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Für Patienten mit psychischen Erkrankungen bieten hirnelektrische Stimulationsverfahren eine nachweisliche Chance auf Besserung & und dies gerade in Fällen von Therapieresistenz gegenüber konventionellen Therapieverfahren. Der vorliegende Band bietet einen fundierten Überblick über die verfügbaren Hirnstimulationsverfahren: Elektrokonvulsionstherapie (EKT), repetitive transkranielle Magnetstimulation (rTMS), transkranielle Gleichstromstimulation (tDCS), Vagusnervstimulation (VNS) und tiefe Hirnstimulation (THS). Schwerpunkte im Aufbau der einzelnen Kapitel sind: historische Entwicklung des jeweiligen Verfahrens, Durchführung, Wirkungsweise und Wirksamkeit sowie Nebenwirkungen bei verschiedenen psychiatrischen Indikationen. Erörterungen zu ethischen Implikationen runden die einzelnen Kapitel ab. Das Buch richtet sich an in der Psychiatrie und Psychotherapie sowie in klinischen Nachbardisziplinen Tätige und Studierende der Medizin, Psychologie und Neurowissenschaften.
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Seitenzahl: 524
Veröffentlichungsjahr: 2013
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Begründet von:
Wolfgang Gaebel
Franz Müller-Spahn (†)
Herausgegeben von:
Wolfgang Gaebel
Peter Falkai
Wulf Rössler
Übersicht über die bereits erschienenen Bände:
• Stefan Weinmann:
»Evidenzbasierte Psychiatrie«
• Rolf-Dieter Stieglitz:
»Diagnostik und Klassifikation in der Psychiatrie«
• Thomas Becker/Holger Hoffmann/Bernd Puschner/Stefan Weinmann:
»Versorgungsmodelle in Psychiatrie und Psychotherapie«
• Hans Joachim Salize/Reinhold Kilian:
»Gesundheitsökonomie in der Psychiatrie«
• Tillmann Supprian:
»Frühdiagnostik von Demenzerkrankungen«
• Werner Strik/Thomas Dierks:
»Biologische Psychopathologie«
• Sabine C. Herpertz/Knut Schnell/Peter Falkai (Hrsg.):
»Psychotherapie in der Psychiatrie«
• Wulf Rössler/Birgit Matter (Hrsg.):
»Kunst- und Ausdruckstherapien«
• Oliver Gruber/Peter Falkai (Hrsg.):
»Systemische Neurowissenschaften in der Psychiatrie«
• Jens Kuhn/Wolfgang Gaebel (Hsg.):
»Therapeutische Stimulationsverfahren für psychiatrische Erkrankungen«
Dieses Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwendung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechts ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und für die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen.
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1. Auflage 2014
Alle Rechte vorbehalten
© 2014 W. Kohlhammer GmbH Stuttgart
Umschlag: Gestaltungskonzept Peter Horlacher
Gesamtherstellung:
W. Kohlhammer Druckerei GmbH + Co. KG, Stuttgart
Print:
ISBN 978-3-17-021984-7
E-Book-Formate:
pdf: ISBN 978-3-17-024437-5
epub: ISBN 978-3-17-024438-2
mobi: ISBN 978-3-17-024439-9
Psychische Störungen sind inzwischen zu einer der größten gesundheitlichen Belastungen der Weltgesellschaft angewachsen und werden nach heutiger Schätzung, wenn keine wirksame Gegensteuerung gelingt, bereits 2020 an der Spitze der Erkrankungen stehen, die das Leben durch Behinderung erschweren und zur gesellschaftlichen Desintegration führen. Man fragt sich, wie es zu einer so ungünstigen Entwicklung kommen konnte, obwohl doch die gegenwärtigen Behandlungsbedingungen gar nicht mehr mit den bescheidenen Möglichkeiten früherer Jahre zu vergleichen, sondern in der Pharmako-, Psycho- und Soziotherapie überall deutliche Fortschritte zu verzeichnen sind. Ein umfassender Beantwortungsversuch dieser Frage hätte viele Gesichtspunkte zu berücksichtigen, zu denen auch die besonderen psychischen Gefährdungen durch die erwartete Lebensführung in modernen Risikogesellschaften gehören. Einer dieser Gesichtspunkte aber drängt sich bei solchen Überlegungen sofort auf, weil er das heutige Therapieangebot unseres Fachs selbst betrifft und hinsichtlich seiner Bedeutung für die Belastung durch Behinderungsfolgen psychischer Erkrankungen klar identifizier- und kalkulierbar ist. Selbst bei optimaler, gewissenhaft am jüngsten Wissensstand orientierter, sorgfältig auf die individuelle Bedarfslage zugeschnittener und in tragfähige Bündnisse eingebetteter Nutzung der gegenwärtig etablierten Therapieverfahren gelingt es keineswegs immer, Chronifizierungen von Depressionen, Fixierungen von schizophrener Negativsymptomatik oder beispielsweise auch dauerhafte Beeinträchtigungen durch Zwangsstörungen und Abhängigkeitserkrankungen zu verhindern. Diese Problematik ist seit langem bekannt, firmiert unter dem Begriff der Therapieresistenz und fordert unser Fach zur Entwicklung und Erprobung von Behandlungsmaßnahmen heraus, die auch dann noch weiterhelfen können, wenn alle Möglichkeiten der heutigen Regeltherapie leitliniengemäß ausgeschöpft sind. Um der zunehmenden Belastung durch psychische Volkserkrankungen entgegenzuwirken, kommen sicherlich mehrere Entwicklungsrichtungen in Frage, vor allem auch der Ausbau einer prädiktiven und präventiven Psychiatrie. Eine davon muss jedoch naheliegender Weise auf jeden Fall auch in der Nutzbarmachung neuer Behandlungstechniken für die Überwindung der Therapieresistenz bestehen.
Das Wissensgebiet, von dem man bei der Entwicklung solcher Techniken derzeit am meisten profitieren kann, sind zweifellos die Klinischen Neurowissenschaften. Auf diesem Feld geht es nämlich vorrangig darum, die normalen und gestörten Funktionen neuronaler Netzwerke besser zu verstehen und aus diesen Einblicken Ansatzpunkte für neuromodulative Beeinflussungstechniken zu gewinnen. Die Nervenzellen des Gehirns entladen sich je nach Region in einem bestimmten Rhythmus, der beispielsweise bei Bewegungsstörungen wie Morbus Parkinson oder essentiellem Tremor grundlegende Störungen aufweist. Die »Basalganglien-Kortex-Schleifen«, die bei solchen neurologischen Erkrankungen offenbar Fehlregulierungen unterliegen, scheinen auch für kognitive Aufgaben und emotionale Prozesse bedeutsam zu sein. Deshalb macht es Sinn, auch psychiatrische Erkrankungen wie schwere Depressionen, Zwangsstörungen oder stoffgebundene Abhängigkeiten mit fehlregulierten Netzwerken in Verbindung zu bringen. Alle Modulationstechniken, die wie die transkranielle Magnetstimulation, die transkranielle Gleichstromapplikation oder die Tiefe Hirnstimulation nicht- oder doch nur minimal-invasiv Normalisierungen pathologischer Netzwerkfunktionen herbeiführen können, sind dementsprechend auch für die Psychiatrie von großem Interesse. Diese Übereinstimmung bewirkt interessanter- und erfreulicherweise auf dem Felde der Klinischen Neurowissenschaften eine gewisse Wiederbelebung der traditionellen Nähe unseres Fachs zu dem der Neurologie. Netzwerknormalisierung ist hier wie dort heute eine der wichtigsten wissenschaftlichen Grundideen und klinischen Zielsetzungen, die für die Therapie sonst nur schwer behandelbarer Krankheiten nutzbar gemacht werden soll. Daher wundert es nicht, dass man sich gerade von den gemeinsamen verwandten Hirnstimulationsverfahren derzeit auch am ehesten erfolgreiche Nutzungsmöglichkeiten für die Überwindung der Therapieresistenz bei psychiatrischen Patienten verspricht.
Das vorliegende Buch beginnt mit der historischen Entwicklung der Elektrokonvulsionstherapie (EKT) und stellt dann weiter auch ihre technischen Grundlagen, Durchführungsformen, Wirkungsweisen, Indikationsgebiete sowie die bei der Anwendung zu beachtenden ethischen Gesichtspunkte dar. Aus diesem überaus traditionsreichen Erfahrungsgebiet vor allem der klinischen Depressionstherapie konnte man schon seit langen Jahren entnehmen, das Hirnstimulationsverfahren grundsätzlich und gerade auch bei den problematischen, auf Psychopharmako- und Psychotherapie nicht mehr ansprechenden Patientengruppen wirksam sind. Die vielfach bestätigten Effekte beruhten wahrscheinlich auch immer schon auf einer besonderen Art der Netzwerknormalisierung, die jedoch jahrelang undurchschaubar blieb und erst in jüngster Zeit der Forschung allmählich zugänglich wird. Danach wendet sich das Buch den vergleichsweise neuen nicht- oder nur minimal-invasiven Techniken der repetitiven transkraniellen Magnetstimulation (rTMS), der transkraniellen Gleichstromstimulation (tDCS), der Vagusnervstimulation und der Tiefen Hirnstimulation (THS) zu. Für rTMS und THS liegt bereits ein so großer Fundus an Grundlagenwissen, Studienergebnissen und klinischen Anwendungserfahrungen vor, das die Darstellung dem Aufbau des EKT-Kapitels folgen kann und nacheinander historische und ethische Aspekte, technische Grundlagen, Durchführung und Wirkungsweise, Indikationsgebiete sowie Risiken und Nebenwirkungen präsentiert. Insgesamt wird klar, dass die Wirksamkeitsnachweise zwar noch nicht ausreichen, um die neuen Stimulationsverfahren genauso wie die alte EKT breit in die klinisch-psychiatrische Anwendungspraxis zu überführen. Der Entwicklungsstand der einzelnen Techniken und die damit verbundenen Umsetzungserfahrungen berechtigen aber durchaus schon dazu, von dem Stimulationsansatz tatsächlich weiterführende Beiträge zur Überwindung der Therapieresistenz zu erwarten. Insbesondere die THS eröffnet Perspektiven der gezielten Netzwerknormalisierung, die nicht nur der Behandlung von Depressionen und bestimmten schizophrenen Symptomgruppen zugutekommen, sondern auch noch die Therapie einer ganzen Reihe von anderen schwerwiegenden psychiatrischen Erkrankungen bis hin zur Demenz durchgreifend verbessern könnten.
Den Herausgebern und den von ihnen gewonnenen, durchweg höchst sachkundigen Autorinnen und Autoren ist es zu verdanken, dass dieses Buch einen wirklich hohen Informationswert besitzt. Alle heutigen Möglichkeiten der Hirnstimulation werden ebenso umfassend wie klar und anwendungsorientiert präsentiert. Dabei bleibt immer auch zu bedenken, dass Netzwerkpathologien auch grundlagenwissenschaftlich von Bedeutung sind und aus den Normalisierungsmöglichkeiten noch mehr als Behandlungsstrategien nur für resistente Fälle, nämlich kausalere Therapien für psychiatrische Erkrankungen generell erwachsen könnten. Dieser mitschwingende grundlagenwissenschaftliche Aspekt macht noch einen zusätzlich Reiz bei der Lektüre des Buches aus. Es liest sich in jeder Hinsicht mit großem Gewinn, so dass ihm auch dementsprechend viele Leserinnen und Leser zu wünschen sind.
Köln, im Oktober 2013
Joachim Klosterkötter
»Therapeutische Stimulationsverfahren für psychiatrische Erkrankungen« – ein sehr interessantes Thema, das heutzutage mehr und mehr an Aufmerksamkeit gewinnt und klinische Anwendungen erfährt. Die unterschiedlichen Methoden, von der elektrokonvulsiven Therapie über TMS (transkranielle Magnetstimulation) zu DBS (Deep Brain Stimulation) – die eine mehr invasiv als die andere – werden in diesem Buch sehr anschaulich, auf informative Weise und wissenschaftlich gut recherchiert beschrieben.
Insbesondere die DBS hat während der letzten Dekaden als Behandlungsmethode bei therapierefraktären psychiatrischen Indikationen einen enormen Fortschritt gemacht. Im Gegensatz zur allgemeinen Annahme ist ihre Geschichte deutlich älter als die der DBS bei Bewegungsstörungen. Der erste stereotaktische Rahmen wurde sogar schon im Jahr 1947 von Spiegel und Wycis entwickelt, um die groben Lobotomien zu verfeinern, die zu dieser Zeit als einzige Behandlungsoption für Patienten üblich waren, die an einer Vielzahl unterschiedlicher psychiatrischer Störungen litten (Neuroleptika standen damals noch nicht zur Verfügung).
Der stereotaktische Rahmen ermöglichte es den Neurochirurgen, einen Zielpunkt in der Tiefe strategisch zu definieren, der im Gegensatz zur großen Schädelöffnung und der invasiven Ektomie bei Lobotomien durch ein Bohrloch erreicht werden konnte. Aufgrund fehlender Ethikkommissionen einerseits und der noch nicht vorhandenen wissenschaftlichen Begründung andererseits gerieten diese stereotaktisch ausgeführten Tiefen Hirnstimulationen in den Fünfziger- und Sechzigerjahren jedoch in eine Tabuzone. Erst das Jahr 1987 begründete einen Meilenstein in der Geschichte der DBS und stellt den Beginn einer neuen Ära in der Anwendung dieser Technik dar, nachdem die erste chronische thalamische Stimulation bei einem Patienten mit Tremor gut und erfolgreich durchgeführt worden war.
25 Jahre DBS bei Bewegungsstörungen (ca. 100.000 Patienten, die bis heute weltweit behandelt wurden) mit einer eindeutig nachweisbaren niedrigen Komplikationsrate hinsichtlich der Implantation der Geräte führten zu einem großem Vertrauen in diese Technik. Eine Patientenversorgung, die Hand in Hand geht mit der wissenschaftlichen Forschung sowie mit Ethikkommissionen, die sorgfältig die Technik für neue Indikationen beobachten, führten zu einer besonnenen und vernünftigen Ausweitung der DBS-Anwendungen – inzwischen auch langsam wieder unter Einbeziehung psychiatrischer Indikationen. Der erste Fall einer psychiatrischen Indikation, nämlich beim Tourette Syndrom, bewegte sich an der Grenze zwischen Bewegungsstörung und Verhaltensstörung und wurde 1999 erstmalig bei einem Patienten durch eine Hirnstimulation behandelt. Im gleichen Jahr wurde die erste Stimulation der Capsula Interna bei einem Patienten mit Zwangsstörung durchgeführt. Aussagekräftige multizentrische Langzeit-Folgestudien führten dazu, dass die Technik der Tiefen Hirnstimulation bei Zwangsstörungen eine CE-Markierung bekam, und mittlerweile sowohl in Deutschland als auch in anderen europäischen Ländern bei ausgewählten Patienten von den Krankenkassen erstattet wird.
Sucht und Depression sind zwei weitere Beispiele für neu aufgetretene Indikationen. Sucht ist insbesondere ein Beispiel dafür, wie eine neue Indikation durch »Zufall« entstehen kann, indem bei Patienten, die wegen einer anderen psychiatrischen Störung operiert wurden und gleichzeitig suchtabhängig waren, durch die Tiefe Hirnstimulation auch für die komorbide Abhängigkeit ein positiver Effekt erzielt wurde. Die Idee, eine DBS auch im Falle einer therapieresistenten Depression einzusetzen, leitete sich u. a. von umfangreichen PET-Analysen ab, die bei depressiven Patienten einen »hot spot« im Bereich des subgenualen cingulären Kortex aufzeigten, der dann als Zielpunkt definiert wurde.
Die Anwendung unterschiedlicher Hirnstimulationstechniken bei psychiatrischen Erkrankungen ist ein sehr spannendes Gebiet mit einem hohen Potential zur Behandlung von Patienten, die von »konservativen Therapiemethoden« nicht profitieren. Von daher geben sie den Medizinern eine Auswahl von Werkzeugen, um die Lebensqualität derer beträchtlich zu erhöhen, die in unserer Gesellschaft am meisten leiden: Menschen mit schwerwiegenden psychischen Störungen.
Das vorliegende Buch gibt dem Leser einen sehr umfassenden Überblick über die unterschiedlichen Stimulationstechniken, die heutzutage in der Psychiatrie angewandt werden. In sehr verständlicher Weise wird der Leser von ausgewiesenen Experten in die einzelnen Felder eingeführt. Nach meinem Eindruck ist dieses Buch eines der besten seiner Art.
Köln, im Oktober 2013
Veerle Visser-Vandewalle
Bei im Wesentlichen stabiler Prävalenz psychischer Störungen nehmen die Inanspruchnahme therapeutischer Einrichtungen, Arbeitsunfähigkeit und Frühberentungpsychisch Erkrankter weiter zu. Unter den zehn führenden Erkrankungen mit behinderungsbedingter Einbuße an Lebensjahren (DALYs, Disability-Adjusted Life Years) finden sich allein fünf psychiatrische Krankheitsbilder, allen voran Depressionen, gefolgt von stoffgebundenen Abhängigkeiten, Zwangsstörungen, Schizophrenien und bipolaren Störungen.
Für die Akut- und Langzeitbehandlung von Menschen mit psychischen Störungen stehen heute wirksamkeitsgeprüfte Behandlungsverfahren wie Psychopharmakotherapie, Psychotherapie und psychosoziale Therapieformen zur Verfügung, durch deren in der Regel kombinierten, leitliniengerechten Einsatz die Mehrzahl der betroffenen Patienten erfolgreich zu behandeln ist. Für einen nicht zu vernachlässigenden Anteil der Erkrankten bewirkt aber auch die lege artis durchgeführte Behandlung und Behandlungskombination keine befriedigende klinische Besserung. Dabei ist mangelndes Therapieansprechen von unzureichender Behandlungsbereitschaft, z. B. aufgrund unerwünschter Arzneimittelwirkungen oder inkompatibler Krankheits- oder Behandlungskonzepte, zu unterscheiden. Davon abgesehen sind heute die Erwartungen an den Erfolg einer Behandlung insofern gestiegen, als es nicht mehr nur um Symptomlinderung oder Rückfallprophylaxe, sondern um die Wiederherstellung eingeschränkter Funktionalität und eine verbesserte Lebensqualität im Rahmen eines »Recovery«-Konzepts geht. Diese Entwicklung verdeutlicht, dass weiterhin großer Bedarf an der Optimierung und Erweiterung von Behandlungsmöglichkeiten psychischer Störungen besteht.
Aus dieser Situation erklärt sich das zunehmende Interesse an den Neuromodulationsverfahren. Dabei sind keineswegs alle dieser Verfahren als neuartig oder experimentell zu verstehen. Ganz im Gegenteil befindet sich die in der ersten Hälfte des letzten Jahrhunderts entwickelte, heute unter intensivmedizinischen Bedingungen angewendete und in modernen Behandlungsleitlinien aufgrund nachgewiesener Wirksamkeit für spezifische Indikationen empfohlene (und oft zu Unrecht diskreditierte) Elektrokonvulsionstherapie weiter im Einsatz. Vagusnervstimulation, transkranielle Magnetstimulation sowie transkranielle Gleichstrombehandlungund Tiefe Hirnstimulation werden derzeit noch überwiegend in spezialisierten Zentren und häufig im Rahmen klinischer Studien angeboten. Insbesondere in das Verfahren der Tiefen Hirnstimulation wird aufgrund seiner nachgewiesenen hohen Effektstärke bei der Behandlung von weltweit mittlerweile mehr als hunderttausend Parkinsonpatienten viel Hoffnung gesetzt, auch im Einsatz bei Patienten mit therapieresistenten psychischen Störungen zu einer durchgreifenden Symptomlinderung beizutragen.
Im vorliegenden Buch sind die derzeit angewendeten elektrischen Hirnstimulationsverfahren im Einzelnen ausführlich dargestellt. Historische Entwicklung, Konzept und Methodik, psychiatrische Indikationen und therapeutischer Nutzen, der Kenntnisstand zum Wirkmechanismus, zu Nebenwirkungen und potentiellen Risiken werden für alle Verfahren beschrieben. Schließlich finden sich in allen Kapiteln Ausführungen zu den ethischen Implikationen der jeweiligen Verfahren.
Das Buch soll in erster Linie einen Überblick zur Praxisrelevanz und zum Risiko-Nutzen-Profil elektrisch basierter Neuromodulationsverfahren für in der Psychiatrie und Psychotherapie sowie in klinischen Nachbardiziplinen Tätige ermöglichen. Es wendet sich aber auch an Nichtfachleute und die interessierte Öffentlichkeit. Die Herausgeber haben sich bei der Zielsetzung dieses Buches von dem Gedankenleiten lassen, über vorwiegend innovative Behandlungsverfahren zu informieren, die aus Unkenntnis oder Vorurteilen oft kritisch bis ablehnend betrachtet und damit gerade Patienten mit schweren psychischen Erkrankungen vorenthalten werden, die auf derzeit verfügbare Behandlungsmethoden nicht ausreichend ansprechen und damit vermeidbarem Leiden ausgesetzt sind. Möge das Buch hier zur Klarstellung und zum vorurteilsfreieren Umgang mit und indizierten Einsatz von diesen Verfahren beitragen.
Unser großer Dank gilt allen Autoren für ihre umfangreiche und ausgezeichnete Arbeit. Ferner möchten wir uns beim Kohlhammer-Verlag (namentlich insbesondere bei Herrn Dr. Poensgen und Frau Brutler) für Geduld, Unterstützung und akribische lektorielle Arbeit bedanken.
Köln & Düsseldorf, im Oktober 2013
Jens Kuhn & Wolfgang Gaebel
Geleitwort 1
Geleitwort 2
Vorwort der Herausgeber
Verzeichnis der Herausgeber und Autoren
Abkürzungsverzeichnis
Teil I: Elektrokonvulsionstherapie (EKT)
1 Historische Entwicklung der Elektrokonvulsionstherapie
Kirsten Brukamp
1 Einleitung: Historische Entwicklungsabschnitte der Elektrokonvulsionstherapie
2 Entstehung und Wachstum
2.1 Vorläufer
2.2 Pioniere
2.3 Technikentwicklung
2.4 Verbreitung
3 Kritik und Konsolidierung
3.1 Vernachlässigung
3.2 Widerstand
3.3 Wiederentdeckung
4 Wissenschaftlich-gesellschaftliche Relevanz
4.1 Expertendiskurs
4.2 Koexistenz
4.3 Medizinethik
5 Schluss: Abhängigkeit therapeutischer Verfahren vom historischen Kontext
2 Ethische Aspekte im Zusammenhang mit Elektrokonvulsionstherapie
Tillmann Ruland, Swantje Notzon und Peter Zwanzger
1 Einleitung
2 Ethische Überlegungen zur Indikation
3 Ethische Überlegungen zur Einwilligungsfähigkeit
4 Ethische Überlegungen zu potentiellen Risiken
5 Ausblick
3 Elektrokonvulsionstherapie: Durchführung, technische Grundlagen und Wirkungsweise
Michael Grözinger
1 Einleitung: Spontane epileptische Anfälle und Elektrokonvulsionstherapie
2 Rahmenbedingungen der EKT
3 Klinischer Ablauf der Behandlungsserie
6 Grundlagen der elektrischen Stimulation
8 Klinisches Management der Stimulusintensität
9 Elektrodenposition und ihre Auswirkung auf den Anfall
10 Vorgehen nach Ende der EKT-Serie
11 Wirkmechanismen der EKT
12 Schlussbetrachtung
4 Elektrokonvulsionstherapie – Indikation Depression
Alexander Sartorius
1 Einleitung
2 Wahnhafte Depression
3 Depressiver Stupor und Katatonie bei Depression
4 Schizoaffektive Psychosen mit schwerer depressiver Verstimmung
5 Schwere therapieresistente Depressionen
6 Depression und Pseudodemenz, leichte kognitive Störung und Demenz
7 Depression und Morbus Parkinson
8 Erhaltungs-EKT bei depressiven Störungen
9 Klinische Prädiktoren für ein Ansprechen auf EKT
5 Elektrokonvulsionstherapie – Indikation Schizophrenie
Fritz-Georg Lehnhardt
1 Einleitung
2 Nationale und internationale Leitlinien zur EKT bei Schizophrenie
2.1 American Psychiatric Association (APA), USA
2.2 Royal College of Psychiatry (RCP), Großbritannien
2.3 Deutsche Gesellschaft für Psychiatrie und Psychotherapie, Psychosomatik und Nervenheilkunde (DGPPN)
3 Wirksamkeitsnachweis der EKT bei Schizophrenie
4 Klinische Einflussfaktoren auf die Wirksamkeit der EKT
5 Kombinierte psychopharmakologische und elektrokonvulsive Behandlung
6 Pharmakoresistente Schizophrenie – EKT als Augmentationsstrategie
7 Pharmakoresistente Schizophrenie – Erhaltungs-EKT
8 Nebenwirkungen und Verträglichkeit der pharmako-elektrokonvulsiven Kombinationsbehandlung
9 Technische Aspekte der EKT bei Patienten mit Schizophrenie
10 Zusammenfassung
11 Kritikpunkte und Ausblick
6 Risiken und Nebenwirkungen der Elektrokonvulsionstherapie
Tillmann Ruland und Peter Zwanzger
1 Einleitung
2 Unmittelbare Nebenwirkungen
3 Nebenwirkungen einer Behandlungsserie
4 Zusammenfassung
Teil II: Transkranielle Magnetstimulation (TMS)
7 Historische und ethische Aspekte der transkraniellen Magnetstimulation
Mitja Bodatsch und Joachim Cordes
1 Einleitung
2 Historische Entwicklung der TMS
3 Ethische Aspekte der TMS
4 Ausblick
8 Transkranielle Magnetstimulation – Technische Grundlagen, Wirkungsweise und Durchführung
Carlos Schönfeldt-Lecuona und Uwe Herwig
1 Einleitung
2 Physikalisches Prinzip
3 Zelluläre Mechanismen
4 Metabolische und biochemische Auswirkungen
5 Stimulationsintensität
6 Stimulationsprotokolle
7 Positionierungsstrategien
7.1 Anatomische und funktionelle ›offline‹-Positionierungsstrategien
7.2 Stereotaktische ›Echtzeit‹-Navigation der TMS
8 Sicherheit und Nebenwirkungen
9 Zusammenfassung
9 Transkranielle Magnetstimulation in der Behandlung depressiver Störungen
Mitja Bodatsch
1 Einleitung
2 »State of the Art«
3 Alternative Stimulationsparameter
4 Spulenpositionierung
5 Klinischer Effekt und Einflussfaktoren
6 Andere mögliche (antidepressive) Indikationen der rTMS
7 NeurobioIogie
8 Zusammenfassung
10 Transkranielle Magnetstimulation als Behandlungsverfahren der Schizophrenie: Wirksamkeit auf Negativsymptomatik und akustische Halluzinationen
Joachim Cordes und Sandra Feyerabend
1 Einleitung
2 rTMS als Behandlungsverfahren der Schizophrenie
2.1 Wirkmechanismus der rTMS auf Negativsymptome
2.2 Wirksamkeit der rTMS in verschiedenen Stimulationsprotokollen
2.3 Patientencharakteristika als mögliche Einflussfaktoren auf die therapeutische Wirksamkeit der rTMS gegenüber Negativsymptomen
2.4 Wirkmechanismus und mögliche Zielregionen der rTMS bei akustischen Halluzinationen
2.5 Wirksamkeit der rTMS auf akustische Halluzinationen
3 Verbesserungsansätze zur rTMS-Wirksamkeit
3.1 Theta-burst-rTMS-Behandlung
3.2 Auswahl und Kombination von Applikationsorten
3.3 Weitere Arbeitshypothesen zum Erreichen einer rTMS-Wirkverstärkung
4 Mangelnde Vergleichbarkeit von kontrollierten Studien zur Effektivität von rTMS bei Patienten mit Schizophrenie
5 Zusammenfassung
11 Transkranielle Magnetstimulation – Mögliche weitere Indikationen
Jacqueline Höppner
1 Einleitung
2 rTMS bei Zwangserkrankungen
3 rTMS bei Angsterkrankungen
4 rTMS bei Chronischem Tinnitus
5 rTMS bei Abhängigkeitserkrankungen
12 Transkranielle Magnetstimulation – Risiken und Nebenwirkungen
Jacqueline Höppner
1 Einleitung
2 Cerebrale Krampfanfälle
3 Psychiatrische Nebenwirkungen
4 Schmerzen
5 Hörminderung
6 Kognitive Nebenwirkungen
Teil III: Transkranielle Gleichstromstimulation (tDCS)
13 Transkranielle Gleichstromstimulation bei psychischen Störungen
Mitja Bodatsch
1 Einleitung
2 Methodik
3 Wirkmechanismus
4 Anwendung bei psychischen Störungen
5 tDCS und Kognition
5.1 Wahrnehmung
5.2 Arbeitsgedächtnis
5.3 Lernen
5.4 tDCS und Kognition bei neuropsychiatrischen Störungen
6 Sicherheit und Verträglichkeit
7 Zusammenfassung
Teil IV: Vagusnervstimulation (VNS)
14 Vagusnervstimulation
Teresa Biermann und Wolfgang Sperling
1 Einleitung: Allgemeine Anmerkungen und Geschichte der Nervus-Vagus-Stimulation (VNS) am Menschen
2 VNS bei Patienten mit einer therapieresistenten depressiven Erkrankung
3 VNS zur Behandlung anderer neuropsychiatrischer Erkrankungen
3.1 Migräne
3.2 Morbus Alzheimer
3.3 Essstörungen
4 Wirkmechanismen der VNS
5 Nebenwirkungen der VNS
6 Ausblick und weitere Entwicklung
6.1 Die transkutane VNS
Teil V: Tiefe Hirnstimulation (THS)
15 Historische Entwicklung der Tiefen Hirnstimulation
Daniel Huys und Sabine Müller
1 Einleitung
2 Psychochirurgie
3 Stereotaktisch geführte läsionelle Prozeduren
4 Elektrische Stimulation des Gehirns
5 Entwicklung der Tiefen Bewegungsstörungen
6 Entwicklung der Tiefen Hirnstimulation für psychiatrische Erkrankungen
7 Zusammenfassung
16 Ethische Überlegungen zur Tiefen Hirnstimulation in der Psychiatrie: Entscheidungskompetenz und Identität
Karsten Witt und Christiane Woopen
1 Einleitung
2 Zur Kompetenz potentieller THS-Patienten
3 Ethische Legitimierung und Identitätsänderung
4 Fazit und Ausblick
17 Tiefe Hirnstimulation – Technische Grundlagen, Durchführung und Wirkweise
Jürgen Voges
1 Einleitung
2 Technische Grundlagen
2.1 THS-Stimulationssysteme
2.2 Stereotaktische Zielgeräte und Eingriffsplanung
2.3 Funktionell-stereotaktische Operation
3 Wirkweise der THS
3.1 Lokale und regionale Effekte der THS
3.2 Metabolische Effekte der THS
3.3 Effekte der THS auf Entladungsmuster von Neuronen
3.4 Neurogenese
4 Zusammenfassung
18 Tiefe Hirnstimulation bei Depression
Thomas E. Schläpfer und Sarah Kayser
1 Einleitung
2 Therapieresistente Depression
3 Zielorte
4 Wirkmechanismus
5 Stimulationsparameter und Durchführung
6 Nebenwirkungen
7 Ethische Besonderheiten und Ausblicke
19 Behandlung des Tourette-Syndroms mittels Tiefer Hirnstimulation
Kirsten R. Müller-Vahl und Jens Kuhn
1 Einführung
1.1 Pathogenese
1.2 Konservative Behandlung
2 Operative Behandlung
2.1 Ablative Verfahren
2.2 Tiefe Hirnstimulation
3 Zusammenfassung
20 Anwendung der Tiefen Hirnstimulation bei Patienten mit Zwangsstörungen
Wolfgang Huff, Doris Lenartz, Mohammad Maarouf und Veerle Visser-Vandewalle
1 Einleitung
2 Die Behandlung der Zwangsstörungen
3 Einsatz der THS bei Zwangsstörungen
4 Nebenwirkungen
5 Kognitive Veränderungen nach tiefer Hirnstimulation bei Zwangsstörungen
6 Fazit
21 Tiefe Hirnstimulation bei stoffgebundenen Abhängigkeiten
Michaela Möller, Ulf Müller und Jens Kuhn
1 Einleitung
2 Epidemiologische Bedeutung
3 Neurobiologie von Belohnung und Abhängigkeit
4 Stereotaktisch läsionelle Prozeduren
5 Tiermodellstudien
5.1 Nucleus subthalamicus (STN)
5.2 Insulärer Kortex
5.3 Laterale Habenula
5.4 Medialer präfrontaler Kortex
5.5 Nucleus accumbens
6 THS des Nucleus accumbens bei stoffgebundener Abhängigkeit im Menschen
7 Hypothesen zu den Wirkmechanismen der THS bei Abhängigkeit
8 Zusammenfassung
22 Tiefe Hirnstimulation – Risiken und Nebenwirkungen
Lara Rzesnitzek und Christine Winter
1 Einleitung: Komplikationen, Risiken und Nebenwirkungen
2 Von der Nebenwirkung zum Nebenbefund
3 Vom Nebenbefund zur neuen Indikation
4 Fazit und Ausblick
Stichwortverzeichnis
Prof. Dr. Jens Kuhn
Klinikum der Universität zu Köln
Klinik und Poliklinik für Psychiatrie und Psychotherapie
Kerpener Straße 62, 50937 Köln
Prof. Dr. Wofgang Gaebel
Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf
LVR-Klinikum Düsseldorf
Klinik und Poliklinik für Psychiatrie und Psychotherapie
Bergische Landstr. 2, 40629 Düsseldorf
Dr. Mitja Bodatsch
Klinikum der Universität zu Köln
Klinik und Poliklinik für Psychiatrie und Psychotherapie
Kerpener Str. 62, 50937 Köln
Priv.-Doz. Dr. Teresa Biermann
Klinikum Nürnberg Nord
Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie
Prof.-Ernst-Nathan-Str. 1,
90419 Nürnberg
Dr. Kirsten Brukamp
Universität Rostock
Geschichte der Medizin
Doberaner Straße 140, 18057 Rostock
Priv.-Doz. Dr. Joachim Cordes
Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf
LVR-Klinikum Düsseldorf
Klinik und Poliklinik für Psychiatrie und Psychotherapie
Bergische Landstr. 2, 40629 Düsseldorf
Sandra Feyerabend, Dipl.-Psych
Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf
LVR-Klinikum Düsseldorf
Klinik und Poliklinik für Psychiatrie und Psychotherapie
Bergische Landstr. 2, 40629 Düsseldorf
Priv.-Doz. Dr. Dipl.-Math. Michael Grözinger
Uniklinik RWTH Aachen,
Klinik für Psychiatrie, Psychotherapie und Psychosomatik,
Pauwelsstr. 30, 52074 Aachen
Prof. Dr. Uwe Herwig, M.A.
Psychiatrische Universitätsklinik Zürich
Klinik für Psychiatrie, Psychotherapie und Psychosomatik
Lenggstr. 31, 8032 Zürich, Schweiz
Prof. Dr. Jacqueline Höppner
Universitätsmedizin Rostock
Zentrum für Nervenheilkunde
Klinik und Poliklinik für Psychiatrie und Psychotherapie
Gehlsheimer Straße 20, 18147 Rostock
Dr. Wolfgang Huff, MPH
Marien-Hospital Euskirchen
Abteilung für Psychiatrie und Psychotherapie
Gottfried-Disse Str. 40, 53879
Euskirchen
Dr. Daniel Huys
Klinikum der Universität zu Köln
Klinik und Poliklinik für Psychiatrie und Psychotherapie
Kerpener Str. 62, 50937 Köln
Dr. Sarah Kayser, M. Sc.
Universitätsklinik Bonn
Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie
Sigmund-Freud-Str. 25, 53105 Bonn
Dr. Fritz-Georg Lehnhardt
Klinikum der Universität zu Köln
Klinik und Poliklinik für Psychiatrie und Psychotherapie
Kerpener Str. 62, 50937 Köln
Dr. Doris Lenartz
Klinikum der Universität zu Köln
Klinik für Stereotaxie und Funktionelle Neurochirurgie
Kerpener Str. 62, 50937 Köln
Priv.-Doz. Dr. Mohammad Maarouf
Klinikum der Universität Witten/Herdecke
Klinikum Köln-Merheim
Abteilung für Stereotaxie und Funktionelle Neurochirurgie
Ostmerheimer Str. 200, 51109 Köln
Dipl. Psych. Michaela Möller
Klinikum der Universität zu Köln
Klinik und Poliklinik für Psychiatrie und Psychotherapie
Kerpener Straße 62, 50937 Köln
Dr. Dipl.-Phys. Sabine Müller
Charité – Universitätsmedizin Berlin
Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie, CCM
Charitéplatz 1, 10117 Berlin
Dr. Ulf Müller
Klinikum der Otto-von-Guericke-
Universität Magdeburg A.ö.R.
Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie
Leipzigerstrasse 44, 39120 Magdeburg
Prof. Dr. Kirsten R. Müller-Vahl
Medizinische Hochschule Hannover Zentrum für Seelische Gesundheit
Klinik für Psychiatrie, Sozialpsychiatrie und Psychotherapie
Carl-Neuberg-Str. 1, 30625 Hannover
Dr. Swantje Notzon
Universitätsklinikum Münster
Klinik und Poliklinik für Psychiatrie und Psychotherapie
Albert-Schweitzer-Campus 1, Gebäude A9,
48149 Münster
Dr. Tillmann Ruland
Universitätsklinikum Münster
Klinik und Poliklinik für Psychiatrie und Psychotherapie
Albert-Schweitzer-Campus 1, Gebäude A9,
48149 Münster
Dr. Lara Rzesnitzek
Charité Campus Benjamin Franklin
Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie
Eschenallee 3, 14050 Berlin
und
Charité Campus Mitte
Institut für Geschichte der Medizin
Ziegelstraße 10, 10117 Berlin
Prof. Dr. Dipl. Phys. Alexander Sartorius
Medizinische Fakultät Mannheim/Universität Heidelberg
Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie
Zentralinstitut für Seelische Gesundheit,
J5, 68159 Mannheim
Prof. Dr. Thomas E. Schläpfer
Universitätsklinik Bonn
Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie
Sigmund-Freud-Str. 25, 53105 Bonn
Prof. Dr. Carlos Schönfeldt-Lecuona
Universitätsklinik Ulm
Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie III
Leimgrubenweg 12–14, 89075 Ulm
Prof. Dr. Wolfgang Sperling
Universitätsklinikum Erlangen
Psychiatrische und Psychotherapeutische Klinik
Schwabachanlage 6, 91054 Erlangen
Prof. Dr. Veerle Visser-Vandewalle
Klinikum der Universität zu Köln
Klinik für Stereotaxie und Funktionelle
Neurochirurgie
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Prof. Dr. Jürgen Voges
Klinikum der Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg A.ö.R.
Klinik für Stereotaktische Neurochirurgie
Leibniz-Institut für Neurobiologie, Magdeburg
Leipziger Str. 44, 39120 Magdeburg
Dr. Karsten Witt
Klinikum der Universität zu Köln
Forschungsstelle Ethik
Herderstraße 54, 50931 Köln
Prof. Dr. Christine Winter
Universitätsklinikum Carl Gustav Carus an der Technischen Universität Dresden
Klinik und Poliklinik für Psychiatrie und Psychotherapie
Bereich Experimentelle Psychiatrie
Fetscherstraße 74, 01307 Dresden
Prof. Dr. Christiane Woopen
Klinikum der Universität zu Köln
Forschungsstelle Ethik
Herderstraße 54, 50931 Köln
Prof. Dr. Peter Zwanzger
Universitätsklinikum Münster
Klinik und Poliklinik für Psychiatrie und Psychotherapie
Albert-Schweitzer-Campus 1, Gebäude A9,
48149 Münster
5-HT: 5-Hydroxytryptamin (Serotonin)
ACC: anteriorer Gyrus cinguli
ANPs: amplifying neural progenitor cells
ATN: anteriorer thalamischer Nucleus
BA: Brodman Areal
BDNF: Brain derived neurotrophic factor
BIL: bilaterale Stimulation
BtMG: Betäubungsmittelgesetz
CDT: Carbohydrate-Deficient-Transferrin
Cg25: Subgenualer zingulärer Kortex
CSTC: kortiko-striato-thalamokortikal
CT: Computertomographie
DA: Dopamin
DGPPN: Deutsche Gesellschaft für Psychiatrie und Psychotherapie, Psychosomatik und Nervenheilkunde
DLPFC: dorsolateral prefrontal cortex, i.e. dorsolateraler präfrontaler Kortex
DSM: Diagnostic and Statistical Manual of Mental Disorders
EC: entorhinaler Kortex
ECT: Electroconvulsive Therapy, i.e. Elektrokonvulsionstherapie
EEG: Elektroenzephalographie
EKT: Elektrokonvulsionstherapie
EMG: Elektromyographie
ERN: Error-related negativity
FDA: Food and Drug Administration
fMRT/fMRI: funktionelle Magnetresonanztomografie
GABA: gamma-aminobutyric-acid, i.e. Gamma-Amino-Buttersäure
GP: Globus Pallidus
GPe: Globus pallidus externus
GPi: Globus pallidus internus
HAMD: Hamilton Depression scale
HFS: hochfrequente elektrische Stimulation
Hz: Hertz
ICD: International Classification of Diseases
IPG: Impulsgeber
IQ: Intelligenzquotient
LA: Lokalanästhesie
LFP: lokale Feldpotentiale
LHb: laterale Habenula
MADRS: Montgomery Asperg Depression Rating Scale
MFB: medial forebrain bundle
MHPG: 3-Methoxy-4-hydroxyphenylglycol
MRT: Magnetresonanztomografie
NA: Noradrenalin
NAc: Nucleus accumbens
NFS: niederfrequente elektrische Stimulation
NIMH: National Institute of Mental Health
NTS: Nervus tractus solitarius
OCD: obsessive compulsive disorder
PET: Positronen-Emissions-Tomographie
PFC: präfrontaler Kortex
PTSD Posttraumatic stress disorder
RFT: radiofrequente Thermoläsion
RMT: Resting motor threshold, i.e. motorische Ruheschwelle,
rTMS: repetitive Transkranielle Magnetstimulation
RUL: rechtsunilaterale Stimulation
SANS: Scale for the Assessment of Negative Symptoms
SGZ: subgranuläre Zone
SPECT: Spektroskopie
SSRI: Selektive Serotonin-Wiederaufnahmehemmer
STN: Nucleus subthalamicus
TBS: Theta burst stimulation
tDCS: transcranial Direct Current Stimulation, i.e. transkranielle Gleichstromstimulation
THS: Tiefe Hirnstimulation
TMS: Transkranielle Magnetstimulation
TMT: Trail making test
TRD therapieresistente Depression
UNODC: United Nations Office on Drugs and Crime
USA: United States of America, i.e. Vereinigte Staaten von Amerika
VC/VS: vorderer Schenkel Capsula interna/Ventrales Striatum
vm: ventro-medial
VNS: Vagusnervstimulation
VTA: ventrales Tegmentum
WHO: World Health Organisation
Y-BOCS: Yale-Brown Zwangskala
Die Elektrokonvulsionstherapie ist eine bedeutsame Therapieform der Psychiatrie des 20. Jahrhunderts, in deren Entwicklung sich typische Verlaufsmuster medizinischer und wissenschaftlicher Neuerungen identifizieren lassen. In ihrer Geschichte können drei große, teilweise überlappende Abschnitte nach paradigmatischen Kriterien unterschieden werden: In der ersten Phase von Entstehung und Wachstum wurde die Elektrokonvulsionstherapie auf der Grundlage bereits zuvor identifizierbarer historischer Vorläufer erstmals klinisch eingeführt, und die internationale Verbreitung hing vom Engagement einzelner Pioniere und Protagonisten und von der Entwicklung der technischen Ausrüstung ab. In der Phase der Kritik und Konsolidierung wurde die Elektrokonvulsionstherapie zugunsten anderer aufkommender, wie besonders effektiver medikamentöser Therapien vernachlässigt. Gesellschaftlich erlebte sie eine teilweise starke Ablehnung, die im Zusammenhang mit der Antipsychiatrie-Bewegung stand und nicht zuletzt durch Negativdarstellungen in Filmen mitverursacht wurde. Trotzdem kam es zu einem Comeback, das zur derzeitigen wissenschaftlich-gesellschaftlichen Relevanz beitrug. Diese manifestiert sich in einem intensiven Expertendiskurs, der aber auch in der Einsicht mündet, dass die Elektrokonvulsionstherapie eine Koexistenz mit vielen anderen Behandlungsmöglichkeiten führt und ihre Potentiale und Probleme differenziert betrachtet werden müssen.
Die Elektrokonvulsionstherapie entstand in den dreißiger Jahren des 20. Jahrhunderts auf der Grundlage dreier systematischer Entwicklungen in der Psychiatrie: Zunächst einmal ist die beginnende Fokussierung auf die biologische Psychiatrie zu nennen, die auch am Ende des Jahrhunderts noch nicht abgeschlossen war und die zur Suche nach biologisch fundierten Therapien führte. Des Weiteren bestanden zu diesem Zeitpunkt mehrere Ansätze für sogenannte Krampfoder Schocktherapien, die darauf ausgerichtet waren, psychiatrische Erkrankungen durch die Herstellung extremer Stoffwechselzustände, die ansonsten in der Medizin selbst als pathologisch angesehen werden, zu behandeln. Hierzu sind die Insulintherapie und die Metrazol-Krampftherapie zu zählen. Schließlich bestanden bereits seit längerem Traditionen in der Medizin, Elektrotherapien einzusetzen, die die Wirkung elektrischen Stroms auf Körper- und Nervenzellen nutzten.
Im Einzelnen lassen sich folgende historisch relevante Aspekte im Hinblick auf die Vorläufertherapien nennen: Scribonius Largus behandelte in der Antike um das Jahr 47 nach Christus chronische Kopfschmerzen durch das Auflegen von Torpedo-Zitterrochen aus dem Tiber (Scribonius Largus circa 47 [1887]). In den 1780er Jahren empfahlen Benjamin Franklin (Philadelphia, Vereinigte Staaten von Amerika) und Jan Ingenhousz (Breda, Niederlande, und London, England) Studien zum Einsatz von Elektrotherapie für die Behandlung der Melancholie, also der Depression, nachdem beide Unfälle mit der Applikation von elektrischem Strom am Gehirn erlitten und dabei die Wirkungen des Gedächtnisverlusts beziehungsweise der euphorischen Hochstimmung erfahren hatten (Finger 2006; Finger und Zaromb 2006; Beaudreau und Finger 2006). Statische Elektrizität wurde medizinisch von Jean-Baptiste Le Roy (Paris, Frankreich) um 1745 und Robert Whytt (London, England) um 1751 eingesetzt (Milner 1999); danach werden die Berichte über den Einsatz und die verschiedensten Indikationen von Elektrotherapien häufiger (siehe zum Beispiel Endler 1988), wobei beispielsweise Elektroschocks am Körper bereits 1769 zu einer bemerkenswerten Symptombesserung bei paranoider Manie führten (Delbourgo 2001).
Von den vier in den dreißiger Jahren neu entwickelten Therapien in der Psychiatrie ist die Elektrokonvulsionstherapie als einzige übrig geblieben (Endler 1988), im Unterschied zu den anderen, nämlich Insulintherapie (entwickelt von Manfred Sakel), Metrazol-Krampftherapie (zurückzuführen auf Ladislas Meduna) und Psychochirurgie beziehungsweise Lobotomie (initiiert durch António Egas Moniz, verbunden mit dem Nobelpreis 1949, später fortgeführt durch Walter Freeman und James Winston Watts). Die davor eingesetzten Behandlungen werden teilweise als Folter bezeichnet, da sie bloß aus der symptomorientierten und teilweise brutalen Ruhigstellung der psychisch kranken Patienten bestanden. Retrospektiv wirken auch die anderen erwähnten Therapien unangemessen und kritikwürdig, wobei insbesondere die Geschichte der Psychochirurgie einen außerordentlich negativ bewerteten Verlauf nahm.
Für die Anfangsphase der Elektrotherapie können sehr deutliche personen- und ortsbezogene Entwicklungsschritte identifiziert werden. Eine direkte inhaltliche und zeitliche Verbindungslinie zur Elektrokonvulsionstherapie geht aus von Ladislas Meduna (1896–1964; Budapest-Lipótmezö, Ungarn), der 1934 Krampfzustände medikamentös induzierte (Endler 1988). Bereits seit den 1870er Jahren war Elektrizität bei Tieren genutzt worden, um Krampfaktivität zu erzeugen (Endler 1988).
Der Hauptort der Elektrokonvulsionstherapie-Entwicklung lag in Rom in Italien; die Protagonisten waren Ugo Cerletti, Direktor der Neuropsychiatrie, und Lucio Bini, Neuropsychiater. Cerletti lebte von 1877 bis 1963 und absolvierte sein Medizinstudium in Turin und Rom bis 1901. Danach spezialisierte er sich auf Neurologie und Neuropsychiatrie. Nach verschiedenen Arbeits- und Forschungsstationen wurde er 1935 Direktor der Klinik für Neuropsychiatrie in Rom (Mora 1963; Endler 1988). Lucio Bini lebte von 1908 bis 1964 und war Psychiater (Kalinowsky 1965). Er entwickelte im Auftrag von Cerletti die Technik für das erste Elektrokonvulsionstherapie-Gerät (Endler 1988), in Zusammenarbeit mit dem Techniker Arcione (Weiner 1988). Zunächst führte er Tierexperimente zur Optimierung von Dosierungen und Elektrodenpositionierungen durch (Fink 1988). Im April 1938 wurde die Elektrokonvulsionstherapie zum ersten Mal bei einem Menschen eingesetzt. Beteiligt war dabei unter anderem auch der Arzt Ferdinando Accornero, der später einen Augenzeugenbericht verfasste (siehe Accornero 1988). Nach den ersten Erfolgen legte Cerletti eine Aufgabenteilung unter seinen Mitarbeitern fest, um die Patienten klinisch und für Forschungszwecke bestmöglich zu beobachten (Accornero 1988; Endler 1988).
Hinsichtlich der technischen Entwicklung der Geräte für die Elektrokonvulsionstherapie stellten Kenner fest, dass es für mehrere Jahrzehnte erstaunlich wenige Neuerungen gab (Weiner 1988). Bereits in der Anfangsphase existierten Geräte, bei denen Typ, Frequenz, Stärke und Dauer der Impulse eingestellt werden konnten, die für unilaterale und bilaterale Stimulationen geeignet waren und die Selbsttestfunktionen besaßen (Weiner 1988). Nach dem Bau der ersten Prototypen kam es zur Kommerzialisierung mit nach den Entwicklern benannten Geräten und Techniken, wie Bini-Arcione-, Friedman-WilcoxReiter- und Liberson-Offner-Typen (Weiner 1988). Wesentliche Wendepunkte in der Anwendungsgeschichte waren die Standardisierung des Applikationssettings, welche idealerweise Monitoring in speziellen Behandlungsräumen einschloss (vergleiche Folkerts 1997: 140–142), und die Durchführung in Allgemeinanästhesie, die sich erst ab den 1970er Jahren durchsetzte. Durch diese Maßnahmen wurde die medizinische Sicherheit erhöht und das subjektive Erleben der Patienten verbessert.
Die wissenschaftliche Anerkennung der Elektrokonvulsionstherapie erfolgte in der Anfangsphase durch ihre Vorstellung auf Fachtagungen und später durch Veröffentlichungen in Fachzeitschriften sowie im persönlichen Kontakt durch die Möglichkeit der Hospitation und Observation an Kliniken, die diese Behandlungsmethode bereits einsetzten. Sie verbreitete sich rasch, ihr unkritischer Gebrauch war mit inakzeptablen Nebenwirkungen verbunden, und es ist bemerkenswert, dass einige US-amerikanische Psychiater aus diesen Gründen bereits 1947 einen »Missbrauch« beklagten (Fink 1988).
Zum Teil sind die Erstdurchführungen in anderen Staaten außerhalb Italiens gut dokumentiert. Die erste Anwendung in den Vereinigten Staaten von Amerika fand 1939 im Institute of Pennsylvania Hospital statt (Pulver 1961). Den fünften Kontinent erreichte die Elektrokonvulsionstherapie 1940 im Glenside Hospital als Parkside Mental Hospital in Südaustralien mit Hilfe einer selbstgebauten Maschine (Goldney und Adams 2009). In Brasilien begann sie 1941 aufgrund des Engagements des Psychiaters Pacheco e Silva (Rosa 2007). Bereits in den 1940er Jahren erschienen in der Zeitschrift »Nervenarzt« mehrere wissenschaftliche Artikel über die Elektrokonvulsionstherapie in Deutschland (Panfilova 2005).
Für die internationale Verbreitung der Elektrokonvulsionstherapie setzte sich zum Beispiel Lothar Kalinowsky (1899–1992) ein. Er wurde in Deutschland, Italien und England ausgebildet und gehörte zu den Augenzeugen der ersten Elektrokonvulsions-behandlungen in Rom. Er emigrierte 1940 in die Vereinigten Staaten von Amerika, wo er im selben Jahr am New York Psychiatric Institute mit einem dort eigens gebauten Gerät Elektrokonvulsionstherapien durchführte. Auch andere Kliniker waren daran beteiligt, die neue Therapie ab 1939 in die USAzu tragen (Endler 1988).
Beginnend mit den 1950er Jahren kam es zu einer Vernachlässigung der Elektrokonvulsionstherapie zugunsten der sich ausbreitenden medikamentösen Behandlungsformen. Die neu eingeführten Psychopharmaka, nämlich die klassischen Neuroleptika und trizyklischen Antidepressiva, erwiesen sich als bisher effektivste Form der Behandlung. In der Folge wurden auch zielgerichtetere und wirksamere Psycho- und Verhaltenstherapien sowie sozialpsychiatrische Angebote entwickelt. In den 1990er Jahren traten atypische Neuroleptika, selektive Serotonin-Wiederaufnahmehemmer und Serotonin-Norepinephrin-Wiederaufnahmehemmer hinzu, die wiederum für erweiterte therapeutische Auswahloptionen und damit insgesamt für eine Effizienzsteigerung in der Psychiatrie sorgten.
Die Geschichte der Elektrokonvulsionstherapie ist auch eine Geschichte des Widerstands gegen sie, welcher paradigmatisch für die Psychiatriegeschichte allgemein ist. Die Antipsychiatrie-Bewegung stellte in den 1960er und 1970er Jahren die Psychiatrie als Ganzes in Frage und setzte sich gegen Psychiatriemissbrauch, die Diagnose der Schizophrenie sowie Lobotomie und Elekt-rokonvulsionstherapie ein. In der Folge war die gesellschaftliche Akzeptanz der Elekt-rokonvulsionstherapie international kontrovers, so dass sogar von einer »Stigmatisierung« dieser Therapie gesprochen wurde (Shorter 2008).
Die gesellschaftliche Auseinandersetzung mit den polemisch so genannten »Elektroschocks« fand durch populärwissenschaftliche Darstellungen (beispielsweise Breggin 1980) und in Magazinen (Hirshbein und Sarvananda 2008) statt und involvierte auch künstlerische Zugänge in Filmen (Walter 1998; McDonald und Walter 2001) und mit Poesie (Walter et al. 2002). Hier ist zum Beispiel der Film »Einer flog über das Kuckucksnest« von 1975 zu nennen, der ein außerordentlich negatives Bild der Elektrokonvulsionstherapie als Disziplinierungsund Bestrafungsmaßnahme zeichnet.
Die in der Gesellschaft hervorgerufene Negativkonnotation spiegelt sich im Medizinsystem wider, wie sich an deutlich kritischen Bewertungen gerade zu Beginn des Medizinstudiums auch noch um die Jahrhundertwende in den Vereinigten Staaten von Amerika zeigt: »It appeared that there were significant negative biases against ECT in a portion of the group. Forty percent of the students who participated felt that psychiatrists often misused ECT, while 31 % actually thought ECT was used to punish violent or uncooperative patients« (Clothier et al. 2001: 99). Aus diesem Grund ist auch innerhalb des Medizinsystems eine konstruktive Auseinandersetzung von Befürwortern und Gegnern vonnöten.
Seit den 1980er Jahren entwickelte sich in der Medizin wieder vermehrtes Interesse an der Elektrokonvulsionstherapie, das in einem sogenannten leisen Comeback als effektive und akzeptierte Therapie mündete. Dieser historische Abschnitt kann mit einer klinisch-wissenschaftlichen Lehrbuch-Phase assoziiert werden, da die Quantität der bereits vorliegenden Daten und Erfahrungen vermehrt die Zusammenstellung in Kompendien erlaubte (vergleiche zum Beispiel Fink 1979). Richard Abrams (USA), ein Schüler Kalinowskys, verfasste ein vielbeachtetes Lehrbuch (siehe Abrams 1988). Ebenso setzte sich Max Fink (1923–heute, USA) für die Wiederverbreitung der Therapieform ein.
Allerdings sollte mit den Kritikern der Elektrokonvulsionstherapie angemerkt werden, dass sich eine deutliche Diskrepanz hinsichtlich ihres Einsatzes im Vergleich von verschiedenen Typen psychiatrischer Krankenhäuser, zum Beispiel zwischen Universitätskliniken und privaten Häusern, herausbildete (Dörner 1980: 5). Dieses kann einerseits mit den unterschiedlichen Forschungs- und Kompetenzprofilen der Kliniken erklärt werden; andererseits kann es für die Argumentation herangezogen werden, dass, weil einige Kliniken ohne Elektrokonvulsionstherapie in ihrem Behandlungsspektrum auskommen, diese insgesamt zu häufig eingesetzt wird.
Nach den ersten Stadien der Entwicklung neuer medizinischer Therapien mit Labor-und Tierexperimenten, klinischen Studien, zunehmender Verbreitung und Sammlung klinischer Erfahrung folgt üblicherweise die Phase der langfristigen wissenschaftlichen Begleitung und Bewertung. Diese manifestierte sich im Fall der Elektrokonvulsionstherapie relativ früh durch das Erscheinen von Fach- und Übersichtsartikeln bereits in den 1940er Jahren. Erst in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts lassen sich jedoch andere wesentliche Komponenten der wissenschaftlichen Strukturbildung und Qualitätsverbesserung feststellen:
Hierzu gehörten Empfehlungen durch Experten hinsichtlich Technik und Dokumentation (siehe beispielsweise Weiner et al. 1988), Gründung von spezialisierten Fachgesellschaften (»Association for Convulsive Therapy«, »International Society for ECT and Neurostimulation [ISEN]« ab 1976), Gründung von Fachzeitschriften (»Convulsive Therapy« 1985–1997, »The Journal of ECT« ab 1998) und Empfehlungen und Stellungnahmen durch allgemeine Fachgesellschaften (American Psychiatric Association 2001, nach der ersten Fassung von 1990 und dem Task Force Report 14 von 1978; Wissenschaftlicher Beirat der Bundesärztekammer 2003; National Institute for Clinical Excellence 2003; DGPPN et al. 2009). In einem weiteren Schritt der wissenschaftlichen Beschäftigung kam es dann zu einer Auseinandersetzung mit der Historie, wie sich unter anderem am Interesse an Augenzeugenberichten der noch lebenden Pioniere (vergleiche Accornero 1988; Übersetzung der handschriftlichen Aufzeichnungen in Bini 1995) zeigt, und zur Lehr- und Lernforschung, um die Vermittlung an Medizinstudierende zu fördern (Clothier et al. 2001; Shah und Averill 2009).
Heute gilt die Elektrokonvulsionstherapie als eine Therapieoption unter vielen möglichen. Sie ist bei lebensbedrohlichen Zuständen wie der Katatonie und infolge von Depressionen indiziert; oft wird sie als Methode der zweiten Wahl für bestimmte Indikationen wie pharmakoresistente unipolare Depressionen und therapierefraktäre Schizophrenien und Manien angesehen (Wissenschaftlicher Beirat der Bundesärztekammer 2003). Kontrovers sind die wissenschaftlichen Meinungen hinsichtlich der Frage, ob es sich bei den neuen Therapieformen der transkraniellen Magnetstimulation (TMS) und der transkraniellen Gleichstromstimulation (englisch: transcranial Direct Current Stimulation, tDCS) um legitime Weiterentwicklungen handelt oder ob diese aufgrund von unterschiedlichen Stimulationsmechanismen und Indikationen in eine andere Kategorie eingeordnet werden müssen. Obwohl manche traditionelle Protagonisten die Vergleiche ablehnen und die höhere Effektivität von Elektrokonvulsionstherapie gegenüber TMS bei Depressionen betonen (siehe Fink 2011), wird die Elektrokonvulsionstherapie heute oft zusammen mit TMS, tDCS und anderen Stimulationsverfahren wissenschaftlich besprochen (vergleiche Marcolin und Padberg 2007), und es ist zu bedenken, dass die anderen Therapien aufgrund der relativ kurzen Entwicklungszeit hinsichtlich der Techniken und Indikationen noch nicht optimiert erscheinen.
Die Elektrokonvulsionstherapie wirft heutzutage vor allem medizinethische Probleme in den Kontexten von informierter Zustimmung und Nichtschaden (siehe Beauchamp und Childress 2009) auf:
Patienten müssen in der Regel ihre informierte Zustimmung zu Behandlungsmaßnahmen geben, da ihren Ärzten sonst Körperverletzung vorgeworfen werden kann. Nichtsdestotrotz existiert in manchen Staaten noch die Möglichkeit, die Elektrokonvulsionstherapie als Zwangsmaßnahme ohne die Einwilligung der Patienten durchzuführen. Einerseits kann die Effektivität dieser Therapie bei einigen Patienten als Rechtfertigung hierfür herangezogen werden, zumal Zwangsmaßnahmen in der Psychiatrie mit der fehlenden Krankheitseinsicht der Patienten begründet werden; andererseits stellt sich die Frage nach den genauen Indikationen, die den Zwangseinsatz plausibilisieren sollen. Aufgrund wirksamer alternativer Akuttherapieformen lässt sich die Elektrokonvulsionstherapie heutzutage sicherlich kaum noch als Zwangsmaßnahme legitimieren.
Entsprechend dem Prinzip der Non-Malefizienz, des Nichtschadens, in der Medizinethik (siehe Beauchamp und Childress 2009) soll Patienten durch die ärztliche Behandlung kein Schaden zugefügt werden, der den Nutzen für sie praktisch zunichte macht. Ob dieses für die Elektrokonvulsionstherapie zutrifft, ist zwischen Unterstützern und Gegnern umstritten. Da sie meistens als nachrangige Methode nach erfolgloser medikamentöser Therapie gilt, ist der Nutzen für die Fälle, wo sie wirkt, dann als relativ hoch anzusehen. Das Mortalitätsrisiko aufgrund von kardiovaskulären Komplikationen unter Narkose wird von Befürwortern als geringer eingeschätzt als bei einer hochdosierten antidepressiven Pharmakotherapie (Folkerts 1997: 92). Als Nebenwirkungen werden oft kognitive Störungen mit häufiger retrograden als anterograden Amnesien, prolongierte Krampfanfälle, Kopfschmerzen sowie Verletzungen in der Mundhöhle beschrieben (Folkerts 1997: 92–101), wobei letztere ärztlich behandelt beziehungsweise durch Präventivmaßnahmen zumeist verhindert werden können.
Die kognitiven Störungen sind bisher nicht medizinisch kontrollierbar. Gegner der Elektrokonvulsionstherapie betonen gerade diese und sprechen von der »Hypothese der hirnschädigenden« beziehungsweise »persönlichkeitsschädigenden Wirkungen« (Breggin 1980: 168) aufgrund von pathologischen Hirnveränderungen und subjektiv belastenden Gedächtnisverlusten. Befürworter argumentieren dagegen, dass letztere in Anbetracht der bereits bestehenden krankheitsbedingten kognitiven Einschränkungen akzeptabel sind (Folkerts 1997: 93). Aufgrund der kontroversen Auseinandersetzungen ist zu hoffen, dass sowohl neue Tier- und Humandaten die Sicherheit der Elektrokonvulsionstherapie schlüssig belegen beziehungsweise klar widerlegen (vergleiche U.S. Food and Drug Administration 2011) als auch spezifischere und nebenwirkungsärmere Therapien entwickelt werden, um auf der Grundlage dieses Fortschritts die Indikationen für die Elektrokonvulsionstherapie neu zu überdenken.
Einsatz und Akzeptanz verliefen bei der Elektrokonvulsionstherapie als einer Behandlungsmethode der Psychiatrie des 20. Jahrhunderts in Zyklen. Insofern kann sie als ein Beispiel für eine »history of therapeutic fashions in psychiatry« (Tourney 1967: 92) betrachtet werden. Obwohl der Begriff der »therapeutischen Moden« im Bereich der Psychiatrie irritierend oder sogar zynisch klingt, lässt sich nicht verleugnen, dass Therapieoptionen sich historisch entwickeln und mit der Zeit verändern. Manchmal führt das Aufkommen neuer und spezifischerer Möglichkeiten dann auch dazu, dass einige Behandlungsmethoden seltener erforderlich werden.
Schon die ehemaligen Pioniere und Protagonisten der Elektrokonvulsionstherapie entwickelten die Hoffnung, dass sie eines Tages durch eine verbesserte Behandlungsmethode abgelöst werden würde. Diese Hoffnung zeigte sich bei Cerletti bereits als Reaktion auf den allerersten Einsatz beim Menschen: »[Cerletti] remarked« ›When I saw the patient’s reaction‹ I thought to myself: »This ought to be abolished!« Ever since I have looked forward to the time when another treatment would replace electroshock.« (Ayd 1963: A7). Als Augenzeuge der ersten Behandlung stellte Accornero fest: »We are ready to abandon the past, when the future shows some promise. […] Perhaps there will be a day in which our present technology will be regarded as inadequate or childish; perhaps posterity will consider electroshock a product of an obscure science. I would be happy to see that day because it would mean that something better has been discovered« (Accornero 1988: 49).
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Wissenschaftlicher Beirat der Bundesärztekammer. 2003. Stellungnahme zur Elektrokrampftherapie (EKT) als psychiatrische Behandlungsmaßnahme. www.bundesaerztekammer.de/downloads/EKT.pdf [11.08.2011].
Wenngleich ethische Überlegungen im gesamten Bereich der Medizin eine wichtige Rolle spielen, gerät insbesondere die EKT als vermeintlich risikobehaftetes, gar verzichtbares und hinsichtlich des therapeutischen Nutzens fragwürdiges Therapieverfahren immer wieder in den Fokus der Diskussion. Gerade in den Medien wird die Durchführung der EKT häufig als Akt brutaler Gewalt dargestellt, so zum Beispiel in dem Film »Einer flog über das Kuckucksnest« aus dem Jahr 1975, aber auch in »Requiem for a Dream« aus dem Jahr 2000. Dort werden Patienten festgehalten, gegen ihren Willen fixiert, Strom wird ohne Narkose »durch den Kopf gejagt«. Die Darstellungen bewegen sich dabei in den allermeisten Fällen fernab der Realität. Die Tatsache, dass die Entscheidung für diese Form der antidepressiven Therapie von den allermeisten Patienten freiwillig getroffen wird und grundsätzlich unter Narkose erfolgt, bleibt dabei völlig unberücksichtigt. Schwere Nebenwirkungen sind vergleichsweise selten, der therapeutische Nutzen für die Patienten in der Regel erheblich.
Tatsächlich ist die Tendenz zur verzerrten Darstellung am ehesten historisch begründet. So wurde die EKT – wie auch andere Therapieverfahren – in der Vergangenheit unkritisch angewandt, dies nicht selten aus therapeutischer Ratlosigkeit oder in Ermangelung anderer wirksamer Therapieverfahren. Im Gegensatz dazu ist die Weiterentwicklung der EKT als wichtiges Therapieverfahren in der biologischen Psychiatrie selbst medizinischen Fachkreisen in der Regel nicht oder nicht ausreichend bekannt.
Während die EKT in der Laienpresse immer wieder kontrovers diskutiert wird, gibt es in Hinblick auf ethische Aspekte vergleichsweise wenig Fachliteratur. In den wenigen Publikationen wird vor allem zu den Aspekten Indikation, Einwilligungsfähigkeit und Risiken Stellung genommen.
Der wissenschaftliche Beirat der Bundesärztekammer bezog 2003 eine eindeutige Position zur EKT als psychiatrischer Behandlungsmaßnahme: »Ein Verzicht auf die EKT würde eine ethisch nicht vertretbare Einschränkung des Rechtes von häufig suizidal gefährdeten, schwerstkranken Patienten auf bestmögliche Behandlung bedeuten, zumal die EKT von den Patienten retrospektiv gut bis sehr gut beurteilt wird« (Hoppe et al. 2003, S. 1).
Die EKT ist demzufolge Mittel der Wahl bei wahnhafter Depression, depressivem Stupor, schizoaffektiver Psychose mit schwerer depressiver Verstimmung, Depression mit drohendem Suizid oder Nahrungsverweigerung und lebensbedrohlicher (perniziöser) Katatonie (ebd.). Die therapeutische Bedeutung ist hinreichend belegt. Insofern scheinen sich also aus medizinischer Sicht keinerlei Zweifel zu ergeben hinsichtlich der ethischen Vertretbarkeit des Verfahrens.
Allerdings können je nach regionaler Versorgungssituation entsprechende Fachkunde und Verfügbarkeit des Verfahrens variieren. Aus diesem Grund sollte ein Patient unabhängig von den örtlichen Gegebenheiten bei entsprechender Indikation über die Möglichkeit einer EKT aufgeklärt werden und bei fehlender Verfügbarkeit oder Fachkunde des Verfahrens an Zentren mit entsprechender Expertise auf dem Gebiet der EKT verwiesen werden. In Deutschland ist die Versorgungslage im Vergleich zu anderen Ländern der Europäischen Union wie z. B. Italien vergleichsweise gut. In Abhängigkeit vom Wohnort variiert die Versorgungslage aber auch in Deutschland, sodass zukünftig die Bemühungen aller an der Gesundheitsversorgung beteiligten Institutionen zur strukturellen Optimierung verstärkt werden sollten, um mittelfristig eine flächendeckende Versorgung zu ermöglichen.
Die Wahrung der Patientenautonomie ist wesentlicher Grundsatz der modernen Medizinethik und neben den Aspekten Schadensvermeidung, Fürsorge und Gerechtigkeit wichtiger Bestandteil eines von Beauchamp und Childress (2008) für die ethische Vertretbarkeit von Therapieentscheidungen vorgeschlagenen Kriterienkatalogs. Patienten sollen daher grundsätzlich in die therapeutischen Überlegungen einbezogen werden und nach umfassender Aufklärung selbständig die Entscheidung für oder gegen ein Therapieverfahren treffen. Die Komplexität des Behandlungsverfahrens EKT, der oft drängende Wunsch der Patienten nach rascher Besserung der klinischen Beschwerden sowie bestehende Ängste vor dem Verfahren erfordern eine besonders behutsame und sorgfältige Gestaltung der Aufklärung. Im Falle nicht vorhandener Einwilligungsfähigkeit bei gleichzeitig bestehender dringender Behandlungsnotwendigkeit muss die Einrichtung einer gesetzlichen Betreuung, ggf. in Form einer Eilbetreuung, erwogen werden. Die Aufklärung zur EKT sollte klar definiert und standardisiert sein. Sie sollte angemessen und dabei individuell verständlich sein. Ein allgemeiner Teil muss über Indikation und Nebenwirkungen Auskunft geben (Reisner 2003, S. 215). Zudem muss auf die Wahl des Therapieverfahrens sowie auf Alternativen und potentielle Risiken eingegangen werden (Bosenquist 2009, S. 384–401). Gerade bei EKT kann eine unzureichende Aufklärung eine kritische oder ablehnende Haltung des Patienten oder dessen Angehörigen begünstigen. Aus diesem Grund sollten mögliche Befürchtungen des Patienten im Aufklärungsgespräch thematisiert werden (Folkerts 2010, S. 95). Zusammengefasst müssen im Rahmen des Entscheidungsprozesses gemeinsam mit dem Patienten alle Argumente für oder gegen EKT abgewogen werden. Entsprechende Fachkenntnisse des behandelnden Arztes sind dabei entscheidend.
Wie bei jeder anderen Therapieentscheidung auch muss nach dem Prinzip der Schadensvermeidung im Einzelfall das mit der Behandlung verbundene Nutzen-/Risikoverhältnis geprüft werden. Im Vergleich mit anderen Therapieverfahren ist jedoch das mit der Behandlung verbundene Risiko gering und im Wesentlichen auf das Narkoserisiko beschränkt. Insofern ist zur Risikoabschätzung auch eine Beurteilung des Narkoserisikos durch einen Facharzt für Anästhesiologie einzuholen.
Während aus klinischer Sicht auf der Basis umfangreicher Erfahrungen argumentiert werden kann, ist hingegen die Frage der genauen Wirkmechanismen der EKT noch weitgehend ungeklärt. Für die Zukunft sollte aus diesem Grund eine Intensivierung der Forschungsbemühungen rund um die neurobiologischen Effekte der EKT und des Ansprechens auf das Verfahren vorangebracht werden, um längerfristig ein besseres Verständnis des Verfahrens und damit eine breitere Akzeptanz zu erzielen.
Hoppe, J et al. (2003) Stellungnahme zur Elektrokrampftherapie (EKT) als psychiatrische
Behandlungsmaflnahme, (http://www.bundesaerztekammer.de/downloads/EKT.pdf Zugriff am 28.11.2012)
Beauchamp T L, Childress J F (2008) Principles of Biomedical Ethics. 6. Aufl., Oxford University Press
Folkerts H W (2010) Elektrokrampftherapie. Nervenarzt. Springer Verlag. 82: S. 93–103.
Rosenquist P B (2009) Informed consent. In: Swartz CM (Hrsg.) Electroconvulsive and Neuromodulation Therapies. 1. Aufl., Cambridge University Press, New York. S. 384–401.
Reid W H (2009) Professional barriers to providing elctroconvulsive therapy. In: Swartz CM (Hrsg.) Electroconvulsive and Neuromodulation Therapies. 1. Aufl., Cambridge University Press, New York. S. 197–205.
Reisner A D (2003) The Electroconvulsive Therapy Controvers: Evidence and Ethics. Neuro-psychology Review. Volume 13. No 4. Plenum Publishing Corporation. S. 199–219.
Ein epileptischer Anfall ist ein angstmachendes, aversives Ereignis und ein stigmatisierendes Symptom von Erkrankungen. Im Rahmen der Elektrokonvulsionstherapie (EKT) hat er sich dagegen als heilbringend erwiesen. Die EKT stellt eine intelligente Anwendung des epileptischen Anfalls für die Therapie psychischer Erkrankungen dar. Im ersten Schritt dieser Transformation wurde die ursprünglich pharmakologische Auslösung der Anfälle durch die elektrische Stimulation ersetzt, was das Verfahren zuverlässiger steuerbar und sicherer einsetzbar machte. Die darauf folgende Einführung von Succinylcholin minimierte die Verletzungsgefahr als Folge des Anfalls, machte aber zusätzlich eine Kurznarkose notwendig. Durch moderne Stimulationsund Überwachungstechniken, präiktale Hyperoxygenierung, supportive anästhesiologische Maßnahmen und dem Indikationsschwerpunkt affektive Störungen wurde die EKT schrittweise zu dem modernen medizinischen Therapieverfahren, das sie heute ist.
Trotz dieser Optimierungen der Methode sollte in Erinnerung bleiben, dass im Kern der generalisierte Krampfanfall das therapeutische Agens der EKT darstellt. Bislang ist es nicht gelungen, diesen elementaren Bestandteil des Verfahrens zu modifizieren, ohne therapeutische Wirkung einzubüßen. Zwei Anmerkungen sollen an dieser Stelle helfen, Missverständnisse zu vermeiden. Zum einen stellt der generalisierte Anfall eine notwendige, aber keine hinreichende Bedingung für die erwünschte Wirkung dar. Nicht der einzelne Anfall selbst, sondern erst die im Verlauf mehrerer Behandlungen im Gehirn angestoßenen Veränderungen führen zu der eigentlichen Besserung der Symptomatik. Zum anderen soll nicht suggeriert werden, dass Anfälle im Rahmen von EKT in allen physiologischen Aspekten mit spontan auftretenden epileptischen Anfällen übereinstimmen. Welche Ähnlichkeiten und Unterschiede diesbezüglich existieren, ist bislang wenig untersucht. Um einer unkritischen Gleichsetzung vorzubeugen, wird im Folgenden auf einige Besonderheiten der EKT im Vergleich zu spontanen sekundär generalisierten Anfällen hingewiesen. Anfälle im Rahmen von EKT werden durch äußere, zeitlich eng begrenzte Stimuli während einer Narkoseinduziert. Dabei gibt es keinen epileptisch aktiven Herd, der im Sinne eines Kindling über einen langen Zeitraum auf das Gehirn einwirkt. Außerdem besteht in der Regel keine genetisch bedingte epileptische Vulnerabilität. Diese und andere Faktoren könnten die Physiologie der Anfallsentstehung und -ausbreitung im Vergleich zum spontanen Anfall durchaus verändern.
Die geringe Repräsentation der EKT in der Facharztausbildung und die randständige Darstellung in vielen Empfehlungen, Monographien und Richtlinien spiegeln sich bei manchen Zuweisern und sogar bei Anwendern in einem erheblichen Mangel an Kenntnissen und in einer emotionalen Scheu vor dem Verfahren wider. Deshalb wird trotz evidenzbasierter Indikation eine EKT häufig erst in Erwägung gezogen, wenn multiple andere Therapieversuche fehlgeschlagen sind und viel Zeit verstrichen ist (Kellner et al. 2010). Für Patienten ist dies mit erheblichen Nachteilen verbunden, da mit zunehmender Dauer der Erkrankung die Erfolgsaussichten der EKT geringer werden (Kho et al. 2005). Auf der anderen Seite werden Patienten ohne diagnostisch sinnvolle Indikation mit der Begründung zugewiesen, dass medikamentöse und psychotherapeutische Behandlungen nicht erfolgreich gewesen seien. Im Vorfeld einer EKT sollte deshalb anhand der psychiatrischen Vorgeschichte, des somatischen Zustands und der Vorerkrankungen des Patienten sorgfältig geprüft werden, ob die Therapie indiziert und sicher anwendbar ist.
Im Hinblick auf eine geplante Behandlung ist es hilfreich, Patienten und Angehörige ergänzend zur routinemäßigen Aufklärung nach ihren Vorstellungen und Erwartungen hinsichtlich der EKT zu fragen und diese psychoedukativ aufzugreifen. Dabei zeigt sich regelmäßig, dass Mythen einen realistischen Blick der Betroffenen auf die Behandlung versperren. Beispielsweise wird EKT häufig als antiquierte Methode angesehen, die in Kliniken angewandt wird, die nicht mit moderner Psychopharmakologie vertraut sind. Dies geht mit der Angst einher, durch die Behandlung unnötigem Leiden ausgesetzt zu werden. Darüber hinaus wird die EKT oft als Wunderheilung für ausweglose Fälle, als ultima ratio dargestellt. Patienten assoziieren sie mit Hoffnungslosigkeit und Zwangsbehandlung (Chakrabarti et al. 2010). Solche Fehlattributionen verstärken die depressive Einstellung der Patienten zu sich und ihrer Erkrankung. Eine psychotherapeutische Bearbeitung kann im Rahmen einer EKT-Serie hilfreich sein.
Tendenziöse wissenschaftliche Untersuchungen stützen und perpetuieren solche Mythen. So wurde in einer Untersuchung die EKT mit mangelnder und falscher Aufklärung von Patienten unter Ausübung von Druck assoziiert (Rose et al. 2005). Berücksichtigt wurde nicht, dass alle medizinischen Interventionen mit hochambivalenten Entscheidungen von Patienten einhergehen, deren Verarbeitung speziellen Gesetzen unterliegt. Ein kontrollierender Vergleich mit somatischen Erkrankungen hätte dies zeigen können, wurde jedoch nicht herangezogen.
EKT darf nicht isoliert von den übrigen Therapien des Patienten gesehen werden, sondern im Rahmen eines Gesamtbehandlungsplans zusammen mit sozialpsychiatrischen, medikamentösen und psychotherapeutischen Maßnahmen. So sollten medikamentöse Therapie und EKT eng aufeinander abgestimmt sein. Psychotherapeutische Gespräche müssen auf vorübergehende kognitive Einschränkungen der Patienten Rücksicht nehmen, gleichzeitig aber auch neue Spielräume nutzen helfen, die sich aus der verbesserten affektiven Schwingungsfähigkeit durch die EKT ergeben. Auch nach einer erfolgreichen EKT-Serie müssen alle therapeutischen Möglichkeiten synergistisch genutzt werden, um Rückfälle zu verhindern.
Als Vorbereitung für eine EKT-Serie wird nach Feststellung der Indikation eine psychiatrische, neurologische und allgemein körperliche Untersuchung durchgeführt, sowie ein Routinelabor, ein EKG und EEG und eine konsiliarische Vorstellung in der Anästhesiologie. Meist erfolgt ergänzend eine Bildgebung des Gehirns, soweit nicht bereits in der Vorgeschichte dokumentiert. Zur Objektivierung des antidepressiven Therapieerfolgs kann vor und nach der EKT-Serie die Hamilton- oder die Montgomery-Asberg-Depressionsskala vergleichend angewandt werden (Hamilton 1960, Montgomery et al. 1979), für mögliche kognitive Nebenwirkungen die Mini-Mental-State-Examination (Folstein et al. 1990). Hinweisen auf Risikofaktoren unter EKT muss im Vorfeld sorgfältig nachgegangen werden, um Komplikationen zu vermeiden. Je nach Anamnese und Befund kann das zusätzlich eine Röntgenaufnahme des Thorax, eine Überprüfung des Zahnstatus, ein internistisches Konsil oder eine andere Maßnahme erfordern. Herzschrittmacher sollten überprüft werden, manchmal wird eine vorübergehende Umstellung des Betriebsmodus empfohlen. Krampfanfälle gehen mit einer starken kurzzeitigen Steigerung des Sympathikotonus einher. Bei einer vorbestehenden Hypertonie sind deshalb eine gute medikamentöse Einstellung und eine sorgfältige Überwachung während der Behandlungen wichtig, um Blutdruckkrisen zu vermeiden oder schnell behandeln zu können. Bei Patienten mit Cholinesterasemangel kann die Dauer der Muskelrelaxation verlängert sein. Arrhythmien, pulmonale Probleme und prolongierte Anfälle, z. B. bei Medikation mit Theophyllin, können als Komplikationen der EKT auftreten. Durch die Kenntnis der Risikofaktoren, eine dementsprechende Modifikation der Behandlungsbedingungen und die Möglichkeit, im Notfall akut zu intervenieren, wurde die EKT zu einem der sichersten Eingriffe in Narkose. Das Risiko schwerer Komplikationen einschließlich Tod liegt bei ungefähr 1 : 30.000 (Conca et al. 2004).
Bei bestimmten somatischen Erkrankungen ist die Gefährdung des Patienten im Rahmen einer EKT erhöht. Insbesondere trifft dies zu bei vorbestehendem erhöhtem Hirndruck, bei instabilen Frakturen der Wirbelkörper, einem weniger als 3 Monate zurückliegenden Herz- oder Hirninfarkt, einer instabilen Angina Pectoris, Herzinsuffizienz, Gefäßmissbildungen, Gerinnungsstörungen, Antikoagulation, Ablatio Retinae, Phäochromozytom, Thrombosen und bei sonstigen Erkrankungen, bei denen Blutdruckspitzen oder Arrhythmien eine Gefahr darstellen. In diesen Situationen muss eine strengere Indikationsstellung erfolgen. Durchaus möglich ist die Durchführung einer EKT bei geriatrischen und adoleszenten Patienten, bei Schwangeren, Patienten mit Osteoporose und Glaukom. Allerdings muss auch hier die Risiko-Nutzen-Relation sorgfältig abgewogen werden (Baghai et al. 2004; Conca et al. 2004).
In den meisten westlichen Industrienationen wird sie seit mehreren Jahrzehnten ausschließlich von Psychiatern in der Kooperation mit Anästhesisten durchgeführt. Es ist deshalb sowohl eine psychiatrische als auch eine anästhesiologische Aufklärung des Patienten notwendig. Der Ablauf der Behandlung, Wirkungen, Nebenwirkungen, Alternativen zur EKT und Umstände, die ein erhöhtes Risiko beinhalten, müssen besprochen werden. Es ist sinnvoll, Angehörige einzubeziehen, wenn diese und der Patient einverstanden sind. Die schriftliche Einwilligung sollte außer im Notfall mindestens einen Tag vor der ersten EKT vorliegen. Bei nicht einwilligungsfähigen Patienten muss der juristische Vertreter unterzeichnen. Sprechen sich Arzt und Betreuer eines einwilligungsunfähigen Patienten gemeinsam für oder gegen eine EKT aus, bedarf es keiner Genehmigung durch das Betreuungsgericht.
Bei einer üblichen EKT-Serie werden über mehrere Wochen jeweils zwei bis drei Einzelbehandlungen durchgeführt, bis eine Remission eintritt oder eine weitere Besserung nicht mehr erwartet wird. Ein hartes, allgemein gültiges Kriterium für die Beendigung einer Therapieserie gibt es nicht. In der Regel erfolgen 4 bis 20 Einzelbehandlungen, die jeweils durch mindestens einen therapiefreien Tag getrennt sind. Dieses Schema kann in Sonderfällen unter Abwägung der erwarteten Wirkungen und Nebenwirkungen verändert werden. So wird z. B. bei einer lebensbedrohlichen Katatonie manchmal eine höhere Behandlungsfrequenz gewählt. Auf der anderen Seite kann bei mnestischen Problemen die Frequenz der Einzelbehandlungen reduziert oder diese in schweren Fällen sogar vorübergehend ausgesetzt werden. Es muss dann sorgsam auf die Patienten geachtet werden. Sie können vorübergehend verstärkten Schutz oder Unterstützung bei alltäglichen Aufgaben benötigen. Die kognitiven Anforderungen sollten entsprechend angepasst werden, z. B. bei den Zusatztherapien.