicht ist alles, was Cesar Schlimmes widerfährt, meine Schuld.

Ich kann echt nicht mehr.

»Was soll ich denn tun?«

»Du sollst ihm ein gutes Vorbild sein. Sag ihm, dass es eine tolle Chance für euch beide ist. Pass auf ihn auf. Die neue Schule ist klein, das wird dir also nicht schwerfallen.« Für mich klingt das, als hätte ich bisher nicht auf ihn aufgepasst. Als hätte ich mir nicht bloß einen Job besorgt, damit ich mit auf die Jesus-Schule gehen und auf ihn aufpassen kann. Ich möchte ihr sagen, dass es nicht an mir liegt, dass er ständig Ärger hat, aber das würde sie sowieso nicht akzeptieren.

»Okay, mami.«

»Ach ja, und du hast Hausarrest.«

»Was?« Ich richte mich auf. Wie kann sie mich um einen Gefallen bitten und mich gleichzeitig bestrafen, während sie mit mir kuschelt? Von so einer Kehrtwende müsste ich eigentlich ein Schleudertrauma kriegen.

»Bis du einen neuen Job gefunden hast. Du weißt doch, ich kann es mir nicht leisten, dich auf diese Schule zu schicken.«

»Ich finde schon einen«, sagte ich. Das hatte ich sowieso vor. Und Hausarrest macht auch gar keinen Unterschied, weil mein Freundeskreis jetzt bloß noch aus Cesar besteht.

»Und du passt auf deinen Bruder auf.«

»Ja, mami.« Ich krabbele von ihrem Bett.

Ich werde Cesar im Glauben lassen, dass wir über den Spiegel geredet haben.

2 DU SOLLST KEINE ANDEREN GÖTTER HABEN NEBEN DEM KAPITALISMUS

Eigentlich sollte ich an der Ferien-Aufgabe für den Schreibkurs arbeiten, die ich per Post von der Schule gekriegt habe, aber die Jobsuche hat erst mal Vorrang. Und überhaupt, welche Schule gibt über die SOMMERFERIEN Hausaufgaben? Wenn ich irgendwann eine Stelle gefunden habe, halte ich vielleicht ein Referat darüber, wie unmoralisch und lebenszerstörend Hausarbeiten sind.

Ich bin zwar gut damit beschäftig, ein Bewerbungsformular nach dem anderen auszufüllen, aber Hausarrest macht doch einsam. Früher hat Bianca mich moralisch unterstützt oder beraten. Aber inzwischen weiß ich, dass sie eigentlich gar nicht meine Freundin war.

Einerseits möchte ich dankbar sein, dass sie insgesamt bloß drei Leuten erzählt hat, dass ich lesbisch bin – unseren beiden anderen Freundinnen und ihrer Mutter –, aber das ist dann doch viel zu naiv. Sie hätte es niemandem erzählen dürfen. Im Rückblick muss ich sagen, dass ich mit den anderen Mädchen in unserer Gruppe nie so richtig eng war. Sie haben mich bloß geduldet, weil ich mit Bianca befreundet war. Sie war die Anführerin der Clique, wir andern folgten ihr brav.

Aber sie war nicht bloß die Anführerin, und ich war nicht bloß Teil ihres Gefolges. Sie war die Superheldin, und ich war ihr Sidekick.

Okay, Sidekick ist vielleicht ein bisschen freundlich ausgedrückt. Ich war eher so ein Fan in Not, die ständig von der Heldin gerettet werden muss. Die Figur, die sich unweigerlich in die Heldin verliebt, auch wenn die Heldin kaum ihren Namen kennt. Niemand interessiert sich für diese Figur. Im Grunde bin ich also froh, dass Bianca diese Illusion zerstört hat, denn jetzt muss ich diese Rolle nicht mehr spielen. Ich bin jetzt meine eigene Heldin und sie die Schurkin.

Ein Zeit lang ist die Jobsuche eine willkommene Ablenkung von Bianca. Ich muss nicht darüber nachdenken, wie sehr ich sie hasse, wenn ich Bewerbungen schreibe und immer wieder zwanghaft meinen Lebenslauf umschreibe. Aber nach wochenlangen deprimierenden Absagen habe ich immer noch nichts gefunden. Mein Lebenslauf ist nicht sonderlich beeindruckend, egal, wie viel ich dran drehe. Ich hatte erst einen Job als Barista, und nicht mal da habe ich es einen Sommer lang ausgehalten. Und es gibt nicht so viele Arbeitsmöglichkeiten in fußläufiger Entfernung von unserem Haus.

Eigentlich darf ich mein Handy nur für die Jobsuche und Notfälle benutzen, aber mami hat mir nicht verboten, zwischen den Bewerbungen auf mein Display zu starren. Mein Hintergrundbild tröstet mich ein bisschen darüber hinweg, dass ich keine Nachrichten habe. Darauf zeigen mein Vater und ich unsere schönsten America’s Next-Topmodel-Posen. Da war ich acht, weshalb papi kniet, um auf meiner Höhe zu sein, und wir haben beide diese komische Haltung – die Hände in den Hüften, die Ellbogen ausgestellt. Als ich das Bild sehe, muss ich grinsen und überlege, ob ich meinen Vater anrufen soll, aber da ich Handyverbot habe, kann ich nur weiter auf meine nicht vorhandenen Nachrichten starren.

Ich hasse mich selbst, weil ich hoffe, Biancas Namen zu sehen. Ich sollte sie nicht vermissen. Ich sollte stinksauer sein. Bin ich auch, aber trotzdem …

»Ach, Mann!« Ich gehe ins Schlafzimmer meiner Mutter, hüpfe über ihren Schmuck und auf die Matratze, um mich in ihr Bett zu kuscheln und zu trösten. Wenn ich wieder auf ihre Sachen trete, bringt sie mich um. Ich ziehe mir die Decke über den Kopf und denke nach.

Mom kann nur die Hälfte meines Schulgelds bezahlen, wenn ich also keinen Job finde, um meinen Teil beizusteuern, muss ich wieder auf die Rover gehen. Allein. Und dann kann ich nicht auf Cesar aufpassen, wie Mom es von mir erwartet. Sie ist schon genervt genug, dass ich es nicht in seine Hochbegabtenkurse geschafft habe – aber wenn er in Schwierigkeiten kommt und sein Stipendium verliert, dann kriege ich die Schuld.

Darum geht es nämlich. Nicht darum, dass ich vor Bianca »weglaufen« will. Sie nie wiederzusehen, ist bloß ein Bonus, falls es mir gelingt, einen anderen Job an Land zu ziehen. Aber kein Mensch will eine 16-Jährige ohne Auto und Erfahrung einstellen. Ich muss in andere Richtungen denken. Ich setze mich gerade hin und werfe die Decke ab. Denk nach. Denk nach.

Das Bett ist zu bequem fürs Nachdenken, also setze ich mich auf den Boden. Aber da kann ich mich auch nicht konzentrieren, weil Moms Schmuck so unordentlich herumliegt. Überall lässt sie halb fertige Teile liegen, sie trennt nicht mal die fertigen Stücke von denen, an denen sie noch arbeitet. Ich fange an, ihr Chaos aufzuräumen, damit ich selbst klarer im Kopf werde. Also wirklich, sie könnte viel mehr Geld verdienen, wenn sie ihre Arbeit ein bisschen netter präsentieren und überhaupt einen Funken Energie in das Marketing auf Etsy stecken würde. Aus reiner Neugier öffne ich ihre Verkaufsseite auf meinem Handy.

Ehrlich gesagt ist die ziemlich peinlich. Die Bilder sind alle verschwommen, der Schmuck liegt auf dem dunkelblauen Teppich ihres Schlafzimmers – dabei wäre jeder andere Hintergrund besser. Die leuchtenden Farben kommen so überhaupt nicht zur Geltung.

Vielleicht überrasche ich sie einfach! Mom hat wirklich keine Ahnung von Social Media oder Technik überhaupt. Ihren Etsy-Shop zu pimpen und ihr einen Insta-Account zu basteln, das wäre vielleicht genau das, was sie braucht. Ich sehe mir all ihre Arbeiten genau an und suche mir die Lieblinge jeder Stilrichtung aus. Sie hat ein paar einfache Schmuckstücke, die sie günstig anbietet, Ohrringe mit Perlen oder eine Halskette mit einem schlichten Kristall. Ihre handgeflochtenen Armbänder sind auf Märkten immer der Hit. Aber am liebsten mag ich ihre Perlenarbeiten.

Die Farben, die sie dafür auffädelt und verwebt, wirken in der Kombination noch kräftiger, so als würde das Muster sie noch lebendiger machen als vorher. Ihre Perlenhalsbänder, -ohrringe und -armbänder erinnern mich alle an Mexiko. Ich war seit meiner frühen Kindheit nicht mehr da, aber ich habe mich jenseits der Grenze immer mehr zu Hause gefühlt.

Ich ziehe das weiße Bettlaken glatt und lege Moms fertige Schmuckstücke darauf. Ganz nett, aber auf dem Laken sehen sie längst nicht so süß aus wie angelegt. Gut, dass mir jede Ausrede recht ist, um mich zu stylen. Ich lackiere mir die Nägel, schminke und frisiere mich und bin bereit, als Schmuck-Model zu arbeiten.

»Cesar! Ayudame!«, rufe ich.

»Wobei?«, ruft er zurück.

»Komm einfach her!«

»Na gut …« Cesar kommt rein, starrt mich und den Schmuck auf dem Bett an. »Ähm, was machst du hier?«

»Ich mache mami reich.« Ich lächle. »Und du bist mein Fotograf.«

»Nur wenn du mit mir Takis holst.«

Hmm. Ich könnte schwören, dass er gerade am Telefon irgendeinem Mädchen erzählt hat, dass er krank ist und sie nicht treffen kann. Die Takis sind definitiv bloß ein Vorwand, um mich aus dem Haus zu kriegen. Er teilt sie auch nie mit mir, was mich nerven würde, wenn ich diese Tortilla-Chips mögen würde. Vielleicht lässt er sich irgendwas entgehen, um sich um mich zu kümmern.

Er weiß nicht, was passiert ist, aber er muss merken, dass etwas passiert ist. Ich bin sicher, der kaputte Spiegel und Biancas Abwesenheit haben ihn auf die Spur gebracht. Früher habe ich so gut wie jeden Tag mit ihr verbracht, bei uns oder bei ihr, schon seit wir klein waren, aber jetzt sind die Sommerferien fast vorbei, und sie war noch nicht einmal hier, seit sie angefangen haben.

»Aber ich habe Hausarrest«, jammere ich.

»Mom ist bei der Arbeit.« Er zwinkert mir zu, wobei er offenbar den Kopf zur Seite drehen und den Mund halb aufmachen muss. »Außerdem wollte sie doch sowieso, dass wir Doña Violeta Tamales bringen. Sie muss ja nicht erfahren, dass wir außerdem Takis gekauft haben.«

Ich muss nicht lange überredet werden, weil ich persönlich ja ohnehin finde, dass ich den Hausarrest nicht verdient habe. Mom wird ihn mit Sicherheit aufheben, sobald ich ihr von meiner Etsy-Idee erzähle. Aber eigentlich möchte ich vor allem nicht, dass Cesar allein zum Laden an der Ecke geht. Das würde mami auch nicht wollen. Ich schwöre, wenn ich nicht dabei bin, zieht er den Ärger magisch an. Das möchte ich lieber nicht riskieren, auch wenn es draußen so heiß ist, dass man auf dem Asphalt ein Spiegelei braten könnte. »Okay, aber zuerst machen wir Fotos.«

Ich reiche Cesar mein Handy, und er fängt an zu fotografieren, noch bevor ich fertig bin.

»Noch nicht!« Ich lege hastig ein Armband an und halte mein Handgelenk in die Kamera, aber er schüttelt den Kopf.

»Mach die auch noch rein.« Er zeigt auf ein Paar blaubraune Ohrringe, deren Muster zum Armband passt.

Ich lege auch die an und werfe mich mit der Hand am Ohr in Pose, sodass man beide sehen kann.

»Du musst nicht so ein Gesicht ziehen, deine Lippen sind gar nicht im Bild«, sagt Cesar, und ich entspanne meinen Schmollmund.

Cesar kommandiert mich ziemlich rum als Fotograf, aber er macht es gut. Er sagt mir, welche Posen ich einnehmen und welchen Schmuck ich zusammen anlegen soll. Es dauert aber nicht lange, bis ihn die Sache langweilt und er rausgeht, während ich mir den Kopf über den richtigen Namen für den Shop und den Insta-Account zerbreche. Nach einer Stunde Grübeln entscheide ich mich für JoyeriaFlores. Der vorherige Etsy-Name war »Maria749«, und das musste natürlich geändert werden. Außerdem brauche ich Geld, um ein paar Artikel einzustellen. Ich lösche alle aktuellen Artikel, weil nicht klar wird, was sie damit überhaupt verkaufen wollte. Und laut der Statistik von Etsy ist sie hier schon ziemlich lange nichts mehr losgeworden, was sich jetzt allerdings ändern wird. Ich möchte mami beweisen, dass der Shop Erfolg hat, bevor ich ihn ihr zeige, ich habe also einiges zu tun.

Das Problem ist nur: Ich habe ihr schon alles Geld gegeben, das ich bei meinem letzten Job verdient habe, damit sie davon das Schulgeld bezahlen kann. Zum Glück kann ich noch jemand anderen fragen. Schnell schicke ich meinem Vater eine Nachricht, erzähle ihm von meinem Plan, hänge ein paar von den Fotos an und verrate ihm, was das Einstellen von Artikeln kostet. Schon nach ein paar Minuten vibriert mein Handy.

Papi: Ay, que linda <3 Mami findet das bestimmt toll. Kann ihre Reaktion kaum erwarten.

Dann kriege ich eine Benachrichtigung von PayPal. Er hat mir so viel Geld geschickt, dass ich die ersten zwanzig Artikel einstellen kann, dazu zwanzig Dollar extra und noch ein Herz-Emoji »für meine Mühe«.

Mein Gott, ich liebe meinen Vater.

Nachdem das Einstellen bezahlt ist, rechne ich noch genau alle Gebühren (fürs Einstellen, für die Transaktionen und die Zahlungsbearbeitung) in unsere Preise mit ein, damit wir auf keinen Fall draufzahlen. Mit so viel Geschäftssinn – wer würde mich da nicht anheuern? Wäre jedenfalls ein schwerer Fehler.

Sobald ich all meine Lieblingsstücke auf die Seite gestellt habe, teile ich noch ein paar Bilder und Links in meinem Twitter-Account und schreibe dazu, wie hart meine Mutter arbeitet, um für uns zu sorgen, und wie sehr ich sie und ihren Schmuck liebe und bla, bla, bla. Bisschen kitschig, aber darauf stehen die Leute.

»Taki Time.« Cesar kommt wieder reingeschlichen und schaut ganz unschuldig.

Ich lese mir meinen Text mehrmals durch, bevor ich ihn poste. Als ich runterkomme, wartet Cesar schon mit den Tamales aus dem Tiefkühler an der Haustür. Er hat sie zwischen zwei Papierteller gepackt, damit wir sie zu Doña Violeta bringen können. Sie ist richtig depressiv, seit ihr Mann letztes Jahr gestorben ist, und achtet überhaupt nicht mehr auf sich, weshalb unser Block sie im Grunde durchfüttert. Früher war sie das Kindermädchen für die ganze Nachbarschaft, hat auf alle Kinder im Block aufgepasst, weil sich von den Eltern hier niemand eine Betreuung leisten konnte. Es waren immer mindestens acht Kinder in ihrem kleinen Häuschen, aber irgendwie hat sie es trotzdem hingekriegt. Sie hat sich um uns gekümmert, jetzt kümmern wir uns um sie.

Kaum sind wir aus dem Haus, hören wir schon traurige Mariachi-Musik durch die Straße hallen, von Doña Violetas Veranda bis hierher. Früher hat sie immer Songs gespielt, nach denen man tanzen und feiern konnte, aber jetzt sind sie immer deprimierend. Sie sitzt den ganzen Tag auf ihrer Veranda und spielt ohne Pause Trauermusik, die den ganzen Block runterzieht.

Auf dem Weg zu ihr muss ich ständig auf mein Handy gucken. Nichts. Ist ja auch erst ein paar Minuten her, dass ich den Shop und den Insta-Account eingerichtet habe, also sollte ich mir keine Sorgen machen. Ich stecke das Smartphone wieder in die Tasche und hoffe, beim nächsten Mal mehr Glück zu haben. Zwei Häuser weiter brennt mir der Bürgersteig bereits wie ein Comal durch die Schuhsohlen. Zwei Meter von der Haustür entfernt, und schon habe ich angefangen zu schwitzen. Was für Opfer ich für diese Familie bringe …

Biancas Haus liegt auf dem Weg zu Violeta, aber ich starre stur geradeaus. Ich will die Blumen nicht sehen, die wir nicht gemeinsam zu Ende gepflanzt haben. Die leeren Talavera-Töpfe, die wir selbst handbemalt haben, würden mich womöglich daran erinnern, dass es Spaß gemacht hat, mit Bianca befreundet zu sein, wo ich sie doch im Augenblick vor allem als böse, herzlose Bitch im Kopf behalten möchte. Aber Cesar starrt ihr Haus an, als wir näher kommen, und ich muss unwillkürlich auch hinsehen.

Die Töpfe sind nicht leer. Die Blumen sind nicht vertrocknet. Mein Magen krampft sich zusammen, die Sonne scheint gleich doppelt so heiß. Sie hat sie ohne mich eingepflanzt.

»Was ist eigentlich mit euch beiden los?« Ich hatte gehofft, er würde nichts sagen, aber ich wusste auch, irgendwann würde es zur Sprache kommen.

Ich wische mir den Schweiß von der Stirn. »Nichts, für mich ist sie gestorben.«

Cesar lacht. »Also, das ist jawohl nicht nichts.«

»Ich will aber nicht darüber sprechen.« Die Stichwunde schmerzt noch, wo Bianca mir das Messer nicht in den Rücken, sondern in die Brust gerammt hat. Aber darüber kann ich mit Cesar nicht reden. Wenn Bianca für mich gestorben ist, muss ich nicht darüber nachdenken, wie anders alles gelaufen wäre, wenn ich mich nicht vor ihr geoutet hätte. Wenn Bianca nicht existiert, kann ich mein Leben weiterleben. Im Moment bin ich vor allem dankbar für unsere Regel des »Nur einmal fragen«, denn so muss ich nicht zu viel darüber nachdenken.

Außerdem bin ich froh, dass die Rover Highschool so groß war, denn so haben sich Gerüchte immer bloß in den Freundeskreisen verbreitet. Wenn über mich getratscht wurde, hat Cesar nie Wind davon bekommen, und umgekehrt. Das finde ich gut.

Ich ziehe wieder mein Telefon aus der Tasche, um mich von den Bianca-Gedanken abzulenken. Auf Insta gab es ein paar Likes und neue Follower, aber noch keinen Anstieg der Verkäufe, der einen Arbeitsplatz für mich rechtfertigen würde. Ich blase die Backen auf und ächze.

»Guck nicht ständig nach, du machst dich bloß verrückt«, sagt Cesar, und Doña Violetas Pitbullwelpe fängt ein paar Häuser voraus an, zu kläffen und zu jaulen. Schon denkt Cesar nicht mehr an mein Handy. Aber er hat ja recht. Ich nehme mir vor, nicht mehr draufzuschauen, jedenfalls, bis wir wieder zu Hause sind. Ich stelle es stumm, damit ich nicht bei jeder Benachrichtigung in Versuchung gerate.

Cesar geht zum Maschendraht, wo ihn der Pitbull begrüßt und durch den Zaun seine Hand leckt. Die arme Hündin darf nie nach drinnen, weshalb sie den ganzen Tag auf Doña Violetas raspelkurz gemähtem Rasen verbringen muss. Die meisten von uns bringen Doña Violeta Essen vorbei, aber ein paar Jugendliche haben sich auch bereit erklärt, sich um ihren Garten zu kümmern, denn das Gras wuchs ihr buchstäblich über den Kopf. Jetzt ist der Rasen immer gemäht, aber das arme Tier hat nur noch wenig zum Spielen.

Cesar beschäftigt sich jedes Mal mit ihr, wenn wir am Haus vorbeigehen. Abgesehen von den Bemühungen der Nachbarschaft bewahrt eigentlich nur die junge Hündin Violeta vorm völligen Zusammenbruch. Sie ist erst ein Jahr alt und so süß, dass Cesar meine Probleme für einen Augenblick vergisst. Er will ganz offensichtlich die Leere füllen, die Bianca hinterlassen hat, aber dafür muss er nicht alle Details wissen. Das liebe ich an meinem Bruder.

Doña Violeta bemerkt uns anscheinend erst, als wir direkt vor ihr stehen, sie umarmen und auf die Wangen küssen. Sie lächelt uns mit wässrigen Augen an, sagt aber nichts.

»Wir haben dir Tamales mitgebracht«, sagt Cesar über die Musik hinweg und zeigt auf die Teller in meinem Arm. Sie antwortet nicht, also gehen wir nach drinnen, um sie aufzuwärmen. Sonst isst sie vielleicht gar nichts davon. Während Cesar also die Tamales warm macht, räume ich ihr Wohnzimmer ein bisschen auf. Auf ihren Möbeln sind so Plastikbezüge, damit es auch ja nicht zu gemütlich wird. Als Kind habe ich das immer gehasst, und ich verstehe es auch heute noch nicht. Auf der Abdeckfolie eines Sofas sieht man immer noch die leicht verblassten Filzstiftzeichnungen, mit denen Bianca und ich es »dekorieren« wollten, als wir klein waren. Bei der Erinnerung steigt mir die Hitze ins Gesicht. Egal, wo ich hingehe, Bianca ist anscheinend immer schon da und verhöhnt mich.

Als das Essen fertig ist, setzen Cesar und ich uns auf Violetas Verandaboden, während sie isst, und erzählen ihr alle Geschichten, die uns so einfallen und sie aufheitern könnten. Je länger wir bleiben, desto weniger traurig schauen ihre Augen. Wir verabschieden uns erst, als ihr Lächeln nicht mehr gezwungen wirkt und wir sicher sein können, dass sie nicht den Rest des Tages heulen wird.

»Vielen Dank. Los quiero muchísimo«, flüstert sie und küsst mich auf die Stirn, dann wiederholt sie es bei Cesar.

»Wir lieben dich auch«, sagen wir beide und drücken sie ganz fest, ehe wir zum Eckladen gehen, um Cesars Takis zu kaufen, und dann wieder nach Hause laufen. Der kindische orangefarbene Anstrich hebt unser Haus von den anderen ab. Dad, Cesar und ich haben es in einem Sommer angestrichen, als mami nicht in der Stadt war. Orange ist ihre Lieblingsfarbe, und er wollte sie überraschen, aber mit gerade acht und neun Jahren waren wir nicht besonders kompetent. Mom sagt, sie will es nicht neu streichen lassen, weil es zu viel Geld kostet, aber ich glaube, in Wirklichkeit will sie die Erinnerung an Dad behalten.

Als wir verschwitzt und ohne Takis (in meinem Fall) drinnen sind, erlaube ich mir endlich einen Blick auf mein Handy: massenhaft Benachrichtigungen von Twitter und Insta. Eine beliebte Beauty-Bloggerin hat meinen Tweet retweetet, und dann ist es viral gegangen! Schnell klicke ich die Etsy-App an.

Ist. Nicht. Wahr.

Jedes einzelne Teil ist verkauft. Ich schmeiße mich aufs Bett, wälze mich fröhlich hin und her und quieke dabei so laut, dass Cesar ganz besorgt hereinkommt.

»Okay … ich will es gar nicht wissen.« Er weicht langsam zurück, während ich weiter kreischend herumrolle.

Sobald ich mich beruhigt habe, schreibe ich einen Entschuldigungs-Post, dass alles schon ausverkauft ist, und verspreche, so schnell wie möglich nachzuliefern. Die Haustür geht auf, und ich renne zu mami, um sie zu begrüßen, bereit für ein schnelles Ende meines Hausarrests.

»Mami, ich habe eine Überraschung für dich!« Ich umarme sie.

»Eine Überraschung?« Sie zieht eine Augenbraue hoch.

Ich ziehe mein Handy aus der Tasche, öffne meinen viralen Tweet und reiche es ihr. Während sie liest, halte ich die Luft an und beobachte ihr Mienenspiel genau, um zu erkennen, bei welcher Stelle sie gerade ist. Ihr Ausdruck bleibt unverändert, aber ihr Daumen bewegt sich und klickt auf den Etsy-Link.

»Gefällt dir der Name? Guck dir mal die Verkäufe an! Ist das nicht unglaublich? Das wird mein neuer Job! Ich helfe dir bei der Produktion und übernehme den ganzen Online-Kram.« Ich habe das Gefühl, ich muss gleich losheulen vor reiner Freude. Mami muss so stolz auf mein unternehmerisches Genie sein. Sie gibt mir das Telefon zurück.

»Mach das wieder weg.«

Ich blinzle. Das kann sie nicht ernst meinen. »Was?«

»Lösch die Seite.«

»Wieso?« Ich kann nicht anders, mir bricht die Stimme weg. Ich habe wirklich gedacht, es würde klappen.

»Weil ich es sage.«

Ich starre sie mit offenem Mund an. Begreift sie nicht, wie gut das für sie sein könnte? Für uns alle? Sie will doch, dass ich mehr Geld verdiene. Sie hat mir Hausarrest verpasst, weil ich nicht genug Geld verdiene! Wieso ist sie so verdammt stur? Das war ein perfekter Einfall von mir, und ich weiß echt nicht, was ich noch machen soll. Anscheinend kann ich ihr nie irgendwas recht machen.

»Hör zu, mija, ich hatte einen langen Tag, ich kann mich jetzt nicht damit beschäftigen.« Ohne ein weiteres Wort geht sie an mir vorbei in ihr Zimmer. Ich stürme in meins, lasse mich aufs Bett fallen und stöhne in mein Kissen.

Wenn es nach Dad ginge, würde er mich machen lassen. Er fand meine Idee toll. Vielleicht kann er mir helfen. Oder vielleicht muss ich auch nur meinem Ärger Luft machen. Ich nehme ihm eine Sprachnachricht auf.

»Paaaaaapi, ich vermisse dich. Mom ist so scheiße«, fange ich an, lösche es sofort und setze neu an.

»Papiiiii, sag deiner Frau bitte, sie soll nicht so ein Riesenarsch sein!« Löschen.

Ich nehme sieben verschiedene Nachrichten auf, bis meine Wut verflogen ist. Schließlich schicke ich ihm eine ganz brave, in der ich die Lage sachlich und ruhig erkläre. Vielleicht schafft er es, sie zur Vernunft zu bringen.

Mein Handy brummt weiter von ständigen Benachrichtigungen, und irgendwann wird das Hintergrundbild von Dad und mir als Models schwarz. Das Smartphone hat so viele Nachrichten verarbeiten müssen, dass der Akku alle ist, obwohl ich ihn erst vor gut einer Stunde aufgeladen habe. Ich habe gar keine Lust, es wieder anzustecken, weil ich dann die ungeheuer peinliche Mitteilung rausgeben müsste, dass der Shop schon nach einem Tag wieder geschlossen ist.

Als ich das Smartphone am nächsten Morgen auflade, kommen wieder unfassbar viele Nachrichten rein. Was mich total nervt, weil es alles vergeudete Mühe war. Aber dann sehe ich zwei Textnachrichten. Eine von Mom …

Mami: Lass die Seite, wie sie ist …

… eine von Dad.

Papi: Ich hab mit ihr geredet

3 DU SOLLST NICHT BEGEHREN DEINER NACHBARIN HINTERN

Als die Schule wieder losgeht, ist der Spiegel in meinem Zimmer immer noch zersplittert, was richtig schlimm ist, denn so muss ich Cesar erst das Bad verpesten lassen, ehe ich mich fertig mache. Ich schalte die Lüftung an, damit ich nicht an seinen giftigen Abgasen ersticke.

Der Badezimmerspiegel ist viel größer als mein kaputter Schminkspiegel, und ich fühle mich nicht wohl davor. Es ist irgendwie beunruhigend, wenn dich das vollständige Spiegelbild anschaut. Wenn die Augen Fenster zur Seele sind, dann habe ich irgendwie das Gefühl, meine eigene Intimsphäre zu verletzen. Mein Blick wandert zum Rand des Spiegels, wo Cesar das »Gesetz des Herzens« der Maya angeklebt hat: In Lak’ech Ala K’in, und darunter das berühmte Gedicht.

 

Tú eres mi otro yo.

Du bist mein anderes Ich

Si te hago daño a ti,

Wenn ich dir schade,

Me hago daño a mí mismo.

schade ich mir selbst.

Si te amo y respeto,

Wenn ich dich liebe und respektiere,

Me amo y respeto yo.

liebe und respektiere ich mich selbst.

Es hat eine gewisse Ironie, wie sehr er dieses Gedicht liebt, wenn man bedenkt, wie oft er sich prügelt. Vielleicht, weil es im Grunde Dads Mantra war. Dad hat sich immer ganz offen zu unseren Wurzeln bekannt und wollte, dass wir das auch tun.

Tue ich aber nicht. Ohne Dad hier fühle ich mich irgendwie nicht mehr so indigen. Cesar hingegen zeigt seine Indigenität offen. Er sagt »in lak’ech« statt »genauso« oder »das Gleiche« und trägt immer ein Halsband mit einem Kreuz und eins mit einem Jaguar – um so seinen Ängsten zu begegnen, glaube ich. Vielleicht kompensiert er damit auch, dass wir keine tragfähige Verbindung mehr zu unseren Vorfahren haben, seit unser Vater weg ist.

Ich habe meine eigene Methode, mich meinen Ängsten zu stellen – ich ziehe meinen Winged Eyeliner nach. Ein perfekt gezogener Lidstrich macht es erträglicher, mir selbst ins Gesicht zu schauen. Und wenn ich ihn genau richtig hinkriege, bin ich auch weniger nervös wegen heute. Meine Hand zittert ein bisschen, und den ersten Versuch muss ich wieder abwischen.

Wird schon gut gehen. Ich habe einen idiotensicheren Plan:

1.Eine neue beste Freundin finden.

2.Mich dabei nicht lesbisch anstellen.

Bei dem Gedanken wird meine Hand gleich ruhiger, die Linie wird sauber. Cesar hat wie üblich gestern bis spät in die Nacht mit irgendeinem Mädchen telefoniert, und unsere Wände sind dünn wie Papier. Nur weil mein Bruder so ein Fuckboy ist, habe ich jetzt nicht genug Zeit, mich vollständig zu schminken. Muss auch so gehen, locker aus dem Handgelenk. LOL.

»Yamilet, ¡apúrate!«, ruft meine Mutter, weshalb ich den Lidstrich fast wieder verschmiere. Gut, dass ich mich im Griff habe, sonst müsste sie noch mal fünf Minuten warten, bis ich ihn richtig hingekriegt habe. Wir sind noch kein bisschen verspätet, im Gegenteil, sie will uns nur unbedingt zu früh hinbringen, damit wir genug Zeit haben, unsere Unterrichtsräume zu finden.

»Bin so gut wie fertig!«, rufe ich zurück, ziehe mein blaues Uniformhemd und den karierten Rock an. Die Kleiderordnung fordert, dass der Rock bis zum Knie reichen soll. Dieser Rock würde einer lebensgroßen Barbie bis zum Knie gehen. Bei mir endet er eher an den Knöcheln. Ich kremple den Bund so lange um, bis er mir nur noch bis zum Knie reicht und ich keinen Drang mehr verspüre, mir die Augen ausstechen zu wollen, wenn ich mich ansehe. Ich stecke das Hemd in den Rock, was auch Teil des Dresscodes ist. Das betont allerdings meinen Bauch, also zupfe ich am Hemd, bis es ein wenig lockerer sitzt. Zufrieden schnappe ich mir meine Schultasche und laufe runter in die Küche für ein paar Scheiben Toast.

Cesar schlüpft vor mir in die Küche, das blaue Hemd ordentlich in die Kakis gestopft. Er streckt mir die Hand hin, als wären wir uns noch nie begegnet, und schüttelt meine Hand so heftig, dass er mir fast die Schulter auskugelt.

»Gott zum Gruße, hallo, meine Güte, heute haben wir aber wirklich herrliches Wetter, oder?« Er spricht durch die Nase und in drei verschiedenen Akzenten, die er alle nicht beherrscht. Ohne mit dem Händeschütteln aufzuhören, rückt er mit dem freien Zeigefinger seine Brille zurecht.

Ich richte mich kerzengerade auf und erwidere seinen Händedruck. »Oh ja, ganz wunderbar! Einfach großartig. Cheers!« Mein Akzent klingt ziemlich britisch.

Ich versuche, so gut ich kann, zu knicksen und ziehe mit einer Hand den Rock zur Seite. Er verbeugt sich. Mom haut uns beiden auf den Hinterkopf. Es tut nicht weh, aber ihr Blick ist messerscharf.

»Hört auf rumzualbern!«, schimpft sie, aber dann zeigt sie ein winzig kleines Lächeln. »Ihr seht beide gut aus.«

Auf der Fahrt erzählt sie uns die ganze Zeit begeistert, wie stolz sie auf uns ist und wie aufregend sie es findet, dass wir jetzt »diesen neuen Lebensabschnitt beginnen«. Ich wünschte mir, sie würde mir nicht sagen, dass sie stolz auf mich ist. Ich will sie nicht enttäuschen.

Als wir vor der Schule halten, bin ich überrascht, wie viel Raum fünf kleine Gebäude beanspruchen können. Gegenüber vom Schulparkplatz stehen eine Kapelle und eine Turnhalle, ein riesiger Hof trennt die Schulcafeteria vom Schulbüro und dem Unterrichtsgebäude. Beim Aussteigen muss ich niesen, als mir der warme Wind den Duft von echtem, frisch gemähtem Rasen in die Nase weht.

Obwohl sie so weit auseinanderstehen, kommt es mir vor, als könnte man von jedem Punkt des Campus jedes einzelne Gebäude sehen. Einerseits habe ich das Gefühl, unterm Mikroskop beobachtet zu werden, weil diese Schule so viel kleiner ist. Andererseits wird es hier wahrscheinlich so viel einfacher sein, auf Cesar aufzupassen. An dieser Schule kann ihn nirgendwo wer angreifen, ohne dass ich es mitkriege.

Als mami wieder losgefahren ist, kleben Cesar und ich regelrecht aneinander. Wir reden uns ein, dass wir uns gegenseitig helfen, alles zu finden, aber wir wissen beide ziemlich genau, das ist Bullshit. Alleinsein macht einfach Angst. Ich sollte eine Nachfolge für Bianca suchen, aber ich habe keine Ahnung, wo ich anfangen soll. Ein paar Schülerinnen und Schüler stehen schon auf dem Hof herum, also spiele ich im Kopf mein Spiel »Finde die Person of Color«. Bisher habe ich bloß eine Handvoll asiatische Gesichter gesehen, einen Schwarzen und ein paar Braune wie mich. Insgesamt ungefähr fünfzehn Menschen von ein paar Hundert. Cesar und mich eingeschlossen. Schrecklich, wie sichtbar ich mich dadurch fühle.

Ich stelle fest, dass ich als Einzige meinen Rock umgekrempelt habe. Irgendwie reicht er bei keinem anderen Mädchen bis zu den Knöcheln. Ich wette, die haben sie alle umnähen lassen. Mom hat mir nicht erlaubt, meinen Rock zu »verunstalten«. Sie meinte, die Röcke seien zu teuer, um eine Änderung zu riskieren, falls dabei etwas schiefging.

Als es zum ersten Mal klingelt, müssen Cesar und ich uns trennen. Cesar geht zu den Kursen für die Schlauen. Ich gehe zum Rhetorikunterricht. Den Schulhof überquere ich extra schnell, damit ich nicht zu lange allein im Freien bin. Doch so zügig ich auch gehe, ein paar Schüler und Schülerinnen überholen mich trotzdem. Ich brauche nicht mal eine Minute zu meinem Raum, A 116, aber der ist schon mehr als halb voll. So kann ich mich wenigstens einmal cool fühlen, als ich ganz entspannt ins Klassenzimmer schlendere und nur noch vier Minuten zum Unterrichtsbeginn rumbringen muss.

Als ich durch die Tür trete, umweht mich sofort kühle klimatisierte Luft. Die Klimaanlage an der Rover ist öfter mal ausgefallen, und die Menge von Schülerinnen und Schülern, die sich in einen Raum drängten, war auch nicht hilfreich. Das ist hier überhaupt kein Thema, trotzdem merke ich, dass ich schwitze. Mit dem blutigen Jesus am Kreuz, der kritischen Jungfrau Maria und den ganzen gequälten Heiligen an der Wand ist dieser Raum schlimmer als der Flur der Scham meiner Mutter. Ich bin froh, dass ich gestern länger aufgeblieben bin, um die bescheuerten Hausaufgaben zu machen. Irgendwie habe ich im Gefühl, dass diese Lehrerin nicht besonders nachsichtig wäre.

Ich setze mich in die erste Reihe, aber ganz nach außen. Der perfekte Platz, weil die Lehrenden dann denken, ich bin interessiert, aber mich gleichzeitig nicht wirklich bemerken, weil ich so weit in der Ecke sitze. Genial.

Eine süße Blondine kommt lächelnd auf mich zu. Sofort denke ich wieder an meinen Plan. Sie könnte ein guter Bianca-Ersatz sein. Sie hat so einen schwungvollen Schritt, der ihren Pferdeschwanz schwingen lässt. Sie hat ein blaues Band im Haar und ein breites, reizendes Lächeln im Gesicht, das mich nervös macht. Ich glaube, ich sehe sie eine Millisekunde zu lange an. Ich sollte vorsichtiger sein. Ihre beiden Freundinnen sehe ich erst, als sie neben mir stehen, und schon fühle ich mich umzingelt. Noch drei Minuten bis zum zweiten Klingeln.

»Hi, ich bin Jenna!«, sagt die süße Blonde. »Das sind Emily und Karen.« Sie zeigt auf ihre Freundinnen, die ebenfalls lächeln, als sie vorgestellt werden. Karen ist rotblond und hat einen Haufen Sommersprossen. Emilys kurzes braunes Haar kriegt sie gerade so zu einem Pferdeschwanz zusammen. Sie sind zwar alle weiß, aber Karen hat ganz offensichtlich Bräunungsspray aufgetragen, und Emilys dunkle Haare betonen ihre vampirblasse Haut, die anscheinend noch nie das Tageslicht gesehen hat. Sie tragen alle die gleichen blauen Haarbänder.

»Ich heiße Yamilet.« Ich strecke Jenna die Hand hin und merke dann, dass dies kein Geschäftstreffen ist. Ich weiß auch nicht: Wenn man Uniform trägt, müsste eigentlich alles irgendwie formell sein.

»Oh mein Gott, ist die süß«, sagt Jenna.

»Was?« Ich merke, wie ich rot werde.

Emily kichert. »Süß, dass du Hände schüttelst.«

»Süß, dass du denkst, mir macht es was aus, dass du weggehst.« Ich weiß noch genau, dass Biancas Lachen Salz in meinen Wunden war. »Wir sind nicht mehr befreundet. Na los, lauf weg zu deiner katholischen Schule.«

»Was?« Ich schlucke. Ich muss irgendwas verpasst haben.

»Wie spricht man deinen Namen noch mal aus?«, fragt Jenna.

»Jah-mi-let«, sage ich sehr deutlich. Ihre Mienen verraten mir, dass sie das niemals hinkriegen werden. »Aber wenn ihr wollt, könnt ihr mich Yami nennen.«

»Yummy! Ist das niedlich«, sagt Karen und setzt sich auf meinen Tisch, Jenna und Emily auf die leeren Stühle neben mir.

»Danke.« Ich versuche, nicht zu genervt zu klingen, dass sie nicht mal meinen Spitznamen richtig aussprechen kann.

»Also, wo kommst du her?«, fragt Karen. Alle drei beugen sich vor, als würde ich ihnen ein Geheimnis verraten.

»Rover High … das ist eine staatliche Schule. Ihr habt wahrscheinlich noch nie davon gehört, sie ist ziemlich weit weg.«

»Nein, ich meinte, ähm, also, dein Akzent. Wo kommst du wirklich her?« Sie kneift die Augen zusammen und reckt den Hals. Emily wird rot.

Oh.

»Phoenix.« Ich ringe mir ein Lächeln ab. Das werde ich ihr bestimmt nicht gönnen – zu verraten, was sie eigentlich wissen will. Wer fragt so was?

»Oh mein Gott, Karen, du kannst doch Leute nicht einfach fragen, wo sie herkommen!«, schimpft Emily und klingt erstaunlich wie Gretchen Wieners aus Mean Girls.

Es klingelt zur Stunde, und ich hole tief Luft. Das wird ein sehr langer Tag.

Die Lehrerin, Mrs. Havens, ist groß, übertrieben braun geschminkt und platinblond. Sie stellt den Fernseher an, und der Text unseres Treueeids erscheint auf dem Bildschirm. Alle stehen auf, legen die Hand aufs Herz und fangen an zu skandieren.

Mein Vater hat immer gesagt, ich müsse nichts sagen oder tun, woran ich nicht glaube; er stand nur für das ein, was er für richtig hielt. »Recht und Freiheit für alle« galt nie für Menschen wie uns. Zum letzten Mal real gesehen habe ich ihn bei einer Demonstration. Ein Gesetz gegen Einwanderung stand zur Abstimmung, mit dem Racial Profiling legalisiert werden sollte, und mein Vater war strikt dagegen. Ich dachte, seine Green Card würde ihn schützen, aber da habe ich mich geirrt. Er wurde beim Demonstrieren verhaftet, und seitdem habe ich ihn nicht mehr gesehen.

Danach habe ich aufgehört, für den Treueeid aufzustehen.

An der Rover war ich nie die Einzige, die sitzen blieb, aber hier ist das anders. Reicher. Weißer. Wenn ich hier sitzen bliebe, würde ich mich gleich zur Außenseiterin abstempeln. Ich stehe auf, spreche aber nicht mit. Das ist immerhin beinahe so was wie ein Protest, ohne viel Aufstand zu machen. Mein Vater würde sich für mich schämen.

Mrs. Havens bemerkt, dass meine Lippen sich nicht bewegen, und wirft mir einen bösen Blick zu. Ich würde gern ganz ungerührt zurückstarren und weiter nichts sagen. Aber für diese Art Konfrontation bin ich viel zu feige, also sage ich einfach stumm »Wassermelone, Wassermelone, Wassermelone«.

Was ist noch schlimmer, als uns jeden Morgen den Treueeid schwören zu lassen? Uns jeden Morgen beten lassen. Ich habe ja gar nichts gegen Beten an sich, aber es ist schon schräg, wenn es in der Schule vorgeschrieben wird. Alle murmeln dasselbe Gebet, manche mit geschlossenen Augen. Irgendwas über Gottes Liebe zu uns und unsere Pflicht, ihm zu dienen. Schön, dass sich so viele Menschen derart geliebt fühlen, aber ich kann damit nichts anfangen. Wenn es den Gott, von dem man mir als Kind erzählt hat, wirklich gibt, dann bezweifle ich ernsthaft, dass er mich liebt. Warum sollte er mich sonst lesbisch erschaffen und mich dann dafür in die Hölle schicken? Diese toxische Beziehung habe ich längst hinter mir gelassen. Ich hätte sie schon früher beendet, wenn Mom mich gelassen hätte, aber erst als Dad abgeschoben wurde, musste sie sich wirklich reinknien und zusätzlich zu ihrem Vollzeitjob im Callcenter noch Schmuck verkaufen. Auch wenn ich immer noch niemanden kenne, der so fest glaubte wie sie, hatte sie doch seitdem keine Zeit mehr, mit uns zur Kirche zu gehen. Wahrscheinlich habe ich deshalb dieses Gebet noch nie gehört, das jetzt die ganze Klasse auswendig spricht, und so stehe ich bloß wie eine Idiotin da.

»Also, willkommen im Rhetorikkurs für den Jahrgang 11. Ich hoffe, Sie hatten alle einen erfolgreichen Sommer. Ich möchte gleich zur Sache kommen, weil Sie ja den Lehrplan für das Jahr alle schon geschickt bekommen haben. Wer möchte denn als Erstes vortragen?« Mrs. Havens verschwendet wirklich keine Zeit.

Die Ferienhausaufgabe lautete, einen überzeugenden Vortrag zu einem Thema eigener Wahl zu halten. Ich habe einen Text darüber geschrieben, was für eine Spaßbremse Hausaufgaben sind. Nur ein Mensch meldet sich freiwillig. Soweit ich das sehe, ist sie eine der ungefähr vier ostasiatischen Schüler und Schülerinnen an der Schule. Ich höre ein bisschen Gemurmel und unterdrücktes Lachen, als ihre Hand hochgeht, was mich neugierig macht.

Die Lehrerin wirkt nicht begeistert. Sie schaut sich im ganzen Raum um, als wollte sie doch noch eine andere Meldung finden. Das Mädchen lächelt triumphierend, als niemand sonst sich anbietet.

»Na gut, Bo, was haben Sie denn für uns?«, sagt Mrs. Havens laut seufzend.

Kein freundliches Publikum hier.

»Starr sie nicht so an, Bo merkt das immer sofort«, flüstert Karen mir zu. Ich muss wohl ziemlich auffällig gewesen sein. »Sie kann dich besser aus dem Augenwinkel sehen, verstehst du?« Sie zieht ihre Augen mit den Fingern zu Schlitzen breit und unterdrückt ein Kichern. Jenna verdreht die Augen, sagt aber nichts.

»Was?« Mir schießt die Hitze ins Gesicht. Das kann sie nicht ernst meinen.

»Karen!« Emily schlägt Karen auf das orange gefärbte Handgelenk. Sie schaut mich mit aufgerissenen Augen an, als wollte sie sagen: Ist das zu fassen?

»Ich mein ja nur!«, kichert Karen.

Mrs. Havens beendet unser Gespräch mit einem ärgerlichen Blick. Ich reibe mir die Schläfen. Es ist einfacher, so zu tun, als hätte ich das gar nicht gehört; mir fehlt einfach die Energie. Ich will eigentlich etwas sagen, aber ich will auch keine Szene machen und dann als so eine hingestellt werden. Ich falle so schon genug auf. Ich kann nicht schon am ersten Tag Ärger kriegen. Stattdessen konzentriere ich mich auf Bo.

Als sie aufsteht, sehe ich, dass sie sich als einziges Mädchen für die Hose statt des Rocks entschieden hat und dass sie Vans in Regenbogenfarben trägt. Ich muss mir in Erinnerung rufen, dass dies eine katholische Schule ist, ich sollte also nicht zu viel hineininterpretieren. Nicht jedes Mädchen, das Kakis und Regenbogen mag, muss gleich queer sein. Vielleicht will sie auch bloß ein paar andere Farben tragen als das Uniformblau und Beige.

Mit erhobenem Kinn geht Bo nach vorn zu Mrs. Havens. Sie reicht ihr einen USB-Stick, stellt sich vor den Kurs und wartet darauf, dass ihre Präsentation startet.

Die erste Folie zeigt den Titel in Großbuchstaben: PROCHOICEVS. PROLIFE.

Bo lächelt und richtet sich gerade auf.

»Abtreibung ist ein Menschenrecht. Und wenn uns dieses Recht gesetzlich entzogen wird, dann verhindert das ganz und gar nicht, dass Abtreibungen stattfinden. Es finden nur keine sicheren Abtreibungen mehr statt.«

Ich muss sie wohl mit offenem Mund anstarren, denn Bo sieht mich an und grinst, als wäre das genau die Reaktion, die sie erhofft hat. Dann argumentiert sie, dass Abtreibung überall legal sein sollte. Beinahe muss ich lachen. Ich bin total verblüfft, dass jemand sich traut, so etwas an einer katholischen Schule vorzutragen. Ihre Präsentation enthält Statistiken und wissenschaftliche Quellen; sie zitiert sogar die Verfassung. Bo ist badass, sie gefällt mir. Ich merke mir vor, dass ich mich nachher mit ihr anfreunden sollte.

Ein paar Mädchen nicken gelegentlich zustimmend, aber die meisten wirken vor allem ungeheuer unbehaglich. Allen voran Mrs. Havens. Ich weiß nicht wieso, aber ich finde das fantastisch.

Mrs. Havens fragt nach weiteren Freiwilligen außer Bo, aber da niemand sich meldet, nimmt sie mich als Nächstes dran.

Nachdem ich Bos Präsentation gesehen habe, bin ich nicht mehr so nervös. Mein Vortrag kriegt vielleicht einen schiefen Blick von Mrs. Havens, aber das Thema wird heute nicht das kontroverseste sein. Bo hat mein Selbstvertrauen gestärkt.

Ich stehe auf und gehe nach vorn. Tief einatmen.

»Ms. Flores, bitte krempeln Sie Ihren Rock wieder herunter. Das verstößt gegen die Kleiderordnung.«

Ich schaue an mir herunter und stelle fest, dass ich das Hemd nicht weit genug herausgezogen habe, um den umgekrempelten Rockbund zu verbergen. Verdammt.

»Ich bin zu klein für diese Röcke, der ist viel zu lang«, sage ich zu mir selbst, aber ich weiß, dass Mrs. Havens mich gehört hat, denn sie seufzt. Irgendjemand hustet, als ich meinen Rock entrolle.

»Wetten, sie ist die nächste in der Abtreibungsklinik.« Vereinzeltes unterdrücktes Kichern.

»Wie bitte?« Ich schaue rasch in alle Gesichter, um ein schuldbewusstes zu entdecken. Die Stimme kam von der Seite. Ungefähr von da, wo meine neuen »Freundinnen« sitzen. Sie lachen nicht, aber Karen sieht aus, als müsste sie es unterdrücken.

»Ms. Flores, bitte beginnen Sie mit Ihrem Vortrag«, sagt Mrs. Havens, wohl um zu verhindern, dass ich ausraste. Ich ignoriere sie. Ich habe die Klischees über mexikanische Teenagermädchen zu oft gehört, um das durchgehen zu lassen. Meine Wangen glühen sowieso zu heiß, als dass ich mich noch an meinen zusammengefaselten Vortrag erinnern könnte.

»Wieso sehe ich wie jemand aus, die eine Abtreibung braucht? Weil ich Mexikanerin bin? Weil ich nicht will, dass mein Rock bis zum Boden hängt? Weil ich für mein Schulgeld arbeiten muss? Habt ihr eben gerade überhaupt zugehört?« Ich wedele hektisch in Bos Richtung. »Dass Menschen wie ich abtreiben lassen, ist eher unwahrscheinlich. Weil wir es uns nicht leisten können!«

»Das reicht, Ms. Flores. Ihre Präsentation, bitte.« Mrs. Havens versucht, mich zu stoppen, und mein Hirn sagt: Halt jetzt endlich die Klappe und trag die Präsentation vor, die du die ganze Nacht vorbereitet hast; aber ich kann nicht anders.

»Wissen Sie was: Das hier ist meine Präsentation. Wisst ihr, wer in unserem Alter am wahrscheinlichsten abtreiben lässt?« Ich starre Karen direkt an. Ich bin zwar nur zu ungefähr vierzig Prozent überzeugt, dass sie das gesagt hat, aber sie verdient auf jeden Fall einen Anpfiff. »Reiche Weiße. Reiche, privilegierte Weiße, die tatsächlich frei entscheiden können, was sie mit ihrem Körper und dem Rest ihres Lebens tun wollen. Und wisst ihr auch, wer am wahrscheinlichsten wegen einer Abtreibung lügt? Menschen, die in einer religiösen Umgebung aufwachsen, die auf Scham und Schuld basiert, die es sich nicht leisten können, den Beweis ihrer ›Sünde‹ im eigenen Körper zu tragen, oder Gefahr laufen, von ihrer eigenen Familie ausgestoßen und von ihrer Kirche exkommuniziert zu werden.«

»Ms. Flores!« Mrs. Havens’ Züge entgleisen, als sie meinen Namen ruft. Sie holt tief Luft, um sich zu beruhigen, ehe sie fortfährt. »Bitte setzen Sie sich.«

Okay … gleich am ersten Tag die katholische Kirche schlechtzumachen, geht vielleicht ein bisschen zu weit.

»Ich – ich meine ja nur.« Das murmele ich wie eine Entschuldigung. Karen, Jenna und Emily starren mich an, als hätte ich jemanden erschossen.

»Mr. Baker, Sie sind dran«, sagt Mrs. Havens und kommt auf mich zu. Während ein anderer Schüler nach vorn geht, legt sie ganz nebenbei zwei Zettel auf meinen Tisch und geht zurück zum Lehrertisch.

Der erste sagt: Meine Mittagspause ist gestrichen. Auf dem zweiten steht meine Note: null Punkte.

Zwischen der zweiten und dritten Stunde – Religion und Chemie – gibt es hier eine Viertelstunde Pause, die wir an der Rover nicht hatten. Wenn man will, kann man Kekse und Limo kaufen. Ich hätte so gerne das Geld dafür – so wie mein Vormittag bisher gelaufen ist, könnte ich echt eine kleine Aufmunterung gebrauchen.

Ich schlendere über den Schulhof und versuche, nicht zu sehr wegen meiner gestrichenen Mittagspause zu schmollen, aber dann küsse ich beinahe unfreiwillig den Boden, als Cesar mir ohne Vorwarnung auf den Rücken springt. Soll wohl eine Umarmung sein. Ich drehe mich um und schubse ihn weg, aber es macht mir gar nichts, dass er mich zum Stolpern gebracht hat. Schön, ein vertrautes Gesicht zu sehen. Jedenfalls, bis er mich mit seinem bettelnden Hundeblick anschaut.

»Yami, meine schöne, makellose, geliebte Schwester. Deine Augenbrauen sehen heute ganz besonders fantastisch aus. Und dein Haar liegt ganz herrlich. Habe ich schon erwähnt, dass du –«

»Was willst du?«

»Kaufst du mir einen Keks?« Er grinst übertrieben und zeigt dabei alle Zähne.

»Sehe ich aus, als hätte ich Geld für Kekse?« Mir ist sehr bewusst, dass ich mich wie Mom anhöre.

»Hmm … guter Punkt.« Er reibt sich das Kinn und sucht den Schulhof ab. »Yo, Hunter!«, ruft er.

Ein Typ – Hunter, schätze ich – kommt auf uns zu. Er sieht aus, als würde er tatsächlich Conditioner für sein gewelltes braunes Haar verwenden, und er hat, wie Bianca sagen würde, »Weiße-Jungs-Kusslippen«. Was im Grunde nur heißt, dass er ein weißer Junge mit einer richtigen Oberlippe ist.

»Was geht, Flores?«, sagt er und begrüßt meinen Bruder unnatürlich enthusiastisch.