Theaterstücke für einen bis vier Darsteller - Peter Wimmer - E-Book

Theaterstücke für einen bis vier Darsteller E-Book

Peter Wimmer

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Beschreibung

Austern in der Bretagne oder Kommunikation, ein Maskenspiel / The Kings oder Könige / VIOLA + BO / BENNI oder Aber morgen mache ich alles anders, ganz anders / Ich möchte etwas sagen / Es gibt sie noch / DRAUSSEN / BIRDS oder Die Sache mit der Brille / Nichts für alle / Der Souffleur / Jeden Morgen / Der Mann, der seinen Kopf zu Besuch erwartete / Man nehme / Gute Nacht Lisa oder Die Sache mit dem Teddy / Ich lebe / Ich liebe / Ich denke / Puppenmacher / Hurra, heute mauern wir uns ein

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Seitenzahl: 390

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PETER WIMMER

Theaterstücke für einen bis vier Darsteller

Schreckliches und Amüsantes.

Abendfüllendes und Kurzweiliges.

Aufführungsrechte bitte mit mir absprechen

Die Rechte liegen beim Autor und Verlag

Wimmer Visuelle Kommunikation

Am Lichterkopf 25

D-56112 Lahnstein

Telefon 02621/62625

[email protected]

www.wimmer-kommunikation.de

Ich schreibe Erzählungen, Kurzgeschichten, Märchen, Theaterstücke und Besonderheiten die sich nur schwer zuordnen lassen. Eine Zusammenfassung bieten die E-Books „Peter Wimmer, Erzählungen, Kurzgeschichten, Märchen“ und „Peter Wimmer, Theaterstücke für einen bis vier Darsteller.“

Unter dem Reihentitel “Kulturreisen individuell” erstelle ich filmische Reisedokumentationen. Dabei folge ich mit meiner Kamera den Spuren der Menschheitsgeschichte, so wie ich sie in den besuchten Reiseländern antreffe. Ich dokumentiere herausragende Kulturstätten und Landschaften, einfühlsam, sachlich, informativ.

“Schönheit, Anmut und große Architektur im alten Ägypten” das ist der Reihentitel einer 14-teiligen filmischen Dokumentation über das reiche Erbe der pharaonischen Kultur am Nil. Schauplätze sind die großen Pyramiden, Göttertempel, Totentempel, Museen und prächtig ausgestatteten Gräber in Kairo, Giseh, Sakkara, Medum, Tel el Amarna, Abydos, Dendera, Luxor, Edfu, Kom Ombo, Assuan, Philae und Abu Simbel. Die DVD „ÄGYPTEN – Highlights der pharaonischen Kultur“ vermittelt einen Eindruck dessen was die großen Schauplätze und Museen entlang des blauen Nils dem kulturinteressierten Reisenden bieten.

Die DVD „Highlights der Megalithkultur in Westeuropa“ zeigt kulturhistorisch bedeutende Monumente unserer Vorfahren, Kultstätten und Museen in der Bretagne, auf Malta, Gozo und Korsika, in England, Irland, Schottland, auf den Hebriden und auf den Orkneyinseln.

INHALT:

Austern in der Bretagne oder Kommunikation, ein Maskenspiel. Ein sehr lebhaftes abendfüllendes Theaterstück für vier Darsteller. Spielzeit ca. 90 Minuten.

The Kings oder Könige. Ein amüsantes abendfüllendes Theaterstück für drei Darsteller. Spielzeit ca. 90 Minuten.

VIOLA + BO, Lovestory im Orchestergraben. Ein liebenswertes Theaterstück für zwei Darsteller. Spielzeit ca. 45 Minuten.

BENNI oder Aber morgen mache ich alles anders, ganz anders. Eine schauspielerische Herausforderung für einen Darsteller. Spielzeit ca. 60 Minuten.

Ich möchte etwas sagen. Ein nicht ganz einfaches Theaterstück zur Einstimmung, für einen Darsteller. Der Aperitif. Die Sensibilisierung des Publikums, auf das, was folgt. Spielzeit ca. 10 Minuten.

Es gibt sie noch. Ein nicht ganz einfaches Theaterstück zum Ausklang, für einen Darsteller. Das Dessert. Die Hommage an das Publikum. Spielzeit ca. 20 Minuten.

DRAUSSEN. Ein kurzes aber eindrucksvolles Theaterstück für zwei Darsteller. Spielzeit ca. 8 Minuten.

BIRDS oder Die Sache mit der Brille. Eine bunte Beziehungskiste für zwei Darsteller und zwei Brillen. Spielzeit ca. 30 Minuten.

Nichts für alle. Ein immer aktuelles Theaterstück für einen Darsteller und einige Mitwirkende aus dem Publikum. Es geht um Nichts. Spielzeit ca. 20 Minuten.

Der Souffleur. Ein Theaterstück für einen der es satt hat. Spielzeit ca. 20 Minuten.

Jeden Morgen. Eine unheimliche Begegnung der dritten Art, am Fahrstuhl. Ein Psychotrip für einen mutigen Darsteller. Spielzeit ca. 10 Minuten.

Der Mann, der seinen Kopf zu Besuch erwartete. Ein grässliches Theaterstück für zwei Darsteller. Spielzeit ca. 90 Minuten.

Man nehme. Ein feines Regenwaldgericht mit erlesenen Zutaten. Zum Mitschreiben und Nachkochen. Ein Theaterstück für einen Vampir. Spielzeit ca. 8 Minuten.

Gute Nacht Lisa oder Die Sache mit dem Teddy. Eine nette Geschichte, nicht nur für Kinder. Ein Theaterstück für zwei jung gebliebene Darsteller. Spielzeit ca. 25 Minuten.

Ich lebe. Ein langweiliges Theaterstück für zwei Darsteller. Es geht um das, was das Leben lebenswert macht. Spielzeit ca. 10 Minuten.

Ich liebe. Ein ätzendes Theaterstück für zwei Darsteller. Es geht um das, was man Liebe nennt. Spielzeit ca. 30 Minuten.

Ich denke. Ein schlimmes Theaterstück für zwei Darsteller. Es geht um das, was vielleicht kommt. Spielzeit ca. 35 Minuten.

Puppenmacher. Ein Theaterstück für eine Puppe und für einen Macher. Spielzeit ca. 60 Minuten.

Hurra, heute mauern wir uns ein. Ein Theaterstück für einen Aussteiger. Spielzeit ca. 90 Minuten.

– – –

Austern in der Bretagne oder Kommunikation, ein Maskenspiel

Ein sehr lebhaftes abendfüllendes Theaterstück für vier Darsteller. Spielzeit ca. 90 Minuten.

Die Handlung spielt in einem Künstlerlokal mit besonderem Ambiente. Es gibt keine Tische, keine Stühle. Die Hauptakteure, drei Künstler, sitzen auf Leitern, wie auf Hühnerleitern und kommunizieren nach Künstlerart. Sie tragen Hahnenmasken. Wie beim Mensch-ärgere-dich-nicht kämpft jeder gegen jeden. Die Hähne rücken auf ihren Leitern, je nach Gemütszustand, hinauf und hinab. Die Sitzhöhe veranschaulicht die jeweilige Verlierer- oder Gewinnersituation.

Begleitet und dekoriert wird der Hahnenkampf von einer hübschen Dame. Sie bedient in diesem Lokal. Auch um sie ranken sich die Aktionen der kommunizierenden Herren. Das Spiel endet in einem Inferno.

Es geht in diesem Stück um das Gegenteil von Kommunikation. Es geht um dominantes Verhalten, um Unterwürfigkeit, um Anpassung und Taktieren. Es ist der Hahnenkampf unter Männern, der sich überall abspielt wo Männer einander begegnen.

Nichts ist wirklich in diesem Stück. Alles ist Fassade, Schminke, Einbildung, Show. Vieles ist durchsichtig, nur imaginär vorhanden. Es gibt keine Gewinner und keine Verlierer. Es ist wie im wirklichen Leben. Mal ist der eine oben, mal der andere. Die dargestellten Personen in diesem Stück sind wie du und ich. Oder nicht?

Vorschlag für den Bühnenaufbau:

Gedachte Glas-Eingangstür mit gedachtem Sicherungsrollo

Gedachte Fenster mit gedachter Markise

Bar mit Flaschen, Gläsern und Telefon

bunte Würfel, Kantenlänge ca. 50 cm

Garderobenständer

Spiegel, ca. 2,50 Meter hoch (Alufolie)

Rückwand, grau, ca. 2,50 Meter hoch

Schwarze Leitern mit je 8 breiten Stufen, schräg an der Rückwand befestigt.

Über gedachter Eingangstür und gedachten Fenstern ein Transparent: KÜNSTLERTREFF

Personen:

SYLVIA

MIKE

FRIEDER

GUIDO

Vorschlag Musik: Zu Beginn, in der Pause und gegen Ende französische Musik als Persiflage, z.B. ”Frankreich, Frankreich... olala, olala...”

Mit den Theaterbesuchern tritt eine hübsche Dame in den Zuschauerraum. Saloppe Frisur, ein modischer, die gute Figur betonender Mantel, Handtasche über der Schulter, Zeitschrift in der Hand. Sie stand mit den Theatergästen draußen und wartete auf Einlass. Sie geht auf die Bühne. Sie tritt, während die Zuschauer ihre Plätze einnehmen, vor die gedachte Eingangstür, sucht nach dem Schlüsselbund in der Tasche, findet ihn, geht in die Hocke, versucht das Schloss des gedachten Sicherungsrollos aufzuschließen. Sie wechselt mehrmals den Schlüssel, murmelt, schimpft.

SYLVIA: Blödes Schloss. Gestern hat’s doch noch funktioniert. So etwas Dummes. Woran liegt das nur?

Schließlich funktioniert es. Sie bewegt den gedachten Rollo ein Stück nach oben, hat aber dann Probleme. Sie zieht, stemmt, stöhnt, bekommt ihn nicht weiter hoch. Sie schaut sich hilfesuchend im Zuschauerraum um, versucht es noch einmal, ohne Erfolg. Sie wendet sich an die Zuschauer.

SYLVIA: Kann mir mal jemand helfen? Ich bekomme das blöde Ding nicht hoch.

Wenn niemand reagiert, spricht sie einen Herrn an, der in der ersten Reihe sitzt

SYLVIA: Bitte, würden Sie vielleicht so lieb sein. Ich bekomme das blöde Ding nicht hoch. Bitte!

Sie macht das sehr lieb, aber eindringlich. Der Herr kommt auf die Bühne.

SYLVIA: Ein blöder Rollo ist das. Ich glaube, er klemmt.

Sie versucht es noch mehrmals ohne Erfolg, lässt dann den Herrn ran. Wenn er es schafft, ok. Wenn nicht, hilft sie mit. Es gelingt. Der gedachte Rollo wird hochgeschoben. Ein ganz dickes, liebevolles:

SYLVIA: Danke.

Ein flüchtiges Küsschen auf die den Zuschauern zugewendete Wange des Herrn. Der Lippenstift hinterlässt Spuren. Der Herr geht zu seinem Platz zurück. Sie sucht den passenden Schlüssel für das gedachte Türschloss, versucht es mit mehreren. Wieder hilfesuchender Blick ins Publikum.

SYLVIA: Ich bekomme das Schloss nicht auf. So etwas Dummes. Mein Gott, ist mir das peinlich.

Sie versucht es noch einige Male mit mehreren Schlüsseln, ohne Erfolg. Sie wendet sich wieder an den Herrn im Publikum.

SYLVIA: Würden Sie vielleicht noch einmal so lieb sein? Bitte. Das ist mir sehr unangenehm. Wirklich.

Der Herr kommt, erhält den Schlüsselbund.

SYLVIA: Einer passt. Ich bin ganz sicher. Das ginggestern noch ganz leicht.

Der Herr hat keine Probleme. Die Tür ist offen.

SYLVIA: Sie sind ein Schatz.

Sie umarmt ihn. Nimmt seine Hände, betrachtet sie bewundernd, liebkost sie mit ihrer Wange, betrachtet sie wieder.

SYLVIA: Sie haben goldene Hände. Wissen Sie das? Was die alles können.

Küsschen. Ein tiefer Seufzer.

SYLVIA: Vielleicht sehen wir uns nachher noch. Haben Sie Zeit? Ja? Schön. Tschüss. Bis dann.

Sie trippelt hinein, wirft Tasche und Zeitung auf die Theke der Bar, trippelt zum Spiegel an der Rückwand, schaut flüchtig hinein, korrigiert etwas an den Augenlidern, zieht den Mantel aus, hängt ihn an den Kleiderständer. Sie trägt einen Mini und ein luftiges Oberteil.

Sie schaut nochmals kurz in den Spiegel, zupft am Mini, trippelt zur Bar, nimmt den Lippenstift aus der Tasche, trippelt zurück, zieht die Lippen nach, trippelt zur gedachten Eingangstür, wirft dabei den Lippenstift auf die Bar. Draußen vor dem ersten gedachten Fenster greift sie zur gedachten Kurbel der gedachten Markise. Sie kurbelt die gedachte Markise heraus. Dann die vor dem zweiten gedachten Fenster. Jedoch - die klemmt. Sie versucht es mehrmals. Zwischendurch einige hilfesuchende Blicke zu dem Herrn im Publikum. Bevor der jedoch heraufgekommen ist - ein Ruck und sie hat es geschafft.

Sie schaut nach oben, so als wäre da etwas nicht in Ordnung, an der gedachten Markise. Sie reckt sich, kommt nicht dran, springt mehrmals. Wieder scheuer Blick ins Publikum zu dem hilfsbereiten Herrn.

SYLVIA: Oh bitte, wären sie vielleicht noch einmal so lieb? Bitte.

Der Herr kommt. Sie strahlt, trippelt ihm entgegen. Küsschen. Sie nimmt seine Hände bewundernd.

SYLVIA: Sind das Hände. Würden Sie mal?

Sie zeigt ihm, wie er die Hände verschränken soll, damit sie ihr als Leiter dienen. Dann zieht sie die Schuhe aus, versucht mit dem rechten Fuß hineinzusteigen. Kommt nicht hoch, dreht und zieht am Mini, versucht es mehrmals, bis sie es schafft. Sie hält sich sehr linkisch am Kopf des Herrn fest, bringt ihm dabei dieHaare durcheinander. Sie werkelt an der gedachten Markise, bis sie zufrieden ist, steigt ab, umarmt den Herrn stürmisch. Mehrere Küsschen. Sie ordnet seine Haare, haucht ein:

SYLVIA: Bis nachher.

Sie schaut ihn verliebt an, wirft ihm Kusshände zu, zieht die Schuhe an, trippelt nach drinnen, nimmt einen Lappen, wischt, sich tief nach vorn beugend, an den Würfeln. Sie putzt den Spiegel, haucht dabei mehrmals auf die Spiegelfläche, reckt und streckt sich

Derweil kommt ein verspäteter Besucher in den Zuschauerraum, ein eleganter Herr. Er hat den offenen grauen Mantel lose über den Schultern hängen, den Kragen hochgeschlagen. Er trägt eine helle Cordhose, ein grün kariertes Sakko, ein hellblaues Hemd und eine grün karierte Fliege. Auf den Haaren sitzt eine große Sonnenbrille, von den Bügeln seitlich am Kopf gehalten.

Während die junge Dame eifrig wischt schlendert der Herr, die Hände in den Hosentaschen, provozierend langsam im Zuschauerraum vor der ersten Reihe entlang. In der Mitte stehend ruft er sehr selbstbewusst in das Publikum hinein.

MIKE: Ist der Platz da noch frei? Diesen meine ich.

Er zeigt auf einen freien Stuhl in der Mitte der dritten Reihe, der vorher mit „Reserviert“ freigehalten wurde.

MIKE: Ist der noch frei? Ja? Schön. Würden Sie dann bitte eins rüberrücken? Sie meine ich.Bitte eins rüber. Nun rücken Sie doch schon. Wenn die ganze Reihe aufrückt, brauche ich mich nicht durchzwängen. - Danke.

Er geht zur Seite, schaut dabei zur Bühne. In der Höhe der gedachten Eingangstür reckt er sich. Die junge Dame beugt sich gerade sehr tief beim Staubwischen. Der Herr schmunzelt, wechselt mehrmals die Position um besser sehen zu können, steigt langsam hinauf auf die Bühne.

Er steht vor den gedachten Fenstern und schaut nach oben zum Transparent, während die junge Dame eine der gedachten Fensterscheiben säubert. Sie haucht, wischt kreisförmig. Der Herr streckt den Kopf nach vorn und winkt. Sie nimmt ihn jetzt erst wahr, lächelt keck. Der Herr winkt mehrmals, geht dann zur gedachten Eingangstür. Sie steht offen.

MIKE: Darf ich eintreten schönes Kind? Ist das ein Lokal?Künstlertreff, hmm, sieht interessant aus, wirklich, interessant.

SYLVIA: Klar ist das ein Lokal. Aber ein besonderes, mein Herr. Eins für Künstler.

MIKE: Hmm, interessant. Ein Lokal für Künstler. Interessant. Was machen die denn hier. Vielleicht...Ist das ein Nachtlokal?

SYLVIA: Nein, mein Herr, wenn es auch manchmal... Die Künstler betreiben Kommunikation bei uns. Gedankenaustausch, verstehen Sie? Happenings, Meetings, verstehen Sie?

MIKE: Soso, Kommunikation, Happenings, Meetings. Soso. Austausch. Dann ist das ja auch etwas für mich. Ich liebe ... die Kommunikation. Besonders, wenn sie so hübsch ist. Sehr interessant. Sie sind eine außergewöhnlich interessante junge Frau. Wissen Sie das?

Sie ist verlegen, zupft am Mini und am Oberteil.

SYLVIA: Bei uns verkehren nur interessante Leute. Künstler halt. Sind Sie auch Künstler, mein Herr?

MIKE: Das sehen Sie doch wohl, schöne Frau. Oder sieht man das nicht?

SYLVIA: Doch, natürlich. Wenn Sie Platz nehmen möchten. (sie weist zu den Würfeln, wischt noch einmal über einen) Bitte sehr. Sie sind der erste Gast heute. Aber in ein paar Minuten werden Sie in bester Gesellschaft sein. (sie nimmt ihm den Mantel ab, hängt ihn an den Kleiderständer) Möchten Sie etwas trinken?

MIKE: Ja gerne. Was haben Sie denn für Biersorten?

SYLVIA: Eine Menge, mein Herr. Hunninger, Bitbacher, Klosterbrannt, Amstel-Neu, Bucks, Gimmes, Heinriken ...

MIKE: Ich nehme ein Gimmes.

SYLVIA: Oh, einen Moment noch. Das habe ich vergessen zu sagen.

Sie reckt sich über die Theke, greift nach einer bunten Hahnenmaske und reicht sie Mike.

MIKE: Was ist das?

SYLVIA: Das müssen Sie anziehen. Es ist bei uns so üblich. Herren tragen das. Es ist die besondere Note unseres Hauses. Es fördert die Kommunikation. Versuchen Sie es.

Mike steht auf, geht mit der Maske zum Spiegel.

MIKE: Wirklich ein besonderes Lokal. Ein besonderes Ambiente. Interessante Atmosphäre. Wenn die Gäste auch so sind.

Er probiert die Maske. Sie umschließt den Kopf, reicht bis auf die Schultern, lässt das Gesicht frei, wird unter dem Kinn zugeknöpft. Sie ist mit echten Hahnenfedern bestückt. Oben wackelt ein roter Hahnenkamm. Über den Augen des Akteurs schwebt ein großer gelber Schnabel. Mike dreht und wendet sich, zupft an sich herum, schneidet Grimassen im Spiegel, stolziert hin und her, betrachtet sich vonallen Seiten.

Ein Mann in schwarzem Mantel, mit schwarzem Künstlerhut, im Nacken ein Haarzopf, kommt gelassen vom Eingang her durch den Zuschauerraum. Er steuert direkt auf die Bühne zu.

SYLVIA: Oh, sehen Sie, der nächste Gast kommt. Das ist Frieder.

FRIEDER: Hallo, Sylvia. Wie geht‘s? (Küsschen links, Küsschen rechts) Du siehst gut aus mein Schatz. Wie immer. Oh, heute bin ich nicht der erste wie ich sehe.

Er geht sehr selbstbewusst auf Mike zu, streckt ihm die Hand entgegen. Der steht etwas verlegen da mit seiner Hahnenmaske.

FRIEDER: Ich heiße Frieder.

MIKE: Hallo, guten Abend, ich heiße Mike, eigentlich Michael. Aber Freunde nennen mich Mike. (die beiden schütteln sich die Hände. Mike zeigt auf die Maske) Muss ich das anbehalten?

FRIEDER: Natürlich. Wir Männer tragen diese Dinger. Das macht Laune. Sie werden sehen. Das ist ein besonderes Lokal.

Er zieht den Mantel aus, trägt darunter schwarze Hose, schwarzen Pulli, bunten Seidenschal, locker gewunden, keine Strümpfe, schwarze Slipper.

FRIEDER: Sie sind wohl das erste Mal hier?

SYLVIA: Ihr Gimmes, Herr Mike. (sie stellt es auf einen Würfel, wendet sich an Frieder)Für dich einen Cailluc, gut gekühlt, wie immer?

FRIEDER: Wie immer.

Er greift sich selbst eine Hahnenmaske, zieht sie an.

FRIEDER: Wollen wir es uns gemütlich machen Mike? Kommen Sie.

Er setzt sich auf einen Würfel. Mike nimmt sein Bier, setzt sich auf einen Würfel daneben.

MIKE: Wirklich interessantes Lokal, interessantes Ambiente. Das muss ich sagen. Ich bin froh, dass es so etwas jetzt für Künstler gibt. Wovon leben Künstler, wenn nicht von der Kommunikation. Kommuni...

FRIEDER: Apropos Künstler. Welche Art Künstler sind Sie, wenn ich fragen darf?

SYLVIA: Dein Cailluc, Frieder. Zum Wohl die Herren.

FRIEDER: Ich bin Designer, Grafiker, Videograph. Ich nehme an, das sagt Ihnen was. Ich arbeite für eine auserlesene Klientel. Corporate identity, Imagine design. Ich nehme an, das sagt Ihnen was. (er setzt einen zweiten Würfel auf, sitzt nun wesentlich höher als Mike) Was sagten Sie? Welche Art Künstler...? Übrigens, vielleicht kann ich einmal etwas für Sie tun. Hier meine Karte.

Er reicht seine Visitenkarte. Mike rückt verlegen auf seinem Würfel hin und her, betrachtet die Karte, dann reckt er den Oberkörper auf.

MIKE: Ja... Ja... Ja... Fotograf bin ich. Fotograf. Livestile, Natural art. Ich nehme an, das sagt Ihnen was.

Sylvia sitzt auf zwei aufeinander gestapelten Würfeln an der Bar. Sie blättert in ihrer Zeitschrift, hat zum Lesen eine lustige farbige Brille angezogen, die Sie immer absetzt wenn Sie agiert. Sie hat ihr Handy und Kopfhörer aus der Tasche geholt. Sie hört Musik und feilt an den Fingernägeln. So beschäftigt sie sich während des gesamten Stücks.

FRIEDER: Soso, Fotograf sind Sie. Ja, Fotografen gibt's viele.

MIKE: Aber nicht viele die das machen was ich mache. Ich weiß keinen. Es ist... Es ist... Es ist eine Sache des Stils und der Intention. Nicht die Kamera macht Bilder. Es ist das Herz, das Engagement des Künstlers. Und es sind auch keine Bilder, meine Bilder... Es ist... Es ist...

Er baut sich auch einen zweiten Würfel auf den ersten.

MIKE: Es ist... Seele. Jawohl, ich fotografiere Seele. Daraus entstehen Bildbände, keine Bilderbücher. Das sind Wertobjekte. Ich stelle mir selbst sehr hohe Anforderungen, das können Sie mir glauben. Zur Zeit ist mein Thema Auf den Spuren vergangener Kulturen. Ich arbeite gerade...

FRIEDER: Seele, interessant, sehr interessant. Oh, da kommt Guido.

Er springt auf, eilt zur Tür. Dort steht ein Mann in einer Weste aus Schafspelz, die Hände in den Hosentaschen. Locker und lässig steht er da. Auf dem Kopf hat er ein rundes, buntes gehäkeltes Käppchen mit Bommeln. Er trägt eine ockerfarbene Tuchhose mit Beintaschen und hohe weiche hellbraune Lederschuhe. Die beiden begrüßen sich überschwänglich, umarmen sich.

FRIEDER: Tritt ein, mein Freund. Schön dich zu sehen. Du siehst gut aus. Wie geht es dir? Sylvia, einen Drink für meinen Freund Guido.

SYLVIA: Tomatensaft Guido, wie immer?

GUIDO: Wie immer.

FRIEDER: Wie geht es der lieben Nicole? Dumme Frage. Wie soll es ihr gehen, bei deinen Qualitäten? Was machen die lieben Kinder? Sie sind doch so begabt. Üben Sie noch fleißig ...? Ach, übrigens das ist Mike. Er ist heute zum ersten Mal hier. Ein sehr interessanter Gast. Fotograf. Livestile, du weißt schon. Seele fotografiert er, wirklich sehr ...

MIKE:Gestatten, Mike, eigentlich Michael, Freunde nennen mich Mike. Fotograf, Livestile, Natural art, Bildbände, vergang...

GUIDO: Tag Mike. Ich heiße Guido. Ich bin Stammgast in diesem Etablissement. Ich hoffe, Sie fühlen sich wohl in unserem Kreis.

Er hängt sein Käppchen an den Kleiderständer, betrachtet sich im Spiegel, ordnet die Haare, zupft an der Weste. Sylvia bringt ihm seine Maske, stellt den Saft auf einem Würfel ab. Guido steht breitbeinig vor dem Spiegel, zieht die Maske an, korrigiert den Sitz, betrachtet sich selbstgefällig.

GUIDO: Was wären wir Künstler ohne Kommunikation, sage ich immer. Von der Kommunikation lebt die Kunst, sage ich immer. Das brauchen wir wie die Luft zum Atmen, sage ich auch immer. Ist das nicht so? (er schlägt Mike kräftig auf den Rücken. Der fällt fast von seinem Würfelturm)

GUIDO: Was ist ein Fotograf ohne Kommunikation mit anderen Künstlern? Was? Ich sage es Ihnen. Nichts. Ein Möchtegernfotograf. Ein Möchtegernkünstler. Und davon gibt es viele. Hab’ ich Recht, Frieder?

Guido baut zwei Würfel übereinander, neben die linke Leiter, stellt sein Glas auf den obersten Würfel, nimmt auf Stufe 4 der Leiter Platz. Er sitzt etwas höher als die beiden auf ihren Würfeln.

FRIEDER: Guido ist Dichter und Schriftsteller. Einer von den ganz großen. Wissen Sie? Er sieht das aber nicht so. Er ist halt bescheiden.

GUIDO: Hören Sie nicht auf ihn, er übertreibt. Was macht deine Kunst, Frieder? Hast du gut zu tun? Natürlich hast du gut zu tun, bei deiner Qualifikation. (an Mike gewendet) Frieder ist ein großer Künstler. Ein... Ein Kommunikationskünstler. Nicht war, Frieder? Was der macht, das macht der tausendprozentig. Das ist mehr als Begabung. Das ist ... Berufung. Nicht wahr, Frieder? Übrigens, der Professor ist nicht davon abzubringen eine Rezension für mein neues Buch zu schreiben. Schatten in den Wäldern. Du weißt schon. Ich hatte ihm das Manuskript gegeben. Er sagt, es wird mein bestes. Du bekommst das erste Buch. Wie immer. Frisch aus der Druckerpresse. Mit Widmung natürlich. Und für deine liebe Frau auch eins. Ich weiß wie ihr beiden euch freut.

FRIEDER: Danke Guido. Wir wissen das zu schätzen. Nicole schwärmt sehr für deine Bücher. Das weißt du ja. (an Mike gewendet) Guido hat schon fünf Bücher veröffentlicht. Keine Romane, keine Schmöker - Literatur! Nicht wahr, Guido? Im Eigenverlag! Lyrik und Prosa! Nicht wahr Guido? Das sind Bücher! So was finden Sie in keiner Buchhandlung. (an Guido gewendet) Ich denke immer noch, dein erstes ist dein bestes. Werte im Fluss, nein, Verflossene Werte, nein ...

Er schaut hilfesuchend zu Guido.

GUIDO: Werte im Wandel. Es ist das erfolgreichste. Ob es deshalb auch das beste ist? Ich weiß nicht. Der Professor sagt, das neue, Schatten in den Wäldern, sei voller Tiefe und er glaubt, dass es ein Bestseller wird. Er sagt ...

MIKE: (springt auf) Entschuldigen Sie bitte, dass ich unterbreche. Ich sehe, ich bin wirklich in allerbester Gesellschaft. Erlauben Sie meine Herren, dass ich mich etwas näher vorstelle. (er räuspert sich) Bitte, schöne Frau, noch ein köstliches Gimmes. Gimmes ist kein Bier, Gimmes ist Nektar, Gimmes ist Geistesnahrung. Gimmes ist ... Aber wem sage ich das. Entschuldigen Sie meine Herren.

Er geht auf und ab vor dem Spiegel, zupft an der Maske, am Jackett, an der Fliege.

MIKE: Gimmes ... Ich meine ... Ja, Fotograf bin ich in Sachen Kultur, Spezialist für Bildbände. Das sagte ich ja schon. Vergangene Kulturen. Das sagte ich auch schon. Aber, ich bin noch mehr.

Er strahlt sich an im Spiegel, zupft mit beiden Händen an der Fliege, schwingt sich herum.

MIKE: Ich bin Weltreisender, meine Herren.

Er stolziert zur mittleren Leiter, baut dort einen Turm für sein Glas, ersteigt die Leiter, setzt sich auf Stufe 5, eine Stufe höher als Guido. Der schaut überrascht.

MIKE: Weltreisender. Das müssen Sie wörtlich nehmen. Ich bin Botschafter. Botschafter in Sachen Kultur, meine Herren. Sie verstehen das. Bedrohte Kulturen ist mein Thema. Ich schaffe Werke die wachrütteln. Werke die an das Gewissen appellieren. Da gibt es viel zu tun, meine Herren.

GUIDO: Da stimme ich Ihnen zu. Das deckt sich mit dem was ich denke. Das finden Sie auch in meinen Büchern. Gerade wir Deutschen müssen in der Welt Verantwortung übernehmen. Wir sind die Elite. Wir sind doch prädestiniert Werte wieder ins richtige Licht zu rücken. Wenn wir es nicht machen meine Herren, wer macht es dann? Übrigens Herr Mike, nicht dass Sie glauben, ich würde nur Gedichte schreiben. Nein, in erster Linie schreibe ich anspruchsvolle Prosa. Oh, ich habe zufällig ein Buch von mir dabei. Rein zufällig. Wenn Sie mal reinschauen wollen?

Er holt ein Taschenbuch aus der linken Beintasche, reicht es rüber. Mike blättert darin herum.

GUIDO: Da steht das drin, was Sie vorhin gesagt haben, mit den Werten und so. Das ist Literatur, die bewegt, die wachrüttelt. Das ist anspruchsvoll. Das ist ... Das finden Sie in keinem Buchladen. Ich verkauf's Ihnen. Nein? Da sind keine Bilder drin, was? Das ist kein Bilderbuch Herr... (leiser) Mickymaus. Das ist Literatur, Herr Mike!!

Er steckt das Buch wieder ein und steigt auf Stufe 6.

FRIEDER: (springt auf) Übrigens, Mike, wenn Sie Weltreisender sind... Ich meine ... dann kennen Sie sich bestimmt auch in Frankreich gut aus, nicht wahr? Dann sind Sie doch bestimmt mit mir der Meinung ...

GUIDO: (abgewendet) Ach du meine Güte. Jetzt geht das los. Natürlich kennt sich der Herr in Frankreich aus. Der Mann hat Lebensart, das siehst du doch. Wenn er wahrscheinlich auch nicht lesen kann.

FRIEDER: (steht neben der Leiter von Mike) Ich habe ein Haus in Frankreich, in der Bretagne. Kennen Sie die Bretagne? Da kann man leben, nicht wahr? Das ist Lebensart, nicht wahr? Übrigens ... ich bin Franzose.

Guido wendet sich angewidert ab, hat die Beine übereinander geschlagen, stöhnt.

GUIDO: Oje, Sylvia bitte noch einen Saft.

FRIEDER: Natürlich nicht wirklich Franzose. Ich meine ... Natürlich bin ich Deutscher wie sie. Aber im Herzen - da bin ich Franzose. Und in meinem vorigen Leben ...

GUIDO: Oje.

Er schlägt die Beine andersherum übereinander, schaut in die Luft.

FRIEDER: In meinem vorigen Leben, ja, da war ich Franzose. Ich bin sogar auf dem Meer geboren, auf einem Schiff. Das weiß ich.

Er rückt seine Würfel neben die dritte Leiter und nimmt auf Stufe 5, in Höhe von Mike, Platz.

GUIDO: Oje. Oje.

Er schlägt die Beine wieder andersherum übereinander, fährt mit dem Finger kreisend über den Rand seines Glases, versucht einen Ton zu erzeugen.

FRIEDER: Ich war Fischer. Glauben Sie es mir. Mein Vater war Kapitän. Das habe ich im Blut. Meine Mutter ...

GUIDO: Du warst Fischer, dein Vater Kapitän? Das sagt alles. Deshalb nimmst du immer dein Paddelboot mit nach Frankreich und faselst mir hernach die Ohren voll von riesigen Austern und Schalentieren, von .... Ich halte das nicht mehr aus. Frankreich. Frankreich. Nur Franzosen hier, was? Ich bin Deutscher! Und ich bleibe Deutscher!

Er rückt hoch auf Stufe 7.

GUIDO: Ich bin stolz auf mein Land. Ich brauche keine Weltreisen und kein Paddelboot. Das einzige was ich brauche ist Papier und einen Bleistift. Hier Papier, mein Notizbuch. Hier der Bleistift. (er hat beides aus der rechten Beintasche gezogen, hält es hoch) Ohne das bin ich nackt. Was macht der deutsche Mann wenn ihn die Gehirnstürme durchbrausen? Was? Natürlich, er schreibt, hält Werte fest, die ansonsten für immer verloren gingen. Wir machen Urlaub auf einem richtigen deutschen Bauerhof. Das ist kein Luftschloss in Frankreich, das ist eine landwirtschaftliche Einrichtung, die dazu dient, dass zu erzeugen, was deutsche Menschen brauchen. Gesunde Nahrung. Nicht irgendwelche Spitzfindigkeiten für Spinner. Alle die auf diesem Bauernhof leben sind Deutsche. Sie sind stolz darauf. Und wir haben immer unser Zelt dabei, weil wir auf guter deutscher Erde schlafen wollen. Im Bayerischen Wald zum Beispiel, da kenne ich einen ...

MIKE: (ist aufgesprungen, steigt von der Leiter) Entschuldigen Sie dass ich unterbreche. Aber ich glaube, ich muss einmal etwas klarstellen. (er tritt vor den Spiegel, zupft an der Maske, an Jackett und Fliege.) Ich bin nicht nur Fotograf und Weltreisender, meine Herren. Das mache ich nebenher.

Er wendet sich mit einem Ruck zu den beiden.

MIKE: Ich bin Verkaufsleiter. Nobelhaus, kennen Sie sicher. 32 % Marktanteil. Wir sind das erfolgreichste Unternehmen der Branche, meine Herren. Und unser Erfolg hat sehr viel mit dem zu tun, was Sie Herr Guido Gehirnstürme nennen. Jawohl. Der Erfolg von Nobelhaus ist im wesentlichen mein Verdienst. Es ist das Ergebnis meiner Gehirnstürme. Aber es genügt nicht, dass ich die auf ein Stück Papier kritzele. Um geistig hochwertige Potenz erfolgreich umzusetzen benötigt man mehr als Papier und einen Bleistift. Dazu gehört Weitsicht, unternehmerischer Mut, Einfühlungsvermögen, eine hochqualifizierte, hochmotivierte Mannschaft, Marktbeobachtung, Logistik, eine bis ins kleinste Detail durchorganisierte Fertigungstechnik und viel viel Engagement, meine Herren.

Guido ist mittlerweile auf Stufe 5 seiner Leiter heruntergerückt, krümmt sich zusammen. Frieder rückt auf Stufe 3 nach unten.

MIKE: Mit Bauernhöfen und Paddelbooten hat das nichts zu tun. Aber mit Werten. Mit dem, was Sie Herr Guido so oft zitieren. Ein Wertobjekt, jawohl, das ist unser Nobelhaus, etwas, in dem man frei atmen kann, in dem man sich entfalten kann. Und das nicht nur für ein Leben. Da haben die Urenkel noch etwas Ordentliches, meine Herren. Ein Nobelhaus ist kein Haus für Traumtänzer und Möchtegernphilosophen. Es ist ein Haus für klare Denker. Ein Nobelhaus rechnet sich über Generationen.

Guido ist tiefer gerückt, jetzt auf Stufe 4. Mike nimmt wieder auf seiner Leiter Platz, Stufe 5. Zu Frieder gewendet:

MIKE: Wir haben Niederlassungen überall in Europa, natürlich auch in Frankreich. Die französische Tochter ist auch sehr erfolgreich.

Eine Zeitlang ist Stille. Alle starren in die Luft. Sylvia singt einen Song mit, den sie im Kopfhörer hört, trommelt mit den Händen auf der Theke.

MIKE: Herr Frieder Sie sprechen von Lebensart. Ich spüre, dass Sie wissen wovon Sie sprechen. Aber, dann müssten Sie eigentlich unser Atriumhaus kennen. (Frieder schaut unglücklich) Nein, kennen Sie nicht? Schade, ein Mann ihrer Lebenseinstellung ... Es ist unser Flaggschiff. Aber, Sie können mich ja einmal besuchen. Sie beide. Ich wohne in einem Atriumhaus. Dann lernen Sie wirkliche Lebensart kennen.

FRIEDER: Also, ich meine ... Ich glaube ... Ja, von Lebensart verstehe ich was, auch ohne Atriumhaus, Herr Mike. Und das praktiziere ich nicht nur in Frankreich. Sie können mich ja einmal besuchen. Dann lernen Sie meine Version von Lebensart kennen. Ich brauche dazu kein Papier, keinen Bleistift, keinen Bauernhof, keine deutsche Erde wie der da. Ich brauch in erster Linie - Zeit. Das ist das wichtigste. Wer hat heute noch Zeit? Und nette Freunde natürlich. Sehen Sie. Und weil die Franzosen eine ganz andere Einstellung zu den Dingen des Lebens haben, weil Sie zu leben wissen, weil Sie Zeit haben - deshalb haben wir ein Haus in Frankreich.

Frieder rückt zwei Stufen hoch auf 5, in gleiche Höhe wie Mike.

FRIEDER: Wenn Sie uns besuchen koche ich etwas Gutes. Französische Küche. Und dazu trinken wir ...

GUIDO: Einen roten Meduc, bester Jahrgang, von deinem Freund, dem Schlossbesitzer. (Zu Mike gewendet) Er trinkt nur roten Meduc aus Frankreich, von seinem Freund, dem Schlossbesitzer. Nicht wahr, Frieder? Und seine Antiquitäten sollten Sie mal sehen. Aus Frankreich natürlich, aus dem vorigen Leben - natürlich. Nicht wahr, Frieder?

FRIEDER: (zu Mike) Es stimmt. Ich habe einige schöne alte Stücke aus Frankreich. Aber ich sammle nicht einfach Antiquitäten. Das dürfen Sie nicht glauben. Ich sammle nicht. Ich lebe mit diesen Dingen. Sie strahlen aus, was mir gut tut. Sie haben viel erlebt. Wenn sie erzählen könnten ... Sie machen mir meine Vergänglichkeit deutlich. Deshalb genieße ich jeden Tag, was zu genießen ist. Sehen Sie, das ist für mich Lebensart. Aber das verstehen die wenigsten. Die meisten wollen immer mehr, mehr, mehr. Alles muss groß sein, größer, noch größer. Dafür rackern sie sich ab, hetzen, rennen, rechnen ...

Mike rückt auf Stufe 4 herunter.

FRIEDER: Ein Franzose lebt. Ich bin Franzose. A votre santé. Sylvia, nochmal das gleiche.

GUIDO: (richtet sich halb auf, klatscht) Frieder, das war das Beste, was ich bisher von dir gehört habe. Schade, dass das nicht ...

MIKE: Moment mal. Wollen Sie damit sagen, dass wir in Deutschland keine Lebensart haben weil wir zuviel arbeiten? Sie haben wohl reiche Eltern? Oder Sie befinden sich auf einem anderen Stern, Herr Frieder. Franzosen müssen auch arbeiten. Vielleicht mehr als wir. In keinem Land der Welt arbeiten die Menschen so wenig und leben dabei so gut wie bei uns. Das trifft natürlich nicht auf mich zu. Ich habe keinen Acht-Stunden-Job. Das möchte ich auch nicht.

Er rückt hoch auf Stufe 5.

MIKE: Ich will mich engagieren, will etwas leisten. Das macht mir Spaß! Und was ich mir gönne ist Lebenswert in höchster Potenz. Und das ist Lebensart meine Herren. Besuchen Sie mich in meinem Atriumhaus. Dann wissen Sie wovon ich spreche.

GUIDO: (fasst sich an den Bauch) Mir wird schlecht. Für was halten Sie uns? Wir wissen wovon Sie sprechen, Herr Mike. Business. Davon sprechen Sie. Geld regiert die Welt. Das ist der Zauberspruch mit dem Leute wie Sie alles zudecken wollen.

Er rückt hoch auf Stufe 5. Alle sitzen jetzt auf Stufe 5.

GUIDO: Aber genau das ist es, woran die Welt zerbricht. Ihre Zahlenspiele interessieren mich nicht. Das ist Hokuspokus. Wenn Sie Begriffe wie Lebensart und Lebenswert auf ihr Businessdenken umkrempeln dreht sich mir der Magen um. Damit werden die modernen Manager geködert. Mit solchen Begriffen werden sie benebelt. Jawohl. Benebelt. Das ist wie ..., wie Gehirnwäsche ist das. Die wahren Werte des Lebens werden umfunktioniert zum Kohlemachen. Einfach umgepolt, Plus und Minus ausgetauscht. Jawohl. So einfach ist das. Und die Herren Manager glauben an diese Scheißreligion und vergiften weiterhin was unser Leben auf diesem wunderschönen Planeten ermöglicht.

Er rückt auf Stufe 6 hoch.

GUIDO: Erzählen Sie das was Sie vom Leben und von Werten verstehen ihren Kindern. Besser - geben Sie es ihnen schriftlich, damit sie es später schwarz auf weiß haben, was für ein A... armer Mensch ihr Vater war.

Frieder klatscht. Das Telefon klingelt. Sylvia hebt ab. Sie spricht, während die Herren weiter kommunizieren.

SYLVIA: Hier Künstlertreff, guten .... Ach, du bist es. Was sagst du? Ich kann dich kaum verstehen. Es ist so laut hier. Was? Ach so. Ja, tut mir leid, Schatz. Das dauert noch was. Nein. Das geht nicht. Nein! Hier? Hier ist alles wie immer. Stammgäste. Du weißt schon. Langweilig wie immer. Ist was Schönes im Fernsehen? Oh, du tust mir wirklich leid. Aber ..., (leiser) ich glaube, die machen nicht mehr lange. Oh ja, ich freue mich auch. Bis gleich, Schatz. Bis gleich ... Bis gleich ...

MIKE: Ich habe keine Kinder. Ich bin Single. Das gehört mit zu ...

GUIDO: (ist aufgesprungen) Das glaube ich. Das passt zu Ihnen und zu ihrem Denken. Keine Kinder und die Welt vergiften mit Zahlen, mit Business Mist. So was wie Sie ... Wissen Sie was Sie sind? Sie sind ... Sie sind ...

Frieder ist ebenfalls aufgestanden.

FRIEDER: Jawohl, das sind Sie. Das sind Sie.

MIKE: Meine Herren. Meine Herren! Ich dachte, dies sei eine Kommunikationseinrichtung. Aber das hier hat doch nichts mehr mit Kommunikation zu tun. Wenn das Kommunikation ist, dann ... Wissen Sie, wie ich mir vorkomme?

Er hat sich erhoben, rückt hoch auf Stufe 6. Alle drei stehen auf den Leitern.

MIKE: Wie im Affenkäfig. Jawohl. So komme ich mir vor. Wenn Sie beide Künstler sind ..., dann ... Ich meine wirkliche Künstler, dann ... Dann sind die Affen im Zoo ... Jawohl die Affen. Dann sind die Affen im Zoo Kommunikationsexperten. Wo bin ich denn? Künstlertreff ..., Künstler ... pah.

Mike steigt von der Leiter, stellt sich vor den Spiegel, zupft aufgebracht an sich herum.

GUIDO: Sie sind schon richtig hier, in unserem Künstlertreff. Nur ob Sie richtig liegen, das bezweifle ich. Und ob bei Ihnen da oben die Pole richtig angeschlossen sind, das bezweifle ich auch.

Er legt sich provozierend entspannt auf die Leiter.

FRIEDER: Jawohl, das bezweifle ich auch.

Er legt sich ebenfalls so auf die Leiter.

GUIDO: (richtet sich wieder auf) Jetzt werde ich dem Herrn mal was von Kommunikation und von wirklichen Werten erzählen, von Werten die nicht mit Zahlen messbar sind, von Werten die nichts mit Business zu tun haben. Das gibt es, Herr Mike!

Er holt sein Notizbuch heraus, hält es Mike hin. Der steht noch vor dem Spiegel, zupft an sich herum.

GUIDO: Sehen Sie das? Ein Buch. Jawohl, das ist ein Buch. Da steht was drin. Alles kleine Buchstaben. Ist meistens so bei Büchern. Aber diese hier habe ich geschrieben. Es ist mein Notizbuch. Daraus lese ich Ihnen jetzt mal was vor.

MIKE: Ach lassen Sie mich zufrieden mit ihren Ergüssen. Schreiben Sie doch was Sie wollen. Das arme Papier kann sich nicht wehren. Was hat das mit Werten zu tun?

GUIDO: Dann zeigen Sie jetzt mal Lebensart, Sie Atriumhengst. Kommunikation ist Austausch. Da muss man auch mal zuhören können. Ich lese Ihnen jetzt ein paar Zeilen aus meinem Notizbuch vor.

Mike besteigt wieder die Leiter, setzt sich auf Stufe 5. Er schaut gelangweilt.

FRIEDER: Oje. Oje.

Er legt sich hin, stöhnt leise.

GUIDO: Zuerst das. Ich hab es gestern Abend geschrieben. Das kennst du auch noch nicht Frieder.

FRIEDER: Oje.

Er hält sich die Ohren zu.

GUIDO: Sylvia, bitte noch einen Saft.

FRIEDER: Mir einen Whosky.

MIKE: Mir ein Gimmes.

GUIDO: Also. Kommunikation, das ist die Überschrift, ist alles. Könnte alles sein, wenn alle Menschen, gleich ob weiß, gelb, schwarz, rot, groß oder klein, täglich eine Stunde Zeit fänden, Zeit für Kommunikation. Gut nicht wahr? Alle Probleme der Welt würden sich lösen, alle Kriege sich in nichts auflösen. Das ist toll, nicht wahr? Ich lese diese Stelle noch einmal ganz langsam.

FRIEDER: (windet sich) Oje. Oje.

GUIDO: Alle Probleme der Welt würden sich lösen, alle Kriege sich in nichts auflösen.“ Wunderbar. Eine neue Würde würde entstehen ...

MIKE: (springt hoch, ein Blick auf die Uhr) Oh, meine Herren. Ich muss gehen.(er steigt von der Leiter) Ich habe noch eine Verabredung. Eine wichtige. Meine Freundin wartet auf mich. Sie ist 16 Jahre jünger als ich. Eine wunderbare Person, selbständig, Steuerberaterin. (an Guido gewendet) Wenn Sie mal einen Steuerberater brauchen ... Nein? (an Frieder gewendet) Sie?

FRIEDER: Ich hab einen.

MIKE: Macht nichts. Naja, dann verabschiede ich mich. (er steht vor dem Spiegel, zupft an den Federn seiner Maske herum) Schade, dass Tanja mich nicht so sehen kann. (er dreht sich, wendet sich, betrachtet sich wohlgefällig) Wirklich schade. Eigentlich ...

Er zieht die Maske aus, kämmt sich, korrigiert die Kleidung.

MIKE: Was bin ich schuldig, schöne Frau?

SYLVIA: (rechnet, reißt das Blatt ab) Bitte, der Herr.

MIKE: (zieht einen Geldschein aus der Brieftasche) Danke, stimmt so. Wissen Sie eigentlich, dass Sie eine traumhafte Figur haben. Ich kann Sie unserem Marketingleiter empfehlen. Wir suchen immer nette, natürliche Models für unseren Katalog. Drehen Sie sich mal. Wunderbar. Lächeln Sie mal. Traumhaft.

Er beugt sich zu ihr hin, flüstert ihr ins Ohr.

MIKE: Und der Duft. Traumhaft. Einfach traumhaft. (er fasst sie bei den Händen) Mal sehen, was ich für Sie tun kann, schönes Kind. Es war eine sehr interessante Unterhaltung. Wirklich sehr interessantes Lokal. Und Ihren Text, Herr Guido, mit der Kommunikation, da ist viel dran. Kann ich ihnen nur sagen. Wenn Ihre Bücher auch so sind ... Ich muss gehen. Ich hoffe, wir sind noch Freunde, meine Herren, trotz kleiner Kommunikationsdifferenzen. Es war ein sehr angenehmes Plauderstündchen mit Ihnen. Ich bin froh, zwei solch außergewöhnlich interessante Künstler kennengelernt zu haben. Bis ein andermal. (er zieht den Mantel an, betrachtet sich dabei selbstgefällig im Spiegel) Bye, bye und noch einen schönen Abend. (Küsschen an Sylvia. Er schnuppert an ihren Haaren) Wunderbar. (Er streichelt über ihren Po. Sie windet sich, wehrt lachend ab. Er verschwindet eilig durch den Zuschauerraum)

GUIDO: Was hältst du von dem?

FRIEDER: (steigt von der Leiter) Ein Spinner. EinArschloch. Sonst nichts. Was hat der hier zu suchen? Soll doch verschimmeln in seinem Atriumhaus. Der hat doch nur Business Mist im Kopf. (er steht vor dem Spiegel, zupft an sich herum, dreht und wendet sich, als sei er Mike) Ich bin Verkaufsleiter, meine Herren. Nobelhaus, 32 % Marktanteil. Kennen Sie sicher, meine Herren. Wir sind ja so erfolgreich. Sie verstehen? Was, Sie kennen unser Atriumhaus nicht? Wo bleibt denn Ihre Lebensart?

GUIDO: (steht neben ihm) Ich bin Fotograf meine Herren, Weltreisender. Sie verstehen? Ich mache anspruchsvolle Bildbände. Ich fotografiere die Seelen vergessener Kulturen. Sie verstehen? Was, Sie wissen nicht, was das ist? Das hat mit Lebensart zu tun, mit Werten. Sie ... Sie Franzose ... Sie ...

FRIEDER: Was wissen denn Sie von Lebensart? Sie Wicht. Sie Papierkleckser. Sie Goetheverschnitt. Besuchen Sie mich einmal in meinem Nobelhaus. Mein Diener und mein Pferd werden sich freuen.

GUIDO: Was, ein Pferd haben Sie auch? Dann können wir ja mal zusammen ausreiten. Ihr Diener? Klar darf der mit. Ich nehme meinen auch mit. Von wegen Verkaufsleiter. Ein Koofmich ist das. Ein richtiger Koofmich. (er stolziert auf und ab und tippt mit den Fingern in einen gedachten Rechner) Alles muss sich rechnen, rechnen, rechnen. Rechnen, rechnen, rechnen ...

FRIEDER: (schmiegt sich an Sylvia) Oh dieser Duft, schöne Frau. Traumhaft. Wo haben Sie den gekauft? Was kostet der? (er steckt die Nase in Sylvias Haare) Ich zahle für diesen Duft was Sie wollen. Was, Sie wollen nicht? Nennen Sie einen Preis. Ich zahle jeden Preis! Ich schenke Ihnen sogar mein Atriumhaus, mit viel Atrium. Schenken Sie mir dafür eine Stunde Ihren traumhaften Duft, nur eine Stunde. Nur ...

SYLVIA: (wehrt sich) Lass das, du Spinner. Ich weiß nicht, was ihr wollt. Ich fand den ganz nett. Ein Kavalier halt.

GUIDO: (steigt auf die mittlere Leiter, oberste Stufe) Kikeriki, kikeriki. (er schlägt dabei mit den Armen) Ich bin ein Kavalier. Kikeriki. Wohne in einem Atriumhaus. Kikeriki. Ich hab Atrium, ganz viel Atrium. Kikeriki. Kikeriki ...

FRIEDER: (setzt die Maske ab) Mir reicht's fürheute.

GUIDO: Trinkst du noch einen mit?

FRIEDER: Nein, ich muss einkaufen. Habe ich Nicole versprochen. Muss den Hund ausführen. Bin ziemlich kaputt. Grüße die liebe Renate und die lieben Kinder. Sie sind ja so begabt, die kleinen. Ich lade euch mal wieder ein. (er nimmt Mantel und Hut, fasst Sylvia um die Hüften, steckt die Nase in ihr Haar) Wunderbar. Traumhaft. Was bin ich Ihnen schuldig, schöne Frau? (Sylvia reicht die Rechnung. Er wirft einen Geldschein auf die Theke und geht) Stimmt so. Bye, bye.

GUIDO: (steigt von der Leiter) Ja, dann mache ich mich auch auf. (er zieht die Maske aus, setzt sein gestricktes Käppchen mit den Bommeln auf den Kopf, drückt Sylvia. Sie reicht die Rechnung. Er zahlt) Stimmt so. Bye, bye, schöne Frau. (Er geht. Sylvia schaut auf die Uhr, strahlt, greift zum Telefon, wählt)

SYLVIA: Hallo, Schatz, bist du noch wach? Oh, Geht es dir nicht gut? Oh. Wie? Dann bleib so. Ich komme! Ich komme!

Sie legt auf, zieht den Mantel an. Noch einen Blick in den Spiegel, Lippen nachziehen, Wimpern korrigieren, Bluse eng in den Rock. Ein prüfender Blick im Profil. Sie greift nach der Handtasche und trippelt ab. Sie schließt hinter sich die gedachte Tür, sucht den richtigen Schlüssel. Wieder hilfesuchender Blick ins Publikum. Sie findet ihn aber. Sie lässt das gedachte Rollo herunter, trippelt eilig von der Bühne. Sie läuft noch einmal zurück, sehr hektisch. Sie dreht die gedachten Markisen zurück. Die zweite klemmt. Hilfesuchender Blick ins Publikum. Mehrere Versuche. Ein Ruck, geschafft. Sie trippelt ab, winkt zum Publikum.

SYLVIA: Bis später. Wir sehen uns noch mal, nach der Pause.

Pause

Nach der Pause, während die Zuschauer ihre Plätze einnehmen.

Guido und Frieder sind schon in Maske, jeder sitzt auf Stufe 3 seiner Leiter. Sylvia lackiert sich die Fingernägel. Die Akteure auf den Leitern dösen. Sie schlagen abwechselnd das linke Bein über das rechte, das rechte Bein über das linke, rücken unmutig hin und her auf der Leiter, schauen in die Luft.

GUIDO: Puh, ist das langweilig.

Sylvia steht auf, geht, den Nagellack trocken blasend, zum Spiegel und betrachtet sich mit den frisch lackierten Nägeln. Sie schüttelt die Hände hin und her. Sie entdeckt, dass der Rock falsch sitzt. Sie hat Probleme, ihn zu drehen. Sie kann ihn schlecht anfassen mit den frisch lackierten Nägeln.

GUIDO: (dreht sich zur Seite) Puh, ist das langweilig. (er dreht sich zur anderen Seite, wechselt die Beinstellung) Puh ...

FRIEDER: Ist das langweilig. Du bist wieder sehr geistreich ...

Das Telefon läutet.

SYLVIA: Hier Künstlertreff. Was kann ich für Sie tun? Nein, wir vermitteln keine Artisten. Was? Welche Artisten? (Sie lacht) Ach die. Ja, die sind schon da. Oh ja, ich freue mich auch. Das wird bestimmt ein netter Abend.

Sie legt lächelnd auf, ist erregt, fährt sich über die Hüften, trippelt zum Spiegel, zupft an der Bluse, betrachtet sich im Profil von beiden Seiten, korrigiert den Sitz der Wimpern.

FRIEDER: Wer war das?

SYLVIA: Weiß nicht. Irgend jemand. Er hat gefragt ob wir Artisten vermieten.

FRIEDER: Und was hast du gesagt?

Sylvia: Natürlich nicht, hab’ ich gesagt. Oder siehst du hier einen?

FRIEDER: (rückt verschmitzt lächelnd hoch auf Stufe 4) Da sitzt einer. Ein Wortartist. He, Guido, sag mal was Geistreiches. Das kannst du doch so gut.

GUIDO: Oh, ist das langweilig.

FRIEDER: Mein Gott, Guido, du fällst gleich von der Leiter. Hast wohl Krach mit deiner Alten. Oder hast du heute dein Müsli nicht bekommen? (er rückt hoch auf Stufe 5) Oder ...

GUIDO: Alte? Müsli? Du suchst wohl Streit du .... du Designartist, du Möchtegernfranzose, du ... Hat Bollermann den Vertrag gekündigt, oder hast du dich heute auf eine Farbtube gesetzt? Was macht denn deine Alte?

(er rückt hoch auf Stufe 4) Schläft sie wieder bei eurem Freund und du mit dem Hund?

Er rückt hoch auf Stufe 5. Frieder ist aufgesprungen. Mike tritt ein. Frieder setzt sich wieder.

MIKE: (strahlt) Hallo, meine Herren, nett, Sie zu sehen.

Die beiden sitzen da, als würden sie ihn nicht wahrnehmen, schlagen die Beine übereinander, schauen jeder in eine andere Richtung. Guido pfeift. Mike schwingt den Mantel wie ein Torero von den Schultern.

MIKE: Hallo, schönes Fräulein. Oder besser... schöne Frau? (er drückt Sylvia an sich, steckt die Nase in ihr Haar) Oh, da ist er wieder. Wissen Sie eigentlich, dass ich die ganze Nacht kein Auge zugemacht habe? Wissen Sie das?

SYLVIA: Nein, wieso? Sind Sie krank?

MIKE: Das trifft. Und wie das trifft. Natürlich. Ich bin krank. Und wie krank ich bin. (er fasst sich leidend an die Stirn) Fühlen Sie mal. (er nimmt ihre Hand, führt sie an seine Stirn) Na? (er drückt ihre Hand an sein Herz) Und hier? Na? Spüren Sie was? Und ... (Sylvia will die Hand zurücknehmen. Er hält sie fest) Sehnsucht hatte ich. Sehnsucht nach ihrem wunderbaren Duft, schönes Kind. (leiser) Was glauben Sie weshalb ich heute wieder hier bin? Doch nicht wegen der beiden Gockelhähne da. (er schaut zu den beiden auf den Leitern, lächelt) Hallöchen, die Herren, ein schöner Tag, nicht wahr? (er lässt Sylvia los und geht zum Garderobenständer, hängt den Mantel auf) Gerade recht für ein Stündchen Kommunikation. Meinen Sie nicht auch? (Sylvia reicht ihm seine Maske) Danke. Ich kenne mich damit aus.

SYLVIA: Wieder ein Gimmes?

MIKE: Klar, ein Gimmes bitte. Gimmes ist Medizin. Gimmes ist ...

Die beiden auf den Leitern stöhnen wieder wie zu Beginn, schauen in die Luft, drehen sich hin und her. Mike steht vor dem Spiegel, zieht die Maske sorgfältig an, zupft einige Haare heraus, dreht sich, betrachtet sich prüfend, feuchtet die herausgezogenen Haare mit den Fingern an.

MIKE: Gimmes ist ...

Prüfender Blick, er korrigiert die Haare, steckt sie wieder hinein. Er richtet den Sitz des Jacketts.

Die beiden auf den Leitern krähen: Gimmes ist Medizin! Kikeriki. Kikeriki ...

Mike wendet sich mit einem Ruck um.

MIKE: Na, meine Herren, wohl nicht Ihr Tag heute, wie? Was soll’s, Künstler sind auch nur Menschen. Da ist ja noch ein schönes Plätzchen. Darf ich? (Er besteigt die mittlere Leiter, setzt sich auf Stufe 5. Alle sitzen auf Stufe 5) Mir geht es heute prächtig. Ich hatte einen sehr guten Tag.

SYLVIA: (bringt das Bier) Zum Wohl, Herr Mike.

MIKE: Danke, schöne Frau. Auf Ihr Wohl meine Herren. Ich habe heute die Umsatzzahlen erhalten. Sehr erfreulich, kann ich Ihnen sagen. Traurig für die Konkurrenz. Wir liegen um 7,245 % über dem Branchendurchschnitt. Na, ist das was? Zum Wohl. - Das sagt Ihnen wohl nichts? - Das interessiert Künstler wohl nicht? Künstler haben es nicht mit Zahlen. Wozu brauchen die Geld? Wissen Sie überhaupt ...

FRIEDER: Jetzt reicht's. Was glauben Sie eigentlich, wer Sie sind? Ein ... Ein Fotografchen sind sie, macht Bilderchen von Seelchen für Bildbändchen. Ein Verkaufsleiterchen sind Sie, verkauft Häuschen, Nobelhäuschen für Nobelheinis. Wissen Sie überhaupt wo Sie hier sind? Hier verkehren wirkliche Künstler, nicht künstliche Objekte wie Sie. Hab’ ich recht Guido?

Frieder rückt hoch auf Stufe 6. Guido klatscht Beifall.

GUIDO: Bravo, bravo. Tusch! Tata, tata, tata ... Tata, tata, tata ... Das war toll, Frieder. Ich staune. Du ...

MIKE: Also, meine Herren. Wenn das ...

GUIDO: (hebt den Finger) Ich möchte etwas sagen. - Ich stimme meinem Freund zu. Er hat Sie sehr treffend charakterisiert. Jawohl. Eine schöne Schau haben Sie gestern Abend abgezogen mit Ihrem Atriumhaus. Von wegen Lebensart und so. Ihr Duft, schöne Frau ... Ich muss zu meiner Freundin ... Sie ist 16 Jahre jünger, selbständig ... Toll. Wirklich toll. So eine Witzfigur hatten wir hier noch nicht. (Guido rückt hoch auf Stufe 6) Eine schöne Freundin wird das sein, wenn Sie so einen Business Heini mag. Und überhaupt ...

Das Telefon läutet. Während Sylvia spricht, geht die Kommunikation der Herren weiter.

SYLVIA: Künstlertreff, guten Abend. Was ... Ach du. Was sagst du? Ich verstehe nicht? Ach so. Nicht jetzt. Lieb, dass du an mich denkst. Was? Nein. Hier ist alles ruhig. Langweilig. Immer das gleiche. Du weißt schon. Natürlich denke ich nur an dich, woran sonst? Was? Ach du. Was? Nun hör schon auf. Das geht jetzt nicht. Nein. Das geht nicht. Tschüss Schatz, bis gleich. Tschüss. Tschüss. (sie hat aufgelegt)

MIKE: Wenn ich ein Business Heini bin dann sind Sie ein ..., ein ... eine Ökoziege sind Sie. Jawohl das sind Sie. Wie laufen Sie denn rum? Schauen Sie mal in den Spiegel. Wie sind Sie denn angezogen? Eine Uniform ist das. Zum Totlachen ulkig. Ich habe meiner Freundin gesagt ...

Mike und Guido sind aufgesprungen.

FRIEDER: Ruhe. Ruhe. Dies ist ein friedliches Haus. Hier verkehren nur friedliche Menschen. Aber - (die Stimme erhoben und zu Mike gewendet) Menschen müssen es schon sein. Andere fliegen raus!

Stille. Die drei sitzen ruhig da. Alle auf Stufe 4, Beine übereinander geschlagen. Sie schauen in verschiedene Richtungen, wechseln die Beinstellung.

GUIDO: Sylvia, bitte eine Runde. Frag den Herrn Seelenfotografen neben mir, was er trinken möchte.

SYLVIA: Da brauch’ ich nicht zu fragen.

Sie bedient. Die Herren tun so, als ginge es ihnen gut.

GUIDO: Zum Wohl. Ich freue mich auf eine gute Kommunikation mit Ihnen. Sprechen wir von etwas anderem. Übrigens, Herr Mike, ich schreibe nicht nur. Nein. Ich bin multitalentiert. Habe ich Ihnen schon erzählt ...

FRIEDER: (windet sich) Oje.

GUIDO: Ich male auch, Öl, Aquarell, alles, was Sie wollen. Und ich spiele Theater. Ich leite sogar eine Theatergruppe.

FRIEDER: Oje, oje.

GUIDO: Die Pampelmusen, so heißt unsere Truppe. Haben Sie bestimmt schon gehört. Ich schreibe die Stücke selbst, führe auch Regie, und meistens überträgt man mir die Hauptrolle. Die Pampelmusen - kennen Sie doch. Nein? Aber Tanz des Todes, unser stärkstes Stück. Nein? Auch nicht? (er rückt hoch auf Stufe 5) Na so was. Ein Mann Ihrer Bildung ... Wurde sogar im Fernsehen übertragen. RRL, freier Kanal. Sie haben wohl kein Fernsehgerät in Ihrem Atriumhaus, was? (Mike schaut gelangweilt, spielt an seinem Glas.) Keine Zeit, was? - Na ja, wir haben ja auch keins. Wir wollen aber keins. Wir ...

FRIEDER: Guido, ehe du jetzt anfängst uns mit deinen Familiengeschichten zu langweilen ...

GUIDO: Was heißt hier Familiengeschichten? Du hast keine Familie. Deshalb magst du nicht, wenn ich von meiner Familie spreche. Ja, ja, ich weiß, dein Hund. Wenn der nicht wär’ ... Ich weiß, deine Arbeit. Ja, ja, Bollermann. Bollermann, der alles kann. Oder wie das heißt. (an Mike gewendet) Wissen Sie eigentlich, dass ...

FRIEDER: Du weißt genau, dass das nicht so heißt. Das habe ich dir schon hundertmal gesagt. So ein dummer Spruch könnte nur von dir sein, du ... (an Mike gewendet) Entschuldigen Sie bitte. Guido ist heute nicht gut drauf. Vielleicht hat ihn wieder jemand ausgelacht in der Schule. Das passiert ihm oft. Dann ist er ungenießbar. Er ist Lehrer am Gymnasium, Deutsch und Kunst, Oberstufe, wissen Sie? Die blicken durch, die Schüler. Denen kann er nichts vormachen. Und er ist doch eine Witzfigur. Haben Sie ja auch gesagt.

Ein triumphierender Blick zu Guido. Der hat sich abgewendet.

FRIEDER: Mit Bollermann hat er meinen Hauptklienten gemeint. Ich arbeite schon lange für Bollermann. Kennen Sie sicher. Bollermann! Der ... Ich habe das komplette Firmenbild kreiert. Sie wissen was ich damit meine. Das kann ich dieser Ziege nicht erklären. - Mit der Ökoziege, das haben Sie gut erkannt. - Ich habe die Firma Bollermann gemacht. Von der grünen Wiese auf. Sie wissen was ich damit meine. Mit Ihnen kann ich über sowas reden. Nicht wahr? Sie sind ja ...

Frieder rückt hoch auf Stufe 5.

MIKE: Gemacht? Wieso gemacht? Machen Sie Firmen?

GUIDO: (lacht) Ja, ja. Er macht Firmen. Das ist gut. Ausgerechnet er.

MIKE: Ich nahm an Sie seien Grafiker. Haben Sie nicht gestern so etwas gesagt? Ich dachte, Sie seien Künstler, malen Bildchen.

FRIEDER: Wieso Bildchen. Ich bin Designer. Ich habe an der Universität studiert. Da malt man keine Bildchen!

MIKE: Nein?