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Nach dem Tierrechtsreport 2015 deckt der Tierrechtsreport 2016 die Tierrechte als eines der gesellschaftlich meistdiskutierten Themen in Deutschland ab. Dabei steht nicht mehr nur der Schutz von Tieren im Fokus, es geht vielmehr um die Anerkennung ihrer unveräußerlichen und vergleichsweise weitgehenden Rechte. Tagtäglich trifft jeder Mensch Entscheidungen, die unmittelbar mit Tierrechten verbunden sind: Ob Lebensmittel auf dem Teller, Haushalts-, Kosmetik- oder Pflegeprodukten im Einkaufswagen, die Wahl der Kleidung oder die Freizeitgestaltung. Überall begegnen Verbrauchern Tiere oder das, was aus ihren Körpern hergestellt wurde. Diese vielfältigen Überschneidungen mit dem privaten und auch öffentlichen Leben machen deutlich, wie groß der Einflussbereich jedes Einzelnen ist. Der Tierrechtsreport legt Zeugnis ab und zeigt die Arbeit, dem entgegenzuwirken.
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Seitenzahl: 158
Veröffentlichungsjahr: 2016
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Vorwort
Einleitung
BEKLEIDUNG
Tierzucht für die Pelzindustrie in Deutschland
Der Anfang vom Ende
Lederproduktion
Neue Recherchen und tierfreie Innovationen
Wollproduktion
Globale Tierqual an Schafen und Angorakaninchen
ERNÄHRUNG
Geflügelproduktion
80 Prozent durchermittelte systemimmanente Tierquälerei
Eierproduktion
50 Prozent Lebensvernichtung
Schweineproduktion
Ständige Rechtsbrüche in Mast und Ferkelaufzucht
Rinder und Milchproduktion
Ständige Missstände
Angeln als Freizeitspaß
Rechtsbrüche und Verteidigungsstrategien der Behörden
Wirbellose
Vom Tierschutzgesetz fast rechtlos gestellt
TIERVERSUCHE
Die US-Gesundheitsbehörde gibt auf
Auswirkungen auf Deutschland
PETAs Internationales Wissenschaftskonsortium
Verhandlungen auf höchster Ebene
Durchsetzung von Alternativmethoden für das Militär
Die USA als Vorreiter
UNTERHALTUNG
Stierkampf
Widerstand und Subventionen
Die Tierqual bei Zirkus Charles Knie & Co
Verbote, Verurteilungen und behördliche Zwangsmittel
Zoos
Besucherzahlen untermauern Paradigmenwechsel
Die Jagd in der Landesgesetzgebung
Beschränkungen nehmen zu
Pferde als Sportgeräte
Eine unbelehrbare Clique von Tierquälern
Pferdekutschen am Pranger
Tierquälereien und schwere Unfälle an der Tagesordnung
Ponykarussells
Durchbruch gegen die Pferdeschinderei
Delfinarium Nürnberg
Eine Pressekonferenz als Geständnis
TIERISCHE MITBEWOHNER
Heimtier- und Exotenhandel
Verkaufsschluss bei OBI und REWE-toom
Qualzucht pur
Die alltägliche Tierquälerei
Whistleblowing nachgefragt
Animal Crushing
Unfassbare Tierquälereien im Verborgenen
ALLGEMEIN
PETA als Marke
Tierrechte im Spannungsfeld von Organisationen und Wirtschaft
Religion und Tierrechte
Tierrechte & Veganismus im Internet
RECHT
Der Tierschutzbericht der Bundesregierung
Defizite des Gesetzgebers
Tierschutzverbandsklagerecht
Baden-Württemberg zieht nach
Die Informationsfreiheitsgesetze
Nordrhein-Westfalen fällt zurück
Epilog
Anhang
Auswahl der Erfolge 2015 von PETA Deutschland e.V.
Auswahl von Tierrechtsorganisationen in Deutschland
Kurzporträt PETA Deutschland e.V.
Personenregister
Viele Nichtregierungsorganisationen veröffentlichen mittlerweile Jahresberichte oder Reports, die sich fast ausschließlich mit gesellschaftlichen und anderweitigen menschlichen Problembereichen befassen. Doch in den vergangenen Jahren sind die Tierrechte – von Kommentatoren als die soziale Bewegung des 21. Jahrhunderts schlechthin bezeichnet – auf dem Boulevard der öffentlichen Meinung angekommen. Etliche Titelgeschichten und -reportagen in den Leitmedien der Republik, Bücher, Fernsehfilme, Fernsehdokumentationen, aber auch Kinofilme zeugen von dieser Entwicklung, und PETA ist sozusagen so gut wie immer Thema dabei.
So war es an der Zeit, dass PETA Deutschland e.V. als Schwesterorganisation der weltweit größten Tierrechtsorganisation PETA USA mit dem Jahr 2015 den alljährlichen Tierrechtsreport veröffentlicht. Dieser liegt nun in seiner zweiten Fassung vor. Zwar hat es in der Vergangenheit immer mal wieder diverse Tierschutzberichte gegeben, jedoch unregelmäßig und eben Tierschutzberichte und keinen Tierrechtsreport. Tierrechte sind unmittelbar und mittelbar mit Menschenrechten, Welthunger, Umweltverschmutzung, Klimawandel, Wasserknappheit, Bodenerosion, Regenwaldrodungen, Artenschutz, Biodiversität, der öffentlichen Sicherheit und Ordnung, menschlichen Erkrankungen oder dem Rechtsfrieden, der in Deutschland durch die Ausbeutung der Tiere in vielerlei Hinsicht nachhaltig gestört ist, verbunden. Der Tierrechtsreport soll dem entgegenwirken, indem er darüber informiert, was 2015 hierzulande in den unterschiedlichsten Schwerpunktthemen geschehen ist und welche Entwicklungen in der Zukunft zu erwarten sind.
Stuttgart, im Mai 2016
Ingrid Newkirk
1. Vorsitzende von PETA Deutschland e.V.
Tierrechte sind eines der gesellschaftlich meistdiskutierten Themen in Deutschland. Dabei steht nicht mehr nur der Schutz von Tieren im Fokus, es geht vielmehr um die Anerkennung ihrer unveräußerlichen und vergleichsweise weitgehenden Rechte. Tagtäglich trifft jeder Mensch Entscheidungen, die unmittelbar mit Tierrechten verbunden sind: ob Lebensmittel auf dem Teller, Haushalts-, Kosmetik- oder Pflegeprodukte im Einkaufswagen, die Wahl der Kleidung oder die Freizeitgestaltung. Überall begegnen Verbraucher Tieren oder dem, was aus ihren Körpern hergestellt wurde. Diese vielfältigen Überschneidungen mit dem privaten und auch öffentlichen Leben machen deutlich, wie groß der Einflussbereich jedes Einzelnen ist.
PETA hat es sich zur Aufgabe gemacht, Gesellschaft, Politik und Wirtschaft mithilfe fundierter Informationen aufzuklären und so das Bewusstsein für Tierrechtsthemen zu schärfen. Ob Leid in der Pelz-, Leder- oder Wollproduktion, systemimmanente Tierquälerei in fleisch-, milch- oder eierproduzierenden Betrieben und Schlachthöfen, der Blick in den Tierversuchs- oder Unterhaltungssektor oder Hintergrundberichte aus dem Heimtierhandel: Der vorliegende Tierrechtsreport gibt einen einmaligen Überblick über den Ist-Zustand der Tierrechtsproblematik. Und er liefert einen Ausblick. Die dokumentierten Erfolge zeigen, was PETA und andere Tierrechtsorganisationen im vergangenen Jahr auf allen Ebenen für die Tiere erreichen konnten. Das Vertrauen der Verbraucher in gesetzgeberische Initiativen sinkt zusehens, gleichzeitig gewinnt die „Marke PETA “ an Relevanz, sei es als Kooperationspartner für gewaltfreie Produkte, Lizenzgeber für Logos oder durch die Vergabe von Auszeichnungen wie dem Vegan Fashion Award und dem Progress Award.
Jedes Jahr werden in deutschen Schlachthäusern knapp 800 Millionen Tiere für die Fleisch-, Milch- und Eierindustrie getötet. Für PETA kann der Ausstieg aus diesem leidvollen Kreislauf nur über den Weg einer ausgewogenen veganen Ernährung gelingen. Der Tierrechtsreport 2016 ist ein Appell an jeden Einzelnen, hinzuschauen, das Tierleid zu begreifen und verantwortungsvolle Entscheidungen zu treffen. Körperliche Unversehrtheit und die Würde sind grundlegende Rechte, die Tieren genauso zustehen wie Menschen.
Hinter Stacheldraht und in winzigen Drahtkäfigen werden auf Großfarmen in Deutschland schätzungsweise noch rund 100.000 Nerze wegen ihres Pelzes gezüchtet und nach wenigen Monaten vergast. Doch im Mai 2015 brachten die Länder Schleswig-Holstein und Rheinland-Pfalz einen Gesetzesantrag für ein Verbot der sogenannten Pelztierzucht in Deutschland in den Bundesrat ein.1 Angesichts moderner Kunstpelze gäbe es keinen „vernünftigen Grund“, Tiere für Pelz unnötig einzusperren und zu töten, so die mehrheitliche Meinung der Länderkammern.
Die 2006 beschlossene Durchsetzung größerer Käfige oder Wasserbecken sind am Widerstand der Pelzfarmbetreiber gescheitert. Seit Dezember 2011 weigern sich die Inhaber der verbliebenen Nerzfarmen, die geänderte Tierschutznutztierhaltungsverordnung nach Ablauf der Übergangsfrist umzusetzen und klagen vor den Verwaltungsgerichten, um Rechtsschutz zu erhalten. Kontrollen der Pelzfarmen durch PETA haben ergeben, dass die Farmbetreiber keine Aufrüstungen der Haltungseinrichtungen mit Wasserbecken, Klettermöglichkeiten oder Planboden vornehmen, die der Verordnungsgeber ab 2016 verlangt. Das Oberverwaltungsgericht Schleswig urteilte zuletzt, dass die aktuellen Haltungssysteme von Nerzen nicht tiergerecht seien, für schwerwiegende Eingriffe in die Berufsfreiheit jedoch ein Parlamentsbeschluss nötig sei.2 Das Verfahren ist anhängig beim Bundesverwaltungsgericht.3
HUGO BOS hat als führendes internationales Unternehmen für Premiumfashion den Entschluss gefasst, ab 2016 keine Zuchtpelze – etwa von Marderhunden oder Kaninchen – in seinen Kollektionen einzusetzen und Restbestände abzuverkaufen. Auslöser für die Entscheidung ist die Nachhaltigkeitsstrategie des Konzerns, die im Bereich Tierschutz in den letzten Jahren auch durch umfassende Dialoge mit PETA geprägt wurde4.5
Vonseiten der Modehändler verkündete die Marke Yeans Halle, künftig keine Artikel mit Pelz mehr zu ordern, nachdem PETA die Geschäftsführung über die Realität auf den internationalen Pelzfarmen informiert hatte.6 Vor Filialen von Peek & Cloppenburg Düsseldorf gab es jedoch bundesweite Anti-Pelz-Proteste von Tierrechtlern, weil in der Herbst-/Winter-Saison 2014/2015 wieder Jacken und Accessoires mit Kaninchenpelz angeboten wurden, die nach Protesten seit dem Geschäftsjahr 2007 aus dem Sortiment des Modehändlers verschwunden waren. Im Dezember 2015 erklärten Peek & Cloppenburg Düsseldorf und sein Tochterunternehmen ANSON ‘S, ab dem Geschäftsjahr 2016 keine Produkte mit Kaninchenpelzbesatz mehr einzukaufen und Altbestände abzuverkaufen.7
Es fehlt nach wie vor eine aussagekräftige Pelzdeklaration in Deutschland. Die gültige EU -Textilkennzeichnungsverordnung schreibt bei Pelzen lediglich den Hinweis „Enthält nicht-textile Teile tierischen Ursprungs“ als Hinweis im Etikett bei Pelzbesatz an Mützen oder Mantelkrägen vor.8 Da dieser Hinweis auch für Lederpatches, Hornknöpfe oder Daunenfüllungen an Bekleidung gilt, ist für den Verbraucher jedoch keine aufschlussreiche und einfache Identifikation von Pelz an Produkten möglich. Um diese Unklarheit für alle Kunden zu beseitigen, erklärte die SPD im März 2015, mit dem Koalitionspartner CDU /CSU über eine klare Kennzeichnung von Pelzen beraten zu wollen.9 Nach dieser Ankündigung sind innerhalb der Regierungskoalition jedoch keine offiziellen Gesetzesanträge in die Tat umgesetzt worden.
Dabei fanden Tierrechtler und Journalisten auch im Jahr 2015 weitere falsch oder gar nicht deklarierte Pelze an Bekleidung. PETA entdeckte im Frühjahr 2015 Marderhundefell an einer falsch deklarierten Bommelmütze von Stöhr.10 Der Bayerische Rundfunk entdeckte im Februar 2015 bei Recherchen in den Münchener Kaufhäusern Ludwig Beck und Konen an Mützen versteckten Pelz von Marderhund und Kaninchen.11 Bei weiteren Kontrollen im Winter fand der Bayerische Rundfunk bei Ludwig Beck erneut ein nicht ordnungsgemäß gekennzeichnetes Cape mit Pelz, und auch PETA fand in vier Stuttgarter Boutiquen falsch deklarierte Jacken und Accessoires mit Tierfellen.12,13
Modehändler und Labels hatten bei Verstößen gegen die Textilkennzeichnungsverordnung bis 2015 keine ernsthaften Konsequenzen zu fürchten, da nur Mitbewerber oder Verbraucherzentralen Verstöße abmahnen konnten und nur bei weiteren Verstößen rechtliche Sanktionen drohten. Laut einem Gesetzentwurf der Bundesregierung soll die Textilkennzeichnung ab 2016 vereinheitlicht und der Verordnungsvollzug auch durch Behörden ermöglicht werden, die ordnungswidrige Produkte bei Verstößen beschlagnahmen und Bußgelder von bis zu 10.000 Euro verhängen können.14
Für Schlagzeilen sorgten im Winter 2015 Funde von Mützen aus Hundepelz bei Berliner Straßenhändlern am Alexanderplatz.15 Tierartanalysen des Landeslabors Berlin-Brandenburg bestätigten den Fund von Hundefell in einer ersten Haaruntersuchung.16 Rechtlich ist der Handel mit Pelzen von Hunden und Katzen in der EU untersagt.17 Doch aus China oder anderen asiatischen Ländern gelangen immer wieder falsch oder gar nicht deklarierte Hundepelze an Jacken oder Mützen auf den deutschen Markt. Aktuelle Recherchen in China hatten zum wiederholten Male aufgedeckt, dass Hunde ihres Felles oder Fleisches wegen weiterhin brutal getötet werden.18
Quellen:
1 Deutscher Bundesrat (2015): Drucksache 217/15: Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Tierschutzgesetzes. 12.05.2015. Berlin.
2 OVG Schleswig: Urteil vom 05.12.2014. Az. 4 LB 24/12.
3 Das Bundesverwaltungsgericht hat das Urteil des OVG Schleswig mit Beschluss vom 08.01.2016 aufgehoben und die Revision zugelassen. Az. 3 B 20.15 (3 C 1.16).
4 HUGO BOSS (2014): Nachhaltigkeitsbericht 2014. HUGO BOSS AG: Metzingen.
5 PETA Deutschland e.V. (2015): Pressemeldung: HUGO BOSS beendet Verkauf von Kaninchenpelz und Angora. 28.05.2015. Stuttgart. http://www.peta.de/hugo-boss-beendet-verkauf-von-kaninchenpelz-und-angora (07.04.2016).
6 PETA Deutschland e.V. (2015): Pressemeldung: Erfolg nach PETA-Verhandlungen: Yeans Halle stoppt Einkauf von Echtpelz. 14.12.2015. Stuttgart. http://www.peta.de/erfolg-nach-peta-verhandlungen-yeans-halle-stoppt-einkauf-von-echtpelz (07.04.2016).
7 Peek & Cloppenburg KG (2015): Pressemeldung vom 11.12.2015. Düsseldorf.
8 Verordnung (EU) Nr. 1007/2011 vom 27. September 2011 über die Bezeichnungen von Textilfasern und die damit zusammenhängende Etikettierung und Kennzeichnung der Faserzusammensetzung von Textilerzeugnissen. In: Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften vom 18.10.2011. L 272, S. 1.
9 Saarbrücker Zeitung (2015): Pressemeldung: SPD will Kennzeichnungspflicht für Pelze verschärfen. 09.03.2015. ots. Berlin. http://www.presseportal.de/pm/57706/2967439 (14.03.2016).
10 PETA Deutschland e.V. (2015): Pressemeldung: Versteckter Echtpelz: PETA entdeckt Marderhundefell an falsch deklarierter Bommelmütze von Stöhr. 18.02.2015. Stuttgart. http://peta.de/versteckter-echtpelz-peta-entdecktmarderhundefell-an-falsch-deklarierter (14.03.2016).
11 ARD Plusminus (2015): TV-Sendung: Gift im Pelz. 18.02.2015. München: Bayerischer Rundfunk.
12 Bayern 2 radioWelt (2015): Radiosendung von Vanessa Lünenschloß: Echt oder künstlich. Kleidung mit Pelz – nach wie vor nicht richtig etikettiert? 09.12.2015. München: Bayerischer Rundfunk.
13 PETA Deutschland e.V. (2015): Pressemeldung: Versteckter Echtpelz in Stuttgart entdeckt. 18.12.2015. Stuttgart. http://www.peta.de/versteckterechtpelz-in-stuttgart-entdeckt-peta-warnt-verbraucher-beim (14.03.2016).
14 Gesetz zur Durchführung der Verordnung (EU) Nr. 1007/2011 und zur Ablösung des Textilkennzeichnungsgesetzes. Bundesgesetzblatt Jahrgang 2016, Teil I, Nr. 8. S. 198. 23.02.2016. Bonn.
15 Marrach, Konstantin/Biermann, Till (2015): Am Alex werden Mützen aus Hundefell verkauft. In: Berliner Zeitung Online. http://www.bz-berlin.de/berlin/mitte/trotz-import-verborts-hier-wird-eine-muetze-aus-hundefell-verkauft (14.03.2016).
16 Abgeordnetenhaus Berlin (2015): Drucksache 17 / 17 358: Schriftliche Anfrage des Abgeordneten Alexander J. Herrmann (CDU) und Antwort zu 3).
17 Verordnung (EG) Nr. 1523/2007 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. Dezember 2007 über ein Verbot des Inverkehrbringens sowie der Ein- und Ausfuhr von Katzen- und Hundefellen sowie von Produkten, die solche Felle enthalten, in die bzw. aus der Gemeinschaft. In: Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften. 27.12.2007. L 343, S. 1.
18 Animal Equality (2015): Leben statt Leiden: Hundepelz aus China. http://www.animalequality.de/neuigkeiten/neue-recherche-hundepelz-aus-china (14.03.2016).
PETA -Unterstützer protestierten in mehreren deutschen und internationalen Städten gegen den Verkauf von Exotenleder.19 Im Juni 2015 hatten PETA USA und ihre Schwesterorganisationen erstmals Recherchevideos veröffentlicht, die zeigen, wie Reptilien auf Hermès-Zuliefererfarmen lebendig aufgeschnitten wurden.20 Die Farmen liefern Krokodil- und Alligatorenhäute an Gerbereien des Lederwarenherstellers Hermès, aus denen Birkin Bags im Wert von über 40.000 US -Dollar oder Uhrenarmbänder im Wert von 2.000 US -Dollar hergestellt werden. PETA -USA -Ermittler haben erschütternde Tierquälereien auf der Lone Star Alligator Farm in Winnie, Texas, auf Video festgehalten. Dort schossen Mitarbeiter Alligatoren zum Teil mehrmals mit einem Bolzenschussgerät in den Kopf. Mit einem Teppichmesser schnitten sie den Tieren in den Hals, um ihre Blutgefäße zu durchtrennen. Einige Reptilien überlebten jedoch und bewegten sich noch minutenlang in Behältern mit Eiswasser. In Simbabwe wurden bis zu 220 Krokodile in Betongruben der Padenga Holdings Krokodilfarmen in Kariba eingesperrt. Padenga unterhält einen der größten Farmbetriebe für Nilkrokodile weltweit. Allein im Jahr 2014 wurden dort 43.000 Tiere getötet.
Nach Bekanntwerden der schockierenden Bilder distanzierte sich die Schauspielerin und Sängerin Jane Birkin zunächst von Hermès und wollte nicht mehr Namensgeberin der nach ihr benannten Birkin Bag sein.21 Nach Beschwichtigungsversuchen seitens des Modekonzerns Hermès gegenüber Jane Birkin einigte man sich jedoch nach Monaten wieder bei den Namensrechten für die Luxushandtasche.22 Währenddessen übte der Modekonzern auch Druck auf Werbeanbieter aus, die PETA -Plakate mit dem Slogan „Hermès – Blutige Mode“ nach wenigen Tagen und Beschwerden von Hermès in Hamburg und Frankfurt/Main überklebten.23
Die Situation von Tieren, Menschen und Umwelt in Lederproduktionsländern wie Indien hat sich trotz jahrelanger öffentlicher Kritik in Deutschland nicht weitgehend verbessert. Vor-Ort-Recherchen des Bayerischen Rundfunks für das Magazin Plusminus zeigten im November überfüllte Tiertransporte, die systematisch gegen die nationalen Tierschutzgesetze verstoßen, da viel zu viele Rinder auf eine Ladefläche gepfercht werden.24 Verletzungen und zertrampelte Tiere sind damit vorprogrammiert. Ebenso dramatisch ist die Situation für Arbeiter in Gerbereien, die den giftigen Laugen und Gasen im Alltag größtenteils ungeschützt ausgeliefert sind und an Haut- und Lungenerkrankungen leiden. In Kanpur, einer der Lederhochburgen Indiens, entsorgen Fabriken ihre Abwässer ungefiltert in den Fluss und töten so alles Leben. Die Reporter entdeckten in einer Fabrik Schuhe der italienischen Marke GEO X und der deutschen Schuhmarke Gabor, die ihre Modelle auch auf dem deutschen Markt anbieten. Gabor veranlasste aufgrund der Vorwürfe Nachprüfungen von Vorlieferanten seiner direkten Zulieferer und bestätigte, dass ein geringer Anteil seines Leders aus Indien stammt.25
Ende 2014 gelang es einem Ermittler von PETA Asia, in China Videoaufnahmen von Arbeitern bei der im regionalen Handel üblichen Schlachtung von Hunden und der Verarbeitung der Tierhäute für die Lederindustrie zu machen. Daher setzt sich PETA Deutschland gemeinsam mit ihren Schwesterorganisationen bei der EU -Kommission für eine Erweiterung der bestehenden Verordnung (EG ) Nr. 1523/2007 auf alle Produkte von Hunden und Katzen ein.26 Aktuell verbietet die EU -Verordnung lediglich den Import und Verkauf von Hunde- und Katzenpelzen, nicht aber von Leder oder anderen Produkten dieser Tierarten.27 Bisher werden in Deutschland und der EU angebotene Lederwaren von staatlichen Stellen oder Laboren nicht systematisch auf die Tierart Hund kontrolliert, weshalb falsch deklariertes Hundeleder nur schwer identifizierbar ist. Eine erweiterte EU -Verordnung könnte den nationalen Behörden die gesetzliche Grundlage für den Vollzug systematischer Stichproben ebnen und Sanktionen ermöglichen.
Neben dem Tierleid hinter Leder versteckt sich in sehr vielen Handschuhen, Taschen oder Schuhen auch weiterhin gesundheitsgefährdendes Chrom VI. Das Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit warnte in seinem bundesweiten Überwachsungsplan 2014, dass das allergieauslösende und krebserregende Schwermetall in durchschnittlich jeder sechsten Lederwarenprobe zu finden war.28 Chrom VI entsteht bei unsachgemäßer Gerbung der Tierhäute in Ländern wie Indien, China oder Vietnam. Chrom VI kann bei Menschen zu schweren chronischen Hautausschlägen führen, und allein in Deutschland leiden bereits über eine halbe Million Menschen unter einer Chrom-VI-Sensibilisierung.29
Textilingenieure und Modelabels entwickelten 2015 bestehende Ansätze von Lederalternativen weiter. So brachte das Berliner Label bleed clothing erstmals eine vegane „Lederjacke“ aus Kork auf den breiten Markt.30 Noch in der frühen Entwicklungsphase steht die Verwirklichung biologisch wachsenden Leders auf der Basis von Pilz- und Bakterienkulturen, die etwa das Leipziger Startup ScobyTec vorantreibt.31 Durch den natürlichen Wachstumsprozess entsteht hierbei eine differenzierte Hautstruktur. Erste Lederjackenprototypen mit innovativen Transparenzeffekten haben viel Potenzial im Modedesign. Bald dürften Produkte aus Ananaspflanzen unter dem Textilnamen PI ÑATE X auf den Markt kommen.32 Nach der Ernte übrig gebliebene Blätter von 16 Ananaspflanzen reichen, um daraus einen Quadratmeter feste und sehr leichte Lederalternative zu gewinnen. Diese innovative ökologische Textilfaser eignet sich für Schuhe, Taschen und Bekleidung und einige Designer und Labels entwickeln bereits erste Produkte für kommende Modekollektionen.
Quellen:
19 PETA Foundation (2015): ‚Reptiles‘ Go on World Tour of Hermès Stores. London. http://www.peta.org.uk/action/peta-reptiles-go-on-world-tour-ofhermes-stores/ (14.03.2016).
20 PETA Deutschland e.V. (2015): Leiden für Luxus: Exotenleder. Der Bauch der Bestie. http://leder.peta.de/exotenleder/ (14.03.2016).
21 Reuters (2015): Protest gegen Krokodiltötungen: Die Birkin Bag braucht einen neuen Namen. In: Spiegel Online. http://www.spiegel.de/panorama/birkin-bag-hermes-handtasche-braucht-neuen-namen-a-1045755.html (14.03.2016).
22 Schubert, Christian (2015): Misshandelte Krokodile. Jane Birkin einigt sich mit Hermès. In: Frankfurter Allgemeine. http://www.faz.net/aktuell/wirtschaft/unternehmen/misshandelte-krokodile-jane-birkin-einigt-sich-mit-hermes-13797756.html (14.03.2016).
23 PETA Deutschland e.V. (2015): Pressemeldung: Hermès sieht rot: Blutige PETA-Plakate nach Beschwerde des Luxus-Modeunternehmens von Werbeflächenanbieter überklebt. 18.09.2015. Stuttgart. http://www.peta.de/hermssieht-rot-blutige-peta-plakate-nach-beschwerde-des (14.03.2016).
24 ARD Plusminus (2015): TV-Bericht von Anne Hinder: Schicker Schuh – dreckige Produktionsbedingungen. 11.11.2015. München: Bayerischer Rundfunk. http://www.daserste.de/information/wirtschaft-boerse/plusminus/sendung/gift-leder-pelz-100.html (14.03.2016).
25 Frantze, M. (2015): Gabor: Reaktion auf TV-Bericht. In: Schuhkurier. 13.11.2015. Düsseldorf: Verlag Sternefeld. https://www.schuhkurier.de/news/gabor-reaktion-auf-tv-bericht-17693/ (15.03.2016).
26 PETA Deutschland e.V. (2016): Importverbot für Hundeleder in die EU. http://www.peta.de/hundeleder-eu (15.03.2016).
27 Verordnung (EG) Nr. 1523/2007 vom 11. Dezember 2007 über ein Verbot des Inverkehrbringens sowie der Ein- und Ausfuhr von Katzen- und Hundefellen sowie von Produkten, die solche Felle enthalten, in die bzw. aus der Gemeinschaft. In: Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften. 27.12.2007. L 343, S. 1–4.
28 Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (2015): Bundesweiter Überwachungsplan 2014. Braunschweig: BVL. http://www.bvl.bund.de/DE/01_Lebensmittel/01_Aufgaben/02_AmtlicheLebensmittelueberwachung/03_BUEP/lm_buep_node.html (15.03.2016).
29 Bundesamt für Risikobewertung: Stellungnahme Nr. 017/2007 vom 15.09.2006.
30 bleed clothing (2015): Montado Black Edition. https://www.bleed-clothing.com/deutsch/shop/specials/montado-black-edition (28.04.2016).
31 ScobyTec: http://scobytec.tumblr.com/ (15.03.2016).
32 Ananas anam: http://www.ananas-anam.com/ (15.03.2016).
Die deutsche und internationale Politik beschäftigte im März 2015 die Frage um den tierquälerischen Lebendrupf von Angorakaninchen in China. Die niederländische Staatssekretärin Sharon Dijksmam brachte auf einem Treffen der EU -Agrarminister in Brüssel eine Regulierung der Haltungsbedingungen und Behandlung der Angorakaninchen außerhalb Europas auf die Tagesordnung.33 PETA Asia hatte den Lebendrupf von Angorakaninchen für ihre Wolle sowie die artwidrige Haltung in Käfigbatterien im Hauptexportland China bereits 2013 angeprangert. Der deutsche Agrarminister Schmidt unterstützte dieses Vorhaben einer freiwilligen Selbstverpflichtung der Modebranche und sprach das Thema Tierschutz und Angorawolle bei bilateralen Gesprächen in China an. Das Deutsch-Chinesische Agrarzentrum solle Standards zum Tierschutz entwickeln.34 Bisher fehlt es in China weiterhin an einem nationalen Tierschutzgesetz, das die Grundsätze der Tierhaltung in der Volksrepublik festlegt, Tierquälereien definiert und landesweit sanktionieren kann.
Auch EU -Parlamentarier beschäftigte die Frage des Tierschutzgesetzes in China, die Behandlung von Angorakaninchen und die Tötung von Hunden für Lederwaren. Die Delegation des Europäischen Parlaments für die Beziehungen zur Volksrepublik China sprach Tierschutzthemen bei Treffen mit chinesischen Regierungsvertretern im Juli in Peking und Shenyang an, nachdem insbesondere die deutschen EU -Parlamentarier Stefan B. Eck und Jo Leinen das Thema Tierschutz auf die Tagesordnung der Delegation brachten und im Vorfeld Konsultationen mit PETA und anderen Tierschutzorganisationen vornahmen.35