The Reckless Heir - Whitley Cox - E-Book

The Reckless Heir E-Book

Whitley Cox

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Beschreibung

Eine Frau mit Feuer. Ein Mann mit Vergangenheit. Eine Wahrheit, die alles zerstören könnte.

Colton ist ein Einzelgänger, der Menschen auf Abstand hält und sich in seiner eigenen Welt wohlfühlt. Doch als die Enkelin seines Erzfeindes ihn um Hilfe bittet, ändert sich alles. Denn Lily ist frech, schlagfertig und hat eine unerschöpfliche Energie, die Colton zunehmend fasziniert. Als Winter Harbor von skrupellosen Investoren bedroht wird, schließen sie sich zusammen, um für die Kleinstadt zu kämpfen. Je näher sie sich kommen, desto mehr beginnt Colton, seine Mauern einzureißen. Lily weckt in ihm Gefühle, die er längst verloren glaubte. Doch dann bringt eine schockierende Enthüllung alles ins Wanken – und plötzlich steht nicht nur Winter Harbor, sondern auch Coltons Herz auf dem Spiel. Kann er Lily wirklich vertrauen? Oder wird sie am Ende alles zerstören, was ihm etwas bedeutet?

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Seitenzahl: 623

Veröffentlichungsjahr: 2025

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Liebe Leserin, lieber Leser,

Danke, dass Sie sich für einen Titel von »more – Immer mit Liebe« entschieden haben.

Unsere Bücher suchen wir mit sehr viel Liebe, Leidenschaft und Begeisterung aus und hoffen, dass sie Ihnen ein Lächeln ins Gesicht zaubern und Freude im Herzen bringen.

Wir wünschen viel Vergnügen.

Ihr »more – Immer mit Liebe« –Team

Über das Buch

Eine Frau mit Feuer. Ein Mann mit Vergangenheit. Eine Wahrheit, die alles zerstören könnte.

Colton ist ein Einzelgänger, der Menschen auf Abstand hält und sich in seiner eigenen Welt wohlfühlt. Doch als die Enkelin seines Erzfeindes ihn um Hilfe bittet, ändert sich alles. Denn Lily ist frech, schlagfertig und hat eine unerschöpfliche Energie, die Colton zunehmend fasziniert. Als Winter Harbor von skrupellosen Investoren bedroht wird, schließen sie sich zusammen, um für die Kleinstadt zu kämpfen. Je näher sie sich kommen, desto mehr beginnt Colton, seine Mauern einzureißen. Lily weckt in ihm Gefühle, die er längst verloren glaubte. Doch dann bringt eine schockierende Enthüllung alles ins Wanken – und plötzlich steht nicht nur Winter Harbor, sondern auch Coltons Herz auf dem Spiel. Kann er Lily wirklich vertrauen? Oder wird sie am Ende alles zerstören, was ihm etwas bedeutet?

Über die Autoren

Whitley Cox ist an der kanadischen Westküste geboren und aufgewachsen. Sie studierte Psychologie und unterrichtete zeitweise in Indonesien, bevor sie in ihre Heimat zurückkehrte. Heute ist sie mit ihrer Highschool-Liebe verheiratet und Mutter von zwei Töchtern.

Ember Leigh stammt aus dem nördlichen Ohio und lebt derzeit mit ihrem argentinischen Ehemann und zwei Kindern in der Nähe des Eriesees, wo sie einen argentinisch-amerikanischen Food Truck betreiben.

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Whitley Cox, Ember Leigh

The Reckless Heir

Aus dem Amerikanischen von Cécile Lecaux

Übersicht

Cover

Titel

Inhaltsverzeichnis

Impressum

Inhaltsverzeichnis

Titelinformationen

Grußwort

Informationen zum Buch

Newsletter

KAPITEL EINS — LILY

KAPITEL ZWEI — COLTON

KAPITEL DREI — LILY

KAPITEL VIER — LILY

KAPITEL FÜNF — COLTON

KAPITEL SECHS — LILY

KAPITEL SIEBEN — LILY

KAPITEL ACHT — LILY

KAPITEL NEUN — COLTON

KAPITEL ZEHN — COLTON

KAPITEL ELF — LILY

KAPITEL ZWÖLF — LILY

KAPITEL DREIZEHN — LILY

KAPITEL VIERZEHN — COLTON

KAPITEL FÜNFZEHN — LILY

KAPITEL SECHZEHN — COLTON

KAPITEL SIEBZEHN — LILY

KAPITEL ACHTZEHN — LILY

KAPITEL NEUNZEHN — COLTON

KAPITEL ZWANZIG — LILY

KAPITEL EINUNDZWANZIG — LILY

KAPITEL ZWEIUNDZWANZIG — COLTON

KAPITEL DREIUNDZWANZIG — LILY

KAPITEL VIERUNDZWANZIG — COLTON

KAPITEL FÜNFUNDZWANZIG — COLTON

KAPITEL SECHSUNDZWANZIG — LILY

KAPITEL SIEBENUNDZWANZIG — COLTON

KAPITEL ACHTUNDZWANZIG — LILY

KAPITEL NEUNUNDZWANZIG — LILY

KAPITEL DREISSIG — LILY

KAPITEL EINUNDDREISSIG — COLTON

KAPITEL ZWEIUNDDREISSIG — LILY

KAPITEL DREIUNDDREISSIG — LILY

KAPITEL VIERUNDDREISSIG — COLTON

KAPITEL FÜNFUNDDREISSIG — COLTON

EPILOG — LILY

Impressum

Lust auf more?

KAPITEL EINS

LILY

»Vergiss nicht, mir dein Rezept für die Zucchini-Soße zu schicken«, rief ich von meiner Parzelle im Gemeinschaftsgarten von Winter Harbor aus Simone zu, als diese mit einer Riesentasche voller Zucchini vorbeiging.

»Kriegst du!«, antwortete Simone und ging zusammen mit ihrem Mann Felipe, der eine weitere, ebenso große, prall gefüllte Tüte Zucchinis schleppte, weiter zu ihrem Wagen auf dem Parkplatz des Freizeitzentrums. Abgesehen von einer großen Azalee war die Parzelle des Paares ausschließlich mit Zucchini und Tomaten bepflanzt.

»Bis nächste Woche, Lily!«, rief mir ein weiterer passionierter Gärtner mit einem fröhlichen Winken zu, der ebenfalls zu seinem Wagen ging, nachdem er den Abend damit verbracht hatte, seine Pflanzen zurückzuschneiden, Unkraut zu jäten und zu wässern.

Als die Septembersonne unterging und der Himmel sich dunkler färbte, verließen immer mehr Kursteilnehmer das Dutzend Hochbeete auf den quadratischen Parzellen, die den Hobbygärtnern zur Verfügung standen. Sogar die Langzeitpächter mit den besten, auf unbestimmte Zeit gepachteten Parzellen, die schon am längsten in der Stadt lebten und nicht im Traum daran dachten, ihren Garten an eine Zugezogene wie mich abzutreten, verließen nach und nach die Anlage. Ich blieb noch. Ich hatte meine Parzelle nur für die Dauer des einjährigen Kurses, den ich belegt hatte, so dass ich jede Minute ausnutzen wollte. Wer wusste schon, wo ich nächstes Jahr sein würde?

Das Wetter war ungewöhnlich mild für diese Jahreszeit, wobei technisch gesehen ja noch Sommer war. Tagsüber war es sehr heiß, und auch die Abende waren, wenngleich deutlich kühler, noch so warm, dass ich noch keine Jacke brauchte. Ich trug die meiste Zeit nur Tanktop und Shorts oder irgendein Sommerkleid. Natürlich würde auch ich früher oder später meine Pullis und Hoodies wieder hervorkramen müssen, aber noch genoss ich die Sonne und Wärme, die Mutter Natur uns schenkte, in vollen Zügen.

»Und hier noch etwas wegschneiden, dann müsste es gut sein. Was meinst du, Prinzessin?« Ich neigte den Kopf und steckte die Nase in eine frische Rosenblüte der Sorte Princess Alexandra of Kent. Ich atmete tief ein, und mir wurde ein wenig schwindlig vom göttlichen Duft nach Tee mit Zitrone. Ich registrierte auch die Anklänge von Schwarzer Johannisbeere, die dieser Rosensorte ebenfalls eigen war, und seufzte stolz. Ich hatte diese spezielle Rosensorte zu Ehren meines verstorbenen Vaters gewählt, der Kent geheißen hatte. Darum lag mir diese Rose auch ganz besonders am Herzen, weshalb ich sie mit solcher Hingabe hegte und pflegte. Wenn ich mich mit ihr beschäftigte, hatte ich das Gefühl, meinem Vater nahe zu sein, als wäre das seine Seelenblume oder so etwas in der Art.

»Das sieht gut aus, Lily. Mit der Princess Alexandra könntest du glatt Preise gewinnen«, bemerkte Rudy, ein weiteres Klubmitglied, freundlich, als er an mir vorbeiging, die Arme voller Mangold und Karotten aus eigenem Anbau. »Ich wünschte, meine Ausmus sähe so gesund aus, aber ich werde einfach diese verfluchten Blattläuse nicht los.«

»Ich habe zu Hause noch Marienkäfer übrig. Ich kann sie dir gerne nächste Woche mitbringen, wenn du magst«, sagte ich und wischte mir den Schweiß von der Stirn.

Ein Lächeln erhellte Rudys tiefgebräuntes, ledriges Gesicht. »Ich gebe dir im Tausch gegen die Marienkäfer eine Tüte von meinen Zucchini und Roma-Tomaten. Ich habe mehr davon, als ich essen kann.«

»Klingt gut.«

Er winkte mir noch einmal zu und ging dann weiter zu seinem Wagen. Ich schob mir den Strohhut aus dem Gesicht, stemmte die Hände in den schmutzigen Handschuhen in die Seiten und betrachtete hochzufrieden meinen sechs mal drei Meter großen Garten, der strotzte vor Leben. Leben, das ich eigenhändig erschaffen hatte. Leben, das ich aus Samen gezogen hatte. Meine Mutter und meine Schwestern hatten mich damit aufgezogen, dass bei mir sogar ein Stein eingehen würde, so dass ich mich spontan angemeldet hatte, als ich den Werbeflyer für den Gartenbaukurs in die Finger bekam. Ich hatte meiner Familie beweisen wollen, dass ich sehr wohl einen grünen Daumen hatte.

Und das war mir gelungen. In meinem Garten gediehen die Pflanzen prächtig und waren rundum gesund. Keine einzige war mir eingegangen. Zumindest bis jetzt nicht.

Im Gegensatz zu den meisten Hobbygärtnern hier hatte ich nur wenig Gemüse angebaut. Auf meiner Parzelle gab es vor allem Blumen, insbesondere Rosen. Ich liebte Rosen, obwohl mein Vorname Lily – Lilie – lautete und meine älteste Schwester Rose hieß. Dann kamen Dahlia und Iris und zuletzt ich. Mein Dad hatte uns immer als seinen kleinen Strauß Blumen bezeichnet.

Die erneute Erinnerung an meinen Dad versetzte mir einen Stich. Ich vermisste ihn so sehr. Während meiner Kindheit in Eugene hatte er viel Zeit in unserem Garten verbracht. Er hatte vorwiegend Gemüse und Kräuter angebaut, weshalb ich neben meiner Princess, die mich mit ihrer Schönheit und ihrem Duft begeisterte, noch drei Gemüsesorten angebaut hatte: eine Kürbispflanze, die ich Prudence getauft hatte und von der ich mir genug Kürbisse für einige Pies an Thanksgiving erhoffte, eine Kirschpaprika namens Elroy zum Aufpeppen meiner Salate und last but not least meine Kirschtomate Mordecai, die den ganzen Sommer über Unmengen süßer, saftiger Früchte hervorgebracht hatte, die ich zu köstlichem Salat Caprese verarbeitet hatte.

Beim Gedanken an einen Salat Caprese begann prompt mein Magen zu knurren. Es war schon fast neun, und ich hatte noch nicht zu Abend gegessen. Ich hatte Mordecai geplündert, und die Ausbeute stand zusammen mit einigen Kirschpaprikas in meinem Weidenkorb bereit.

Ein sarkastisches Schnauben riss mich aus meinen Gedanken, und ich setzte eine finstere Miene auf, da ich sofort wusste, von wem dieses Schnauben kam.

»Hast du ein Problem?«, fragte ich an einen der wenigen noch verbliebenen Hobbygärtner gewandt.

Colton Winters. Mein Erzfeind. Der unfassbar begabte Kursteilnehmer, dessen Hochbeet sich schräg gegenüber von meinem befand.

»Deine Dahlien brauchen Wasser«, sagte er und schwenkte den Schlauch des Freizeitzentrums, mit dem er gerade seine eigenen Pflanzen gewässert hatte. »Sie sehen erbarmungswürdig aus«, fügte er mit einem fiesen Grinsen hinzu.

Verräterische Hitze schoss mir ins Gesicht. »Du hast doch auf deiner Parzelle gar keine Dahlien, was verstehst du also davon?«

Ich konnte nicht erkennen, ob er die Augen verdrehte oder nicht, weil der Idiot eine dunkle Sonnenbrille trug. Wir standen im Schatten einer riesigen Eiche, er trug sie also nur, weil er sich einbildete, damit lässiger auszusehen. »Man muss kein Genie sein, um zu erkennen, wenn eine Blume am Verdursten ist.«

Ich knirschte mit den Zähnen. »Ich wollte wässern, wenn ich mit dem Zurückschneiden fertig bin.«

Colton hob die Pistole des Wasserschlauchs. »Lass mich dir beim Wässern helfen.« Er zielte auf mich, drückte den Hebel durch, und ich war innerhalb von Sekunden klatschnass.

Ich schnappte nach Luft.

»Ups. Das tut mir aber leid, Stargazer.« Er lachte hämisch und warf den Schlauch neben mir auf den Boden, anstatt ihn an seinen Platz seitlich am Gebäude zurückzubringen. Dann wandte er sich ab und kehrte wiegenden Schrittes zu seinem Hochbeet zurück.

Ich blickte ihm finster nach. Er verpasste mir immer wieder neue Spitznamen in Form von Liliensorten. Heute waren es Stargazer und Tiger Lily, vergangene Woche Calla, davor Turk’s Cap und Easter Lily. Googelte der Mann zu Hause jede Woche, bevor er herkam, Liliensorten, um mich zu ärgern? Wahrscheinlich. Was für ein Arschloch.

Ich beachtete ihn nicht weiter – oder versuchte zumindest, ihn zu ignorieren, was gar nicht leicht war, nachdem er mir gerade eine unfreiwillige Dusche verpasst hatte – und stutzte noch einige weitere Rosen, schnitt mir drei dunkelviolette Dahlien für einen Strauß ab und schnappte mir dann den Schlauch, um meine Babys zu wässern.

Ich war fast fertig und wollte gerade heimgehen, um zu essen und zu duschen, als ich aus dem Augenwinkel etwas Orangefarbenes auf der inzwischen verlassenen Parzelle schräg gegenüber wahrnahm.

Im nächsten Moment steuerte ich geradewegs auf die wunderschöne Kletterrose mit den gelb-apricotfarbenen Blüten zu. Das musste eine neue Sorte sein, da ich die kleine Schönheit bisher noch nicht gesehen hatte.

Die Blüte war wunderschön. Ich steckte die Nase hinein und atmete tief ihren Duft ein. Myrrhe und Tee mit einem Hauch Honig. Ich wurde immer besser bei der Identifizierung einzelner Nuancen. Zu schade, dass dieses Prachtexemplar einem solchen Rindvieh gehörte.

Ich schaute mich nach dem Vollhonk um. Wenn Colton mich dabei erwischte, wie ich mich an seiner Rose zu schaffen machte, würde er mich ganz sicher beschuldigen, seine Kreation sabotieren zu wollen oder so was in der Art. Der Idiot war ja so misstrauisch.

Zornig starrte ich auf die edle Blüte meines Widersachers. Und natürlich hatte der Blödmann ihr einen Namen gegeben, so wie er mir ständig irgendwelche Liliennamen an den Kopf warf. Stirnrunzelnd las ich den Namen der Rose, die ich gerade bewundert hatte – Bathsheba.

»Nun, arme Bathsheba, du wurdest von Beelzebub gezogen. Tut mir ehrlich leid für dich.« Ich schnupperte noch einmal an der Blüte, bevor ich zu meinem eigenen Hochbeet zurückkehrte. Ich war verschwitzt und schmutzig, aber zufrieden mit meinem Tagewerk, und so sammelte ich mein Gartenwerkzeug, meine Blumen und mein Gemüse ein und machte mich auf den Weg zum Parkplatz. Der Chrom an Coltons Motorrad glänzte im Licht der gerade angesprungenen Straßenlaterne, und ich rollte mit den Augen bei dem Anblick der auf Hochglanz polierten Maschine. Wahrscheinlich polierte der Idiot das Ding jeden Abend, bis es glänzte wie eine Speckschwarte. Was für ein überheblicher Idiot.

Wo steckte der Kerl überhaupt? Unser Kurs war seit über einer halben Stunde vorbei, und zwischenzeitlich waren alle anderen längst wieder daheim bei ihren Familien.

Ich hatte keine Familie, zu der ich zurückkehren konnte. Meine Pflanzen waren mein Kindersatz.

Womöglich lungerte Colton irgendwo in der Gartenanlage oder um die Ecke des Freizeitzentrums herum und wartete darauf, bis ich weg war, damit er noch einmal ungestört zu seinen Blumen gehen konnte.

Umso besser, ich war nämlich auch nicht scharf auf seine Gesellschaft.

Ich wusste selbst nicht genau, warum Colton Winters und ich uns nicht leiden konnten, aber das war seit dem ersten Kurs im Mai so. Es war Antipathie auf den ersten Blick gewesen. Er zog Menschen an wie Geißblatt Kolibris, obwohl er nicht viel redete. Tatsächlich war er gewissermaßen zurückhaltend und verschlossen. Alle anderen Kursteilnehmer liebten ihn.

Vielleicht lag es daran, dass er ebenso attraktiv wie nervig war. So charismatisch wie überheblich. Und ein gleichermaßen leidenschaftlicher Gärtner und Widersacher. Jedes Mal, wenn ich ihn sah, verspürte ich den unwiderstehlichen Drang, ihm das geradezu lächerlich gut aussehende Gesicht zu zerkratzen.

Er war das genaue Gegenteil von mir und von allem, wofür ich mich interessierte. Und er war völlig anders als sein sympathischer älterer Bruder Callum, mit dem ich seit einigen Monaten eng zusammenarbeitete. Wir waren in einer Gruppe aktiv, die sich zur Aufgabe gemacht hatte, Winter Harbor vor der skrupellosen Dunlop Holdings zu schützen, einem sogenannten Heuschrecken-Investor. Der Millionenkonzern versuchte, die friedliche Idylle unserer Heimatstadt zu zerstören, indem er den Ort für den Luxustourismus erschloss mit einem Kasino, einem Hotel und einem Spa. Es machte Spaß, mit Callum und seiner Freundin Harlow zusammenzuarbeiten.

Was war Coltons Problem? Warum konnte er nicht so sein wie Callum? Oder wie sein mittlerer Bruder Carson? Den kannte ich zwar nicht besonders gut, aber er sah gut aus und schien nett zu sein.

Colton schien den Löwenanteil an Arschloch-Genen abbekommen zu haben. Die sexy Gene waren gleichmäßig auf die Brüder verteilt worden, wenngleich Colton im Gegensatz zu seinen Brüdern, die einfach nur unglaublich attraktiv waren, eine rebellische Ader hatte, mehr der Typ Bad Boy.

Er konnte nicht einmal gehen wie ein normaler Mensch, sondern hatte einen wiegenden Gang, als wäre seine Jeans im Schritt zu eng und als wollte er so verhindern, sich an seiner empfindlichsten Stelle wundzuscheuern.

Mir war unbegreiflich, warum ich so viel an Colton Winters dachte. Er war ein Pilz. Ein Parasit. Ein Frosteinfall mitten im Sommer.

Trotzdem fühlte ich mich zu ihm hingezogen. Und wenn ich nicht schlafen konnte und nach meinem kleinen Entspannungshelfer griff, den ich Dwayne getauft hatte, stellte ich mir öfter, als ich mir eingestehen wollte, Coltons allzu perfektes Gesicht vor.

Eigentlich stand ich gar nicht auf Bad Boys, sondern mehr auf zuverlässige Normalos mit einem Bürojob. Hatte Colton überhaupt einen Job? Bisher waren meine Männer immer sehr gepflegt gewesen, mit Gel im Haar und guten Manieren, aber ganz sicher keinen Piercings.

Und doch zog Colton mit seiner neunmalklugen Art, seinem schiefen Lächeln, seinen blauen Augen, den Ohrtunneln und dem ständig zerzausten Haar mich unwiderstehlich an wie eine Zinnie einen Schmetterling.

Was stimmte nicht mit mir?

Und was stimmte nicht mit ihm? Ich war weder ein Opfertyp noch dumm. Warum ignorierte er mich dann, wenn er mich nicht gerade beleidigte, nass spritzte oder meine Antworten zerpflückte, wenn ich mich auf Fragen unserer Kursleiterin Angela meldete, die uns die Grundlagen des Gartenbaus beibrachte?

Hatte er sich auf seinen Papst Johannes Paul II. gesetzt und sich einen Dorn eingefangen?

Ich schnaubte bei dem Gedanken und wandte mich von Coltons Motorrad ab. Angelas Limousine stand immer noch auf dem Parkplatz. Sie war es gewesen, die mir den Tipp mit den Bananenschalen und dem Bittersalz gegeben hatte, um den Geschmack meiner Kirschtomaten zu verbessern, und ich beschloss spontan, ihr etwas von meinem Gemüse abzugeben.

Wahrscheinlich war sie noch im Büro, da sie ihre kinderfreie Woche für gewöhnlich nutzte, um den aufgelaufenen Papierkram abzuarbeiten.

Ich nahm Werkzeug und Korb in eine Hand, um die Tür des Freizeitzentrums zu öffnen, und ging dann den Flur hinunter an den besetzten Kunsträumen vorbei, dann an den Squash-Plätzen und der Sporthalle mit den Pickleballspielern. Für einen so kleinen Ort hatte Winter Harbor ein erstaunlich breites Freizeitangebot, und es freute mich, dass dieses von so vielen Leuten genutzt wurde.

Als ich beschlossen hatte, nach dem hässlichen Ende einer Beziehung von Portland an die Küste zu ziehen, hatte ich erst in Winter Harbor nach einer Wohnung gesucht, aber nachdem ich nichts Passendes gefunden hatte, hatte ich schließlich ein kleines Cottage in Summer Hills angemietet, einem kleinen Städtchen, etwa vierzig Minuten nördlich von hier. Trotzdem verbrachte ich viel Zeit in Winter Harbor, weil ich den Ort lieber mochte, obwohl meine Vorfahren Summer Hills gegründet hatten und mein Großvater, den ich kaum kannte und versuchte, näher kennenzulernen, dort lebte. Nicht, dass er mir angeboten hätte, zu ihm auf sein riesiges Anwesen zu ziehen.

Nein, der brauchte die neun Badezimmer und sechs Schlafzimmer für seine mürrische Art, seinen Narzissmus, sein überlebensgroßes Ego, seine patriarchalische Überheblichkeit, seine Whisky-Sammlung und seine Anti-Altersflecken-Salbe. Da war kein Platz mehr für eine eins sechzig große, braunäugige Blondine, deren ganze Habe aus einer einzigen Reisetasche und einem Laptop bestand. Ach ja, und einem Vibrator namens Dwayne. Ich darf Dwayne nicht vergessen.

War ich verbittert?

Vielleicht ein bisschen.

Und das aus gutem Grund.

So ziemlich jeder Mann in meinem Leben hatte mich auf die eine oder andere Weise im Stich gelassen. Mein Großvater – ein mürrischer Grantler, der sich nie für seine eigene Tochter und seine vier Enkelinnen interessiert hatte. Jeder einzelne meiner Partner – Betrüger, Lügner, Loser und Ghoster. Mein Vater gehörte eigentlich nicht auf die Liste. Er war ein wundervoller Mensch gewesen und konnte nichts dafür, dass er den Kampf gegen den Krebs verloren hatte, als ich fünf gewesen war. Trotzdem vermisste ich ihn bis heute schmerzlich.

Männer taugten nichts, und Colton Winters mit seinem unsäglichen Benehmen und den durchdringenden blauen Augen war ein Paradebeispiel für diese These. Diese Augen. Und dann die gepiercten Ohren. Tunnel. Der klassische Bad Boy.

Zum Abgewöhnen.

Ich verspürte ein Ziehen im Schritt, das mich daran erinnerte, dass, egal wie sehr ich ihn auch verfluchte, mein Körper nach ihm lechzte. Mein Körper gierte mit der gleichen Intensität nach ihm, mit der mein Herz ihn verabscheute.

Ich war verbittert und abgefuckt.

Angelas Büro befand sich am Ende eines langen Flurs, und die Tür war nur angelehnt. Tomatenzeit. Ich stellte Korb und Gartenutensilien neben der Tür ab, griff nach dem Behälter mit den Tomaten, die ich ihr schenken wollte, und fasste nach dem Türknauf.

Und blieb wie angewurzelt auf der Schwelle stehen. Angela stand stöhnend vor ihrem Schreibtisch und ließ sich von keinem anderen vögeln als meinem Erzfeind. Der Blattlaus auf meiner Rose. Dem Dorn in meinem Auge. Dem Mehltau auf meinen Blättern. Colton Winters. Angelas Oberkörper lag auf dem Schreibtisch, und sie starrte an die Wand, so dass sie mich nicht sehen konnte.

Mir war klar, dass ich verschwinden sollte. Dass ich weglaufen und mir Dünger in die Augen kippen sollte, um die Bilder von meiner Netzhaut zu ätzen, aber ich war wie erstarrt.

Colton war vollständig angezogen und hatte lediglich die Jeans gerade so weit heruntergelassen, wie nötig, und auch Angela hatte sich nur das Kleid bis über die Hüften hochgezogen, um ihm ihre Mumu zu präsentieren.

Er hatte die Lippen zu einem schmalen Strich zusammengepresst und die Augen zugekniffen, während er sie, die Stirn vor Anstrengung gerunzelt, mit kräftigen Stößen nahm.

Meine Körpertemperatur stieg von kühl – dank der klimatisierten Räume des Freizeitzentrums – zu glühend heiß.

Ich schluckte.

Ich blinzelte.

Ich starrte.

Großer Gott, was war nur los mit mir? Warum guckte ich mir das überhaupt noch weiter an?

Und warum um alles in der Welt törnte es mich an, zuzusehen, wie dieser schreckliche Mensch mit einer anderen Frau Sex hatte?

Das war krank. Und doch war mein Höschen bereits feucht.

Ich war offenbar im Delirium und musste nach Hause, bevor ich ohnmächtig wurde. Vielleicht hatte ich ja einen Hitzeschlag.

Ja, das musste es sein.

Ich wandte mich ab, um zu gehen, als Colton die Augen aufschlug und zur Tür sah.

Unsere Blicke trafen sich.

Meine Füße wurden schlagartig bleischwer.

Seine vollen Lippen verzogen sich zu einem selbstgefälligen Grinsen, und dann besaß er auch noch die Frechheit, mir zuzuzwinkern.

Er zwinkerte mir wahrhaftig zu.

KAPITEL ZWEI

COLTON

»Hallo, Colton! Du brauchst wohl Nachschlag, was?«

Rudys gut gelaunter Gruß riss mich aus meiner Vormittagsträgheit. Obwohl ich eine Sonnenbrille trug, schirmte ich die Augen mit dem Unterarm gegen die grelle Sonne ab, um Rudy zu lokalisieren, der in der Nähe seiner Parzelle in der Kleingartenanlage stand.

»Genau. Lange nicht gesehen, Rudy.« Das war natürlich ein Witz. Tatsächlich sah ich den Mann fast jeden Tag. Wenn nicht in der Kleingartenanlage, dann im Yoga-Studio Prana Flow, wo ich ab und an einen Kurs gab, wenn jemand ausfiel. So auch heute Morgen, und bei dem Hot-Power-Yoga-Kurs hatte Rudy in der ersten Reihe ordentlich geschwitzt.

Wir waren aber beide nicht nur große Yoga-Fans, sondern auch das, was ich gerne als echte Gärtner bezeichnete, die mit Herzblut ihre Parzellen hegten und pflegten. Immer zur Stelle, um zu wässern, stets ein Auge auf die Wettervorhersage, um unsere Babys vor Ungemach zu beschützen.

»Wie machen sich die Rosen?«, fragte er, als ich durch das Gras der Fläche schritt, auf der ein Dutzend Hochbeete für den Jahreskurs aufgestellt worden waren.

»Ganz wunderbar.« Meine Parzelle war wie alle anderen sechs mal drei Meter groß, aber ich hatte die Holzeinfassung mit Steinen und einem Windrad geschmückt, das ein Kind mir bei der Parade am Vierten Juli geschenkt hatte. Ich hatte nicht nur die schönsten Rosen, sondern auch die gepflegteste und interessanteste Parzelle von allen.

Niemand konnte sich mit mir messen.

Nicht jetzt, da meine Brüder und ich uns vorgenommen hatten, alles zu tun, um das Vertrauen der Menschen in Winter Harbor zu gewinnen, von denen uns die meisten weit weg – oder Schlimmeres – wünschten.

Ich für meinen Teil hatte alle Teilnehmer des Gartenbau-Kurses für mich gewonnen – abgesehen von der stacheligen Lilie –, aber es gab noch genug Leute in Winter Harbor, die nichts mit uns zu tun haben wollten.

»Meine werden einfach nicht so groß wie deine«, grummelte Rudy mehr zu sich selbst als zu mir.

»Bei mir ist alles etwas größer als bei den meisten anderen«, scherzte ich. »Aber im Ernst – findest du, dass meine Rosen die schönsten sind?«

»Mit Abstand«, bestätigte Rudy augenzwinkernd und klapperte mit der Rosenschere.

Genau so sollte es sein. Weil ich nämlich etwas zu beweisen hatte – mit meinen Rosen und in allen anderen Bereichen meines Lebens. Und ich bewies mich tagtäglich überall in der Stadt. Und wenn ich an das Millionenerbe dachte, das mich und meine Brüder erwartete, war das ein echter Booster für mein Selbstbewusstsein.

Ich war also nicht nur hier, um die obligatorischen 365 Tage mit meinen Brüdern unter einem Dach abzusitzen, sondern wir versuchten nebenbei noch diverse Familiengeheimnisse zu lüften. Außerdem hauchten wir Hope Creek Manor neues Leben ein und arbeiteten daran, den schlechten Ruf der Winters zu korrigieren.

Wer weiß, vielleicht erlangte ich ja in dem Küstenstädtchen den Ruf eines Rosenflüsterers. Wenn die Zeit in Winter Harbor vorbei war, wollte ich die geheimnisumwitterte Familiengeschichte ein für alle Mal hinter mir lassen. Ich wollte, dass sich zukünftige Generationen von Schulkindern noch davon erzählten, wie ich Kletterrosen aus dem Nichts hervorzaubern konnte. Und es sollte mindestens ein Gerücht kursieren, demzufolge ich einer Frau mit den Zähnen eine Rose der Sorte Joseph’s Coat auf den Bauch legte.

Es musste schon etwas wirklich Besonderes sein.

Etwas Unübertreffliches.

»Allerdings gibt es jemanden, der dir den Rang ablaufen könnte«, fuhr Rudy fort.

Ich löste den Blick von meinen Schönheiten und sah, dass er vor der Parzelle schräg gegenüber von meiner stehen geblieben war und die Rosen dort begutachtete. »Ihre Cherry Parfait sieht zum Anbeißen aus. Und ihre Princess Alexandra of Kent hat sehr große, prächtige Blüten. Sehr hübsch anzusehen. Ihre Rosen und sie selbst. Unsere Lily.«

Bei der Erwähnung ihres Namens machte ich ein finsteres Gesicht.

Ich gab mir die größte Mühe, nicht an diesen Namen – und diese Person – zu denken. Wer dachte schon gern an eine nervige Stechmücke mit blonden Zöpfen, die nichts anderes konnte, als böse zu gucken und an allem herumzukritisieren? Ich jedenfalls nicht, so viel stand mal fest.

Im Übrigen würde sowieso nichts, was ich tat, je vor ihren Augen Gnade finden. Ich konnte hundert Kätzchen aus einem brennenden Gebäude retten, und sie würde nur mit verschränkten Armen und ungeduldig mit dem Fuß wippend dastehen und sagen: »Aber was ist mit den Wäldern am Amazonas? Die brennen auch nieder, warum hast du die nicht auch gerettet?«

»Das ist reines Anfängerglück«, entgegnete ich. »Auf den Blättern der anderen Rose ist Mehltau. Sieh es dir an. Und ihre Nährstoffe sind auch nicht richtig. Die Rosen werden nicht lange blühen.«

Rudy nahm das kommentarlos hin und kehrte zurück zu seiner eigenen Parzelle. Nach der Erwähnung Lily Summers’ marschierte ich zum Gartenschlauch. Allein der Gedanke, dass Lily Summers mir mit ihren Rosen Konkurrenz machen könnte, war absurd, und das gedachte ich, nicht nur Rudy unmissverständlich klarzumachen, sondern auch allen anderen Kursteilnehmern.

Ich zerrte den Schlauch zu meiner Parzelle und stapfte dann noch einmal zurück, weil ich vergessen hatte, das Wasser aufzudrehen. Anschließend holte ich meine Rosenschere aus dem angemieteten Spind seitlich am Gemeindezentrum, um meine fleur du jour, meine Blume des Tages, auszuwählen. Die Kursleiterin liebte es, wenn ich französische Wörter benutzte, die ich in den Jahren auf Schweizer Internaten gelernt hatte. Und irgendwie hatte auch die darauffolgende Militärschule mir das Streben nach dem Besonderen nicht austreiben können. Mehrere Fremdsprachen zu lernen, war meine Art gewesen, zu kompensieren, dass ich erst mit fünf Jahren angefangen hatte, überhaupt zu sprechen.

Ich schätzte, dass es nicht zuletzt den Komplimenten auf Französisch zu verdanken war, dass ich vorgestern Abend meine Lehrerin rumgekriegt hatte.

Es war offensichtlich gewesen, dass Angela auf mich stand – das taten die meisten Frauen –, und ich hatte dringend eine Ablenkung gebraucht nach dem Frust der vergangenen Wochen. Außerdem gefiel mir die smarte Gartenbau-Lehrerin und sexy alleinerziehende Mutter. Wir hatten viel Spaß gehabt in ihrem Büro, aber es war nicht ganz so befreiend gewesen wie erhofft.

Weil ich nämlich seitdem Lily nicht mehr aus dem Kopf bekam.

Und Rudys Bemerkung über ihre Rosen unterstrich zusätzlich, dass Lily die nervigste Frau war, die mir je begegnet war.

Und doch war aus irgendeinem Grund der Orgasmus intensiver gewesen als je zuvor, nachdem ich in der Tür ihr herzförmiges Gesicht gesehen hatte, auf dem sich Überraschung und noch etwas anderes gespiegelt hatte, das stark nach Lust aussah.

Ich hatte eindeutig das Aufflackern der Lust in ihren warmen braunen Augen gesehen.

Aber was interessierte mich das? Lily Summers war das größte Manko an Winter Harbor – noch schlimmer als die Einwohner, die uns behandelten wie Dreck und versuchten, uns aus der Stadt zu vergraulen.

Warum denkst du dann jedes Mal an sie, wenn du dir einen runterholst?

Ich starrte finster auf mein Hochbeet, während ich den Boden wässerte und zusah, wie die dunkle Erde mit Torf und einem Düngergemisch das Wasser aufsaugte. Ich konzentrierte mich ganz auf diesen Anblick, damit mein verräterisches männliches Hirn nicht wieder eigenmächtig Bilder von Lily Summers sonnengebräunten Beinen oder ihren schön geschwungenen vollen Lippen heraufbeschwor oder Gedanken zuließ wie die Tatsache, dass ich mir, als ich mit Angela gevögelt hatte, vorstellte, ich hätte Sex mit Lily.

Ich drückte den Griff der Brause fester. Verdammt, ich hatte – schon wieder – eine Latte.

Ich hatte schon einige frustrierende Wochen hinter mir, in denen meine Brüder und ich uns abgemüht hatten, Winter Harbor zu erobern, aber das hier war die Kirsche auf der Frust-Torte.

Während vor meinem inneren Auge wieder unanständige Szenen mit Lily und mir in den Hauptrollen abliefen, hob ich den Kopf und entdeckte prompt ein vertrautes herzförmiges Gesicht drüben beim Freizeitzentrum.

Lily.

Sie stand, die Daumen unter die Riemen ihres Rucksacks geklemmt, stocksteif da und starrte zu mir und unseren Hochbeeten herüber. Schließlich blinzelte sie und hastete davon. Ziemlich verdächtig, wie ich fand.

»Hast du Lily gesehen?«, fragte Rudy kurz darauf und schirmte mit der Hand die Augen gegen die Vormittagssonne ab.

Ich knirschte mit den Zähnen und richtete meinen Fokus wieder auf das Gießen. Durchfeuchtete die Erde bis zu den Wurzeln. Einen leichten Regen imitierend.

Das war meine Art der Meditation. Neben Yoga und Zeichnen half mir auch die Gartenarbeit, mich zu erden und meine Aggressionen in harmlose Bahnen zu lenken. Ohne diese Strategien wäre ich inzwischen wohl auf der schiefen Bahn gelandet.

»Nein«, sagte ich knapp und wiederholte dann in Gedanken mein Wässerungsmantra. Ich sah im Geiste bereits, wie ich Lily zeichnen und ihren niedlichen kleinen Hintern akzentuieren würde. Und die immer etwas unordentlichen Zöpfe, die auch an windstillen Tagen aussahen, als wäre sie in einen Sturm geraten.

Himmel, Colton, jetzt reicht’s aber.

Ich bemühte mich, an alles Mögliche zu denken, nur nicht an Lily, und als mir das endlich gelang, war mein Beet fertig gewässert. Als ich mir meine Pflanzen genauer ansah, bemerkte ich eine verdächtige Lücke in meinem Johannes-Paul-Rosenstrauch. Die preisverdächtige Blüte, die ich über Tage und Wochen herangezogen hatte, war nicht mehr da.

Verschwunden.

Einfach weg.

»Rudy«, krächzte ich und suchte mit dem Blick wieder und wieder den Busch ab, für den Fall, dass ich etwas übersehen hatte. Die Blüte war gestern Abend, als ich zum Gießen vorbeigekommen war, noch da gewesen. Da war noch alles beim Alten. Jede Blüte an ihrem Platz. »Hast du heute jemanden in der Nähe meines Hochbeetes gesehen?«

»Nein, aber ich bin auch erst vor zwanzig Minuten gekommen. Warum fragst du?«

Ich hörte ihn kaum in meiner Schockstarre wegen des Verschwindens meiner preiswürdigen Rose. Mit klopfendem Herzen untersuchte ich die dornigen Stängel, bis ich denjenigen fand, von dem die Blüte abgeschnitten worden war.

Ein glatter Schnitt. Da hatte jemand nachgeholfen, so viel stand fest.

Und ich konnte mir auch denken, wer diesen Frevel begangen hatte.

Lily fucking Summers.

Egal, wie hübsch ihre wohlgeformten Waden auch sein mochten – nichts würde sie vor meinem Zorn bewahren. Ich richtete meine Aufmerksamkeit auf ihre Parzelle und stürmte dann hinüber, als würde ich meine vermisste Blüte dort finden. Natürlich war sie nicht da. Stattdessen fand ich nur eine mehr oder weniger ungepflegte willkürliche Ansammlung von Gemüsepflanzen und minderwertigen Rosen. Ich biss die Zähne zusammen und überlegte, womit ich sie wohl am meisten treffen würde. Wenn sie so dreist war, meine Sieger-Rose zu stehlen, hatte sie es nicht besser verdient, als dass ich ihr das ganze Gemüse wegnahm, das war ja wohl klar.

Als ich hörte, wie Rudy den Schlauch zurück an seinen Platz an der Wand des Freizeitzentrums schaffte, legte ich los.

Ich schlich auf Lilys Parzelle, wobei ich darauf achtete, auf dem vertrockneten Boden keinen Staub aufzuwirbeln. Dann pflückte ich mindestens zwanzig Kirschtomaten von den Tomatensträuchern und ließ sie auf die Erde fallen, um sie dann noch mit dem Fuß zu zerquetschen. Danach brach ich den Stängel eines noch nicht ganzreifen Kürbisses ab und klaute schließlich noch eine Handvoll Kirschpaprika, bevor ich, hochzufrieden mit meiner Racheaktion, zu meiner eigenen Parzelle zurückkehrte.

Rudy war noch damit beschäftigt, den Wasserschlauch aufzurollen, und hatte nichts mitbekommen. Ich steckte die Kirschpaprika in eine Einkaufstüte vom Bauernmarkt, die ich immer mitbrachte, um einen Beitrag für den Umweltschutz zu leisten, indem ich lokale Erzeugnisse kaufte und Tüten wiederverwendete.

Mit einem selbstzufriedenen Lächeln säuberte ich mein Gartenwerkzeug, legte es zurück in den Spind, verabschiedete mich von Rudy und ging. Wenn Lily Summers sich einbildete, dass sie mich ungestraft reinlegen konnte, hatte sie sich geschnitten. Was sie konnte, konnte ich schon lange.

War das kindisch? Na klar. Kleinlich? Auch das. Aber es war auch notwendig bei einer Gegnerin wie Lily.

Ich legte die Tüte in den kleinen Koffer meines Motorrads, stieg auf und setzte meinen Helm auf. Das Dröhnen des anspringenden Motors beruhigte mich, und ich gab ein paar Mal im Leerlauf Gas – für den Fall, dass Lily mich aus einem Versteck beobachtete –, bevor ich losfuhr und auf die Main Street abbog.

Nach nur einem Frühling und Sommer fühlte ich mich in dem schrulligen Küstenort richtig heimisch, obwohl ich bis April dieses Jahres noch nie hier gewesen war. Ich hatte keine Heimatstadt im klassischen Sinne, nachdem ich meine Kindheit und Jugend auf internationalen Internaten und Militärakademien verbracht hatte und nur sehr selten »heimgekommen« war auf das Anwesen meines gefühlskalten distanzierten Vaters in Tillamook, Oregon.

Genau genommen hatte ich keine Familie gehabt, bis mein Vater gestorben war und wir bei der Testamentseröffnung von den Bedingungen erfuhren, die an die Erbschaft geknüpft waren: Meine Brüder und ich, die wir bisher kaum Kontakt gehabt hatten, sollten jetzt ein Jahr am Stück auf dem alten Familienanwesen leben. Inzwischen bemühten wir uns nicht nur, den letzten Willen unseres Vaters zu erfüllen, sondern auch, mit den Einwohnern warm zu werden, die nicht gut auf unsere Familie zu sprechen waren. Eine Hälfte lehnte uns nach wie vor kategorisch ab, aber die andere Hälfte taute langsam auf, und das war immerhin ein Anfang.

Leider gehörte Lily Summers nicht zu der Hälfte, die uns akzeptierte. Und wenn es nach mir ginge, hätte ich sie hochkant aus der Stadt geworfen, so wie die zweite Hälfte der Einwohner nur zu gerne mit uns verfahren wären.

Als ich durch die Innenstadt knatterte, blickte ich lächelnd auf das unruhige tiefgraue Meer in der Bucht.

Als ich am El Pez Dispenser vorbeikam, meinem Lieblings-Taco-Restaurant an der ganzen Westküste – ließ ich kurz den Motor aufheulen und nickte ein paar Jugendlichen zu, die meiner Maschine bewundernde Blicke zuwarfen und mit einem Daumen-hoch ihre Bewunderung kundtaten.

Ja, Winter Harbor war schon in Ordnung, vor allem bei der Aussicht auf ein Millionenerbe, mit dem sich interessante Optionen auftaten. Aber ich hatte es nicht eilig, Zukunftspläne zu schmieden. Ich lebte im Hier und Jetzt und ließ mich treiben. Das Leben hatte mich nach Europa geführt, zurück in die Staaten, nach Florida und schließlich an die Westküste.

Meine Brüder hatten innerhalb der kurzen Zeitspanne, seit wir hergezogen waren, die große Liebe gefunden, aber ich wusste, dass eine feste Beziehung nichts für mich war. Ich war für One-Night-Stands gemacht und für Quickies auf dem Schreibtisch. Nicht für das große Liebesglück, das meine Brüder mir unter die Nase rieben jedes Mal, wenn ich mich in Hope Creek Manor mit ihnen im selben Raum aufhielt.

Wieder gab ich im Leerlauf Gas, bog links ab und sah gleich darauf einen auf Hochglanz polierten SUV vor Pete’s Eisenwarenladen stehen. Der schnittige Wagen war brandneu, mit getönten Scheiben und personalisiertem Nummernschild mit der Buchstabenkombination »DH«. Ich fuhr langsamer, obwohl ich selbst nicht wusste, was mich stutzig gemacht hatte. Irgendetwas hatte mein Unterbewusstsein getriggert.

Dann sah ich den Schriftzug auf der Tür.

DUNLOP HOLDINGS.

Das war der Konzern, der versuchte, Winter Harbor aufzukaufen und mit diversen Projekten »zu erschließen«, um sich die Taschen vollzumachen, ohne Rücksicht auf die lokalen Händler und das Ökosystem im Marschland, das einem Hotel mit Spa und einem Kasino weichen sollte.

Ich hatte plötzlich einen schlechten Geschmack im Mund, schluckte und gab Gas, um so schnell wie möglich nach Hause zu kommen und mich mit meinen Brüdern zu beratschlagen.

Es war das erste Mal, dass ich ein Fahrzeug von Dunlop Holdings in Winter Harbor gesehen hatte, aber jetzt schien es, als wäre die beunruhigende Zukunft, um die sich alle sorgten, plötzlich sehr nah.

KAPITEL DREI

LILY

Ich seufzte zufrieden, als ich aus Richtung Summer Hills an der Ausfahrt Winter Harbor vom Highway abfuhr. Ich wusste, dass Summer Hills von meiner Familie gegründet und nach ihr benannt worden war, aber Winter Harbor gefiel mir besser. Vielleicht lag es daran, dass der Küstenort sich seinen Kleinstadtcharme bewahrt hatte. Pittoresk, schrullig und mit viel Persönlichkeit, was meiner alten Seele entgegenkam.

All das ließ Summer Hills vermissen.

Zumindest heutzutage – dank Dunlop Holdings.

Robert Dunlop interessierte sich nur für Geld, und seine Luxus-Apartmenthäuser, Wellnesshotels und Kasinos brachten ihm eine Menge Geld ein. Er scherte sich nicht im Geringsten um den Charakter einer Stadt oder um die Menschen, die dort lebten. In Summer Hills hatte er das Kleinstadtidyll unter einem zwanzigstöckigen All-inclusive-Resort mit Tiefgarage begraben, und jetzt hatte er das Gleiche in Winter Harbor vor.

In den vergangenen zwanzig Jahren (zumindest hatte ich das online gelesen), war Summer Hills »aufgewertet« worden bis zum Gehtnichtmehr, und auch wenn noch einige Fast-Food-Ketten übrig waren, gab es dort heute unzählige Luxus-Anwesen und Ladengeschäfte teurer Marken. Ich stand nicht so auf zu viel Pomp und teure Klamotten, auf denen das Marken-Logo prangte. Wenn die Arschlöcher mich nicht dafür bezahlten, Werbung für sie zu machen, würde ich einen Teufel tun und Kleidung mit ihrem Namen tragen. Ich war zufrieden mit meinen Jeans von Target und meinen GAP-T-Shirts, danke.

Außerdem war das Benzin in Winter Harbor günstiger. Also ging ich das Risiko ein und raste mit klopfendem Herzen nach Winter Harbor, die Tankanzeige im Blick, deren Balken immer weiter sank.

Ich erreichte die Tankstelle, hielt an einer Zapfsäule und stieg aus. Ich winkte Sid zu, der meinen Gruß jedoch nicht erwiderte. Der Mechaniker machte ein finsteres Gesicht und stritt mit einem Typen im teuren Anzug und mit Sonnenbrille, der mich an Agent Smith aus Matrix erinnerte. Wahrscheinlich ein reicher Schnösel, der sofort einen Ölwechsel verlangte oder so was.

Ich tankte und lauschte der hitzigen Diskussion, was gar nicht so leicht war wegen des Winds und des Verkehrs, aber ich schnappte doch das eine oder andere auf.

»Hören Sie mir gut zu, Mann«, zischte Sid mit hochrotem Gesicht, griff in die Tasche seines Overalls und zog ein rotes Taschentuch hervor, mit dem er sich den Schweiß von der Stirn wischte. »Dieser Lump von Robert Dunlop kann mich erpressen, so viel er will, aber ich werde weder seine Seele noch meine Loyalität gegenüber Winter Harbor an den Teufel verkaufen. Für kein Geld der Welt. Schieben Sie sich Ihr Angebot und Ihre Drohungen sonst wohin, kapiert? Und jetzt schleichen Sie sich, bevor ich die Cops rufe und Sie wegen Hausfriedensbruchs anzeige.«

Sids Hände zitterten, als er sie in die Seiten stemmte und zusah, wie Agent Smith in einen schwarzen SUV mit dem Schriftzug »Dunlop Holdings« auf der Seite stieg.

Als Agent Smith an mir vorbeifuhr, versuchte ich, ihn mir genauer anzusehen, aber durch die getönten Seitenscheiben konnte ich nichts erkennen.

Ich schraubte den Tankdeckel auf, wartete auf meinen Beleg und ging dann zu Sid rüber. Er stand immer noch mit den Händen in den Hüften und rotem Gesicht da, Schweißperlen auf der runzligen Stirn.

Sanft legte ich ihm die Hand auf den Arm. »Bist du okay, Sid?«

Er schüttelte so heftig den Kopf, dass seine schlaffen Wangen bebten. »Nein.«

»Willst du darüber reden?«

»Nein.« Er atmete jetzt tief ein und aus, um sich zu beruhigen, und nach und nach normalisierte sich seine Gesichtsfarbe wieder und wechselte von besorgniserregendem Kirschrot zu einem deutlich gesünderen Pfirsichton.

»Was wollte der Typ von dir?«

Sid blähte die Nasenflügel, was meine Aufmerksamkeit auf die geplatzten Äderchen auf seiner Nase lenkte. »Das Gleiche, was Dunlops Handlanger von allen in Winter Harbor wollen. Sie bieten Geld, viel Geld, dafür, dass man sie unterstützt. Sie wenden sich an Stadträte, Politiker, Geschäftsleute und jeden, der sonst noch geneigt ist, sich von ihnen kaufen zu lassen.«

Trotz der warmen Brise fröstelte ich, als Angst in mir aufstieg, so dass Gänsehaut meine nackten Arme überzog. Es war kein Geheimnis, dass der Multi-Millionen-Dollar-Konzern Dunlop Holdings versuchte, möglichst viele Grundstücke und Immobilien in Winter Harbor aufzukaufen. Die Gesellschaft versuchte sogar, sich mittels Enteignung die Rothwell Marsh anzueignen, die eigentlich den Winters gehörte. Nachdem von dieser Seite allerdings starker Gegenwind gekommen war, schien man umdisponiert zu haben.

Sid schnaubte und wischte sich erneut den Schweiß von der Stirn, bevor er sich der Werkstatt zuwandte mit einem Minivan auf der Hebebühne, an dem er offensichtlich gerade arbeitete. Dann blieb er jedoch noch einmal stehen und schaute zu mir zurück. »Die Stadt braucht frisches Blut in den Machtpositionen. Leute wie dich, die die Zeit und Energie haben, um seelenlose Heuschrecken wie Dunlop Holdings zu bekämpfen. Bürgermeister Fenwick hat sich ordentlich die Hände schmutzig gemacht, aber der war ja schon immer ein schleimiger Mistkerl, dem Geld wichtiger ist, als das Richtige zu tun. Aber im Herbst sind Bürgermeisterwahlen. Vielleicht solltest du gegen den alten Drecksack antreten.« Darauf marschierte er in die Werkstatt und bellte seinen Mitarbeitern barsch Befehle zu.

Ich? Ich sollte für das Bürgermeisteramt kandidieren?

Ich wohnte ja nicht einmal in Winter Harbor, und um ein öffentliches Amt zu bekleiden, musste man Ortsansässiger sein.

Und doch drehten sich die Rädchen in meinem Hirn auf Hochtouren, und meine Gedanken überschlugen sich, als ich zum Hafen fuhr und mir in meinem Lieblingsrestaurant, dem El Pez Dispenser, einen Fisch-Taco holte. Den mampfte ich zufrieden, während ich den Leuten zusah und Gesprächsfetzen aufschnappte.

Das Wenige, das ich mitbekam, genügte, um Sids Behauptung zu untermauern, dass Dunlop Holdings seine Handlanger ausgesandt hatte, um zu versuchen, Gebäude und Geschäfte aufzukaufen, wobei sie teilweise sogar das Doppelte des Marktwerts geboten hatten. Es war beunruhigend, zu hören, wie viele Leute tatsächlich mit dem Gedanken spielten, zu verkaufen.

Aber der Tropfen, der das Fass zum Überlaufen brachte, kam, als ich im The Grind einen Kaffee trank und dort Agent Smith mit Pete an einem Tisch sitzen sah. Wobei Pete vom Eisenwarenladen nicht gerade erfreut schien, dass man ihm in seiner Kaffeepause aufgelauert hatte, zumal Agent Smith ihn mit Zahlen und Terminen zutextete.

»Nennen Sie uns Ihren Preis«, sagte Agent Smith gerade. »Wir sind bereit, das Doppelte des Marktwerts für den Laden zu bezahlen sowie eine großzügige Summe für die Ware.« Der Typ hatte nicht mal die Sonnenbrille abgesetzt, obwohl wir in einem Café saßen. Vielleicht war er ja der echte Agent Smith?

Pete funkelte ihn böse an. »Ich schlage vor, dass Sie jetzt gehen, sonst muss ich Ripley bitten, Sie an die Luft zu setzen«, knurrte Pete durch zusammengebissene Zähne. Er blickte vielsagend auf Ripley, den Café-Inhaber – der mehr wie Meister Proper aussah als Meister Proper selbst und gerade einen Kunden bediente.

Agent Smith stand auf und klopfte mit den Fingerknöcheln auf die abgenutzte Tischplatte. »Denken Sie darüber nach. Sie könnten in Rente gehen, reisen, tun, wonach immer Ihnen der Sinn steht.«

»Mir steht der Sinn danach, einen Eisenwarenladen zu betreiben, der von meinem Großvater an meinen Vater weitergegeben wurde und von meinem Vater an mich. Sie können also Ihre schicke Sonnenbrille und Ihr Geld nehmen und aus der Stadt verschwinden, es wird nämlich niemand an Sie verkaufen. Sie schaffen es wirklich, in Rekordzeit alle gegen sich aufzubringen, Mann!«

Agent Smith verzog die Lippen zu einem selbstgefälligen, unheimlichen Lächeln. »Da wäre ich mir an Ihrer Stelle nicht so sicher. Schönen Tag noch.« Darauf verließ er das The Grind, und ich war ehrlich überrascht, dass er nicht in Flammen aufging angesichts der Laserblicke, die ihm viele andere Gäste des Cafés zuwarfen.

»Dirty London Fog?«, rief die Barista und stellte das entsprechende Getränk auf den Tresen.

Ich bedankte mich, nahm meinen Kaffee und hastete zurück zu meinem Wagen.

Eigentlich hatte ich vorgehabt, eine Kleinigkeit zu essen und einen Kaffee zu trinken, bevor ich zum Freizeitzentrum fuhr, um mein Beet zu versorgen, da ich seit dem Vorfall mit Angela alles daransetzte, Colton aus dem Weg zu gehen. Weil ich ihm dabei zugesehen hatte, wie er Angelas Garten wässerte … Und der Idiot kam in der Regel abends, so dass ich dazu übergegangen war, nachmittags zur Kleingartenanlage zu fahren.

Aber nach allem, was ich gerade gehört hatte, würde ich auf dem Weg zum Freizeitzentrum einen Umweg machen. Ich musste die Ärmel hochkrempeln und meinen Streit mit Colton beilegen. Als die neuen Prinzen von Winter Harbor konnten Colton und seine Brüder am meisten bewirken im Kampf gegen die Heuschrecke.

Callum und ich setzten uns bereits zusammen mit vielen anderen Zivilpersonen dafür ein, Protestaktionen zu organisieren und den Städteentwicklern möglichst viele Steine in den Weg zu legen. Aber das reichte nicht. Die Winters hatten ihren Namen und Geld, außerdem gehörte ihnen die halbe Stadt. Wenn die Winters Brüder Dunlop nicht besiegen konnten, dann konnte das niemand.

Aber wenn wir eine Allianz bilden und Seite an Seite kämpfen wollten, musste ich mit Colton Frieden schließen, damit unser Streit die Allianz nicht gefährdete. Wir mussten an die Stadt denken. Ich konnte meinen verwirrenden Hass auf den Mann ja wiederaufleben lassen, wenn wir Winter Harbor gerettet hatten. Also tat ich, was jeder verantwortungsvolle Mensch tun würde, der bereits mit allen Mitteln gegen Dunlop Holdings kämpfte.

Ich fuhr nach Hope Creek Manor, um dem Feind ein Friedensangebot zu unterbreiten.

***

»Was zur Hölle willst du hier?«, herrschte Colton mich an und stürmte die Verandatreppe des Familienanwesens hinunter auf mich zu.

Ich will nicht lügen. Angesichts des Flackerns in seinen blauen Augen und der Wut in seiner Stimme hätte ich beinahe laut aufgelacht und musste gleichzeitig das Pochen meiner Mitte bei seinem Anblick verdrängen. Das war eine rein körperliche Reaktion, die sich meiner Kontrolle entzog. Immerhin war der Mensch in gewisser Weise auch nur ein Tier, und ich hatte keinen Einfluss darauf, zu wem ich mich hingezogen fühlte. Aber das Aussehen eines Mannes bedeutete ja nicht automatisch, dass ich mit ihm in den Sonnenuntergang reiten wollte. Immerhin war der Mann ein Vollidiot.

Und davon abgesehen, dass ich ihm beim Sex mit der Leiterin des Gartenbau-Kurses zugesehen hatte, was ihm nicht so viel ausgemacht zu haben schien, da er mir immerhin zugezwinkert hatte – das musste man sich einmal vorstellen –, hatte ich ihm ja nichts getan, es gab also keinen Grund, mich so anzugehen. Vielleicht hätte er einfach die Tür schließen und verriegeln sollen, bevor er Angela beglückte?

Ich ignorierte seinen Auftritt und betrachtete das Banner mit der Aufschrift »Willkommen zu Hause, Camilla & Amaya!« sowie die Luftballons, mit denen die Veranda und das Treppengeländer geschmückt waren. »Gibt es was zu feiern?«

»Nicht für dich, und ob und was wir feiern, geht dich einen feuchten Dreck an. Was willst du, Lily?«

Interessant. Bisher hatte er mich noch nie nur mit meinem normalen Vornamen angesprochen, sondern immer eine Liliensorte hinzugefügt. Er musste ziemlich durcheinander sein. Warum? Oder hatte er nur keinen Liliennamen mehr parat, weil ich unangekündigt aufgetaucht war? Ich unterdrückte den Impuls, bei dem Gedanken zu schnauben.

Blinzelnd machte ich ein unschuldiges Gesicht und lächelte die anderen, die hinter ihm aus dem Haus gekommen waren, freundlich an: Callum, den ich bereits recht gut kannte, seine Freundin Harlow, die ich ebenfalls sehr mochte, Carson und eine hübsche Frau mit leuchtend roten Haaren.

»Ich bin hier, um dir einen Waffenstillstand anzubieten, Colton. Seit unserem Kennenlernen sind wir ständig aneinandergeraten, und ich denke, dass es an der Zeit ist, das Kriegsbeil zu begraben und …«

»Tu nicht so harmlos. Ich weiß sehr gut, dass du mir mit dem besagten Kriegsbeil am liebsten den Schädel spalten würdest«, knurrte er.

Die Zeugen unserer Auseinandersetzung tauschten neugierige Blicke.

Ich räusperte mich. »Wie gesagt, ich finde, wir sollten eine Feuerpause einlegen.«

»Und warum das?« Colton kniff die Augen zusammen. »Damit ich in meiner Wachsamkeit nachlasse und du mir bei der erstbesten Gelegenheit den Papst Johannes Paul absäbeln kannst?«

Carson flüsterte Callum etwas zu, aber ich konnte nicht verstehen, was er sagte. Harlow gesellte sich dazu und tuschelte mit den beiden. Sie schien beunruhigt.

Was redete er da? Ich sollte ihm eine Rose gestohlen haben? So ein Unfug. Mit in die Seiten gestemmten Händen seufzte ich tief. »Ich habe nicht vor, deinen Johannes Paul zu köpfen, und das weißt du auch.«

»So genau kann man das bei dir nicht wissen«, erwiderte Colton in vor Sarkasmus triefendem Tonfall.

Ich ließ die Schultern hängen, die ebenso langweilige wie alberne Streiterei leid. »Hör mir zu. Ich muss etwas Ernstes mit dir besprechen.«

»Du sabotierst meine Rosenausstellung noch vor dem eigentlichen Wettbewerb«, konterte Colton bissig.

»Was redest du denn da?« Ich schüttelte den Kopf und winkte ab, nicht gewillt, mich von ihm ködern und manipulieren zu lassen. »Nein, etwas wirklich Ernstes«, sagte ich und unterdrückte den Impuls, die Augen zu verdrehen und mich auf eine hitzige Diskussion einzulassen darüber, dass ich seine Rosen nicht angerührt hatte und ich es unverschämt fand, dass er mir etwas so Niederträchtiges überhaupt unterstellte. Wir liebten beide unsere Beete heiß und innig, aber jetzt ging es um Wichtigeres als Blumen. Es ging um die Zukunft der ganzen Stadt.

»Ich bin gerade eben in der Innenstadt ein paar Handlangern von Robert Dunlop über den Weg gelaufen. Sie laufen rum und schmieren lokale Händler und Stadträte. Dunlop bietet ihnen Geld für ihre Unterstützung. Sie bieten den Leuten sogar an, sie aus ihren Pachtverträgen herauszukaufen oder ihre Immobilien zu kaufen, und zwar für den doppelten Marktwert. Dunlop hat es immer noch auf die Marsch abgesehen, aber da er weiß, dass das schwierig wird, kauft er jetzt auch andere Grundstücke auf. Sie kaufen alles, was sie kriegen können, und scheuen auch nicht vor schmutzigen Methoden zurück. Als ich tanken war, habe ich gehört, wie Sid Stewart, der Mechaniker, einen von Dunlops Leuten angeschrien hat, dass sein Chef ihn erpressen könne, so viel er wollte, er aber weder seine Seele noch seine Loyalität gegenüber Winter Harbor an den Teufel verkaufen werde. Für kein Geld der Welt.«

Ich erzählte ihnen von den Gesprächen zwischen Dunlops Leuten und Sid und Pete, und ihre Gesichter wurden immer sorgenvoller.

»Verdammt«, knurrte Callum. »Ich wette, dass Ripley mich heute noch anruft. Und Sid auch.«

Ich nickte. »Ripley, Sid und wahrscheinlich noch ein Dutzend anderer Leute. Ich habe versucht, mit Sid zu sprechen, nachdem Dunlops Mann weg war, aber er war zu wütend und hat abgewunken, doch er meint, die Stadt bräuchte frisches Blut in den Machtpositionen. Leute wie mich, die die Zeit und Energie haben, um seelenlose Heuschrecken wie Dunlop Holdings zu bekämpfen. Er meinte, dass Bürgermeister Fenwick sich ordentlich die Hände schmutzig gemacht habe und im Herbst Wahlen sind für die Besetzung seines Postens. Er meinte, ich solle gegen ihn antreten.« Ich lachte kopfschüttelnd.

»Und was genau willst du jetzt von mir?«, fragte Colton und lehnte sich lässig an einen der Pfosten, die die Verandaüberdachung stützten. Er versuchte, locker zu wirken, aber jeder Idiot konnte die Anspannung hinter der Fassade spüren. Die Adern an seinem Hals und an den Armen traten hervor, und ein Muskel an seiner Wange zuckte. Er sandte Wellen des Unbehagens und der Frustration aus.

Das Ganze war so sexy, dass ich fühlte, wie meine Mitte reagierte und mein Höschen mit jeder Sekunde feuchter wurde. Verräterin.

»Können wir das drinnen besprechen?«, fragte ich versöhnlich, da es jetzt kontraproduktiv wäre, Arroganz heraushängen zu lassen, ganz egal, wie sehr dieser Mann mich triggerte und gleichzeitig antörnte.

»Auf keinen …«

Callum schlug Colton auf die Schulter. »Klar, Lily, komm rein. Meine neugeborene Nichte und meine Schwägerin sind gerade aus dem Krankenhaus eingetroffen. Und Colton ist keine Spaßbremse und hat bestimmt nichts dagegen, wenn du mit uns anstößt, nicht wahr, Bruder?« Er drückte Coltons Schulter.

Coltons Nasenflügel blähten sich, und er warf Callum einen mörderischen Blick zu. »Natürlich nicht«, sagte er gepresst.

Callum lächelte. »Wunderbar. Komm, Lily. Es gibt etwas zu essen und Prosecco. Das heißt, sofern Amaya nicht den ganzen Vorrat ausgetrunken hat.«

»Ein halbes Glas müsste noch übrig sein«, scherzte Amaya. »Ich bin ja so froh, dass mein Töchterchen beschlossen hat, zwei Wochen früher auf die Welt zu kommen, Mama hat nämlich viel zu lange auf Sekt verzichten müssen.«

»Also gut«, brummte Colton, machte auf dem Absatz kehrt und ging als Erster zurück ins Haus.

Nach kurzem Zögern befahl ich meiner Vagina, sich zusammenzureißen, und setzte einen Fuß vor den anderen. Im Vorbeigehen gratulierte ich Amaya und Carson zur Geburt ihres Kindes, bevor ich Colton, Callum und Harlow, die das Baby im Arm hielt, ins Haus folgte.

»Keine Sorge«, raunte Harlow mir in der Diele zu. »Colton hatte heute noch keine Gelegenheit, zu meditieren. Normalerweise ist er viel gechillter. Ich bin sicher, dass es nur daran liegt.«

Ich musste sie angestarrt haben, als wäre ihr ein zweiter Kopf gewachsen, da sie unvermittelt auflachte.

»Kennst du ihn von seiner weniger entspannten Seite?«

Ich schüttelte den Kopf. »Bei der Version von Colton, die ich kenne, hilft kein Meditieren.«

Der Colton, den ich kannte, troff vor Sarkasmus. Er war großspurig und überheblich, und hätten wir zusammen die Highschool besucht, hätte ich den rebellischen Jungen bestimmt angehimmelt.

Er war heißer als die Sünde, und es fiel mir immer schwerer, zu ignorieren, wie jedes T-Shirt über den breiten Schultern spannte und wie seine Bizepse anschwollen, wenn er nur Luft holte.

Ich hasste die Wahrheit hinter meiner unterschwelligen Frustration.

Ich verzehrte mich nach meinem Feind.

Aber mehr als ein Waffenstillstand war zwischen uns nicht drin.

KAPITEL VIER

LILY

»Setz dich, Lily«, sagte Callum und zeigte auf das dick gepolsterte Ledersofa in dem großen Wohnzimmer mit den hohen Decken. Es roch nach frischer Farbe und Zukunftsplänen. Ich wusste, dass die Brüder rund um die Uhr schufteten, um das heruntergekommene Familienanwesen wieder in Schuss zu bringen und den Namen Winters zu rehabilitieren. Und sofern ich das bis hierher anhand der erfolgten Renovierungsarbeiten am und im Haus beurteilen konnte, machten sie ihre Sache wirklich gut.

»Danke«, sagte ich und setzte mich an das Ende des Sofas, das dem Kamin am nächsten war.

Harlow hatte das Baby an Carson übergeben. Die blauäugige Schönheit nahm am anderen Ende derselben Couch Platz und knabberte an einem Stück Käse und einem Cracker.

»Wie alt ist die Kleine?«, fragte ich Amaya, die sich eine Erdbeere aus der Schale auf dem Couchtisch nahm und in den Mund schob, während Carson vor dem Kamin stand, sich vor und zurück wiegte und seine Tochter knuddelte. Ich verstand nicht viel von Babys, aber dieses schien mir frisch geschlüpft zu sein, was auch Sinn machte, nachdem Callum gesagt hatte, Mutter und Kind seien gerade aus dem Krankenhaus nach Hause gekommen.

»Drei Tage«, antwortete Amaya und hob die Sektflöte an die Lippen. »Der errechnete Termin war eigentlich der zwanzigste September, aber dann ist sie schon am sechsten zur Welt gekommen. Sie hatte eine leichte Gelbsucht, aber nicht weiter schlimm.«

»Sie war perfekt, obwohl sie aussah wie eine Banane«, sagte Carson und klopfte auf Camillas Po, während er sie gleichzeitig auf das Köpfchen mit dem rötlichen Flaum küsste.

»Colton, sei so lieb und schenk mir und unserem Gast doch bitte ein Glas Sekt ein, ja?«, sagte Harlow und zwinkerte mir verschwörerisch zu.

Colton starrte die Freundin seines Bruders fassungslos an. Dann richtete er jedoch die stahlblauen Augen auf mich und verzog den Mund zu einem boshaften Lächeln. »Kommt sofort.«

Ich sprang so hastig auf, als hätte das Sofa Feuer gefangen. »Ich kann mir selbst einen holen. Ich bringe dir einen mit, Harlow. Setz dich, Colton.«

Er funkelte mich an wie ein bockiges Kind, und ihm stand ins Gesicht geschrieben, wie wenig es ihm passte, dass ich ihm Anweisungen gab. Aber schließlich ließ er sich doch in einen der Sessel fallen, wobei er mich weiter finster musterte, während ich an den überdimensionalen Esstisch trat und Harlow und mir ein Glas Sekt holte.

»Hast du befürchtet, ich würde dir in dein Blubberwasser spucken, Martagon?«

Wann hatte er Gelegenheit gehabt, Liliensorten zu googeln zwischen meiner Ankunft und jetzt?

»Martagon?«, fragte Callum neugierig.

Colton ignorierte ihn.

Ich reichte Harlow ihren Prosecco und setzte mich wieder. »Natürlich nicht. Nur Kinder oder kindische Erwachsene spucken in die Getränke anderer Leute oder manipulieren sie sonst wie. Ich schenke mir meine Getränke grundsätzlich lieber selbst ein, das ist alles.«

Er musterte mich weiter so eindringlich, dass ich mich unter seinem grimmigen Blick wand. Dann zog er einen Mundwinkel hoch. »Was machen deine Kürbisse und Kirschpaprika?«

Ich zog die Brauen hoch. »Wieso?«

Als ich sein selbstgefälliges Grinsen sah, stieg Unbehagen in mir auf.

Callum räusperte sich, was Colton und mich – Gott sei Dank – von unserem merkwürdigen Austausch ablenkte. »Sprechen wir über den Waffenstillstand, den du vorhin erwähnt hast, Lily. Ich habe keinerlei Stress mit dir. Harlow und Carson ebenso wenig. Und Amaya hast du gerade erst kennengelernt, das Problem kann also nur Mr. Ohrtunnel betreffen.«

Colton warf seinem älteren Bruder einen giftigen Blick zu, sagte jedoch nichts.

»Colton und ich kommen nicht so gut miteinander klar«, begann ich.

»Ich bin hier«, grollte er und verschränkte die Arme vor der breiten Brust.

»Das ist mir bewusst«, fauchte ich. »Aber ich spreche gerade nicht mit dir, sondern mit Callum.« Ich wandte mich wieder Callum zu. »Wie gesagt, Colton und ich verstehen uns nicht besonders. Ehrlich gesagt weiß ich gar nicht, warum, doch die Chemie hat von Anfang an nicht gestimmt zwischen uns. Aber die Zukunft und die Integrität von Winter Harbor sind wichtiger als unsere Streitigkeiten, und darum bin ich gekommen, um ihm einen vorübergehenden Waffenstillstand anzubieten, damit wir alle zusammenarbeiten können. Wir arbeiten ja schon Hand in Hand bei den Demos und beim Unterschriftensammeln, und ich denke, wir konnten zumindest abwenden, dass Dunlop sich das Marschland unter den Nagel reißt. Aber der Kampf ist noch lange nicht vorbei, und wir müssen uns zusammenschließen gegen unseren gemeinsamen Feind.«

Callum nickte. »Ganz deiner Meinung. Und was schlägst du vor?«

Ich seufzte, nippte an meinem Sekt und blickte zwischen Harlow und Callum hin und her. Wenn ich Colton ignorierte, fühlte ich mich sicherer. »Sid meinte, ich solle für das Bürgermeisteramt kandidieren, und auch wenn ich den Gedanken im ersten Moment absurd fand, scheint mir das, je mehr ich darüber nachdenke, gar keine schlechte Idee zu sein.«

Colton schnaubte verächtlich, aber ich beachtete ihn nicht. Carson und Amaya kamen näher. Amaya hielt jetzt Camilla auf dem Arm, und Carson trug drei Flaschen Bier in den Händen. Er reichte Callum und Colton je eine davon und behielt eine für sich.

Camilla schmatzte und drehte das Gesicht ruckartig Amaya zu, woraufhin ihre Mutter mit dem Baby nach oben ging, derweil Carson sich zu Callum auf das andere Sofa setzte. Callum brachte den mittleren der drei Brüder auf den neuesten Stand. Dann waren vier Augenpaare auf mich gerichtet.

Ich schluckte und setzte ein, wie ich hoffte, vertrauenerweckendes Lächeln auf und nahm mir vor, mich von Colton Winters nicht wieder aus dem Konzept bringen zu lassen.

Schade nur, dass er mir so unter die Haut ging, mein Höschen bereits wieder feucht war und ein ganzer Schwarm Schmetterlinge in meinem Bauch gerade Samba tanzte.

Ich nippte noch einmal an meinem Glas und genoss die erfrischende Wirkung des perlenden Getränks.

»Dann ziehst du in Betracht, für das Bürgermeisteramt zu kandidieren?«, fragte Callum. »Ich meine, ernsthaft?«

Ich zuckte die Achseln. »Vielleicht. Allerdings lebe ich in Summer Hills, und Grundvoraussetzung für eine Kandidatur wäre, dass ich in Winter Harbor ansässig bin. Vielleicht sollte stattdessen einer von euch kandidieren. Wie wäre es mit Harlow?« Ich sah sie abwechselnd an, auch Colton, und appellierte an ihre Hilfsbereitschaft und ihren Wunsch, sich für das Wohl der Stadt einzusetzen und den Namen Winters reinzuwaschen.

Einer nach dem anderen schüttelte den Kopf. Auch Harlow.

»Ich habe mit der Kanzlei zu viel am Hals«, sagte sie. »Jungs?«

Callum schüttelte wieder den Kopf, als er jedoch sah, wie ich enttäuscht den Kopf hängen ließ, fügte er hinzu: »Zumindest nicht gleich. Wir wohnen noch nicht lange genug hier. Es würde den Leuten nicht gefallen, wenn einer der Enkelsöhne des verhassten Errol Winters keine sechs Monate, nachdem er sich hier niedergelassen hat, schon für dieses Amt kandidiert. Alle würden ihm zwielichtige Absichten unterstellen und bezweifeln, dass es ihm nur um das Wohl der Stadt und ihrer Bewohner geht.«

»Ich bin ganz deiner Meinung«, sagte Carson. »Ich denke, Callum würde eines Tages einen klasse Bürgermeister abgeben, aber wir müssen erst das Vertrauen der Leute gewinnen, bevor ein Winters darauf hoffen kann, in Winter Harbor in ein hohes Amt gewählt zu werden. Es trotzdem zu versuchen, wäre zum gegenwärtigen Zeitpunkt kontraproduktiv.«