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Im Jahr 136 nach der Auswanderung von der Erde, die durch die Umweltzerstörung unbewohnbar wurde, ist die Menschheit im Sonnensystem verstreut. Die Siróneux 14, eine Raumstation der Interplanetaren Polizei, ist Heimat und Ausbildungsort von Alanc, Biúfin, Kela, Lōra und Zeno. Die Zwölfjährigen werden in ein Geflecht aus groß angelegten Entführungen, politischen Intrigen und Weltraumschlachten verwickelt. Während sie und ihr Lehrer Professor Radop Nachforschungen dazu anstellen, geraten sie in stetig komplexere und gefährlichere Fallen: Eine unbekannte Macht versucht zu verbergen, was im Sonnensystem wirklich vor sich geht … TO MORROW ist der Auftakt einer fünfteiligen realistischen Space-Opera-Serie in einer nicht wirklich erstrebenswerten Zukunft mit einer Vielzahl von Technologien, die es bald tatsächlich geben könnte. Für alle ab circa 12 Jahren mit Interesse für Raumschlachten, genial-intrigante Machtergreifungspläne und futuristische Technik
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Seitenzahl: 488
Veröffentlichungsjahr: 2019
Fabian Bischoff
TO MORROW
Band 1
Fabian Bischoff
TO MORROW
Für alle, die dafür sorgen,dass diese Ereignisse weit in der Zukunft bleiben.
© 2019 Fabian Bischoff
Umschlag, Illustrationen: Fabian Bischoff
Verlag & Druck: tredition GmbH,
Halenreie 40-44, 22359 Hamburg
ISBN:
978-3-7482-8627-1 (Paperback)
978-3-7482-8628-8 (Hardcover)
978-3-7482-8629-5 (e-Book)
Das Werk, einschließlich seiner Teile, ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung ist ohne Zustimmung des Verlages und des Autors unzulässig. Dies gilt insbesondere für die elektronische oder sonstige Vervielfältigung, Übersetzung, Verbreitung und öffentliche Zugänglichmachung.
Inhaltsverzeichnis
● 1. Kapitel: Unerwünschte Steinschleudern
● 2. Kapitel: Die Srebnip-Einheit
● 3. Kapitel: Unterricht
● 4. Kapitel: Enterkommando 6.0
● 5. Kapitel: Die Suche
● 6. Kapitel: Training
● 7. Kapitel: Technik
● 8. Kapitel: Aufbruch
● 9. Kapitel: New New York
● 10. Kapitel: Ein Verdacht
● 11. Kapitel: (Raum-)Jäger und Gejagte
● 12. Kapitel: Offensivoperation
● 13. Kapitel: Stustee oder nicht – auf jeden Fall Kampf
● 14. Kapitel: Pläne oder etwas Ähnliches
● 15. Kapitel: Vermutungen
● 16. Kapitel: Abseits der Öffentlichkeit
● 17. Kapitel: Gefangen
● 18. Kapitel: Rettungsmission
● 19. Kapitel: Schrotter reloaded
● 20. Kapitel: Im Diskus
● 21. Kapitel: Neue Mächte
● 22. Kapitel: Erkenntnis und Erkundung
● 23. Kapitel: Nachforschungen
● 24. Kapitel: Durchkreuzte Aktionen
● 25. Kapitel: Ausholen zum Gegenschlag
● 26. Kapitel: Zerstörung
● 27. Kapitel: Vorstoß zur Befreiung
● 28. Kapitel: Konfrontation
● 29. Kapitel: Widerstand
● 30. Kapitel: Epiloge
● Begriffserklärungen/Fachwissen/Aussprache
● Danksagung
● Über den Autor
1. Kapitel
Unerwünschte Steinschleudern
Alanc Palantui wurde durch einen Ruck geweckt und schaute auf die Uhr. 0349 nachts, taktische Standardzeit des Sonnensystems. Gerade wollte er sich auf die andere Seite drehen, um wieder einzuschlafen, als es erneut passierte: Eine Erschütterung ging, wie es sich anfühlte, durch den kompletten Sektor der Siróneux 14. Ein Torpedo musste ganz in der Nähe eingeschlagen sein. Alanc stand leicht taumelnd auf und öffnete die Tür seines Zimmers. Auf dem hell erleuchteten Gang glitten weitere Schleusen auf. Die anderen Mitglieder der Klasse 6.2, die sich verschlafen die Augen rieben, streckten ihre Köpfe heraus. Auch Alancs bester Freund Biúfin Celentanto rechts neben ihm sah sich suchend nach einer Erklärung für das Gewackel um. Diese wurde ihnen prompt mitgeteilt: An den zwischen den Zimmern montierten Wandbildschirmen blinkten die Worte Destilna – Standardkampfalarm auf. „Oh nein! Nicht schon wieder die Schrotter! Das ist bereits ihr fünfter Angriff in diesem Monat“, stöhnte Alanc genervt und striff sich ein paar verwuschelte Haare hinters Ohr.
Die „Schrotter“ hießen eigentlich Schredderbots und waren große, würfelähnliche Roboter, die einen raumtauglichen Mikrowellenantrieb und als Werkzeuge gedachte Laser und Plasmaemitter besaßen. Ursprünglich waren sie dafür eingesetzt worden, Weltraumschrott einzufangen, zu zerkleinern und zum Recyclen zu sortieren. Dann aber war ein Großteil von ihnen der Destilna, dem Organisierten Verbrechen, in die Hände gefallen und von ihr so umprogrammiert worden, dass sie aufgesammelte Felsbrocken und Schrottteile auf ihre eigenen Leute spien. In diesem Fall auf Stationen der Interplanetaren Polizei wie die Siróneux 14.
Jetzt heulte eine Sirene los, und an den Deckenkanten des Korridors leuchteten rote Alarmlampen auf. Die dumpfen Stöße mehrerer Treffer brachten einige Kinder zum Stolpern. Am Ende des Ganges glitt eine Schleuse auf, und Professor Radop kam herein. „Ruhe bewahren, bitte, und alle wieder in ihre Zimmer!“, rief der kleine Colonel mit dem glatten weißen Bart. „Mittlerweile ist hier ein Schrotterangriff ja nichts Besonderes mehr.“ Alanc seufzte. Glaubte ihr Klassenlehrer wirklich, dass sie in dieser Situation schlafen konnten oder überhaupt wollten?
Biúfin zwinkerte Alanc grinsend zu, und der verstand, was er mit einem leichten Nicken zum Ausdruck brachte. Mit vorgetäuschtem Gemurre zogen sie sich in ihre Zimmer zurück. Dort drehte Alanc den Schirm seiner Bettlampe ein Stück, und eine winzige Luke in der Wand öffnete sich. Dahinter befand sich eine Metallröhre: die alte Belüftungsanlage, die Alanc und Biúfin vor langer Zeit entdeckt und schon oft dazu genutzt hatten, heimlich beim Kampf gegen die Schrotter mitzuhelfen. Irgendwann in der langen Dienstzeit der Siróneux hatte man ein verbessertes Lebenserhaltungssystem eingeführt und die alten Rohre stillgelegt.
Biúfin kam schon auf Alanc zugekrabbelt. „Welcher Sektor?“, fragte er. Sein Freund zog seinen aufgerüsteten S-Player mit 3D-Bildschirm aus der Hosentasche und warf einen Blick darauf.
Alanc Palantui
Die von Biúfin angefertigten Modifikationen an dem handgroßen Multifunktionscomputer mit seiner Vielzahl von Scannern und Anschlüssen gaben ihm sofort die Antwort. „Ein paar Durchbrüche in 28, so um Ebene 100. Hast du die Waffen?“, antwortete Alanc. Biúfin zeigte mit dem Kopf auf seinen Rucksack. „Logisch. Dann mal los!“
Sie krochen die Röhre hinunter, bis diese höher wurde und sie aufrecht gehen konnten. Dann blieb Biúfin stehen und steckte ein aus der Wand ragendes Kabel in den Anschluss seines S-Players. Darauf gab er eine komplizierte Zahlenfolge ein, ein Teil der Rohrwand glitt zur Seite und zwei auf Magnetschienen montierte ausrangierte Schleudersitze kamen zum Vorschein. Die aus der Recyclinganlage stibitzten Stühle waren vielleicht nicht besonders bequem, aber schnell. Sofort setzten Alanc und Biúfin sich auf sie, klickten ihre S-Player in die entsprechenden Halterungen, gaben das Ziel ein, starteten die Motoren und fuhren los.
Nachdem sie ungefähr ein Dutzend Mal in benachbarte Rohre abgebogen waren, gab es erneut einen Ruck, und sie konnten ein lautes Krachen vernehmen. „Hoffentlich verpassen wir den ganzen Spaß nicht“, scherzte Alanc. Biúfin gab ein Lachen von sich, doch das verwandelte sich abrupt in einen amüsierten Schrei, da sie nun einen Schacht senkrecht hinunterrasten.
In einer Raumstation in der Nullschwerkraft aus der Zeit, in der dies gelesen wird, hätte das natürlich nichts ausgemacht. Aber hier befand man sich schließlich im Jahr 136 nach der durch den Klimawandel bedingten Auswanderung von der Erde (NAE), und mit Luftströmen und Unterdruck arbeitende Schwerkraftsimulatoren gehörten zum Alltag in Raumstationen.
Es ging zurück in die Waagrechte und um mehrere Kurven, und die beiden Schüler hielten schließlich weit entfernt von ihren Schlafzimmern an. An der Rohrverkleidung prangte die von ihnen selbst angebrachte Schrift: Deck 99, Sektor 28.
Sie stiegen ab, und Biúfin gab erneut einen Code in ein Wandkabel ein. Eine nicht allzu große Metallklappe öffnete sich, und die zwei krochen hindurch. Gerade als sie ihre „Waffen“ aus dem Rucksack holen wollten, hörten sie hinter sich ein Geräusch. Alanc und Biúfin wirbelten herum und fanden sich einem Schredderbot, dessen riesige titanverstärkte Karbonschnittgeräte bedrohlich scharf aussahen, gegenüber.
Sie lehnte sich lächelnd in ihrem Gelsessel zurück. Schon bald würde die Destilna ihr gehorchen müssen. Sie hatte diese zwar noch nie leiden können, doch sie besaß zwei Dinge, die sie brauchte: viel Kampfpersonal und die Schrotter.
„Ist die Hackung abgeschlossen?“, fragte sie über die Schulter. „Jawohl, selbstverständlich, Esc“, antwortete die (für sie zu) lässige Stimme des Technischen Leiters Cory Littz. „Wenn Sie mich noch einmal Esc nennen, können Sie was erleben. Ich habe Sie für die Computerarbeit eingestellt, und so schlecht, dass Sie mich nicht einfach mal siezen könnten, verdienen Sie dabei auch nicht“, kam prompt die geknurrte Antwort. „Schon gut, Esc.“ „Wie Sie wollen, ich hatte Sie gewarnt!“, rief sie, während sie aufsprang und ihre Spezialpistole zog. „Die Hackung ist beendet, also überlegen Sie sich schnell, wofür Sie heute noch gebraucht werden könnten!“ Doch ein „Ähh …“ reichte offensichtlich nicht, und so betäubte sie Littz kurzerhand mit einem Schockpfeil. „Schafft ihn raus!“, befahl sie zweien ihrer Privatwachen, bevor sie sich den Holodisplays der anderen Technikleute zuwandte. Die Siróneux 14 und mehrere Destilnaschiffe samt Schredderbots und Raumjets waren zu sehen. „Deaktivieren, sobald sie die Schleusen überwunden haben!“, wies sie an, um sich dann wieder ihrem eigenen Bildschirm zuzuwenden. Das konnte ja noch eine amüsante Nacht werden …
Um die Siróneux tobte eine ausgewachsene Raumschlacht. Die hellgrünen Zerstörer der Destilna nahmen die über dreieinhalb Kilometer lange Station mit ihren gewaltigen Laserkanonen und kleineren Teilchenstrahlgeschützen unter Beschuss. Die Energieschilde der Siróneux 14 konnten diesem Angriff nur mit Mühe standhalten, und sie nahm immer mehr Schaden. Explosionswellen erschütterten große Bereiche der äußeren Sektionen, und Teile der Hüllenpanzerung lösten sich unter grellen gegnerischen Torpedosalven auf. Unterdessen schleuderten die Schrotter in Begleitung von kleineren, mit Raketenwerfern ausgestatten Destilna-Raumjägern immer weiter ihren Inhalt auf die Zentrale der S14. Als zusätzliche Munition nutzten sie die durch den Kampf entstandenen Trümmer. Die Lasergitter der Stationsschilde fingen viele davon ab und zerkleinerten sie in ungefährliche Partikel, aber ihre Generatoren hatten die Maximalleistung bald erreicht. Die Hangars der Siróneux 14 schleusten indes ihrerseits in bestimmten Abständen Staffeln von Kampfshuttles der Polizei aus. Trotzdem hatte eine erste Welle der hochentwickelten Steinschleudern die Abwehrmaßnahmen bereits überwunden und war in das Innere der Station eingedrungen. Nun versuchte eine weitere Einheit durchzubrechen. Die an den Außenwänden der Raumstation montierten Plasmabatterien und schweren Laser feuerten aus allen Rohren, doch eine feindliche Rakete zertrümmerte ein Schott, und die Roboter drangen ein. Mithilfe ihrer Waffen schufen sie eine freie Fläche und machten sich auf den Weg in weiter innen gelegene Sektionen. Zu dem Freiraum kamen sofort Kampftransporter und setzten mit Jetpacks ausgerüstete menschliche Truppen samt Hilfsrobotern der Destilna ab. Diese stürmten ebenfalls weiter hinein und durchquerten die nur zum Schutz dienenden äußeren Bereiche, doch als sie die ersten genutzten Gebiete erreichten, wurden sie von Schützenstellungen der Polizei aufgehalten. Nach einer kurzen Schießerei, bei der aufgrund der mitgeführten kleinen Energieschilde niemand zu Schaden gekommen war, zogen sich die Gangster vorerst zurück. Der Anführer dieses Trupps, ein gewisser Tood Mantorsgo, ließ den eroberten Bereich mit mobilen kleinen Plasmakanonen sichern und setzte die restlichen ihm unterstellten Personen dafür ein, weitere Durchgänge nach innen zu errichten, um auf anderen Wegen mit Unterstützung vorzudringen. Weitere Transporter landeten inzwischen an neuen beschädigten Stellen auf der Siróneux 14. Immer mehr Truppen der Destilna drangen in sie vor.
Der Schrotter rückte weiter auf sie zu. Er brachte seine seitlichen Plasmakanonen in eine praktische Schussstellung nach vorne. Damit seine Sensoren es nicht bemerkten, zog Biúfin vorsichtig seinen Rucksack herunter, um ihre „Waffen“ herauszuholen. Solange sie den Roboter nicht angriffen, würde er sie nur betäuben und als Gefangene nehmen. Das war zumindest ihre Hoffnung. Die „Waffen“ waren Hochdrucksprühpistolen mit einer im Wissenschaftsunterricht versehentlich entstandenen ätzenden Chemikalie als Munition. Seitdem sie die Wirkung der Flüssigkeit entdeckt hatten, hatten Alanc und Biúfin sie schon öfter als Mittel gegen Schredderbots eingesetzt. Einer ihrer großen Vorteile war, dass sie nicht sofort als Waffe erkennbar war, was einem wertvolle Sekunden verschaffen konnte. Ebensolche Sprühbehälter holte Biúfin nun aus seinem Rucksack. Er wusste, dass ihre Chancen nicht so gut standen, wie sie es normalerweise taten, wenn sie geheim in den Kampf zogen. Er sah sich unauffällig um – etwa zehn Meter hinter ihnen befand sich eine Ecke. Sie mussten zuerst die Plasmakanonen des Schrotters treffen, dann könnten sie vielleicht – „Die Ecke hinter uns“, sagte er; da Schredderbots von Natur aus keine Schallsensoren hatten, konnten sie sich problemlos beraten. Alanc nickte unauffällig und etwas beklommen, als er langsam zurückweichend seine Waffe entgegennahm.
„Jetzt!“, rief Biúfin. Die beiden rissen die Druckpistolen hoch und sprühten jeweils eine der zwei doppelläufigen Plasmakanonen ein. Diese wurden sofort zerätzt, und Alanc und Biúfin rannten vor dem Schredderbot davon und um die Ecke. In dem Korridor, in den sie jetzt stürmten, befanden sich immer noch keine Officer der Polizei; anscheinend hatte noch niemand bemerkt, dass die Destilna auch hier bereits eingedrungen war. Grundsätzlich hätten die Zwölfjährigen die Abwesenheit anderer Kämpfenden begrüßt – schließlich hätten sie gewaltigen Ärger bekommen –, doch zumindest noch vor einigen Augenblicken hätten sie nichts gegen Unterstützung gehabt. Biúfin wollte auch sofort wieder nach rechts abbiegen, doch Alanc hielt ihn zurück. „Nicht dort entlang; da sind die Erwachsenen! Geradeaus, ich habe einen Plan!“ „Wenn du meinst“, willigte Biúfin ein. Da er ein ziemlich guter Sprinter war, konnte er während des Rennens problemlos reden. Sie flitzten den Gang weiter entlang, bis sie an seinem Ende an eine mit Energieschilden verschlossene Schleuse kamen. An der äußeren Verkleidung prangte die blau leuchtende Schrift:
FORSCHUNGSBEREICH
SICHERHEITSZONE STUFE 2
Das bedeutete, dass zwar alle aus der Station Zugang dazu hatten, aber ein Irisscan und eine Codeeingabe zur Durchquerung nötig waren. „Schnell“, keuchte Alanc und versuchte, die Tür durch die Eingabe der benötigten Informationen zu öffnen. Dreimal probierte er es auf verschiedenen Wegen, doch jedes Mal erhielt er die selbe Meldung:
Schleuse wegen Angriffs gesperrt –
Sicherheitsstufe auf 4 erhöht
„Biúfin, hier musst du ran, das Teil hier funktioniert nicht wie ein Jetcomputer. Versuch, die Sicherheitsstufe auf 3 zu senken. Ich halte uns den Schrotter vom Hals“, zischte Alanc, der sich als guter Pilot nur mit den Rechensystemen von Raumschiffen auskannte. Der Angesprochene kniete sich sofort an die Konsole, bot Alanc seine Sprühwaffe an und machte sich an die Arbeit.
Biúfin Celentanto
Der Schredderbot kam inzwischen immer näher. Er hatte die Gangabzweigung, die Biúfin hatte nehmen wollen, schon um etwa ein Dutzend (eine veraltete Mengeneinheit, die Alanc nicht benutzt hätte; die Verwendung in diesem Buch geht auf den Autor zurück) Meter hinter sich gelassen und glitt langsam, aber für den Geschmack der Schüler zu schnell, auf sie zu. Er schwebte auf einem der Polung des Raumstationsbodens entgegengesetzten Magnetfeld, was eine verbreitete Flugmethode für Roboter und Transportmöglichkeiten war, die eigentlich nicht für gravitationsbetroffene Orte bestimmt waren. Obwohl seine beiden Plasmakanonen zerstört waren, konnte er seinen Widersachern immer noch Schaden zufügen. An seiner Oberseite war ein Laser angebracht, doch der war starr montiert und konnte nicht nach unten geneigt und Alanc und Biúfin damit gefährlich werden. Die größte Bedrohung, die von ihm ausging, entstand durch seinen gewaltigen, mit Schneideklingen ausgestatteten „Schlund“, durch den ursprünglich Schrottteile und Gesteinsbrocken zerkleinert worden waren, der allerdings auch problemlos einen Menschen – nun, wir wollen es uns wohl lieber nicht genauer vorstellen. Die verätzten, aber immer noch beweglichen Gestänge der Plasmaschussarme konnten als weitere Waffe eingesetzt werden. Um von Alanc, der nun mit beiden Sprühgeräten auf ihn zielte, nicht so leicht getroffen zu werden, schlingerte der Schrotter auf seinem Weg zu ihnen auch noch im Gang hin und her, doch wie fast alle in seiner Klasse war auch Alanc hervorragend im Umgang mit Handfeuerwaffen und nahm die visuellen Sensoren über der Saugöffnung ins Visier. Er feuerte ein paarmal, traf jedoch nur eine der beiden Sensorleisten. Der Roboter war derweil bis auf fünf Meter an sie herangekommen. „Biúfin, beeil dich!“, flüsterte Alanc dringlich und leicht panisch. Er schoss nun in das Innere des gegnerischen Roboters, um die Schneidegeräte dort unschädlich zu machen. Eine Säureladung traf und zerstörte die vorderen Klingen rechts unten. „Ich glaub‘, ich hab‘s!“, rief Biúfin in diesem Moment. Die Türen sprangen auf, und der Schild deaktivierte sich. Alanc und Biúfin stürzten durch die Öffnung. „Ich hoffe, es dauert nicht genauso lange, die Schleuse wieder zu schließen!?“ „Nicht so lang, aber es kann schon dauern …“ „Aber die Zeit haben wir nicht!“, rief Alanc energisch.
Sie befanden sich in einem langen, weiß verkleideten Gang, von dem an beiden Seiten gleichmäßig Türen abgingen. An den Wänden blinkten wie im Korridor der Klasse 6.2 Alarmdisplays. Neben der Tür, durch die sie gekommen waren, befand sich ebenfalls ein Steuerpult, an das sich Biúfin sogleich setzte, um die Schleuse wieder zu blockieren.
Alancs Plan, den er sofort verstanden hatte, sah vor, dass der Durchgang abgeriegelt wurde und der Schredderbot beim Versuch, sich gewaltsam Zutritt zu verschaffen, vom Sicherheitssystem deaktiviert oder zerstört würde. Für solche Zwecke waren versteckte Plasma- und Mikrowellenkanonen in die Decke eingelassen. Unglücklicherweise waren die Schüler dabei von Sicherheitsstufe 2 ausgegangen.
„Das schaffst du nicht mehr!“ Alanc riss Biúfin in dem Moment von dem Bildschirm weg, als der Schrotter durch den Durchlass brach. Erneut hetzten sie den Gang entlang, doch inzwischen war die ungewöhnliche Aktivität in diesem Sektor vom Zentralcomputer der Siróneux 14 bemerkt und die für Gegenmaßnahmen benötigte Energie bereitgestellt worden: Überall in dem Bereich spannten sich plötzlich türkisfarbene Plasmaschilde von Wand zu Wand, leider aber keiner zwischen den Sechstklässlern und dem Roboter.
Sie wichen immer weiter zurück, doch kurz darauf hatten sie den Energieschild im Rücken. Ihr Säurefeuer setzte dem Schrotter zwar immer mehr zu, doch der ließ sich davon nicht beirren (seine Programmierung ließ ihm ja auch keine Wahl), und er besaß noch genügend Klingen, um ernsten Schaden anzurichten. Fast den ganzen Gang nahm er ein, und wenn sie vorgehabt hätten, seitlich an ihm vorbei zu kommen, hätte er sie einfach an der Wand zerquetschen können. Darauf hatte keiner der beiden besonders Lust. Der Roboter war noch einen halben Meter von ihnen entfernt. Da schalteten sich auf einmal die Lämpchen auf seiner Sensorleiste ab und der ganze Eineinhalb-Tonnen-Koloss krachte mit einem dumpfen Geräusch auf den Boden. Irgendetwas hatte den Schrotter deaktiviert.
2. Kapitel
Die Srebnip-Einheit
Enjud Blaires, eine der drei Commander der Siróneux 14 und der Polizeieinheit S14, rückte sich noch mal in ihrem Sitz zurecht und fasste das Steuergestell ihres Jets fester. „Fintlil-Staffel – mir folgen; Dorbind- und Bredial-Staffel – abdrehen und beim Kampf gegen eindringende Schrotter helfen. Weitere Befehle erwarten“, teilte sie den hinter ihr fliegenden Jägern über Funk mit. Die genannten Staffeln zogen ab, während die verbliebenen Kampfshuttles in einem weiten Bogen, vorbei an der Unterseite eines Schrotter-Geschwaders, hinter ihr her flogen. Auf einem holographischen Display vor der Innenseite ihrer mit Plasma verstärkten Cockpitscheibe konnte sie sehen, dass von den ursprünglich zwölf Schiffen der Staffel noch neun übrig waren, eines war leicht getroffen.
„Commander Blaires an Siróneux, schicken Sie ein Rettungsteam für mehrere Piloten meines Geschwaders. Ihre Schleudersitze müssten sich in Außensektor, ähm, 46vt 4 bis 8 befinden. Fintlil 3, hält Ihr Schiff durch?“ „Wird schon klappen; ich habe nur eine obere Steuerdüse verloren. Der Hauptantrieb ist nicht betroffen. Dorsale Schilde halten bei 40 Prozent.“
„Seltsam, dass die großen Schlachtschiffe der Destilna nicht mehr feuern“, meldete sich Pilot Fintlil 6. „Ja, komisch, aber wahrscheinlich auch nur irgendeine Strategie von denen“, entgegnete Enjud nachdenklich. „Lassen wir uns davon nicht aufhalten. Vielleicht wollen sie uns nur verwirren.“ Fintlil 6, der mit echtem Namen Monfrek Zujädec hieß, schnaubte leise auf. Nun, das hatten sie geschafft. Doch die Commander gab schon den Befehl, den Angriff fortzusetzen. „Passt aber auf, falls sie plötzlich wieder zu schießen anfangen.“ Sie flog an dem aus ihrer Sicht rechten unteren Hauptflügelarm des feindlichen Zerstörers vorbei, schoss zwei Raketen auf einen der großen Lasergeschütztürme und drehte schnell ab, um eventuellem Beschuss nahe der Hülle zu entgehen. Anders als die meisten Einheiten benutzte sie kein PKS-22-Kampfshuttle der Polizei, sondern ihren privaten Insolomit-Raumjet, der, obwohl relativ klein, sehr schwer bewaffnet war.
Raumschlacht um die Siróneux 14
Doch die Shuttlecrews merkten, dass auch sonst irgendetwas nicht stimmte: Keiner der Jets der Destilna griff sie an, und viele flogen nur noch geradeaus. Man könnte fast meinen, sie – doch Monfrek wurde von einem dringlichen Funkspruch der Zentrale aus seinen Gedanken gerissen. „Commander, Commander, alle Schiffe, Roboter und Waffen der Destilna sind deaktiviert worden!“ „Für solche Scherze habe ich im Moment weder die Zeit noch die Stimmung, Simur!“, antwortete Enjud. Simur Elenzao war, nicht nur in ihren Augen, ein nerviger, wichtigtuerischer Polizeiofficer mit einer übertriebenen Meinung von seiner eigenen Bedeutung. Wenn es nach ihm ginge, hätte er schon vor Jahren zum Captain befördert werden müssen, doch da seine Vorgesetzten diese Ansicht nicht teilten, diente er weiter in der Kommunikationszentrale als Durchsageleiter.
„Ich meine es ernst!“ „Ja, und ich bin die Präsidentin der USES“, gab Enjud trocken zurück. Doch Monfrek hatte verstanden: „Er hat Recht, Commander Blaires. Nichts funktioniert mehr bei denen! Deshalb schießen sie auch nicht auf uns.“ Enjud überflog die Sensorkarte auf dem Display vor sich. „Könnte sogar stimmen; aber wenn Sie so davon überzeugt sind, dann schicken Sie ein paar Bergungsteams los und fordern einige große Gefängniskreuzer an!“ „Aber…“, setzte Simur an. „Das ist ein Befehl. Außerdem kann es nicht schaden. Fintlil-Staffel, wir landen im mittleren Backbordhangar dieses Destilnaschiffes“, wies Enjud an.
Die Shuttles gaben mehrere Plasma- und Lasersalven ab, die die Außenschotts der Parkzone zertrümmerten, reduzierten ihre Geschwindigkeit über die vorderen Triebwerke und landeten auf einigen freien Flächen. Commander Blaires fuhr mit dem behandschuhten Finger an einigen Nähten ihres Geschwindigkeitsschutzanzuges entlang, der daraufhin von ihr abfiel. Darunter kam ihre türkisblaue Einsatzkleidung zum Vorschein. Die Fünfergruppen aus dunkelblauen Streifen darauf gaben sie als Commander zu erkennen. Sie schnappte sich ein Jetpack und ein Plasmastrahlgewehr von dem Platz hinter ihrem Sitz, deaktivierte die Schilde ihrer Cockpitkapsel und flog hinaus. Nicht einmal die Schwerkraftsgeneratoren der Destilna waren funktionsfähig. Enjud blickte auf die Anzeigen in ihrem Helm und gab einen verwunderten Laut von sich: Die Luftversorgung des Zerstörers funktionierte. Im Gegensatz zu allen anderen Systemen war die Lebenserhaltung nicht ausgefallen. Sie schaltete die Sensorsicht auf Infrarot, um Wärmequellen wahrnehmen zu können, und schaute sich um. Außer ihren eigenen Leuten war niemand zu sehen. Sicherheitshalber drückten sie alle trotzdem je einen Knopf auf ihren Unterarmschienen und runde, blasslila schimmernde Plasmaschilde erschienen daran.
Der Trupp verließ den Hangar und flog einen Korridor entlang, bis sie in einen hohen, zylindrischen Raum kamen, von dem in zwei Ebenen weitere Gänge abgingen. „Wir teilen uns auf; es scheint ja gerade keine große Gefahr zu bestehen. Lieutenants Zujädec, Djoan und Gwomhif, Ihr leitet die anderen Teams“, befahl Enjud, „wir bleiben in Funkkontakt.“ Monfrek nickte seinen Leuten zu, und sie schwebten zur rechten oberen Türöffnung. Im Gang befand sich niemand, doch nach einigen Metern versperrte eine improvisierte Barrikade den Weg. „Commander, ich glaube, ich habe da was gefunden. Hier scheinen sich einige Gangster verschanzt zu haben.“ „Verstanden. Sagt Bescheid, wenn Ihr Hilfe braucht.“ „Commander“, funkte Lieutenant Tovil Djoan dazwischen, „wir sind in die Kommandobrücke vorgedrungen und haben einige Destilna-Mitglieder verhaftet. Gerade eben sind wir dabei, die Computerdaten auszuwerten. Es scheint sich hier um eine bestimmte große Einheit zu handeln: die Srebnip-Einheit.“ „Habe ich richtig gehört? Die Srebnip-Einheit?! Das ist weit mehr als nur ein einfaches Angriffskommando, um uns vom weiteren Vorgehen gegen sie abzuschrecken. Sondern Elitekämpfer! Diese Leute gefangen zu sehen, wird dem Hohen Tier nicht gefallen …“
Monfrek hörte den Erörterungen seiner Commander nicht länger zu, sondern wandte sich wieder den praktischen Dingen zu. Schließlich kannten alle einigermaßen ausgebildete Polizeiofficer die Geschichte der Srebnip-Einheit. Sie war ein Spezialtrupp der Destilna, der dafür berühmt war, so gut wie nie gefangen genommen worden zu sein. Sie waren besser ausgebildet und meist auch besser ausgerüstet als andere Leute des Organisierten Verbrechens. Niemand kannte die genaue Anzahl der Personen der Einheit, doch Fachleute schätzten, dass etwa 4000 Personen und mindestens zehn Zerstörer dazugehörten. Um die Siróneux hatten sich sechs befunden, also … Lieutenant Zujädec schüttelte den Kopf. Er hatte das Nachdenken doch für den Moment bleiben lassen wollen! Auch wenn ihn die Nachricht, dass sie den Besten der Gangster gegenübertreten sollten, nicht gerade beruhigte.
Nun, dank der Schwerelosigkeit, konnten sie das Hindernis leicht beseitigen, doch man musste ja die „Etikette“, wie sie es im Fachjargon nannten, beachten. Monfrek schaltete seinen Außenlautsprecher ein: „Hier spricht die Interplanetare Polizei! Entfernen Sie die Barrikade und kommen Sie ohne Waffen und mit erhobenen Händen hervor!“ Wie erwartet geschah darauf nichts. Der Polizist sah sich die Befestigung genauer an. Mehrere Metallplatten waren ineinander verkeilt – nichts Dramatisches. „Haltet euch bereit“, murmelte er seinen anderen drei Leuten zu. Diese nickten pflichtbewusst und nahmen ihre Plasmer, was der Umgangsausdruck für tragbare Plasmawaffen war, in Anschlag. Monfrek benutzte seinen als Ramme, stieß sich ab und durchbrach die Sperre. Auf der anderen Seite war jedoch nur das Ende des Ganges, an dem sich eine Tür befand.
Ein Scan zeigte den Polizisten, dass sich neben ihr hinter der Wand eine Person befand, die sich anscheinend versteckte, um die hereinkommenden Leute anzugreifen oder, nachdem die Einsatzkräfte den Raum betreten hatten, hinter ihnen zu fliehen. Monfrek schmunzelte in sich hinein. Der Mensch dort konnte zwar weglaufen, aber er war in diesem kaputten Schiff gefangen. „Denen scheint es nicht zu behagen, dass sie keine Technik mehr zur Verfügung haben“, funkte er seinen Leuten zu. Einer von ihnen hatte die ganze Zeit schon einen etwa einen Viertel Kubikmeter messenden Kasten hinter sich herschweben lassen. Nun öffnete er ihn und gab einige Befehle auf ein daran angebrachtes Display ein. Aus der Kiste stiegen zwei weitere Officer der Interplanetaren Polizei. Zumindest sahen sie so aus. Sie bestanden aus Catomen – programmierbarer Materie. Die winzigen Roboterteilchen orientierten sich aneinander und nahmen in einer Art kollektiver Intelligenz die verlangten Formen an. Nachdem sie weitere Anweisungen bekommen hatten, flogen sie auf die Tür zu und durchquerten sie. Daraufhin ertönte ein Schlag, und zwei Destilnakämpfer glitten heraus, hielten jedoch angesichts des bewaffneten Polizeiteams inne, indem sie nach hervorstehenden Platten an der Wand griffen. Die beiden künstlichen Beamten zogen einen dritten Gangster hervor.
Als sie die Kriminellen abführten, atmete Monfrek sarkastisch lachend aus. Drei hatten sie. Blieben nur noch etwa 296 auf diesem Schiff. Wurde Zeit, dass die Bergungsteams eintrafen.
„Haben Sie schon irgendeine Erklärung?“ Enjud war auf die Siróneux zurückgekehrt und stürmte soeben auf die Kommandobrücke. Diese war ein großer und hoher Raum, gut geschützt in dorsalen Heckaufbauten der Raumstation. Über die vorderen und seitlichen Wände zog sich eine Fensterreihe und gab den Ausblick auf eine für Freizeit- und Erholungsaktivitäten der Polizeifamilien vorgesehene Kuppel, die sich über einen Großteil der Oberseite der Siróneux erstreckte, und den umliegenden Weltraum frei. Darüber zog sich senkrecht auf der Kuppel stehend das obere große Solarsegel der Station, vom Bug bis über die Brücke hinaus. Auf dieser hatte man die Innenkante der Paneele in der Mitte der Frontscheibe im Blick. Die Kommandozentrale war in gedämpftes Licht getaucht, das vor allem von den vielen Konsolen, die im ganzen Raum verteilt waren, stammte und sich nur schwach an den weißen Wänden spiegelte. Deren abgeflachte oberen Kanten und ein Teil der Decke waren mit Bildschirmen übersät, die Auskünfte über verschiedene technische und taktische Daten lieferten. In der Luft über den Arbeitsstationen schwebten unzählige hellblau und rot leuchtende Hologramme von Raumschiffen, dem Saturnorbit um die Siróneux 14 sowie mehrere Gesamt- und Aufrissgraphiken der Station selbst. Im hinteren Bereich der Brücke befanden sich auf einer leichten Erhöhung die Sessel der drei Commander und zu beiden Seiten die des Ersten Offiziers und seiner drei Nachfolgenden. Hinter den dunkel gepolsterten Lehnen schwang sich ein mit Konsolen besetztes Geländer durch den Raum, der in Heckrichtung in mehrere Schleusen mündete.
Einer der anderen beiden Commander der Einheit, Biúfins Onkel Dwolyh Celentanto, antwortete: „Die meisten von uns gehen davon aus, dass es um Rache geht: Die Destilna, oder gerade diese Eliteabteilung, hat einer konkurrierenden Bande Probleme gemacht oder sie betrogen. Nun will die sich rächen, indem sie die Srebnip-Einheit ausschaltet. Diese Konkurrenz, wer immer sie auch ist, muss sehr gute Hacker besitzen. Oder gute Waffen.“ „Klingt logisch. Wahrscheinlich hat einer der Gangster Sonnenwind von den Angriffen bekommen, und sie haben ihre Aktion darauf abgestimmt. Aber wie ist es überhaupt möglich, die ganze Technik einer Einheit zu deaktivieren? Keine bekannte Mikrowellen- oder EMP-Waffe kann das auf solche Weise! Außerdem haben sie die Luftversorgung funktionsfähig gelassen; die wollten also, dass sie gefangengenommen werden. Insgesamt sehr mysteriös.“ Enjud setzte sich in ihren mittig im Raum angebrachten Sessel und studierte die Bildschirme an der großen Wand über den Frontscheiben der Brücke. Irgendetwas an der ganzen Sache stimmte nicht. Klar, die Theorie mit der Konkurrenz hörte sich realistisch an, aber dass eine solche Gruppe genügend und so gute Computerfachleute besaß, war unwahrscheinlich. Natürlich nur unter der Annahme, dass die Systeme der Destilna durch elektronische Befehle ausgefallen waren. Vor allem – wenn solche Hacker schon viele Lornids ergattern wollten, was ja erfahrungsgemäß ein Hauptgrund für den Anschluss an eine verbrecherische Bande war, konnten sie bei legalem Gebrauch ihrer Fähigkeiten, beispielsweise bei der Polizei, weit mehr Geld verdienen: Es lohnte sich für ihn nicht, für Kriminelle zu arbeiten. Außerdem hätte die Destilna schon längst von ihnen erfahren und sie für sich eingestellt. Und ein Waffensystem, das die Lebenserhaltung und die Hardware schonte, war ebenso unbekannt. Nein, hier musste mehr dahinterstecken. Vielleicht der private Rachefeldzug einer Industriefirma, die vom Organisierten Verbrechen Schwierigkeiten bekommen hatte, und das nicht an die Öffentlichkeit geraten lassen wollte? Es gab viele Möglichkeiten. Und warum schickte die Destilna die Srebnip-Einheit für einen Abschreckungsangriff zur Siróneux?
Ein Polizist betrat den Kommandoraum. „Commander, die Gefängnisschiffe sind eingetroffen. Vier der sechs Zerstörer sind inzwischen vollständig entladen, die anderen beiden etwa zur Hälfte. Sie werden circa um 0630 fertig sein.“ „Danke. Geben Sie ihnen ein Geschwader Kampfshuttles als Begleitschutz, wenn sie abfliegen. Fintlil -, Antion- und Bredial-Staffel sollten geeignet sein“, antwortete Dwolyh. Der junge Officer nickte und ging in die vorderen Bereiche der Brücke, die Kommunikationszentrale, weiter. Dafür kam Professor Radop durch eine andere Schleuse an der Rückseite herein. „Das Schlimmste scheint wohl für heute vorbei zu sein, auch wenn das Ganze natürlich noch sehr viele Fragen aufwirft. Doch da ich morgen, oder besser gesagt später am heutigen Tag, Unterricht habe, bitte ich um die Erlaubnis, mich in mein Quartier zurückzuziehen, falls ich jetzt nicht mehr gebraucht werde.“ „Natürlich, Uncim. Und du, Enjud, solltest auch ins Bett gehen. So eine Raumschlacht kann ganz schön müde machen“, meinte Commander Celentanto. „Ich bin nicht müde!“, entgegnete Enjud und gähnte. „Na gut, aber ich erwarte, sofort geweckt zu werden, wenn sich irgendetwas tut.“ „Ich auch“, ergänzte Uncim Radop. Dwolyh wandte sich schmunzelnd ab, als die beiden die Zentrale verließen, ging nach vorne zur Frontscheibe und sah hindurch. Eines der drei Gefängnisschiffe, die Korvette Stustee, war von mehreren Transportshuttles, die die Gefangenen beförderten, umgeben. Die anderen beiden viel größeren Schiffe waren schon fast komplett beladen; die angeforderten Kampfshuttles waren von der Siróneux abgezogen worden.
Bald würde auch er schlafen gehen. Biúfins Onkel lächelte erneut. Vorher würde er jedoch noch einen alten Freund besuchen.
3. Kapitel
Unterricht
„Na, wachst du heute noch auf?“ Alanc drehte sich auf die andere Seite, öffnete die Augen und schloss sie gleich wieder. Er hatte, verständlicherweise, nach dem Destilnaangriff sehr tief geschlafen. „Hallo, wird das heute nochmal was?! Ich habe Hunger und nicht den ganzen Tag Zeit!“ „Nobur, du weißt ganz genau, wo dein Essen ist und wie du ‘ran kommst“, stöhnte Alanc. Der Traum, den er gehabt hatte, war interessant gewesen, aber er wusste leider nicht mehr, worum er ging. „Stimmt“, antwortete die graubraungestreifte Katze auf dem Boden zustimmend, „es macht aber Spaß, dich so zu wecken.“
Natürlich konnte das Haustier nicht wirklich reden, doch ein hinter ihren Ohren angebrachtes kleines Gerät scannte Noburs Gehirnströme und machte das hörbar, was sie vermutlich von sich geben würde. Ein weiteres Modul übersetzte menschliche Äußerungen in für sie verständliche Sprache.
Die Katze machte sich inzwischen über ihr Futter, das sich direkt neben ihrem Schlafkissen befand, her. „Hey, ich meine es ernst: Du sollst aufstehen!“, mampfte das schlanke Tier mit vollem Mund. „Schnauze“, gähnte Alanc, „sonst schalte ich die Schwerkraft ab, wenn du es noch einmal sagst.“ „Nein, nein, bloß nicht, du solltest doch nur endlich aufstehen!“ „Wie du willst“, entgegnete der Schüler und drückte einen Knopf an seinem Nachttisch. Sofort erhoben sich die protestierende Katze und ihre Futterstücke in die Luft. Alanc und seine Bettdecke zwar auch, aber im Unterschied zu Nobur hatte er nichts dagegen. „Fang dein Essen wieder ein“, rief er dem fliegenden Tier zu, während er zu seinem beschwebbaren Kleiderschrank hinüberglitt. Er konnte entweder gleich seine Uniform oder Freizeitkleidung anziehen, aber da er nach dem Frühstück nicht erneut die Klamotten wechseln wollte, wählte er die Erste. Bei dieser Einsatzkleidung konnte man im Gegensatz zur anderen das Aussehen nicht verändern; diese Maßnahme war eingeführt worden, damit niemand im Unterricht damit Unfug trieb. (Was aber nicht heißen soll, dass Alanc das je gemacht hätte!) Er zog den blauen, fast schon türkisen Anzug an, dessen weiße Streifen seine Einordnung als Nachwuchsmitglied darstellten. Da sie immer zu viert angeordnet waren, konnte man sehen, dass er den zweithöchsten Rang, Apprentice, innehatte. Danach öffnete der Zwölfjährige den Schrank wieder, stieß sich ab und drückte eine Taste auf einem Display bei der Tür. Kurz darauf wurden sie wieder auf den Boden zurück gesaugt. „Das kommt davon“, teilte er der verärgert dreinschauenden Katze mit. Dann ging er zu seinem Privatcomputer hinüber und schaute sich seinen vergessenen Traum an. Es ging um Raumschiffe, Antimaterieexplosionen und Plasmatechnologie. An einem total unpassenden Themenwechsel lachte Alanc auf. Diesen Film musste er Biúfin zeigen. „Viel Spaß noch“, verabschiedete er sich von der Katze, „ich glaube, da liegt noch etwas Futter unter dem Bett“, und ging die Treppe auf der rechten Seite des Zimmers hinauf. Oben war links hinter der Tür das Zimmer seiner Eltern, doch eine Statusmeldung an der Wand zeigte dem ihm an, dass sie es schon verlassen hatten.
Auf der anderen Seite des hohen Ganges, der sich vor ihm quer an der Stationsaußenseite entlang erstreckte, befanden sich die privaten Landeplattformen der Familie Palantui. Über einen Treppensteg nach oben konnte man Alancs alten VSR-36-Raumjet sehen. Doch der war jetzt ausnahmsweise nicht sein Ziel, weshalb er sich nach links wandte und den Korridor weiter hinunter ging. An dessen Ende stieg er in eine Schwerelosigkeitskammer, sagte laut: „Speiseraum H4“, und holte seinen S-Player heraus. Während er durch eine lange Röhre gesaugt wurde, schaute er sich darauf die neusten Nachrichtenmeldungen an.
Wachstum – Nicrokon schon fast so mächtig wie Onicle
Neuer HC-9705-Frachter jetzt auf dem öffentlichen Mark
Verbesserungsmöglichkeiten des Mikrowellenantriebs
Multibot-Serie bekommt 217. Generation
SNR-67-Raumjet hat erwarteten Starterfolg
Gefangennahme eines Großteils der Srebnip-Einheit
„Interessant“, meinte Alanc und klickte den letzten Bericht an. Doch unglücklicherweise ging nur wenig Neues für ihn daraus hervor. Nur einige Details, die er und Biúfin sich in der Nacht zusammengereimt hatten, fand er bestätigt. Nun, er verstand schon, warum nicht mehr geschrieben worden war; wenn die Öffentlichkeit etwas wusste, wusste die Destilna es erst recht. Gerade wollte er die polizeiinternen Berichte durchsuchen, um differenziertere Informationen zu erhalten, als die Saugröhre ihn in einen kleinen gepolsterten Raum spuckte. „Sie sind da“, säuselte eine Computerstimme überflüssigerweise, als Alanc die Landekammer verließ und in eine große Halle trat. Dort kam sofort sein Essstuhl auf ihn zugeglitten. Es war eine Art Sessel, der durch gegen den steten nach unten drückenden Luftstrom der Stationsschwerkraft arbeitende Rotoren schwebte und ein eingebautes Tischchen besaß. Auf diesem trug er das Standardfrühstücksmüsli seines Empfängers mit sich. Dieser setzte sich und gab den Befehl, ihn zu Biúfin zu fahren. Unterwegs fing er einige Gesprächsfetzen von anderen Sitzgruppen auf. „… du gehört, dass eine Ausstellung über die Weiße Armada geplant ist?“ „Ja, da müssen wir unbedingt den New New Yorker Museen einen Besuch abstatten.“ – „Ich konnte mit den alten 200er-Multibots noch nie viel anfangen.“ – „… war sicher faszinierend, sich die Destilna-Zerstörer der Azar-Klasse mal von Innen anzuschauen.“
Als Alanc bei seinem Freund ankam, war dieser gerade in ein Gespräch mit einem weiteren Klassenkameraden vertieft. „… nun ja, und dann hat er auf einmal aufgehört sich zu bewegen, und ein paar Blitze haben an der Seite aufgezuckt“, sagte letzterer gerade. „Worum geht es denn?“, fragte Alanc und manövrierte seinen Sessel zu ihnen. „Zenos Abatiktrainingsroboter ist irgendwie kaputt gegangen“, erklärte Biúfin, „und er fragt, ob wir ihn vielleicht reparieren können.“ „Und, können wir?“ Der andere hob die Schultern. „Ich war noch bei der Beweisaufnahme.“ Die beiden sahen Zeno erwartungsvoll an. „Ich weiß nicht, was nicht stimmt; wahrscheinlich ist irgendein Schaltkreis oder eine Leitung durchgebrannt. Am besten schaut ihr es euch einfach mal an“, sagte der Abatikprofi. „Na, guten Appetit“, wünschte Alanc, und sie machten sich über ihre Müslimischungen her.
Wenig später, nachdem sie noch ihre Eltern besucht hatten, schwebten Alanc und Biúfin, der auch schon seinen Vier-Weiße-Streifen-Anzug trug, durch die Transportröhre zurück. Sie kamen in der Nähe ihrer Privaträume in einem Korridor heraus, in dem die meisten Unterrichtsstunden der sechsten Klasse stattfanden. Gerade betraten die Zwillinge Kela und Lōra Suac das zweite Zimmer auf der linken Seite. Die Alanc und Biúfin folgten ihnen.
Um eine Tischablage und eine holographische Tafel waren in einem Halbkreis zwölf Sessel, die stark denen des Speiseraums ähnelten, angeordnet. Nur dass die eingebauten Tischchen für Lern- statt für Esszwecke ausgerüstet waren, unterschied die verschiedenen Stuhlarten. Zeno Noult, der bereits früher aufgebrochen war, saß schon am einen Ende der Sitzreihe zwischen Jordenean Djoan, der wie er gut in Abatik war, und Ahannia Golir, die sich sehr für medizinische Dinge interessierte. Links von Jordenean war der Platz von Joffham, seinem Bruder.
Da die menschliche Bevölkerungszahl allgemein als zu hoch erachtet wurde, wurden Eltern nahegelegt, nur dann mehr als ein Kind zu haben, wenn es Mehrlinge waren. In der 6.2 gab es zwei Zwillingspärchen. Doch im Gegensatz zu Kela und Lōra, die sich äußerlich fast nicht auseinander halten ließen, konnten die anderen beiden kaum unterschiedlicher sein: Während Jordenean groß und muskulös war, hatte Joffham einen eher kleinen und schlanken Körper. Dafür war er sehr flink und sehnig. Wiederum links von ihm saßen Kimtoreb Honquiä, Iyw Burín und Redonia, Kimtorebs Cousine. Eine unzertrennliche, teilweise freche Gruppe, die wie Alanc über Jetflugtalent verfügte. Redonia saß rechts von Kela, talentiert in Mechatronik, und Lōra, die strategisch begabt war. Danach kamen Alanc und Biúfin, die sich gerade auf ihre Sessel begaben, und links neben letzterem hatte die diplomatisch agierende Domirenti Nimánda ihren Platz.
Pünktlich um 0830 erschien Professor Radop im Zimmer. Wie sie alle sah er etwas verschlafen aus. Da es Donnerstag war, hatten sie in den ersten beiden Stunden Handwerks- und Technikunterricht. Radop ging zu seinem Pult und startete eine sich bewegende holographische Projektion. Einige mit tragbaren Energieschilden ausgerüstete Polizeiofficer, die damit Plasmaschüsse abwehrten, waren zu sehen. „Nun, guten Morgen, Kinder. Als erstes möchte ich euch mitteilen, dass in einigen Wochen Die Allgemeinen Missionen anstehen, bei denen Nachwuchspolizeigruppen wie ihr dabei sind. Deshalb werden wir in den nächsten Tagen noch einiges üben und herstellen, was euch dabei von Hilfe sein wird. Dazu eine kleine Wiederholung: Was sind Energieschilde? Was fällt euch dazu ein?“ Mit mehr oder weniger Begeisterung gaben alle ein Meldesignal ein, und jeweils eine Lampe an den Stühlen leuchtete auf. Iyw wurde aufgerufen: „Eine mit Magnetfeldern regulierte Fläche aus kaltem Plasma. Man kann damit Plasmaschüsse, Mikrowellen und, je nach Art des Schildes und der Strahlung, Laser abwehren. Oft wird sie mit einem Gitter aus Laserstrahlen kombiniert, das große Objekte zerstört.“ „Sehr gut. Aber ihr fragt euch sicherlich, warum ich euch so etwas frage. Ist das nicht ein Thema für den Allgemeinen Polizeiunterricht oder gar den Flugunterricht? An sich schon, aber heute fangen wir damit an, uns unsere eigenen tragbaren Schilde zu bauen!“ Die Klasse schaute interessiert auf. Wenn sie jetzt schon Energieschilde bauten, würden sie in anderen Fächern bestimmt auch den praktischen Gebrauch üben.
Währenddessen hatten mehrere Hilfsroboter drei Tische, auf denen alle möglichen technischen Geräte lagen, herein geschoben. „Geht bitte zu viert an einen Tisch“, wies der Professor an. „Die grobe Bauanleitung wird hier bei mir und auf euren S-Playern angezeigt.“ Alanc, Biúfin, Lōra und Domirenti nahmen die direkt hinter ihnen stehende Arbeitsfläche. An der Tafel vorne war eine Innenansicht mit Erklärungen der einzelnen Komponenten zu sehen. Auf den kleinen Computern der Kinder war eine neue Datei aufgetaucht, bei der man sich die einzelnen Aufbauschritte im Detail anschauen konnte.
Der Vorteil an selbstgebauten Ausrüstungsgegenständen war, dass man sie den ganz persönlichen Ansprüchen anpassen konnte, statt ein einheitlich produziertes Modell zu nutzen, mit dem man nicht zurechtkam. Die meisten Polizeiofficer nutzten und entwickelten sie ihr ganzes Leben lang weiter. So hatte die Klasse zum Beispiel schon eigene kleine Mikrowellenstrahler gebaut, mit denen man Elektronik deaktivieren konnte.
Alanc scannte seinen linken Unterarm und formte eine Armschonerplatte nach den entsprechenden Maßen. Der Rüstungsteil war mit Kohlenstoffnanoröhren, Keramik und etwas Wolfram gegen Projektile, Hitze und Strahlung verstärkt. An der Oberseite befestigte er ein Gestell, in das die einzelnen Bestandteile des Schildprojektors eingebaut werden konnten: Auf die eine Seite kam ein Luftaufsauger, der mit einem aufladbaren Kinetik- und Solarakku sowie einem Ionisator, der auch mit Erhitzung und anschließender schneller Abkühlung das benötigte Plasma lieferte, verbunden war. Außerdem gab es eine Gasspeichereinheit, mit der man den Schild auch im Vakuum gebrauchen konnte. Das Plasma würde dann auf eine Projektionsfläche geleitet und mit Elektromagneten in Form gebracht. Lōra wählte ebenso wie Alanc smaragdgrün leuchtendes Plasma, Biúfin benutzte einen dunkelblauen Schild und Domirenti den klassischen blass lilafarbenen der Polizei.
Alanc baute in die Armschiene mehrere biegbare Stellen ein, und an der Unterseite, an der man sie öffnen konnte, befestigte er einen kleinen Kommunikationsbildschirm. Dann bekamen sie noch jeweils eine Schutzplatte für den anderen Unterarm. Die Klassenmitglieder waren zwar beidhändig geschult, doch die meisten hielten ihren Schild mit Links. Rechts konnte man einen kleinen automatischen Seilwerfer einbauen, den die Kinder zwar schon früher hergestellt, aber bisher nur an einem Gurtgestell, das um Arm und Schulter geschnallt wurde, getragen hatten. Der Seilwerfer feuerte ein oder mehrere bis zu 60 Meter lange, mit kleinen Enterhaken, Harpunen oder Magnetgreifern versehene Stränge aus reißfester künstlicher Spinnenseide ab, die wieder eingezogen werden konnten. Das Ganze spielte sich ohne eine Art von elektrischer Energie ab, es war mechanisch und musste nur hin und wieder aufgezogen werden. Die verhakten Schnüre nutzte man zur Fortbewegung in der Schwerelosigkeit und zu bestimmten Techniken in der Abatik. „Ein weiterer Schritt zur Vervollständigung unserer Ausrüstung“, kommentierte Domirenti und strich sich die langen, rotbraunen Haare aus dem Gesicht. „Ja, fehlen nur noch Helme, Plasmawaffen und eigene Jetpacks!“, scherzte Biúfin. Er hatte seine Magneten so manipuliert, dass der Schild eine abstrakte längliche Form annahm. „Bau doch noch einen Computeranschluss ein“, meinte Alanc, Biúfins Fachgebiet betonend. Die vier lachten. „Gute Idee“, entgegnete sein Freund, „ich denke, das mach‘ ich. Kann man ja immer mal brauchen.“ „So, ich glaube, ich habe alles.“ Alanc stand auf, legte die Rüstungsteile an und aktivierte den Energieschild: Mit einem leisem Summen der Elektromagneten entfaltete sich eine dunkelgrün leuchtende runde Plasmafläche mit knapp einem Quadratmeter Fläche. „Professor Radop, ich bin fertig.“ Der Lehrer wechselte noch einige Worte mit Kela, die ihre Arbeit als Erste beendet hatte, und kam dann zu dem geduldig wartenden Alanc hinüber. „Interessant – nicht viele bauen zwei Gasspeicher ein. Gut, dann schau, ob du noch ein paar eigene Dinge dazu ergänzen willst. Biúfin, Lōra, ihr seid fertig?“ Professor Radop wandte sich ab.
Ja, überlegte Alanc, man konnte wirklich noch einige praktische Ausrüstungsgegenstände einbauen. Beispielsweise elektromagnetische Platten, mit denen man sich an Metallflächen festhalten konnte. Er machte sich an die Arbeit. Es gab noch sehr viele Modifikationsmöglichkeiten.
Nach den beiden dreiviertelstündigen Schulstunden, in denen alle ihren Schildprojektor weiter ihren individuellen Wünschen angepasst hatten, gingen die Kinder in die Pause. Dazu begaben sie sich in einen mit verschiedenen Baumarten bepflanzten, offenen hellen Hof. Kimtoreb fläzte sich sofort auf eines der dunkelroten Sofas, die überall dort herumstanden. Er aktivierte seinen orangenen Schild und lachte. „Stellt euch erst mal vor, wenn wir damit den praktischen Gebrauch üben! Ein Hindernisparcours, bei dem Schockplasmageschosse auf dich schießen; und du musst sie abblocken und ausschalten!“ Alanc lächelte. Zwar teilte er Kimtorebs Begeisterung für das Training, doch so lauthals musste man es ja auch nicht zu Schau stellen. Er wandte sich einem Tresenterminal zu. „Einen S’garabo-Saft, bitte.“ Aus einer Luke in der Wand erschien ein Behälter mit dem sattgelben Getränk. „Danke“, sagte er und gesellte sich zu den anderen zurück. „Hey, wie wär’s, wenn wir nachher zu den Sporträumen gehen und es schon mal ausprobieren? Jetzt haben wir nicht mehr genug Zeit, aber in der zweiten Pause könnten wir es machen. Das wäre dann auch eine gute Übung für Die Mission.“ Von seinem Klassenkollegium kamen zustimmende Äußerungen. „Als Nächstes haben wir Geschichte, oder?“, fragte Kimtoreb. „Klar, oder dachtest du, es gäbe jetzt schon Trainings-/Kampfsport, bei dem du deinen Energieschild ausprobieren kannst?“, entgegnete seine Cousine hämisch. „Einen Versuch war‘s wert.“ Er zuckte mit den Schultern. „Die Hoffnung stirbt zuletzt“, fügte Kela sarkastisch hinzu. „Kommt, lasst uns doch noch was Kleines zum Essen holen; wir haben ja noch eine Viertelstunde“, schlug Joffham vor, dem die Diskussion etwas zu seltsam vorkam.
Wenig später, als alle gestärkt waren, saß die 6.2 wieder an ihren Plätzen im Klassenzimmer. Professor Radop, der bereits vor ihnen dort eingetroffen war, startete soeben eine sich drehende Holographie der Erde von vor der Auswanderung. „So, nun, da ihr alle wohlauf aus der Pause zurückgekehrt seid, können wir uns jetzt dem Geschichtsunterricht zuwenden. Ihr wisst selbstverständlich, dass wir uns im Moment mit der Zeit von etwa 100 bis 50 Jahren VAE beschäftigen. Und auch mit den Gründen der Zerstörung der Erde. Als Erstes: Was war der Hauptgrund des ‚Weltuntergangs‘?“ Alanc, Biúfin, Lōra, Kela und einige andere meldeten, und Lōra wurde aufgerufen: „Logisch gab es keinen. Die Menschen haben damals praktisch alles falsch gemacht, was man falsch machen konnte: zerstörerische Gasemissionen, das Ozonloch, Ressourcenausbeutung, Nutzung sowie Verbreitung von Giften und so weiter, und so weiter. Sie waren so idiotisch und egoistisch, haben alle Tatsachen ignoriert, und jene, die versucht haben, mit politischen Mitteln etwas zu erreichen, waren eine so geringe Minderheit, dass sie einfach als komische Freaks abgetan wurden. Gleichzeitig zerstörten die vielen blöden Normalen die Regenwälder, die ursprünglich viel des Kohlenstoffdioxids aus der Atmosphäre gefiltert und tausenden Spezies einen Lebensraum geboten haben. Und dann wollten sie dann ‚irgendwann mal, so in 40 Jahren, etwas Umweltfreundliches tun‘, und das, obwohl sie das alles schon damals umweltfreundlich machen konnten! Ihnen war der Erhalt der Welt keine kleinste Investition wert! Es gab emissionsfreie Schiffe, Fahrzeuge und Solarflugzeuge, aber ‚das konnten sie sich nicht leisten‘, obwohl es langfristig viel mehr Profit abgeworfen hätte! Die Zerstörung der Welt war unprofitabel und hat ach so wichtige Arbeitsplätze vernichtet, aber diese Schlussfolgerung war zu schlau für die! Mir wird heute noch schlecht von diesem dummen Egoismus, wenn ich mir Videos von damals anschaue. Diese Technik ist zwar vergleichsweise primitiv, aber sie hatten damals schon die geeignete für genug Solarzellen, Geothermieanlagen und tierschonende Wasser- und Windkraftwerke. Und wenn dies nicht die gleiche Versorgung geliefert hätte, wie sie’s gewohnt waren – der Erhalt des Lebensraums Erde wäre eine Zurückstellung der Gewohnheiten allemal wert gewesen! Dann wollten sie aus der Atomkraft aussteigen, ein an sich gutes Projekt, aber dann sind sie so … – ich weiß nicht, welches Wort für so ein Verhalten geeignet wäre – gewesen, dass sie stattdessen neue Kohlekraftwerke bauten! Die bezeichneten es als ‚Fortschritt‘, wenn sie in zehn Jahren 10% weniger schädliche Gase ausstoßen würden, und dabei stießen sie 20% mehr als im Vorjahr aus! Und damit sind nicht nur Kraftwerke und Transportmittel, sondern auch Düngungen und Privatholzöfen gemeint. Es hieß, ‚Ja, wenn die Welt zerstört ist, dann sind wir doch schon lange tot, also kann mir das doch egal sein!‘, oder: ‚Ob wir jetzt Auto fahren, das entscheiden wir für uns‘, aber sie haben es eben nicht nur für sich entschieden, sondern auch für uns hier, ihre nachkommenden Verwandten, die darunter leiden müssen! An anderen Stellen der Welt hatten die Auswirkungen bereits auf drastische Weise angefangen, doch die haben einfach noch mehr Umweltzerstörung betrieben! Dabei hätten sie es, wenn sie wirklich gewollt hätten, innerhalb kürzester Zeitalles umbauen können. Wirtschaft und Politik haben sich nicht im Geringsten um die Zukunft geschert, und ihre Nachfolgenden mussten die Erde aufgrund ihres Idiotismus aufgeben! So gut wie alle der blöden Regierungen der damaligen Welt …“ „Schon gut, Lōra. Man hätte es zwar höflicher ausdrücken können, aber du hast vollkommen recht. Ich verstehe deine Empörung, und das Verhalten der Regimes und Lobbys kann auch ich nicht nachvollziehen. Ja, Alanc?“ „Aber es muss doch auch einige Intelligente gegeben haben, die wirklich erkannt haben, was da getan wurde. Und zu jener Zeit ist doch beispielsweise die damalige Polizei das Risiko eingegangen, gegen Kriminelle zu kämpfen. Doch im Vergleich zur Rettung der Welt ist das doch vergleichsweise banal – warum hat sich dann niemand der langfristig viel wichtigeren Aufgabe angenommen, gegen diese abscheulichen Monster von Lobby-Vertretenden und Regierungen zu rebellieren?! Und die Gesetze so ändern zu lassen, dass so etwas nie mehr geschehen kann? Für den Kampf gegen etwas Kurzfristiges waren sie bereit, gegen etwas langfristig Wichtigeres nicht?“ „Das ist eine sehr gute Frage. Wenn sie zu dieser Zeit jemand gestellt hätte, wären sehr viele verpflichtet gewesen zu handeln. Leider kann ich diese Frage nicht beantworten. Doch es lohnt sich sicherlich, darüber nachzudenken. Nun, was waren die unmittelbaren Folgen der Weltenzerstörung?“
ProfessorUncim Radop
Alanc hörte nicht mehr genau hin. Wie hatten die einstigen Menschen so etwas tun können? Es war eine riesige Katastrophe. Noch heute war die Erde so gut wie unbewohnbar. Durchschnittliche Temperatur über 295 Kelvin. Praktisch keine Polkappen oder Gletscher. Überschwemmungen. Hitze. Dürre. Eine kaum atembare Atmosphäre. Erdbeben und -rutsche. Gewaltige Stürme aus diversen festen und flüssigen Materialien. Fast keine dort lebenden Geschöpfe. Ein Großteil der damaligen Tier- und Pflanzenarten war ausgestorben, die Überlebenden wurden heute in Orbitalwildnisstationen gehalten; andere wurden geklont, aber nicht gut genug. Der Zwölfjährige schüttelte den Kopf. Die Asozialen von damals hatten ihm und den anderen ein Leben auf der Erde verwehrt. Wut und Hass wallten in ihm hoch. Wenn es möglich gewesen wäre, würde er sofort in die Vergangenheit reisen und die Rebellion beginnen. Er schaute wieder auf. Jordenean hatte gerade die Schäden, die auch er in Gedanken durchgegangen war, aufgezählt. Es half ja jetzt doch nichts, sich über etwas aufzuregen, das passierte, lange bevor man überhaupt geboren worden war. DOCH WIE HATTEN DIE GEWISSENLO-SEN BÖSARTIGEN SCHWACHKÖPFE VON UMWELTTERRORI-SIERENDEN REGIERUNGEN ÜBERHAUPT IMMER WIEDER AN DIE MACHT KOMMEN KÖNNEN?!
4. Kapitel
Enterkommando 6.0
(„… 2.0“ usw. ist veraltet)
„Commandant, die vorläufige Befragung der Gefangenen ist abgeschlossen.“ „Gut, Sergeant. Vergleichen Sie die Ergebnisse mit denen der anderen Schiffe.“ „Aye, Sir!“ Major Ferbycy, der Kommandant der PY-63-5-Korvette SAS Stustee, ging die Meldungen vor sich auf einem Dampfdisplay durch. Alle Programme liefen einwandfrei, und die drei Gefangenentransporter hatten inzwischen etwa zwei Drittel bis zur Hauptstation der USES, den United Stations of the Earth-Sector – Vereinte Stationen des Erdsektors –, zurückgelegt. Dort, nahe der Erdumlaufbahn, sollten die Gangster in einigen kleineren Nebenstationen der Regierung und Verwaltung des Sonnensystems vorerst untergebracht werden.
Die SAS Stustee
Der Commandant lehnte sich zurück und rieb sich die Stirn. Das Treffen heute früh mit seinem alten Kumpel Dwolyh war schön gewesen – die Stustee machte zu selten an der Siróneux Halt.
Doch jetzt hatte er kein gutes Gefühl bei der Sache. Nicht, dass er die Stustee für zu schlecht bewaffnet hielt, aber die Srebnip-Einheit … mit dieser an Bord stellten sie ein viel zu wichtiges und verlockendes Ziel da. Weitere Begleitschiffe konnten aus der Umgebung der Siróneux 14 jedoch nicht erübrigt werden. „Ouini, verbinden Sie mich mit den Befehlshabenden der anderen Schiffe“, wies er seine Erste Offizierin an. „Verbindung hergestellt“, antwortete diese, ohne von ihrer Konsole aufzusehen. Zwei mit Laserstrahlen erzeugte Holographien der Captains erschienen vor Ferbycy in der Luft. „Sie wünschen?“, fragte einer von ihnen, ein alter bulliger Kerl, mit rauer Stimme. „Sie sollten einen triftigen Grund haben, mit uns Kontakt aufzunehmen; außerplanmäßige Kommunikation solcher Sicherheitstransporte ist bei Ankunft den entsprechenden Admirals mitzuteilen“, fügte der andere hinzu. Ferbycy seufzte. Man hatte ihn vor der Überkorrektheit dieses Menschen gewarnt. „Ich wollte vorschlagen, alles aus den Maschinen herauszuholen und möglichst schnell zur USES zu kommen. Wir haben einen Großteil der Srebnip-Einheit bei uns, und hier im offenen Weltraum sind wir ein leichtes Ziel für einen Befreiungsüberfall, egal wie stark wir bewaffnet sind.“ „Aber so ein …“ „Wir haben das Kommando über diese Schiffe, und allein das deutet doch auf das Vertrauen hin, dass wir im Ernstfall die richtigen Entscheidungen treffen. Nun, ich würde es als Ernstfall bezeichnen, wenn man eine Eliteeinheit der Destilna bei sich hat, die mit hoher Wahrscheinlichkeit von irgendjemandem befreit werden wird. Und auch, wenn ich Ihnen nichts befehlen kann, habe ich eine höheren Dienstgrad, der mich zum Fällen dieser Entscheidung für zumindest mein Schiff befähigt, ohne von Ihnen Einsprüche entgegennehmen zu müssen.“ „Wie Sie gerade gesagt haben, ist die Elite bei uns an Bord, und ein paar normale Kriminelle da draußen würde ich nicht als triftigen Grund erachten, auf Notgeschwindigkeit zu gehen. Dies würde einen erheblichen Energieaufwand und einen starken Verschleiß unserer Schiffsantriebe bei erhöhtem Beschädigungsrisiko bedeuten.“ „Haben Sie vielleicht schon mal daran gedacht, dass es mehr als eine Spitzeneinheit geben könnte? Oder dass, selbst wenn es normale Kampfgruppen wären, die Destilna uns mit einer hundertfachen Mehrheit einfach überrennen könnte? Dass drei bis sechs Zerstörer mit normaler Besatzung genügen würden, um unseren vergleichsweise schlichten Konvoi einfach auseinanderzusprengen?! Dass wir, wenn wir hier erwischt werden, praktisch keine Chance haben? Wir haben einen Kreuzer, eine Korvette und einen Personentransport-Träger, aber wenn die es darauf anlegen, uns zu überwältigen, haben sie die nötigen Mittel.“ „Er hat Recht“, unterstützte ihn der kräftige Ältere, „Steuerung, gehen Sie auf…“ „Major, eine Viertel Lichtminute vor uns befindet sich ein großes Schlachtschiff. Keine von unseren Einheiten, aber offenbar auch nicht von der Destilna. Ein unbekanntes Modell. Scheint aber feindlich zu sein“, unterbrach Ouini die drei. „Schilde auf volle Stärke hochfahren, alle Waffensysteme auf Abschussbereitschaft; bereit machen für Notgeschwindigkeit, Ausweichmanöver einleiten“, befahl Ferbycy sofort und wandte sich noch kurz an die anderen Commandants. „Nun, ich denke, da sehen Sie’s.“ „Sir, ein zweiter Scyiarnat´r des gleichen Modells und eine Abfangfregatte versperren uns den Weg; sie kreisen uns ein!“, ergänzte ein weiteres Crewmitglied. „Verdammt.“ Ferbycy sah aus der Frontscheibe. Die beiden Schlachtschiffe waren rot gefärbt und sehr groß – gut tausend Meter lang. Aber Scyiarnat´r? Das konnte nicht wahr sein, schließlich gab es schon seit Ewigkeiten keines dieser riesigen Kampfschiffe, die sogar Kreuzer übertrafen, mehr. Doch was er nun vor sich hatte, hätte er ebenfalls diesem Typ zugeordnet. Aber nein, zur Destilna gehörten sie nicht, es sei denn, diese hätte seit mehreren Jahren eigene unbekannte Werften betrieben, was unwahrscheinlich war. Aber für die USES-Gefangenentransporter unangenehm gut bewaffnet waren sie allemal. Sie hatten eine flache, etwa keilförmige Form; hinter dem hervorragenden Bug gab es seitliche Ausbuchtungen. Zwei kufenartige Module zogen sich an den unteren Seiten entlang. Aus ein paar hinter Aufbauten auf der Oberseite versteckten Hangars flogen soeben acht Staffeln Raumjäger, die vom Modell her anscheinend doch der Destilna angehörten, hervor, außerdem in deren Deckung mehrere Truppentransporter und Enterschiffe. „Sofort Position durchgeben und Verstärkung anfordern!“, befahl der Commandant der Stustee. „Geht nicht; die Fregatte stört unseren Langstreckenfunk; diese Schiffe würden ohnehin viel zu spät eintreffen“, antwortete Ouini und schaute von ihrem Bildschirm auf. Obwohl es ihm nicht neu war, erschrak Ferbycy wie so oft bei ihrem Anblick; ihr Gesicht sah einfach zu gruselig aus: die halbexternen Implantate an Augenbrauen, Schläfen und dem Nasenrücken, die elektronischen Gestelle vor ihren Augen, die ihre Iriden lila erscheinen ließen, dazu die dunkelblauen Haarsträhnen und Tätowierungen an Hals und Wangen. Er schüttelte sich leicht und trat an das Kommunikationspult. „Können wir ihnen davonfliegen?“, fragte er in Richtung der Steuerkonsolen. „Eventuell, aber die Abfangfregatte sendet großflächig eine Art Gas um alle Schiffe aus. Keine genaue Spezifikation möglich, scheint aber wasserstoffähnlich zu sein.“ „Irgendwelche Gefahren beim Durchbrechen?“ „Keine Angaben, aber dennoch würde ich empfehlen, mit unseren Waffen eine Lücke zu schaffen“, antwortete der taktische Offizier von seiner Steuerbordkonsole aus. „Genehmigt.“ Die beiden schweren doppelläufigen Plasmageschütztürme der Stustee richteten sich nach Weiterleitung des Befehls an die Kanonenkontrollteams aus und gaben mehrere Schüsse ab, wobei ihr dumpfer Rückstoß bis auf die Brücke zu hören war. „Okay, das ist nicht gut“, berichtete der Waffenoffizier, „die Annihilationsstrahlungsdaten der Treffer sind eindeutig: Dieses Gas ist antimateriell, sprich, wenn wir dagegenfliegen, vergehen wir in einer gewaltigen Explosion. Selbst im günstigsten Fall verlieren wir die komplette Außenhülle samt den damit verbundenen Systemen. Die Fregatte sendet im Übrigen genug davon aus, um jede Lücke sofort zu füllen. Vorerst sitzen wir in diesem umschlossenen Gebiet fest.“ Ferbycy nickte betroffen und aktivierte die Funkkonsole. „Stustee an Explessar, Sie sollten sofort Ihre Kampfshuttlegeschwader als Eskorte ausschleusen!“, riet er dem älteren Captain des größten Schiffes. „Die haben wohl noch nicht geschossen, weil wir ihre Leute an Bord haben, doch mit den Jägern können die uns leicht dazu zwingen, uns entern zu lassen. Wir müssen jetzt handeln, sonst können wir es überhaupt nicht mehr. Alle an ihre Posten, und Feuer frei!“, fügte er an seine Leute gewandt hinzu.
Monfrek Zujädec überprüfte die Systeme seines für Einpersonenflüge konfigurierten PKS-22-Kampfshuttles, entsicherte die Waffen des kleinen Schiffes und flog aus dem vorderen Hangar der SAS Explessar heraus. Er rieb sich die müden Augen unter dem flexiblen Helm und seufzte. Warum hatte man ausgerechnet ihn für diese Mission mit ausgewählt? Gerade hatte er noch bei der Siróneux gekämpft, jetzt musste er es hier im Nirgendwo tun. Und hier standen die Chancen denkbar schlecht.
Der Kreuzer SAS Yhriatorer, das dritte Schiff des Gefangenenkonvois, hatte inzwischen eine deckende Position vor der Explessar eingenommen und hielt mit seinen Langstrecken-Teilchenstrahlwaffen die Scyiarnat´r zurück. Währenddessen versuchte die Stustee etwas abseits, den Großteil der anfliegenden Destilnajets mit ihren starken Geschützen abzufangen, bevor sie die großen Gefangenentransporter erreichten. Die als Eskortjäger genutzten Polizeishuttles schwärmten in kleinen Gruppen aus, und Monfrek schoss mit zwei Plasmastrahlen einen feindlichen Jet ab, dessen Schleudersitz sofort herauskatapultiert wurde. Er drehte ab, während hinter dem feindlichen Wrack sofort ein weiteres Schiff dieses Modells erschien. „Das Ganze ist doch aussichtslos. Ich schlage vor, einige von uns fliegen zu den gegnerischen Schlachtschiffen. Damit rechnen die vermutlich nicht, außerdem könnten wir dann mehr über sie herausfinden. Den Jets nach zu urteilen gehören sie zur Destilna, und mir fällt jetzt auch niemand ein, der es sonst sein könnte. Aber solche großen Schiffe …“ „Das sollten wir allerdings, ein Rückzug ist aufgrund des Antimateriefeldes nicht möglich, und in einem derartigen Notfall scheint mir ein Aufklärungsflug auf Kurzstrecke angemessen“, stimmte der übergründliche Kommandant der Yhriatorer zu. Officer Zujädec stöhnte auf. Dieser Kapitän benahm sich, als wäre er im Simulator und wollte einige halb schlafende Prüfende beeindrucken. Aber wenigstens verschaffte er ihm die nötige bürokratische Rückendeckung. Und die physische … „Hey, Pidaac, schnapp dir noch ein paar Leute und flieg dann zu mir; wir schauen mal bei den feindlichen Schiffen vorbei“, funkte er Lieutenant Gwomhif, der ebenfalls in das Eskortgeschwader eingeteilt worden war, zu. „Meinetwegen, viel können wir hier ohnehin nicht tun“, kam es zurück.
Vier Kampfshuttles sausten kurz darauf auf die unbekannten Scyiarnat´r zu. „Unglaublich, dass die so etwas unerkannt produzieren konnten“, meinte Gwomhif, „und dann noch so schwer bewaffnet –“ „Apropos – ausweichen!“, rief Monfrek, als die sowohl für Plasma- als auch für Projektilgeschosse ausgelegten Multikanonen der gegnerischen Schiffe zu schießen begannen. „Los, nehmt die großen Geschütze unter Beschuss, bevor sie unsere Großkampfschiffe auseinandernehmen. Die sollten zumindest stark beschädigt werden, wenn sie uns ohnehin schon besiegen.“
„Ouini, wie lange können wir bei gleichbleibendem Beschuss noch durchhalten?“ „Etwa 20 Minuten. Die anderen Schiffe dürften es allerdings nicht so lange schaffen. Sie bieten mehr Angriffsfläche und sind weder so manövrierfähig noch, relativ gesehen, so stark gepanzert wie die Stustee. Gerade die Explessar ist nicht für eine derartige Auseinandersetzung geeignet, und die Yhriatorer hat an der Spitze ihrer Kommandostruktur eine Schwachstelle bezüglich der Reaktionsfähigkeit. Vielleicht sollten Sie sich auf eine Notfalldirektive berufen und mit ihrem vergleichsweise hohen Rang ein provisorisches Flottenkommando übernehmen.“ Ferbycy nickte langsam. „Daran habe ich auch gedacht, aber da wir hier eingekesselt sind, wüsste ich nicht, welche Befehle meinerseits angebrachter als unsere aktuelle Strategie wären. Der Captain der Yhriatorer mag zwar nicht gerade der Flexibelste sein, aber er kennt die Standardmanöver gut genug, um die Explessar vorerst abzuschirmen. Nun, Vangon, nehmen Sie und Dermkor unsere beiden Insolomit-Jets und helfen Sie den Polizeishuttles. Vielleicht können die Destilnas so für einige Zeit aufgehalten werden.“ „Aye, Sir!“ „Energiereserven auf Schilde leiten, Reparaturteams sollen sich um die taktischen Systeme kümmern. Steuer, drehen Sie bei und bringen Sie uns durch die größten feindlichen Jägeransammlungen bei der Explessar