2,99 €
Timur und sein Trupp spielt in der Sowjetunion in einem langweiligen Moskauer Vorort im Sommer 1939. Viele Erwachsene Männer kämpfen an der Front des Japanisch-Sowjetische Grenzkonfliktes 1938/39. Dieser war Folge des Versuchs Japans, die Grenzen des Mandschukuostaats zur Sowjetunion weiter in Richtung Norden auszudehnen. Der 14-jährige Timur Garajew hat eine Schar Jungem um sich versammelt und leistet als Anführer dieses Trupps heimliche Nachbarschaftshilfe für Angehörige und Witwen von Frontsoldaten der Roten Armee. Die Arbeit ist nicht einfach, da es im Ort eine Gruppe gibt, die häufig die Obstgärten der Anwohner plündert und damit gegen Timur und seine Freunde agiert. Als die 13jährige Shenja Urlaub in Timurs Heimatort macht, bringt sie den Trupp kräftig durcheinander und gewinnt gleichzeitig viele neue Freunde. Timur und sein Trupp ist die bekannteste Erzählung des sowjetischen Schriftstellers Arkadi Gaidar. Sie wurde 1940 veröffentlicht und war sein größter Erfolg. In der DDR gehörte das Buch zur Lektüre im Schulunterricht. In dem Buch werden vor allem Themen wie Hilfsbereitschaft, Zusammenhalt und Freundschaft thematisiert. Arkadi Petrowitsch Gaidar, geboren am 9. Januar in Lgow, Gouvernement Kursk, Russisches Kaiserreich; gefallen am 26. Oktober 1941 bei Lepljawo, Oblast Kiew, Ukrainische Sozialistische Sowjetrepublik, war ein sowjetischer Jugendschriftsteller. Er wuchs in Arsamas auf. Seine Eltern waren an den revolutionären Ereignissen von 1905 beteiligt. Gaidar war ab 1918 zunächst der jüngste Kommandeur einer Kompanie der Roten Armee im russischen Bürgerkrieg und mit 16 Jahren der jüngste Kommandeur eines Regiments. 1924 schied er wegen einer Erkrankung aus der Armee aus. Als Korrespondent der Komsomolskaja Prawda wurde Gaidar nach dem deutschen Überfall auf die Sowjetunion an die Front geschickt. Nachdem sein Truppenteil von Deutschen eingekreist wurde, schloss er sich einer Partisaneneinheit an und wurde MG-Schütze. Er fiel in einem Gefecht mit deutschen Truppen bei Lepljawo (heute Ljaplawa, Rajon Kaniw, Oblast Tscherkassy, Ukraine).
Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:
Seitenzahl: 121
Veröffentlichungsjahr: 2025
Timur und sein Trupp
Arkadi Gaidar
Impressum
Copyright: Neuer Deutscher Verlag
im vss-verlag
Jahr: 2025
Lektorat/ Korrektorat: Franz Groß
Übersetzung: Amdrei Rauser
Covergestaltung: Hermann Schladt
Verlagsportal: www.vss-verlag.de
Gedruckt in Deutschland
Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie
Das Werk, einschließlich aller seiner Teile, ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig
Drei Monate war nun schon der Vater fort, in den Krieg gezogen. Denn der Oberst Alexandrow, der Kommandeur eines Panzerbataillons war, stand an der Front. Olga und Shenja, seine Töchter, blieben allein in Moskau zurück. Im heißen Sommer erhielten die Töchter dann ein Telegramm von ihrem Vater, worin er vorschlug, ihre restlichen Ferientage im Sommerhaus, unweit von Moskau, zu verbringen.
Olga, die 18 Jahre alt war, und ihre Schwester, die 13-jährige Shenja packten also ihre Sachen, die sie für die restlichen Ferientage benötigten, zusammen. Olga genoss ihre Rolle als große Schwester und erteilte die notwendigen Anweisungen. Unwillig nahm Shenja diese entgegen und zog dabei ein Gesicht, welches ihre Unzufriedenheit widerspiegelte.
Sie schob ihr Kopftuch in den Nacken und stützte sich auf den Reisigbesen.
Abweisend hörte sie Olgas weiteren Befehlen zu. Shenja hatte die Wohnung zu säubern, die ausgeliehenen Bücher der Bücherei zurückzugeben, dann auf dem Postamt ein Telegramm an den Vater aufzugeben; die Wohnung zu verschließen und zum Bahnhof zu gehen, ohne sich vorher von ihren Freundinnen zu verabschieden. Und sie setzte hinzu: „Mach kein unwilliges Gesicht, es wird Dir nichts nützen. Ich bin die Ältere und Papa will es so.“
Dann nahm Olga die gepackten Sachen und lud sie auf den vorgefahrenen Lkw und stieg ein, um auf die Datsche vorauszufahren. Als der Motor des Wagens aufheulte und sich der Lkw in Bewegung setzte, atmete Shenija auf und schaute auf die unordentliche Wohnung, wo eine heillose Unordnung herrschte. Missmutig betrachtete sie sich im Spiegel, lächelte dann das Bild des Vaters an und stellte wieder fest, wie sehr ihre Nase, ihr Mund und die Augenbrauen denen ihres Vaters glich; und sie würde auch denselben Charakter wie Papa haben. Daran konnte auch Olga nichts ändern. Also machte sie sich an die Arbeit, nicht ohne in Gedanken auf Olga zu schimpfen. Könnte sie doch die Ältere sein, aber so musste sie gehorchen.
Sie zog die Schuhe aus, band das Kopftuch neu und überlegte, womit sie anfing. Wechselte zuerst die Tischdecke, machte Wasser heiß und füllte den Eimer. Dann fegte sie weiter den Fußboden, holte Schrubber und Scheuerlappen und wischte den Fußboden, der bald unter Wasser stand. In der Waschwanne machte sie Seifenwasser und stieg auf das Fensterbrett, um die Scheiben zu putzen.
Die Straßenpassanten, die vorübergingen, betrachteten das barfüßige Kind im roten Kleidchen verwundert, die offenbar schwindelfrei und mit Gesang die geöffneten Scheiben im dritten Stock putzte.
`*
Zur gleichen Zeit fuhr der Lkw mit Olga auf der Landstraße, die im Sonnenschein lag. Olga hatte es sich auf dem Gepäck bequem gemacht, auf dem Schoß das Kätzchen, das gerade einen Strauß Feldblumen mit den Pfoten zerlegte.
Nach dreißig Kilometern Fahrt wurde ihr Fahrzeug von einer Lastwagenkolonne der Roten Armee überholt, die an die Front fuhr. Auf den Holzbänken saßen die Rotarmisten, hielten ihre Gewehre zwischen den Knien und sangen schöne Lieder der Heimat.
Lange dauert die Fahrt von Olga und ihrem Kätzchen nicht mehr, und man war am Zielort, dem kleinen Ferienort angelangt. Der Lkw hielt vor einem Häuschen, welches mit Efeu umrandet war. Fahrer und Beifahrer öffneten die Seitenwände, halfen Olga beim Absteigen und luden das Gepäck ab. Indessen öffnete Olga die verglaste Veranda, wo sie auf einen großen, aber sehr verwilderten Garten blickte. An dessen Ende stand ein zusammengezimmerter zweistöckiger Schuppen, auf seinem Dach flatterte die rote Fahne.
Olga bedankte sich bei dem Fahrer und bezahlte den vereinbarten Fuhrlohn. Als sie noch beim Auto stand, bemerkte sie eine Frau, die in die Jahre gekommen war. Es war die Milchhändlerin aus dem Nachbarhaus.
Sie bot nach der Begrüßung Olga sogleich ihre Unterstützung an, indem sie das Haus reinigen wollte, die Fenster putzen und die verschmutzten Türen säubern. Olga nahm dankend das Angebot an, und die Frau holte ihre Arbeitsutensilien. Olga nahm das Kätzchen auf den Arm und ging hinaus in den Garten.
Es war sehr warm. In der Sonne glitzerte das Harz an den Bäumen. Freche Spatzen hatten sich über die Kirchen hergemacht und viele schon angepickt. Der Duft in der Luft roch nach Kamille und Wermut. Es wurde immer heißer, es war, als glühte die Luft. An den Sträuchern hingen überreife Trauben der Roten Johannisbeere.
Olga zog es in den Schatten und als sie zu dem Schuppen kam, war sie sehr verwundert. Überall waren merkwürdige Drähte gezogen, die auf den ersten Blick wie Spinnfäden aussahen. Sie gingen von dem alten Dach aus und verloren sich im Laub der umstehenden Bäume.
Sie wischte sich die Spinnweben aus dem Gesicht, die von Nussbäumen ausgingen. Während sie weiterging und nach oben blickte, erstarrte sie fast. Auf dem baufälligen Schuppendach war die rote Fahne verschwunden. Nur die Fahnenstange war noch vorhanden. Olga schien, als hörte sie flüsternde Stimmen, und dann plötzlich stürzte die angelehnte Leiter vom Schuppen und schlug mit großem Krach auf dem Weg auf. War Olga in einem Spukhaus gelandet? Wie dazu bestellt begannen die Drähte über dem Dach an zu vibrieren.
Diese Erscheinungen ließen das Kätzchen sich von Olga losreißen und unter den großen Brennnesseln verschwinden. Am liebsten hätte auch Olga die Flucht ergriffen. Doch je mehr die lauschte und im Gebüsch nachsah und auch die Blicke über den Nachbargarten schweifen ließ, sie hörte und sah nichts mehr. Der Spuk war verschwunden, alles war ruhig.
Olga kehrt zur Veranda zurück. Die Milchfrau fragte, warum sie so verstört drein sah. Olga erzählte von den Merkwürdigkeiten. Sie bekam sofort die Erklärung der Merkwürdigkeiten zu hören. „Das machen freche Kinder, die hier herumvagabundieren. Sie plündern die Gärten und kicken die kleinen Bäume um. Und das alles nur, weil es hier fast keine Männer mehr gibt. Auch mein Sohn ist bei der Roten Armee eingezogen. Solange sie fort sind, wird das Gesindel immer frecher. Ich hoffe sehr, dass mein Sohn wieder da ist. Als er ging, war er voller Begeisterung, hat gesungen, mein lieber Sohn. Nun bin ich allein und traurig, abends weine ich manchmal. Kann nicht mehr ruhig schlafen, denke immer, dass Einbrecher kommen.“
Die Milchfrau wurde richtig redselig: „Ich bin ja schon alt, keiner wird mir beistehen, jedes kleine Ereignis kann mich umbringen, mir kann ein Stein auf den Kopf fallen und es ist aus. Doch der liebe Gott wird mich beschützen, auch wenn mein schwerer Wassertrog, der aus Eiche ist und den zwei Männer nicht wegschieben können, heute früh fast zwanzig Meter weiter bis zum Tor vorgeschoben war. Es war und ist alles so rätselhaft.“
Als die Frau mit dem Putzen fertig war, ging sie. Die Dämmerung war eingetreten und es wurde etwas kühler. Olga setze sich auf die Bank vor dem Haus. Sie nahm ihr Akkordeon, ein Geburtstagsgeschenk ihres Vaters, aus der Schutzhülle und probierte ein Lied, das sie im Rundfunk gehört hatte und von der Sehnsucht handelte:
Wenn ich dich noch ein einziges Mal sehen könnte
Wenn du so weit weg von mir bist
Und ich weiß nicht, wann du zurückkommst.
Aber du wirst zurückkommen.
Eines Tages wird es geschehen.1
Olga summte das Lied weiter, aber sie dachte immer wieder an die Erscheinungen im Garten und betrachtete misstrauisch das nun fast im Dunkel liegende Gebüsch, das vom Haus ausging und den Zaun fast verdeckte.
Nachdem ihr Gesang verstummt war, wollte sie nun wissen, was sich hinter dem Gebüsch verbirgt. „Ist da jemand, kommen Sie hervor“, rief sie.
Und tatsächlich kam ein junger Mann hervor. Er hatte sich hinter dem Gebüsch versteckt, um ihrem Gesang zu lauschen. Er verbeugte sich und sagte zu Olga, dass er auch die Künste liebte und zuhören wollte. Er sah hübsch in seinem weißen Sommeranzug aus und bat um Verzeihung.
Olga sagte sehr schnippisch zu ihm, dass er auch von der Straße aus zuhören konnte, ohne sich im Gebüsch zu verstecken und über den Zaun zu klettern.
„Ich bin doch keine Katze, dass ich über den Zaun klettere. Am Zaunende fehlen ein paar Latten und durch diese Öffnung bin ich gegangen“, erwiderte der junge Mann.
„Das leuchtet mir ein“, sagte Olga in normalem Ton, „dann kehren Sie aber bitte jetzt wieder auf dem gleichen Weg zurück“, setzte sie lächelnd hinzu.
Der junge Mann verbeugte sich erneut und ging widerspruchslos durch die Gartentür, ging ohne ein Wort des Widerspruchs durch die Gartenpforte und schloss sie hinter sich.
Olgas Misstrauen schwand. „Bleiben Sie“, rief sie, „was sind für ein Künstler, etwa ein Schauspieler?“
„Nein“, ich bin Ingenieur, aber in meiner Freizeit spiele ich auch Theater und singe im Chor“, sagte der junge Mann und hielte inne.
Olga ging weiter auf ihn zu und sagte ohne weiter nachzudenken: „Ich bitte Sie um Hilfe, obwohl ich noch nichts von Ihnen weiß, ich habe aber Vertrauen. Bitte kommen Sie mit mir zum Bahnhof. Ich warte auf meine 13-jährige Schwester. Draußen ist es dunkel und ich kenne mich hier noch nicht so aus. Warten Sie bitte und begleiten Sie mich.“
Olga nahm ihr Akkordeon, verstaute es wieder, und brachte es ins Haus. Sie legte ihr Schultertuch um und trat auf die im Dunkeln liegende Straße hinaus, die bereits im Tau glänzte, zu ihrem neu kennengelernten Begleiter
Böse auf Shenja hing sie ihren Gedanken nach und fand wenig Worte für ihren Begleiter, der sich ihr vorgestellt hatte, Georgi Garajew hieß und Ingenieur in einer Fabrik war, welche Autos herstellte. Sie warteten weitere zwei Züge ab, doch Shenja kam nicht. Nun war auch der dritte und letzte Zug angekommen, ohne dass die Schwester ausgestiegen ist.
„Ich habe nur noch Ärger mit ihr“, sprach Olga mit einem bitteren Ton. „Wenn ich wenigstens einige Jahre älter wäre, würde sie mir gehorchen, aber bei nur fünf Jahren Altersunterschied nimmt sie mich nicht für voll.“
Lächelnd widersprach Georgi. „Achtzehn Jahre von Ihnen gefallen mir viel besser, machen Sie sich doch keine Sorgen. Shenja kommt bestimmt mit dem ersten Zug morgen an."
Kein Mensch war zwischenzeitlich mehr auf dem Bahnsteig. Der junge Mann zündete sich eine Zigarette an, als zwei halbwüchsige, aber kräftige Jungen an ihn herantraten. Jeder hatte eine Zigarette in der Hand, und sie baten um Feuer.
Die Stimme des Einen kam Georgi bekannt vor. Er leuchtete ihm mit dem angezündeten Streichholz ins Gesicht. „Ach Michael Kwakin, wenn ich mich nicht irre. Sie sollten, wenn Sie jemanden ansprechen, erst einmal den Tagesgruß entbieten, bevor Sie einen Wunsch aussprechen. Ich hatte bereits die Nichtfreude ihrer Bekanntschaft, als Sie in voller Arbeitswut zwei Latten aus dem neuen Zaun herausgerissen haben. So war es doch?"
Der Bursche trat voller Empörung in die Dunkelheit zurück. Das hat noch keiner gewagt, so mit ihm zu reden.
Das Streichholz von Georgi war erloschen. Er reichte Olga seinen Arm und begleitete sie nach Hause.
*
Die Halbwüchsigen zogen sich zurück, ohne ihre Zigaretten angezündet zu haben. Der andere Junge sagte zu Kwakin: „Woher kennt dich denn dieser großmäulige Bursche? Ist er von hier?"
„Nicht unbedingt. Aber es kommt noch besser, das ist der Onkel von unserem Freund
„Nicht direkt“, erwiderte Kwakin missmutig. „Er ist der Onkel von Timka Garajew, diesem Timur, wie er sich nennt. Den werden wir mal verprügeln, er hat es schon längst verdient und nun ist er erst recht fällig. Er arbeitet mit seiner Kinderbande gegen uns! Das macht er nicht länger ungestraft."
Jetzt sahen sie am anderen Ende des Bahnsteigs einen älteren Herrn, welcher mithilfe der Laterne und seines Stockes die Treppe herunterkam. Dieser würdige, grauhaarige Herr war Doktor Kolokoltschikow, der auch hier in der Feriensiedlung wohnte.
Die Halbwüchsigen rannten zu ihm und fragten ihn sehr laut nach Streichhölzern. Doch ihr Auftreten und ihre Stimmen gefielen ihm wirklich gar nicht. Er hob drohend seinen Stock und ging mit Würde seinen Weg weiter.
*
Was machte Shenja inzwischen?
Sie hatte keine Zeit mehr gefunden, dem Vater das Telegramm von der Post im Moskauer Bahnhof abzusenden. Daher beschloss sie, im Dorf angelangt, erst einmal das Postamt zu suchen, bevor sie sich zu Olga begab.
Sie pflückte einen Strauß Blumen im Park und merkte erst später, dass sie vom beabsichtigten Weg abgekommen war. Sie kam an einer ganz anderen Stelle aus dem Park wieder heraus und erblickte ein kleines Mädchen mit einer Ziege. Diese war störrisch und widersetzte sich den Bemühungen des Kindes, das sie an den Hörnern gepackt hatte, um sie fortzuzerren.
Shenja ging auf sie zu und fragte die Kleine, wo sie zu einem Postamt kommt. Doch bevor das Kind antworten konnte, riss sich die Ziege los, stieß mit den Hörnern nach der kleinen Hirtin und rannte durch den Park mit großen Sprüngen davon und das kleine Mädchen hinter der Ziege hinterher. Shenja sah ratlos ihnen nach.
Es kam schon leichte Dämmerung auf, was sollte sie nun tun? Nirgendwo sah sie noch Menschen, die sie nach dem Postamt fragen konnte. Entschlossen ging sie auf ein zweistöckiges Landhaus zu und klopfte an die Tür. Höflich rief sie: „Ich bitte um Entschuldigung, aber wie komme ich zum Postamt?“
Es gab keine Antwort.
Shenja blieb stehen und überlegte, dann griff sie doch an die Klinke der Tür und drückte sie herunter. Die Haustür öffnete sich. Im Haus war es dunkel, durch einen Gang kam sie zu einem der befindlichen Zimmer und sah, dass die Zimmertür nur angelehnt war. Das Zimmer sah leer aus und Shenja ging langsam bis zur Zimmermitte. Keiner der Hausbewohner war zu sehen. Vermutlich waren sie ausgegangen. Vom Schuldgefühl geplagt, wollte sie das fremde Haus schnell wieder verlassen. Doch plötzlich tauchte ein struppiger Hund auf, der unter dem Tisch gelegen hatte. Er knurrte Shenja an und versperrte ihr den Rückzug, weil er sich quer vor die Zimmertür legte. Nun war guter Rat teuer.
„Dummer Hund", maulte die erschrockene Shenja und machte sich zur Abwehr bereit, „Ich bin doch kein Einbrecher oder ein Dieb, habe ich etwas gestohlen? Hier ist der Schlüssel zu unserer Moskauer Wohnung. Und wenn Du lesen könntest, du dummer Köter, da ist das Telegramm an meinem Papa und der ist sogar Offizier. Kapierst du es, blöder Hund?"