TIBO - Daniela Streitenberger - E-Book

Beschreibung

TIBO ist ein kleiner Esel. Zusammen mit seinen Freunden lebt er auf einem Bauernhof. Das Besondere an ihm ist sein grünes Ohr. Was es damit auf sich hat und welche Abenteuer er erlebt, erzählen die Geschichten dieses Buches.

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Seitenzahl: 113

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Daniela Streitenberger

TIBO

Der Esel mit dem grünen Ohr

© 2020 Daniela Streitenberger

Verlag und Druck: tredition GmbH, Halenreie 40-44, 22359 Hamburg

ISBN

 

Paperback:

978-3-347-00592-1

Hardcover:

978-3-347-00593-8

e-Book:

978-3-347-00594-5

Das Werk, einschließlich seiner Teile, ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung ist ohne Zustimmung des Verlages und des Autors unzulässig. Dies gilt insbesondere für die elektronische oder sonstige Vervielfältigung, Übersetzung, Verbreitung und öffentliche Zugänglichmachung.

KAPITEL 1

TIBO UND SEINE FREUNDE

Das ist Tibo. Der kleine Esel. Auf den ersten Blick ein ganz gewöhnliches Maultier. 4 Beine, 1 Schwanz, silbergraues Fell, 2 Augen und 2 Nüstern, auch 2 Ohren gehören dazu.

Doch halt! Bei genauerem Hinsehen fällt auf, dass eines der beiden Ohren grün ist. Richtig grün. Das ist für einen Esel eine ziemlich einzigartige Besonderheit.

Tibo lebt auf einem Bauernhof mitten im Grünen. Ringsum Wiesen und Felder. Auch einige andere Tiere wohnen dort.

Da sind zum Beispiel Tiffy und Hannelore. Die beiden Hühnerschwestern.

Für Tiffy ist es das Wichtigste und Schönste der Welt, sich hübsch zu machen. In einer alten Damenzeitschrift, die ein Windsturm ihr einst in den Hühnerstall geweht hat, studiert sie die neusten Schminktipps. Hannelore strickt den lieben langen Tag Wollsocken für den Winter.

Nebenan auf der Weide steht Glorietta die Kuh.

Das Singen ist ihre Lieblingsbeschäftigung. Ab und an gönnt sie sich eine Pause und legt sich auf die Wiese. Die Sonnenstrahlen und das saftige Weidegras genießt sie dann ausgiebig.

Auch Berta das Schwein ist eine Bewohnerin des Hofes.

Sie ist schon etwas in die Jahre gekommen und deshalb am liebsten für sich alleine in ihrem Stall. Früher war sie als schönstes Schwein des Dorfes mehrmals ausgezeichnet worden. Über ihrem Strohlager hängen die Medaillen mit der blauen Schärpe. Oft sieht sie hinauf und erinnert sich mit melancholisch an die früheren Zeiten.

Der Chef unter den Tieren ist Sir Henry. Ein wunderschöner, großer, dunkelbrauner Hengst.

Er hat die Obhut über seine Mitbewohner und achtet mit liebevoller Sorgfalt darauf, dass immer alles Rechtens zugeht. Er kann streng sein, wenn es darauf ankommt. Doch tut er das meistens deshalb, damit niemandem etwas Schlimmes zustößt.

Ach ja, und da ist auch noch Freddy die Spitzmaus.

Er ist ziemlich frech und er hat ein großes Herz. Auf seinen täglichen Streifzügen nach Essbarem, bekommt er so einiges mit, was auf dem Bauernhof so vor sich geht. Manchmal muss er ganz schön aufpassen, dass er nicht in eine der Mausefallen tappt. Aber der kleine Kerl ist schlau. Er kennt die Schlupfwinkel und Geheimgänge, die ihm immer wieder als Ausweg und Versteck dienlich sind. Seine Lieblingsstücke sind seine Sonnenbrille und die ärmellose Jeansjacke, die er von einer entsorgten Kinderpuppe im Müll gefunden hatte.

Tibo hat schon immer ein grünes Ohr. Allerdings wusste er selbst nichts davon, denn in einem Stall gibt es keinen Spiegel. Irgendwann kam der Tag, an dem er das erste Mal nach draußen auf den Hof ging.

Voller Aufregung streckte er zuerst seine Nase vorsichtig durch die Stalltür, dann schon etwas mutiger seinen Kopf und schließlich stand er ganz an der frischen Luft. Herrlich. Mit kleinen Schritten bewegte er sich vorwärts. Erst langsam und dann immer schneller trabte er über den Hof. Bis er auf einmal ein ziemlich merkwürdiges gackern hörte: „Gack. Gack. Gack. Sieh nur! Gack. Gack. Gack. Der hat ein grünes Ohr! Gack. Gack. Gack. Wie komisch. Gack. Gack. Gack.“ Tibo blieb stehen und sah sich suchend um. Da er niemanden finden konnte, auf den diese Beschreibung passte, zog er weiter.

Doch nach ein paar Metern vernahm er erneut ein seltsames muhen: „Muhuhuuuu! Was ist denn daaaaas! Muhuhuuu. Hat man sowas schon gesehen? Muhuhuuuuu!“ Glorietta die Kuh stand auf der Weide am Zaun und prustete laut vor sich hin. Wieder blieb Tibo stehen, aber er konnte sich beim besten Willen nicht erklären, warum sie so laut lachte. Also ging er davon.

Als er am Schweinestall vorbeikam, grunzte jemand vor sich hin: „Oink. Oink. Sowas, oink, habe ich in meinem Leben noch nicht gesehen. Oink. Oink. Die Welt, oink, wird immer verrückter. Jetzt laufen schon Esel mit grünen Ohren rum. Oink. Oink.“ Berta das Schwein war offensichtlich fassungslos. Aber warum? Was hatte sie nochmal gesagt? Esel und grünes Ohr. Ja, Tibo war ein Esel. Aber er hatte kein grünes Ohr. Erneut sah er sich um und suchte nach Zutreffendem. Vergeblich. Etwas verunsichert setzte er seinen Weg fort.

„Sag mal, warum hast du denn ein grünes Ohr?“, fragte plötzlich eine Stimme. Der kleine Esel blieb stehen. „Ja, genau dich meine ich.“ „Mich?“, fragte er und blickte in die Augen von Sir Henry dem Hengst. „Ich habe doch kein grünes Ohr.“ „Doch. Sieh her.“ Das große Pferd deutete mit seinem Vorderhuf auf eine Pfütze auf dem Boden. Tibo beugte seinen Kopf leicht nach vorne und erkannte sein Spiegelbild. Tatsächlich! Sein linkes Ohr war richtig grün. Nun wurde ihm auch klar, dass all die anderen Tiere deshalb gelacht hatten. Und er schämte sich. Er schämte sich so sehr, dass er sofort in seinen Stall zurückgaloppierte und sich versteckte. Zusammengekauert in einer Ecke, rollten ihm dicke Tränen über die Wangen. „Niemand mag mich mit so einem hässlichen grünen Ohr“, dachte er. „Ich habe keine Freunde.“

„Hey! Was isn mit dir los?“, piepste eine Stimme unter dem Heu hervor. „Warum biste denn so traurig?“ Tibo blickte in die Richtung aus der die Laute kamen. Vor ihm am Boden saß Freddy die Spitzmaus. Er hatte sich ein großes Stück Käse aus der Bauernküche stibitzt und gerade als er sich genüsslich den ersten Bissen genehmigen wollte, tropfte eine Träne direkt auf seinen Kopf. „Oh“, schniefte der Esel. „Entschuldige bitte, aber ich weiß nicht mehr weiter. Alle Tiere lachen über mich wegen diesem blöden grünen Ohr. Am liebsten würde ich es weghaben.“ „Echt?“, erwiderte Freddy kauend. Er hatte sich in der Zwischenzeit über das Käsestück hergemacht. „Das ist doch voll cool. Sowas hat nicht jeder. Damit biste was ganz Besonderes.“ Es war unvorstellbar, dass der Mäuserich das ernst meinte. „Cool? Was Besonderes? Du irrst dich. Die anderen lachen mich aus deswegen.“

Die Spitzmaus ließ sich nicht beirren. Mittlerweile hatte er sein Mittagessen beendet, wischte sich mit der Mäusepfote die letzten Krümel vom Mund und stellte sich in seiner vollen Größe vor den zehnmal größeren Gesprächspartner. „Jetzt hör mir mal zu, mein Freund. Wenn ich sage dein grünes Lauscherchen is der Hammer, dann is es das auch. Und die anderen haben keine Ahnung davon was gut aussieht und was nich. Sieh mich an. Ich bin zwar klein, aber ich hab richtig Spaß. Wenn ich mir wünschen würde ich wäre so groß wie ein Elefant, dann muss ich ja traurig und einsam werden. Denn das wird nie passieren. Ich bin so wie ich bin und das is gut so. Und egal was die anderen denken oder sagen, ich geh trotzdem raus und freue mich an allem was mir so vor meine Spitznase kommt. Und du wirst dasselbe tun. Capito?“ Freddy schnappte nach Luft, als er seine Ansprache beendet hatte und blickte dem Esel tief in die Augen. Das hat hoffentlich gesessen. Tibo war sprachlos. Es dauerte einen Moment bis er antworten konnte. „Aber wie soll ich denn da raus gehen? Das Dings da oben ist mir so peinlich und das merkt doch jeder?“ Die kleine Maus war inzwischen wieder auf allen Vieren und schüttelte den Kopf. „Hoffnungslos.“ Und sagte dann zu Tibo: „So geht das nich. Was du brauchst is`n Crashkurs. Komm mit!“ Durch die Hintertür, sodass sie unbeobachtet blieben, flitzte er um die Stallungen herum, bis zur Wiese von Sir Henry. Der Esel versuchte seinem Gefährten so schnell wie möglich zu folgen und erreichte keuchend, etwas zeitverzögert das Ziel.

„Guten Tag Freddy. Du hast mich lange nicht mehr besucht. Offensichtlich hast du dich wieder in der Bauerküche bedient. Das darfst du doch nicht. Was führt dich zu mir, kleiner Freund?“ Die Spitzmaus stellte ertappt fest, dass sie nicht alle Käsereste von ihrem Fellkleid geputzt hatte. „Hey, Sir Henry. Ich meine Guten Tag. Ich machs nie wieder. Ich versprechs.“ Sie hob die rechte Mäusepfote. „Ich hab dir jemand mitgebracht. Nen hoffnungslosen Fall, der dringend bissl Nachhilfe braucht, wenn du verstehst was ich meine.“ Er zwinkerte dem großen Hengst vielsagend über seine Sonnenbrille hinweg zu.

Tibo, der sich inzwischen regeneriert hatte, erkannte Sir Henry sofort, da er es war, der ihn auf sein grünes Ohr aufmerksam gemacht hatte. „Guten Tag Tibo“, sagte dieser und blickte ihn freundlich an. „Guten Tag“, entgegnete der kleine Esel schüchtern. „Möchtest du mir erzählen warum du so traurig bist?“, fragte der Große. „Nein lieber nicht. Sonst lachst du auch über mich wie alle anderen, wenn du es nicht sowieso schon tust. Es ist ja nicht schwer zu übersehen.“ „Was ist nicht schwer zu übersehen?“, wollte Sir Henry wissen. Ungläubig kam die Antwort: „Naja. Das grüne Ohr da oben auf meinem Kopf. Das ist der Grund warum mich keiner mag und ich mich selber auch nicht.“ „Warum denkst du, dass dich niemand mag?“ Eine weitere Frage, die nach einer Antwort verlangte. „Ich bin nicht wie alle anderen und deshalb schließen sie mich aus.

Aber ich will dabei sein und mich nicht verstecken.“ „Und warum solltest du das nicht tun dürfen?“, entgegnete der Gesprächspartner. „Das weiß ich nicht.“ Der Esel war verwirrt. „Was kannst du denn gut?“, wollte der Hengst plötzlich wissen. Das war eine komische Frage. „Wie meinst du das?“ „Ich meine, was machst du gerne. Was macht dir Spaß?“ wurde er konkreter. „Naja, zum Beispiel wälze ich mich unglaublich gerne im Heu und wirble alles auf. Und ich liebe Äpfel. Und Karotten. Wenn ich etwas Lustig finde kann ich ganz laut und lange lachen bis ich manchmal sogar davon Bauchschmerzen bekomme. Höre ich eine Geschichte, dann will ich, dass sie gar nicht mehr aufhört. Und manchmal stehe ich heimlich nachts auf und schaue mir die Sterne aus dem Stallfenster heraus an.“ „Meinst du das alles interessiert die anderen nicht? Also ich finde das sehr spannend dir zuzuhören.“ Sir Henry blickte Tibo liebevoll an. „Meinst du das ehrlich?“ Immer noch zweifelnd sah der Kleine hoch zu dem Pferd. „Ich meine das sehr ehrlich. Es gibt bestimmt viele, die ähnliche Dinge gerne machen wie du. Dann wiederum gibt es einige, denen ganz andere Sachen Freude bereiten. Ich kann mir gut vorstellen, dass es Spaß macht diese Gemeinsamkeiten herauszufinden und neue Interessen zu entdecken.“ „Hmmm.“ Tibo überlegte. „Du denkst also, dass ich einfach mal auf die anderen Tiere zugehen soll?“ „Genau.“ Der Hengst nickte zusagend und seine schwarze Mähne wehte dabei leicht im Wind. „Hab Mut. Du wirst sehen es funktioniert.“

Freddy hatte der Unterhaltung bisher gespannt zugehört, doch jetzt platzte es aus ihm förmlich heraus: „Das hab ich dir doch gleich gesagt, Kumpel. Raus gehen. Mumm bauchste und dann ab durch die Mitte.“ Er hüpfte vor Tibo auf und ab und warf seine dünnen Mäuseärmchen in die Luft. „Der Sir Henry is einfach ne Wucht, oder? Ähm, ich meine, du Sir Henry bist einfach spitze, megaklasse, na, du weißt schon was ich meine.“ Mit leicht geröteten Backen schaute die Spitzmaus hinauf zum großen Pferd. Dieses beugte sich herunter und bemerkte mit einem Augenzwinkern: „Danke, lieber Freund, für dieses Kompliment. Wenn ihr beiden jetzt losgeht, dann hab ein bisschen Acht auf Tibo. Er wird deine Hilfe ab und zu gut gebrauchen können.“ Freddy streckte seine Brust zur vollen Größe nach vorne, so stolz war er über dieses Amt. „Wird gemacht, Boss. Kannst dich auf mich verlassen.“ Und er machte einen Gruß mit seiner Pfote. Auch der kleine Esel war erleichtert, dass er nicht alleine gehen musste. Nachdem die beiden sich bei Sir Henry bedankt und von ihm verabschiedet hatten, zogen sie los.

„Zu wem sollen wir zuerst gehen?“, fragte Tibo. „Hmmm. Lass mal überlegen……“ Freddy dachte angestrengt nach und schnippte dann nach einer Weile mit dem Finger. „Ich hab`s. Wir gehn zur Sau! Äh, ich meine natürlich zu Berta dem Schwein. Die is eigentlich ziemlich lässig drauf. War früher mal`n Model und hat einige so goldene Halsketten gewonnen. Grad liegt se bestimmt im Stall und schaut sich die Dinger an der Wand an. Komm wir schaun mal was sie so treibt.“ „Na gut.“ Der kleine Esel folgte mutig der Spitzmaus. „Sie wird schon wissen was sie tut“, dachte er. Bevor die beiden an die Tür der Behausung klopften, flüsterte Freddy seinem Gefährten zu: „Du musst bissl lauter reden, sie is schon etwas schwerhörig.“ Dann klopfte er an, holte tief Luft und rief so laut er konnte. „Haaalloooo Beeertaaa. Hier ist Freeeedyyyyy.“ Und wieder im Flüsterton zu Tibo: „Hoffentlich is se daheim.“ Es dauerte eine kleine Weile bis eine Stimme von innen antworte. „Oink. Oink. Was willst du denn hier?“ „Ich hab dir Besuch mitgebracht.“ „Besuch? Mich besucht nie jemand. Oink. Oink“, grummelte es hinter der Tür. „Heute schon“, gab die Maus siegessicher zurück. Und wieder zum Esel: „Jetzt bist du dran. Sag was!“ „Ich?“, entgegnete Tibo zaghaft. „Ja. Trau dich.“ „Ok. Guten Tag, Frau Berta. Ich bin Tibo der Esel.“ „Kenn ich nicht“, kam es prompt zurück. Etwas zögerlich erwiderte er: „Ich möchte dich gerne kennenlernen.“ Stille. „Oh Nein. Jetzt ist sie sauer“, dachte der Kleine und wollte schon gehen, als plötzlich die Stalltür aufging. „Aha. Na dann komm mal rein und nimm die Spitzmaus mit. Oink. Oink.“

Vor ihm stand eine alte Schweinedame und nickte in Richtung ihrer Wohnung. Um ihren Hals baumelte eine matte Goldmedaille an einem zerschlissenen blauen Band. Die drei gingen hinein. Über dem Futtertrog hingen an die 14 Medaillen, genauso wie diejenige um Bertas Hals. In der Mitte stand auf einem schmalen Regalbrett ein großer Pokal mit der Aufschrift: SCHÖNSTES SCHWEIN DES JAHRES und darüber ein gerahmtes Foto einer sehr hübschen Schweinefrau. Tibo und Freddy begutachteten mit großen Augen die Trophäen.