Tod am Teufelstein - L.R. Wöss - E-Book
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Tod am Teufelstein E-Book

L.R. Wöss

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Beschreibung

Ein merkwürdiges Kurheim, das von dunklen Schatten heimgesucht wird …
Band 4 der packenden Krimireihe rund um einen erfahrenen Ermittler, der vor nichts zurückschreckt

Chefinspektor Toni Wakolbinger, vom LKA in Graz, wird während seiner regelmäßigen Kartenspielrunde mit einer schockierenden Nachricht konfrontiert. Die Tante seiner Mitspielerin Annelies ist im Schwarz-Vital-Naturheilzentrum an Herzversagen gestorben. Doch Annelies zweifelt an der Todesursache. Als die Journalistin Vanessa Kraut, die verdeckt in der Klinik recherchiert hat, tot aufgefunden wird, wird Wakolbinger stutzig. War ihr Tod tatsächlich ein Unfall? Entschlossen, die Wahrheit ans Licht zu bringen, entscheidet sich Wakolbinger undercover als Kurgast in die Klinik einzutreten. Doch je näher er der Lösung kommt, desto größer wird die Gefahr für ihn selbst. Nur eine schnelle Lösung des Falls kann ihn noch retten  …

 

Erste Leser:innenstimmen
„Wieder ein spannendes Ermittlungsabenteuer mit einem sympathischen Ermittler!“
„Die Undercover-Mission im Naturheilzentrum ist nervenaufreibend und sehr mitreißend beschrieben.“
„Eine packende Kombination aus mysteriösen Todesfällen und der persönlichen Gefahr des Polizisten!“
„Eine spannende Krimi Fortsetzung zum Mitfiebern!“

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Seitenzahl: 441

Veröffentlichungsjahr: 2024

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Über dieses E-Book

Chefinspektor Toni Wakolbinger, vom LKA in Graz, wird während seiner regelmäßigen Kartenspielrunde mit einer schockierenden Nachricht konfrontiert. Die Tante seiner Mitspielerin Annelies ist im Schwarz-Vital-Naturheilzentrum an Herzversagen gestorben. Doch Annelies zweifelt an der Todesursache. Als die Journalistin Vanessa Kraut, die verdeckt in der Klinik recherchiert hat, tot aufgefunden wird, wird Wakolbinger stutzig. War ihr Tod tatsächlich ein Unfall? Entschlossen, die Wahrheit ans Licht zu bringen, entscheidet sich Wakolbinger undercover als Kurgast in die Klinik einzutreten. Doch je näher er der Lösung kommt, desto größer wird die Gefahr für ihn selbst. Nur eine schnelle Lösung des Falls kann ihn noch retten  …

Impressum

Erstausgabe August 2024

Copyright © 2025 dp Verlag, ein Imprint der dp DIGITAL PUBLISHERS GmbH Made in Stuttgart with ♥ Alle Rechte vorbehalten

E-Book-ISBN: 978-3-98998-085-3 Hörbuch-ISBN: 978-3-98998-078-5

Covergestaltung: Anne Gebhardt unter Verwendung von Motiven von shutterstock.com: © Kovtun Dmitriy, © Lukasz Szwaj, © Miloje elements.envato.com: © marevgenna1985, © BLACKDAY, © DREAMYARD_Visuals Lektorat: Katrin Gönnewig

E-Book-Version 21.02.2025, 14:34:03.

Das Werk darf – auch teilweise – nur mit Genehmigung des Verlages wiedergegeben werden.

Sämtliche Personen und Ereignisse dieses Werks sind frei erfunden. Etwaige Ähnlichkeiten mit real existierenden Personen, ob lebend oder tot, wären rein zufällig.

Abhängig vom verwendeten Lesegerät kann es zu unterschiedlichen Darstellungen des vom Verlag freigegebenen Textes kommen.

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Tod am Teufelstein

Jetzt auch als Hörbuch verfügbar!

Tod am Teufelstein
L.R. Wöss
ISBN: 978-3-98998-078-5

Ein merkwürdiges Kurheim, das von dunklen Schatten heimgesucht wird … Band 4 der packenden Krimireihe rund um einen erfahrenen Ermittler, der vor nichts zurückschreckt

Das Hörbuch wird gesprochen von Omid-Paul Eftekhari.
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Kapitel 1

17. September

Jetzt liegt sie da oben ganz allein. Direkt neben dem Teufelstein.

Hihi, das reimt sich sogar.

Selbst schuld, die fürwitzige Person! Hat wirklich geglaubt, sie kann hier Geheimnisse aufdecken. Na ja, jetzt weiß sie es besser.

Der Wind ist eisig, dringt durch die Regenjacke. Ein Pullover drunter wäre gut gewesen.

Ein Blick zurück, direkt auf den Teufelstein, einen sechs Meter kantigen Felsen. Bei Schönwetter ist er ein beliebtes Ausflugsziel und geradezu überlaufen. Doch nun prasselt seit Stunden der Regen auf die Felsbrocken und die ohnehin schon durchweichten Grasflächen dazwischen.

Gut so. Auf diese Weise werden sämtliche Spuren fortgewaschen.

Niemand ist in der Nähe. Die Frau da droben, deren Mund schweigt, für immer. Und die Kälte spürt sie auch nicht mehr.

Schön war sie, das muss man ihr lassen. Sportliche Figur, fest und kein Gramm Fett zu viel. Das dunkle Haar, die ebenmäßigen Gesichtszüge und die tiefblauen Augen. Ein Männertraum.

Nicht unsterblich, wie sie jetzt weiß. Zu spät. Meine Güte, was ist sie peinlich und naiv in die Falle getappt. Wie eine Kuh zur Schlachtbank. Sie ist selbst schuld, hat nicht lockergelassen, sich hartnäckig in ihre Fragerei verbissen. Man soll seine Nase nicht in anderer Leute Angelegenheiten stecken! Das wäre ein neues Gebot, eines, das Überleben sichert.

Beinahe wäre es ihr gelungen, sämtliche Pläne zu zerstören.

Letztlich ist sie an ihrer eigenen Sensationsgier gepaart mit Dummheit gestorben. Wer steigt bei so einem Wetter auf den Teufelstein?

Die Gummihandschuhe sind unangenehm. Aber das Mordinstrument muss weg. Ist ausreichend Wald hier, da fällt ein Ast nicht auf. Sollte nur weit genug weg sein, vom Tatort. Der Regen wird das Blut wegwaschen.

Tatort. Wie das klingt. Zugegeben, manche würden es so bezeichnen. Ein Mord ist passiert. Nein. Die wissen gar nichts. Eine Notwendigkeit ist kein Mord.

Hoppla, nicht ausrutschen. Zu viel Nachdenken bringt nichts.

Es wird eine Zeit dauern, bis die Frau gefunden wird.

Schade um sie. Aber nicht zu umgehen gewesen.

Der Regenguss nimmt an Kraft zu, ebenso der Wind, der hier oben fast ständig bläst. Nichts wie zurück, bevor doch noch jemand kommt.

Kapitel 2

Drei Wochen zuvor

»Das darf doch nicht wahr sein! Du hast gespielt wie eine Anfängerin!« Philipp Kinzmann sprang auf und warf seine letzte Karte auf den Tisch. »Du bist meine Partnerin, hättest Tarock spielen müssen und«, er fuhr sich durchs Haar, »dem Gegenpart die Trümpfe herausziehen.«

Sie saßen zu viert bei der allwöchentlichen Kartenspielrunde im gemütlichen Wohnzimmer der Kinzmanns, die über Toni wohnten.

»Ist doch nur ein Spiel.« Anneliese, Kinzmanns Frau, zog beleidigt die Schultern hoch. »War sowieso viel zu knapp. Du hättest deinen dämlichen Pagat nie durchgebracht.«

»Jetzt beruhigt euch mal.« Vincent Straubinger zählte bereits die Karten. »Das Spiel habt ihr ja trotzdem gewonnen.«

»Ja, aber den Pagatrufer haben wir verloren, weil du noch ein Tarock übrig hattest, verdammt.«

Toni grinste innerlich. Philipp konnte sich so herrlich ärgern, wenn er verlor. Er musste aber zugeben, dass auch ihm Anneliese heute ein wenig zerstreut vorkam. Normalerweise war sie eine ausgezeichnete Spielerin. Es sah ihr nicht ähnlich, einen solch groben Fehler zu machen. »Hast du ein Problem, Anneliese?«, fragte er daher.

»Frag nicht.« Philipp fuhr abwehrend mit der Hand durch die Luft. »Sie redet schon den ganzen Tag von nichts anderem.«

»Und das wäre?«

»Meine Tante Hildegard ist verstorben.«

»Oje, mein Beileid«, erwiderte Toni mechanisch.

»Ich hab’s gewusst, dass du damit anfängst. Du mochtest die alte Schrulle nicht mal, wir hatten kaum Kontakt!« Philipp erhob sich und ging zum Barschrank hinüber. »Da brauch ich jetzt einen Cognac. Noch wer?«

»Sag nicht Nein«, sagte Straubinger.

»Ich nicht, muss morgen früh raus.« Trotzdem sah Toni mit Bedauern zu, wie Philipp ein Glas für Straubinger einschenkte. Der Cognac war nämlich einer von der feinen Sorte.

»Jetzt steckt aber die Journalistin mit drin.« Sie drehte sich zu Toni. »Seit sie bei mir war, kommt mir Hildegards Tod eben spanisch vor. Es ist doch mysteriös, dass sie offenbar nicht die erste Tote in der Kurklinik war.«

»Moment, es ist bereits zehn Uhr abends und ich habe auch schon zwei Glas Bier getrunken, da funktionieren meine Gehirnzellen nur mäßig.« Toni klopfte auf den Tisch. »Es gab mehrere Todesfälle in einem Kurheim? Vielleicht erzählst du von Anfang an.«

»Ich hab’s geahnt.« Philipp reichte Straubinger das Glas Cognac und nippte an seinem eigenen. »Das wird eine lange Nacht.«

»Schließlich ist Toni für so was zuständig.« Anneliese zog eine Schnute. »Und du kannst mir ruhig auch ein Glas bringen.«

Philipp nickte ergeben, stellte seins ab und trabte ein zweites Mal zum Barschrank. Toni seufzte innerlich, er würde sich die Geschichte wohl anhören müssen. Dabei wartete morgen ein anstrengender Tag auf ihn. Direktor Machacek hatte eine Besprechung einberufen, deren Thema ihm wegen Unwichtigkeit entfallen war. Zudem galt es, einige Berichte zu schreiben.

»Also, soweit ich es verstanden habe, ist deine Tante in einem Kurheim gestorben und sie war nicht die Einzige.« Er räusperte sich.

»Es passierte im Schwarz-Vital-Naturheilzentrum.« Anneliese schien in Fahrt zu kommen, nun da sie ein Publikum gefunden hatte. Sie griff sich das Glas Cognac, das ihr Mann ihr reichte, und nahm einen kräftigen Schluck, ehe sie es auf dem Tisch abstellte.

»Ich muss gestehen, dass ich noch nie von diesem Zentrum gehört habe.« Das stimmte nicht ganz, der Name kam Toni vage bekannt vor, vermutlich war er hier und da in der Zeitung aufgetaucht.

»Es ist eine sündteure Kurklinik in Gmoa, das ist in der Nähe von Fischbach, auf halbem Weg zum Teufelstein. Tante Hildegard hat dort im Mai gebucht, für drei Wochen. Sie ist, war steinreich …«

»Und geizig bis zum Gehtnichtmehr«, rief Philipp. »Ich schwöre, die Alte hat sich mehrmals jährlich auf unsere Kosten den Bauch vollgeschlagen, ohne uns ein einziges Mal zu irgendwas einzuladen.«

»Das tut jetzt nichts zur Sache.« Anneliese klang ärgerlich. Toni trommelte mit den Fingern auf den Tisch. Als Anneliese vorwurfsvoll hinsah, zog er seine Hand zurück. »Also, die Kur in diesem Heim ist für Otto Normalverbraucher nicht leistbar, zumal die Krankenkasse nur einen geringen Teil übernimmt. Angeblich wird dort nur mit natürlichen Heilmitteln gearbeitet: Pflanzentees, Wickel und psychologische Gespräche, so ein Zeugs halt. Tante Hildegard hatte zeitlebens diesen Jugendwahn und wollte immer jünger aussehen. Und sie konnte es sich leisten.«

»Knausrig war sie, die alte Schachtel.« Philipp schnaubte erneut. »Nur für sich hat sie das Geld ausgegeben. Tolle Reisen, Kleidung, Luxusgüter.«

»Die Busreise zu den Loire Schlössern war nicht so extrem teuer«, sagte Anneliese nun und sah Toni an. »Das war ihre letzte Unternehmung, knapp vor ihrem Kuraufenthalt.«

»Wer hat die ganze Kohle jetzt geerbt?« Straubinger sprach nun zum ersten Mal.

»Wir mal nicht.« Philipp setzte sich wieder hin und schob die Tarockkarten zusammen. »Vermutlich das Tierheim oder so.«

»Nein, du weißt doch, wer ihr Erbe ist!« Anneliese drehte sich zu Toni. »Linus, dieser Schleimer. Er ist der Sohn von meinem verstorbenen Cousin und ihr einziger Enkel, die Geldgier hat er von seiner Mutter. Er hat Tante Hildegard den armen vaterlosen Jungen vorgespielt und das Ganze noch verstärkt, als seine Mutter letztes Jahr gestorben ist. Auf jeden Fall hat Hildegard ihn zum Alleinerben eingesetzt.«

»Ja.« Philipp wurde laut. »Du bist ihre direkte Nichte, hast dich um sie gekümmert, sie zum Essen eingeladen und Dinge für sie erledigt. Nicht dieser Nichtsnutz. Der hat jetzt ausgesorgt, hat eh nichts gelernt, und kann dem reichen Nichtstun frönen.«

»So wohlhabend war sie?« Toni wunderte sich, denn er hörte zum ersten Mal von dieser Tante. Dabei spielte er schon seit etlichen Jahren Tarock mit den Kinzmanns.

»Sag ja, stinkreich.« Philipp schwenkte sein Glas. »Und bei uns war sie mehrmals im Jahr zum Essen und hat uns nicht mal ein schnödes Souvenir vermacht.«

»Jetzt betonst du das schon zum dritten Mal.« Anneliese funkelte ihren Mann an. »Wir nagen auch nicht am Hungertuch und sie war einsam.«

»Ich löse mich gleich auf vor lauter Mitleid«, entgegnete er höhnisch.

Toni sah auf die Kuckucksuhr an der Wand über dem Barschrank, es war schon halb elf und Anneliese war immer noch nicht auf den Punkt gekommen. »Ich verstehe immer noch nicht, worum es eigentlich geht.« Die Ungeduld in seiner Stimme konnte er nicht unterdrücken.

Anneliese wandte sich ihm sofort zu. »Tante Hildegard war gerade mal achtzig, wir haben im Frühling ihren Geburtstag gefeiert …«

»Du hast ihr Blumen gebracht und sie hat uns nicht mal was zu trinken angeboten.« Der Spott in Philipps Worten war nicht zu überhören.

Anneliese winkte ab. »Sie war auf jeden Fall bester Gesundheit, hatte nie was am Herzen. Und dann stirbt sie ausgerechnet auf einer Kur an Herzversagen? Das passt nicht.«

»Den Floh hat dir diese Journalistin ins Ohr gesetzt, sonst nichts. Alte Leute sterben nun mal an Herzversagen. Denk an Udo Jürgens. Der war auch achtzig und niemand hat mit seinem Tod gerechnet.«

»Der hatte doch ein völlig anderes Leben als meine Tante! Immer mit Hochdruck und so. Jetzt sei endlich still und lass mich erzählen.«

Philipp hob ergeben die Arme.

Toni seufzte innerlich und rutschte auf seinem Stuhl nach vorn. Zudem war er müde. »Deine Tante ist also in besagtem Kurheim verstorben. An Herzversagen. Du glaubst das nicht und denkst was?« Worauf wollte Anneliese hinaus?

»Sie wurde ermordet.«

Kurz war Stille.

»Na denn, Prost.« Straubinger nahm einen großen Schluck, sein Glas war fast leer.

»Wurde keine Obduktion durchgeführt?«, fragte Toni schließlich und wünschte sich plötzlich, er hätte ebenfalls einen Cognac genommen. Wie kam Anneliese zu einer dermaßen schweren Anschuldigung?

»Wir hatten mal alle keinerlei Verdacht.« Philipp übernahm wieder das Wort. »Die Beerdigung ist außerdem schon zwei Monate her, beziehungsweise die Urnenbestattung.«

»Sie wurde mit Lichtgeschwindigkeit ins Krematorium gebracht, um alle Spuren zu verwischen.« Anneliese klopfte auf den Tisch. »Linus hatte es extrem eilig. Ihm kam ihr Tod gerade recht.«

»So einfach ist das nicht.« Toni verspürte einen wachsenden Druck im Kopf. Er mochte Anneliese wirklich, aber in dieser Sekunde musste er sich sehr beherrschen, nicht ungehalten zu werden. »Bevor das passiert, muss immer ein Amtsarzt oder Gemeindearzt den Leichnam ansehen und wenn er glaubt, dass eine unnatürliche Todesursache vorliegt, dann ordnet er eine gerichtsmedizinische Untersuchung an. Dies war hier offenbar nicht der Fall.«

»Richtig!« Philipp tippte mit dem Finger auf Anneliese. »Du hast ihren Tod doch auch nicht merkwürdig gefunden. Erst jetzt! Wenn diese Journalistin nicht aufgetaucht wäre …«

Toni brummte der Kopf. Er sah zu Straubinger, der gerade den letzten Schluck seines Cognacs nahm und aufstand. »Ich gehe jetzt, das ist mir zu wirr.«

Philipp sprang auf. »Ich begleite dich zur Tür.«

Toni hörte die Männer im Flur sprechen und beugte sich zu Anneliese. »Also, was ist mit der Journalistin?«

»Vanessa Kraut, sie war vor ein paar Tagen hier und hat berichtet, dass im Schwarz-Vital-Naturheilzentrum schon mehrfach Menschen gestorben seien. Und sie hätten alle eines gemeinsam: Sie seien wohlhabend gewesen. Aus diesem Grund witterte sie eine Story und hat mir erzählt, dass sie sich als Reinigungskraft in das Heim einschleichen wird.«

»Was tut sie?« Toni konnte es nicht fassen. »Sie ist wohl nicht die hellste Kerze auf der Torte?«

»Sie ist investigative Reporterin, hat sie mir erklärt. Und sie ist sich sicher, dass es da nicht mit rechten Dingen zugeht. Stell dir vor, in einem Kurheim sterben Menschen! Normalerweise wird man da gesund.«

»Ich habe nicht gehört, dass es in dieser Kurklinik eine Todesserie gegeben haben soll. Das müsste doch auffallen, meinst du nicht?«

»Frau Kraut hat glaubhaft gemacht, dass da einiges vertuscht wurde. Denkst du, sie ist in Gefahr?«

»Keine Ahnung. Aber vermutlich sind Schnüffler nirgendwo gern gesehen. Auf jeden Fall handelt sie unverantwortlich! Wenn sie stichhaltige Beweise hätte, wäre sie zur Polizei gegangen.«

»Hat sie eben nicht.«

»So ist es auf jeden Fall wahrscheinlicher, dass sie sich eine ordentliche Anzeige einhandelt, sollte sie an Orten erwischt werden, an denen sie nicht sein dürfte.«

Eine Tür klappte und Philipp trat wieder ein. »Genau meine Rede. Und bitte, Toni, sag meiner Frau, dass Hildegard eines natürlichen Todes gestorben ist. Wer um Himmels willen sollte sie umbringen?« Er kratzte sich am Kopf. »Na ja, da kämen viele infrage, sie hat alle genervt, das muss ich zugeben. Doch wer hätte ein Motiv?«

»Linus, das liegt doch auf der Hand.« Anneliese klang gereizt. »Immerhin erbt er ihr gesamtes Vermögen.«

»Linus ist ein arbeitsscheues, egoistisches Weichei, aber ein Mörder? Und wie soll er sich dort eingeschlichen haben?« Philipp legte seine Hand auf Annelieses Schulter. »Du steigerst dich da in was hinein.«

»Linus ist also der Alleinerbe.« Toni stoppte den Disput zwischen den Eheleuten, indem er aufstand und auf und ab ging. Wie konnte er nur möglichst rasch in sein Bett kommen?

»Ja. Hildegards einziger Enkel. Zu ihren Lebzeiten hat er nur wenig erhalten, Hildegard ist auf ihrem Geld gehockt wie Dagobert Duck. Linus hat sie oft um Geld angebettelt und sie hat ihm nur minimale Beträge überlassen. Das Betteln hat sich nun erübrigt, jetzt ist er fein raus.«

»Aber ich muss Philipp recht geben, es erscheint absurd, dass der junge Mann sich in die Kurklinik eingeschlichen hat, um seine Großmutter zu ermorden.«

»Meine Rede.« Philipp klang selbstgefällig.

»Tatsache ist, dass Vanessa Kraut die Sache ernst nimmt, und sie wird alles aufdecken.« Anneliese erhob sich ebenfalls und sah ihren Mann böse an.

»Da wünsche ich ihr viel Glück und dass sie kein Gesetz bei ihren detektivischen Tätigkeiten übertritt.« Toni blieb stehen. »Ich muss mich nun wirklich verabschieden. Danke für den netten Abend.«

Er ignorierte Annelieses enttäuschten Blick.

Kapitel 3

Drei Wochen später

Franz war ausnahmsweise vor Cindy ins Büro gekommen. Das lag aber auch einfach daran, dass ihr Freund David liebevoll Frühstück gemacht hatte, da sein Unterricht im Sportgymnasium heute eine Stunde später begann. Daher holte sie sich nicht, wie sonst üblich, gleich eine Tasse Kaffee.

»Hast du schon gehört?«, fragte ihr Kollege.

»Kommt drauf an, was.« Sie setzte sich an ihren Schreibtisch und fuhr den Computer hoch.

»Diese Journalistin, Vanessa Kraut, die uns immer so nervt …«

»Ich weiß, wer Vanessa Kraut ist.« Wie könnte sie die Dame vergessen? Die Enddreißigerin war schon mehrmals hier aufgeschlagen und ließ nicht locker, wann immer sie an einem Fall dran gewesen waren.

»Sie ist tot.«

»Wie bitte?« Cindy hob den Kopf und sah zu Franz.

»Ja, sie ist heute Morgen auf dem Teufelstein gefunden worden. Angeblich abgestürzt, Genickbruch.«

»Angeblich?«

»Na ja, sie war ausgesprochen sportlich, du weißt schon.«

Natürlich. Die Kraut war nicht nur eine bildschöne Frau gewesen, sondern durch Joggen und Klettern zusätzlich mit einer Traumfigur gesegnet. »Ausrutschen und hinfallen kann jeder. Was ist das für ein Berg? Kennst du ihn? Klingt gefährlich.«

»Der heißt bloß so. Der Gipfel ist mitten im Wald und der Felsen ist sechs Meter hoch.«

»Du kennst ihn?«

»Na ja, ich hatte mal eine Freundin, die war ein Wanderfreak und …«

Cindy hob die Hand. »Alles gut, mehr muss ich nicht wissen.« Franz’ Liebesleben ging ins Uferlose und jedes Mal verliebte er sich unsterblich, um sich in Rekordtempo wieder zu entlieben. »Demnach ist Vanessa Kraut gestürzt?«

»Sie muss kopfüber hinuntergestürzt sein. Und das ist bei einer geübten Kletterin schon komisch.«

»Morgen.« Toni kam herein, sein erster Gang war zur Kaffeemaschine. »Wer ist abgestürzt?« Er gähnte und drückte auf den Knopf der Maschine.

»Stell dir vor, Vanessa Kraut ist tot«, sagte Franz. »Sie wird uns nicht mehr nerven.«

»Was?« Tonis Gesichtsausdruck war nicht anders als schockiert zu bezeichnen. »Das darf doch nicht wahr sein! Was ist passiert?« Das Telefon auf seinem Schreibtisch läutete und mit einem Seufzer ging er hinüber. »Wakolbinger.« An seiner gerunzelten Stirn erkannte Cindy, dass er etwas Bedeutungsvolles hören musste. »In Ordnung«, sagte er schließlich und legte auf. Er schüttelte kurz den Kopf, schien nachzudenken, dann wandte er sich an Cindy und Franz. »Das war Machacek. Ein Gruppeninspektor Hödl wird bald hier eintreffen. Er kommt vom Bezirk Weiz und bearbeitet den Fall Vanessa Kraut.«

»Den Fall?« Cindy trat näher. »War es kein Unfall?«

»Es sah auf den ersten Blick so aus, aber Hödl hat Zweifel. Daher meint unser höchster Chef, wir sollten uns die Sache anschauen.« Toni deutete mit dem Finger zur Decke, denn Major Machacek hatte sein Büro im obersten Stock.

»Wäre auch komisch«, erklärte Franz. »Sie wurde beim Teufelstein aufgefunden.«

»Der Teufelstein ist bei Fischbach, nicht wahr?« Toni ging zur Kaffeemaschine zurück.

Offenbar kannten den alle, nur sie nicht. Allerdings war Cindy auch in Vorarlberg aufgewachsen und hatte später in Wien studiert. Sie lebte erst seit ein paar Jahren in Graz.

»Ja. Und man kann sich da kaum zu Tode stürzen.« Franz scrollte in seinem Laptop und drehte ihn herum. »Hier ist ein Foto, er ist, wie gesagt, nur sechs Meter hoch, da kraxelt praktisch jeder rauf. Mit den Haltegriffen ein Kinderspiel. Ja, und klar kann man abstürzen, aber da bricht man sich einen Knöchel oder so, nicht das Genick. Da müsste man schon einen Kopfsprung machen.«

Toni stellte eine Tasse unter die Kaffeemaschine, drückte den Knopf und ging zu Franz. Sekundenlang sah er auf das Bild und deutete dann auf ein paar Felsplatten darunter. »Wenn man blöd aufkommt, kann es schon passieren.«

»Da müsste man während des Fallens sozusagen einen Salto schlagen«, sagte Franz mit Inbrunst. »Das soll mir einer vormachen.«

»Vermutlich wirst du da keinen Freiwilligen finden.« Cindy lachte kurz auf.

Franz grinste. »Ich dachte, du als Turnerin …«

»Vergiss es! Egal, wenn dieser Beamte aus Weiz kommt, werden wir mehr wissen.«

»Machacek hat mir gesagt, dass er die Leiche ins gerichtsmedizinische Institut hat überführen lassen, weil die Bezirksärztin das vorgeschlagen hat.« Tonis Tonfall war betroffen, worauf sich Cindy noch keinen Reim machen konnte.

»Ich kann mir schon vorstellen, dass die Kraut Feinde gehabt hat.« Franz zuckte mit den Schultern. »Mit ihren Artikeln ist sie einigen auf die Zehen getreten.«

»Das rechtfertigt doch keinen Mord!« Toni ging erneut zur Kaffeemaschine, griff nach der gefüllten Tasse, nahm einen Schluck und starrte in den Raum.

»Wieso bist du so entsetzt?« Cindy verwirrte Tonis Verhalten. Schließlich hatten sie alle die Journalistin nie gemocht, sie war karrieregeil und unsensibel gewesen. Freilich wünschte man niemandem den Tod, aber diese Reaktion von Toni hatte sie gewiss nicht erwartet. Es war ja nicht das erste Mal, dass sie es mit Mord zu tun hatten, und noch war gar nicht raus, ob die Journalistin wirklich ermordet worden war. »Kanntest du die Dame näher?«, fragte sie weiter, da Toni, an die Kaffeemaschine gelehnt, schwieg.

Die Kraut war eine attraktive Person gewesen, aber dass sie und Toni privat … Nein, auf keinen Fall.

Schließlich kehrte Toni mit der Tasse in der Hand, zu seinem Schreibtisch zurück. »Kommt mit, ihr zwei, ich muss euch was erzählen.«

Franz sah Cindy ebenso ratlos an, wie sie sich fühlte. Offenbar war ihm das seltsame Verhalten ihres Chefs auch aufgefallen. Sie folgten Toni in sein Büro und setzten sich ihm gegenüber vor seinen Schreibtisch. »Vor zwei oder drei Wochen hat mir eine Bekannte erzählt, dass sich Vanessa Kraut als Putzkraft ins Schwarz-Vital-Naturheilzentrum eingeschlichen hat, um dort, sagen wir, gewissen Ungereimtheiten auf die Schliche zu kommen.«

»Eine Bekannte?« Franz grinste, aber nur kurz, denn ein durchdringender Blick von Toni ließ ihn sofort wieder ernst werden.

»Ungereimtheiten?« Cindy beugte sich vor. »Weißt du Genaueres?«

»Es gab wohl einige Todesfälle in dieser Klinik, behauptete zumindest meine Bekannte.«

»Warum wurde nicht behördlich ermittelt? Bei mehreren Toten?« Cindy schüttelte den Kopf.

Toni zuckte mit den Schultern. »Dafür gab’s offenbar keinen Grund! Schließlich kommt es vor, dass ältere Menschen an Herzversagen sterben. Außerdem wurde nichts zur Anzeige gebracht.«

»Woher wusste es deine Bekannte?« Franz betonte das Wort wiederum nachdrücklich.

Toni warf ihm erneut einen scharfen Blick zu. »Sie heißt Anneliese Kinzmann, wir spielen einmal die Woche zu viert Tarock. Ihre Tante ist eine der Todesfälle. Offenbar kam Vanessa Kraut zu ihr und hat sie befragt, daher wurde Anneliese hellhörig und ist plötzlich ebenfalls überzeugt, dass ihre Tante ermordet wurde. Ich habe es für Humbug gehalten, aber nun, da die Journalistin tot ist …« Er malte mit dem Finger ein großes Fragezeichen in die Luft.

»Jetzt könnte doch was dran sein.« Cindy rieb über ihre Nase, wie immer, wenn sie nachdenken musste. »Du denkst, die Kraut könnte auf irgendetwas gestoßen sein und man hat sie beseitigt?«

»Wäre möglich.«

»Aber auch unvorsichtig vom Täter.« Franz zog hörbar die Luft ein. »Bis zu dem Zeitpunkt lag das Kurzentrum nicht im Fokus von Ermittlungen. Unter diesen Umständen wird man nun genauer hinsehen.« Franz stand auf. »Soll ich mal sehen, was ich über das Kurheim herausfinden kann?«

»Auf jeden Fall. Wir müssen vorläufig ohnehin abwarten, was Gruppeninspektor Hödl zu sagen hat, da können wir bereits Informationen sammeln. Steht im Internet schon etwas von Mord?« Toni sah zu Franz.

»Nein. Im Onlineportal der Steirischen Zeitung steht, dass sie mit Bedauern Vanessa Krauts überraschenden Tod bekannt geben. Mehr nicht.«

»Dann warten wir mal auf Herrn Hödl«, Toni sah auf die Uhr, »kann ja nicht ewig dauern. Wie lange fährt man von Weiz nach Graz?«

»Je nach Verkehr so vierzig bis fünfzig Minuten«, antwortete Franz.

»Befass du dich mal mit der Kurklinik, Franz, wer sie leitet, Kosten und so weiter. Und du, Cindy, finde alles über die Kraut heraus, dann haben wir schon ein bisschen was.« Toni trank einen großen Schluck aus seiner Tasse, ehe er zum Telefon griff. »Ich denke, ich werde mit Anneliese sprechen müssen. Vermutlich hätte ich besser zuhören sollen.«

Cindy und Franz gingen in ihr Büro zurück und setzten sich sofort an ihre Computer. Kurz darauf pfiff Franz durch die Zähne, »Also ich wusste ja bereits, dass dieses Zentrum nichts für Otto Normalverbraucher ist.« Er schüttelte den Kopf. »Aber, dass die Preise dermaßen geschmalzen sind?«

Cindy sah an ihrem Bildschirm vorbei. »Vermutlich zahlt die Krankenkasse einen Teil dazu?«

»Kann nicht viel sein! Da muss ein Betrag für drei bis vier Wochen hingeblättert werden, für den ich Monate arbeiten müsste. Und wo steht das Heim? In Gmoa.«

»Gmoa?«

»Das ist ein Teil von Fischbach.«

»Okay. Die Tote wurde am Teufelstein gefunden, das ist dann in der Nähe der Klinik?«, fragte Cindy. Sie sollte einmal eine Steiermark-Rundfahrt planen, sie kannte viele Gegenden noch nicht.

»Gut kombiniert! Von der Kurklinik wandert man dreißig bis vierzig Minuten zum Teufelstein. Dafür gibt’s hundert Euro. Aber jetzt kommen wir zur Tausend-Euro-Frage …«

»Mensch, Franz!« Cindy schüttelte den Kopf. »Sag lieber was über Fischbach. Was ist das für ein Ort?«

»Ein kleiner, aber netter Ort.« Franz kratzte sich am Kopf. »Ist länger her, dass ich da war, und das nur einen Tagesausflug lang. Schöne Landschaft, wir sind ein wenig herumspaziert. Früher soll es ein Luftkurort gewesen sein. Jetzt gibt es dort ein Wellnesshotel, Gasthöfe und gute Wirtschaften. Der Sommertourismus boomt. Die Klinik ist für ältere Menschen und die Kurgäste besuchen den Ort gern.«

»Die meisten Kurgäste sind keine Jugendlichen.« Cindy lächelte. Für Franz waren alle Menschen über fünfunddreißig alt.

»Bei Schönwetter ist es wirklich eine schöne Gegend, das gebe ich zu.«

»Davon kann jetzt keine Rede sein, schließlich regnet es seit Tagen ununterbrochen.«

Franz sah wieder auf seinen Bildschirm. »Aha, deswegen ist es so teuer. Der leitende Arzt, ein gewisser Doktor Schwarz, arbeitet nur mit Naturprodukten.«

»Was ist da dran besonders? Momentan schwimmen doch alle auf dieser Welle mit. Bio, vegan, natürlich eben.« Cindy zuckte mit den Schultern. »Rechtfertigt das allein den hohen Preis?« Sie vertiefte sich wieder in ihre Recherchen über Vanessa Kraut.

Zehn Minuten später, es war kurz nach neun Uhr, klopfte es und gleich darauf trat ein groß gewachsener, kräftiger Mann in Polizeiuniform ein, der einen Rucksack über der Schulter trug. »Grüß Gott, ich bin Veit Hödl aus Weiz. Ist Chefinspektor Wakolbinger hier?«

»Komm rein, würde ich sagen, aber du bist ja schon da!« Franz sprang auf und streckte ihm die Hand hin. »Du wirst heiß erwartet. Ich bin Revierinspektor Amadeus Franz und das ist meine Kollegin Cindy Panzenböck.«

„Und nenn Franz ja nicht Amadeus, sonst wird er grantig.“ Cindy streckte ihm die Hand hin.

»Alles klar.« Der bärtige Mann schüttelte ihre Hand und grinste. Gleich darauf wippte er mit den Hüften und summte Falcos »Amadeus, Amadeus«, vor sich hin.

Die Tür zu Tonis Büro ging auf. »Small Talk ist nicht, rein mit dir, junger Mann.«

Veit Hödl zuckte zusammen, eilte aber rasch zu Toni und folgte ihm ins Büro, Cindy und Franz blieben dicht hinter ihm.

»Was gibt’s über Vanessa Kraut zu berichten?« Toni ließ sich hinter seinem Schreibtisch nieder und deutete mit der Hand auf den Stuhl vor ihm.

»Möchtest du eine Tasse Kaffee?«, fragte Cindy.

Veit sah sie dankbar an. »Das wäre himmlisch, ich hatte kein Frühstück heute, wollte so schnell wie möglich hier sein.« Er sah auf die Uhr. »Der Gerichtsmediziner hat die Obduktion auf elf Uhr angesetzt, da möchte ich dabei sein.« Er ließ sich auf dem angebotenen Stuhl nieder.

»Ich hole dir einen«, sagte Franz überraschend, »Milch, Zucker?«

»Nichts, danke, nur schwarz.«

Toni zeigte sein berühmtes Stirnrunzeln, doch Cindy kannte ihn bereits und setzte sich auf den zweiten Stuhl neben Veit.

»Weißt du schon, welcher Gerichtsmediziner die Obduktion durchführen wird?«, fragte sie und hörte im Nebenraum die Kaffeemaschine zischen.

»Ein Doktor Erpel, den Namen kann man sich gut merken. Enten gibt’s bei uns in Fischbach ausreichend.«

Cindy lachte. »Lass das nur nicht unseren Doppeldoktor hören. Auf jeden Fall bist du bei ihm in guten Händen, beziehungsweise deine Leiche.«

Mit Doktor Erpel hatten sie bereits oft zu tun gehabt, er war für seine Gründlichkeit und Kompetenz bekannt. Da er einen zweiten Doktortitel besaß, hatte er den Spitznamen »Doppeldoktor« bald weg.

Toni klopfte mit den Fingern auf den Tisch, ein Zeichen, dass er ungeduldig wurde. Endlich brachte Franz eine Tasse mit dampfendem Inhalt, die Veit dankend annahm. Danach zog sich Franz seinen Stuhl heran und setzte sich dazu.

Veit nippte an seinem Kaffee. »Wie das klingt: meine Leiche. Ich hoffe, dass ihr bei den Ermittlungen einsteigt. Ein Mordfall ist ein bisschen viel für uns, damit haben wir selten zu tun. Genau genommen ich persönlich noch nicht, unser ehemaliger Revierleiter, der Anderl Johann, der hatte einen Fall in den Siebzigerjahren …« Offenbar fing er einen Blick von Toni auf, denn er brach ab.

»Du glaubst also, dass Vanessa Kraut ermordet wurde?« Cindy brannte bereits vor Ungeduld.

»Daran bestand für mich von Anfang an kein Zweifel, aber auch Frau Doktor Berthold-Tremmel, unsere Bezirksärztin, war der gleichen Meinung.« In den breiten Händen des Weizer Beamten wirkte die Tasse zerbrechlich. Er stellte sie ab und holte ein iPad aus seinem Rucksack, schaltete es ein und kurz darauf erschienen Bilder auf dem Bildschirm. Alle beugten sich darüber. »Vanessa Kraut wurde erst am Nachmittag entdeckt. Es hat die ganze Nacht geregnet, wie schon die Tage zuvor, gestern kam noch ein Sturm dazu, daher hat der Regen sämtliche Spuren zerstört. Die Frau Doktor schätzt den Todeszeitpunkt auf den Vortag ein, die Leichenstarre hat komplett eingesetzt, die Totenflecken waren ausgeprägt. Aber Genaues kann sie nicht sagen.«

Cindy scrollte durch die Aufnahmen. Auf allen sah man die dunkelhaarige Frau. Sie lag mit dem Kopf neben einer Felsplatte, sogar ein wenig darauf. Auf einigen Bildern war im Hintergrund ein höherer Felsen zu erkennen. »Ich nehme an, das hier ist der Teufelstein«, sagte sie.

»Ja, zumindest der Felsblock. Von hier sind es etwa fünfzig Meter zum Gipfelkreuz.« Veit wies auf die Leiche. »Fällt euch was auf? Abgesehen davon, dass bei so einem Wetter niemand auf den Teufelstein wandert?«

»Sie liegt da, als ob sie schläft«, bemerkte Franz.

»Der Regen hat das Blut weggewaschen, hier …« Veit zog das Bild mit den Fingern auseinander. »Es fällt richtig auf, die Wunde ist weit oben, fast auf dem Oberkopf, nicht hinten, wie man bei Lage der Leiche denken sollte. Angenommen, die Frau wäre auf den Felsen geklettert und abgestürzt, wäre sie niemals so auf dem Boden gelandet, es sei denn, sie hätte sich in der Luft mit dem Kopf voran um ihre eigene Achse gedreht.«

»Das ist richtig.« Cindy nickte. »Gut kombiniert.« Sie sah zu Franz, sie hatten das Thema ja bereits vorher.

»Ich kenne den Teufelstein, bin da aufgewachsen und war als Kind das erste Mal oben.« Veit sah alle der Reihe nach an. »Unsere Gemeindeärztin hat klar festgestellt, dass die klaffende Schädelwunde zu hoch ist. Sie vermutet, dass das Opfer mit einem Stein oder Ast erschlagen worden ist, entweder von einem deutlich größeren Menschen oder das Opfer saß oder hockte, als der Täter auf sie einschlug. Danach wurde die Leiche so hingelegt, dass man meinen könnte, sie wäre unglücklich gestürzt.«

»Damit scheidet eine Tat aus Affekt aus«, murmelte Franz.

»Niemand hat was gesehen?« Cindy sah wieder auf das Bild. »Waren keine Wanderer unterwegs?«

»Das Wetter war seit Tagen hundsmiserabel. Nicht nur Regen, sondern auch starker Wind, das verleitet nicht zu Wanderungen. So schlechtes Wetter hatten wir lange nicht mehr um diese Zeit, der September ist meist sonnig und …« Erneut brach Franz ab, war sich vermutlich bewusst, dass er abschweifte, und sah zu Toni. »Die Kollegen befragen heute Personal und Gäste im Naturheilzentrum sowie die Angestellten in den anderen Hotels und Pensionen, ob jemand etwas gesehen oder sogar eine Wanderung gemacht hat.«

Toni nickte. »Leider teile ich deine Befürchtungen, dass es keine Zeugen gibt, wenn das Wetter so katastrophal war, wie du sagst.«

»Ja, insbesondere der Wind.« Veit schüttelte den Kopf. »Der kann einem alles verleiden, der Regen war richtiggehend schmerzhaft, wie Nadelstiche im Gesicht.«

Cindy sah zu Toni, der schweigend auf das Bild starrte und vermutlich Veits Geplapper nicht mehr hörte.

»Verdammt.« Toni sprach leise. »Hätte ich Anneliese ernst genommen und die Undercover-Aktion von der Kraut aufgedeckt, wäre sie noch am Leben.«

»Wenn das Wetter so miserabel war, fragt sich, was die Journalistin dort auf dem Berg wollte«, sagte Cindy rasch. Selbstvorwürfe würden sie nicht weiterbringen.

»Das bleibt vorläufig ein Rätsel.« Veit beugte sich leicht vor. »Ich kann euch sagen, was ich von den paar Personen, die ich gestern im Kurheim befragen konnte, erfahren habe. Es war nicht hilfreich, so viel kann ich verraten. Niemand will Vanessa Kraut recht gekannt haben, sie hat erst seit Kurzem dort gearbeitet. Und daher war auch der Schock bei den meisten gering, das hat mich schon gewundert. Denn selbst, wenn man jemanden nicht so gut kennt, ist es doch schlimm von einem Mord …«

»Mit wem konntest du sprechen?« Leichte Ungeduld klang in Tonis Stimme mit.

Veit kramte umständlich ein Notizbuch aus der Tasche, Cindy sah, wie Toni die Augen verdrehte, Franz grinste.

Endlich schlug Veit das kleine Spiralbüchlein auf. »Ich habe mich mit der Oberschwester und dem Hausmeister unterhalten. Sie haben lediglich beide übereinstimmend ausgesagt, dass Frau Kraut am ersten September«, er hob den Kopf, »also vor siebzehn Tagen, angefangen habe. Die Oberschwester, Ingrid Keller, hat sie nur am Einstellungstag flüchtig begrüßt, der Hausmeister, ein Herr Helmut Reinbacher, will sie überhaupt nicht gekannt haben. Die Ärzte und andere brauche ich gar nicht erst fragen, die würden sich mit dem Reinigungspersonal nicht abgeben. Das sagte zumindest die Oberschwester, eine ziemlich bestimmende Person.«

»Die Personalchefin? Eine Arbeitskollegin?«

»Personalchefin haben sie keine, das macht auch die Oberschwester.«

»Merkwürdig.« Cindy schüttelte den Kopf. »Ist sie in ihrer Funktion als leitende Pflegerin nicht ausgelastet genug?«

»Das habe ich nicht gefragt.« Veit wirkte betroffen.

Doch Toni winkte ab. »Das ist unwichtig.« Ein strafender Blick streifte Cindy. »Was ist mit Kolleginnen? Sie wird nicht allein geputzt haben, nehme ich mal an, bei dem großen Haus.«

»Es gibt nur eine, mit der sie offensichtlich im Team war, das ist Esra Demir. Die haben wir leider nicht angetroffen.«

»Darf ich noch mal das Foto vom Tatort sehen?« Cindy streckte bereits die Hand aus.

»Natürlich.« Veit hielt ihr das iPad hin. »Ihr Handy lag zertrümmert im Gras, allerdings in einigen Metern Entfernung von ihr.« Veit deutete wieder auf das Bild. »Hier, seht ihr?« Er zeigte auf eine Stelle direkt neben dem Felsen.

»Das ist ein Stück weit weg.« Franz runzelte die Stirn, schien noch etwas hinzufügen zu wollen, doch er schwieg.

»Ja, als ob das Handy mit Kraft direkt an den Felsen geworfen wurde. Ich habe es zur Technik geschickt, damit sie es auswerten. Trotzdem liegt es hier im Gras, keine der Felsplatten ist in der Nähe.«

»Könnte es gegen den Stein geprallt und ins Gras gehüpft sein?« Cindy fuhr mit dem Zeigefinger den Weg auf dem Bild nach.

»Nein, das wäre zu weit, man kann es nicht gut erkennen, doch der Abstand beträgt drei Meter.«

»Das wird unsere Technik untersuchen.« Toni sah zu Veit. »Aber du hast vermutlich recht, dass Frau Kraut es nicht im Fallen an die Wand geworfen hat.«

»Wisst ihr, für meine Kollegin Anna Steiner und mich ist das total spannend.« Veit fuhr durch seinen Bart und fügte rasch hinzu: »Es ist natürlich traurig, doch so ein Mordfall, damit hätten wir niemals gerechnet. Und unser Revier ist schon ein bisschen überfordert. Wäre der Anderl Johann noch da …« Er drehte sich zu Cindy. »Das war unser früherer Revierleiter, der hatte einige Erfahrung …«

Toni hob die Hand. »Es ist gut, dass ihr euch an uns gewandt habt, dafür sind wir da. Habt ihr beide schon was herausgefunden?« Toni sah erst Cindy und dann Franz an.

»Ich mach den Anfang.« Cindy scrollte in ihrem iPad. »Vanessa Kraut war eine Mitarbeiterin der Steirischen Zeitung und hat sich als Aufdeckerin von Skandalen gesehen. Tatsächlich hat sie den Finanzskandal im Rathaus aufgedeckt, erinnert ihr euch? Der Vizebürgermeister musste abdanken, er hat öffentliche Gelder verspekuliert. Ihre Artikel sind reißerisch und stoßen nicht bei allen auf Beliebtheit, sprich, sie hat auch innerhalb der Redaktion Kritiker und Feinde. In den Netzwerken postet sie viel über ihre sportlichen Aktivitäten, man sieht sie beim Joggen oder Klettern. Sie zeigt sich mit mehreren Männern, besonders häufig mit Robert Zehetgruber, einem Kollegen. Und sie versteht es, sich zu präsentieren. Sie ist unzweifelhaft attraktiv.« Das Letzte sagte sie mit Widerwillen, sie hasste es, das Aussehen einer Person mit wertenden Attributen zu versehen, aber in diesem Fall spielte es eventuell eine Rolle. Eine Beziehungstat war nie von vornherein auszuschließen.

»Das Vital-Naturheilzentrum nennt sich seit knapp zehn Jahren so. Doktor Schwarz ist der Schwiegersohn des vorherigen Leiters, Doktor Winfried Kautschitz, er ist mit dessen Tochter Ute verheiratet und hat das Kurheim vor dreizehn Jahren übernommen. Die Klinik finanziert sich durch eine Stiftung, die von Doktor Kautschitz in den 1990er-Jahren in die Wege geleitet wurde. Schwarz hat den Vorstand nach dem Tod seines Schwiegervaters überzeugen können, das Kurheim in ein Naturheilzentrum umwandeln zu dürfen.«

»Wie hieß es vorher?«

»Kurklinik Teufelstein«, antwortete Veit. »Es war damals schon einer exklusiven Klientel vorbehalten, also zahlungskräftigen Leuten.«

»Doktor Schwarz hat eine florierende Anstalt übernommen.« Franz nickte. »Und seine Frau hat auch einiges geerbt, denn Doktor Kautschitz ist zwei Monate später verstorben, eine aggressive Form von Magenkrebs, kurz nach seinem Schlaganfall. Aber unter der Leitung von Schwarz ist das Zentrum noch einmal bekannter geworden, mit der Umstellung auf Naturheilmethoden hat er offenbar aufs richtige Pferd gesetzt.«

Veit sah auf die Uhr und sprang auf. »Entschuldigung, es ist schon halb elf. Vielleicht können wir nachher weitersprechen? Doktor Erpel erwartet mich.«

»Ich komme mit.« Toni erhob sich ebenfalls und wandte sich an Cindy und Franz. »Ihr beide könntet in der Zwischenzeit zur Steirischen Zeitung. Irgendein Kollege muss über ihre Aktivitäten informiert gewesen sein, denke ich. Wahrscheinlich ihr Freund, dieser Zentner oder …« Er tippte sich an die Stirn.

»Zehetgruber. Machen wir.« Cindy erhob sich fast gleichzeitig mit Franz.

Eine Dreiviertelstunde später standen Cindy und Franz vor dem beeindruckend großen Gebäude der Steirischen Zeitung.

»Schlecht geht’s der Zeitung mal nicht!« Franz sah an der Außenseite des vierstöckigen Hauses hinauf, die völlig verglast war.

»Weißt du, was mich beschäftigt?« Cindy war es während der Fahrt durch den Kopf gegangen. »Vanessa Kraut hat sich freizügig in den Medien präsentiert, auf Instagram gibt es jede Menge Fotos von ihr. Wie hat sie geglaubt, dass sie im Kurheim nicht erkannt wird?«

»Stimmt.« Franz schüttelte den Kopf. »Sie hat sich nicht mal die Haare gefärbt, konnte man auf dem Foto vom Teufelstein deutlich erkennen.«

»Das war absolut nachlässig von ihr.«

»Vermutlich hat sie einfach nicht dran gedacht.«

Sie betraten die Vorhalle.

»Sieht aus wie auf einem Bahnhof.« Franz sah sich um. »Nichts zum Wohlfühlen.«

Cindy musste ihm recht geben. Die Decke der Halle war hoch oben, Cindy vermutete drei Stockwerke. Das Treppenhaus begann hinten, ein Springbrunnen mit einer Nixe, die doppelt so groß wie ein Mensch war, stand in der Mitte und plätscherte gleichmäßig. Drei Aufzüge führten in den oberen Stock. Auf der gegenüberliegenden Seite sahen sie einen lang gezogenen Empfangstisch, hinter dem eine blonde Dame um die dreißig saß und telefonierte.

»Diese Empfangshalle ist doch reine Platzverschwendung«, unkte Franz weiter.

»Suchen Sie jemanden?« Die Blonde legte den Telefonhörer auf und sah zu ihnen herüber. Eilig traten sie näher.

»Ja, wir wollen zu Herrn Zehetgruber.« Franz kramte nach seinem Ausweis. »Ich bin Revierinspektor Franz und das ist Bezirksinspektorin Panzenböck.«

Die Dame am Empfang schien wenig beeindruckt von seinem Ausweis. »In welcher Angelegenheit?« Ihre näselnde Stimme klang blasiert, der blumige Geruch ihres Parfums verstärkte diesen Eindruck noch.

»Das möchten wie mit ihm besprechen, Frau Schwaiger.« Cindy las den Namen vom Schild vor ihr ab und bemühte sich um einen ruhigen, freundlichen Tonfall.

Frau Schwaiger griff zum Telefon, aus der Nähe fielen Cindy nun die ellenlangen rot lackierten Fingernägel auf. Wie konnte sie mit den Dingern arbeiten? Franz bemerkte sie offenbar zur selben Zeit. »Diese Nägel brauchen einen Waffenschein«, raunte er Cindy ins Ohr. »Einmal zustechen genügt.«

Sie unterdrückte ein Kichern, denn jetzt wandte sich die Dame ihnen erneut zu. »Erster Stock, links die Treppe hoch Zimmer einhundertvier. Das ist Robert Zehetgrubers Büro. Sie können natürlich auch den Aufzug nehmen.«

»Innigster Dank«, hörte Cindy Franz sagen. Sie war bereits auf dem Weg zur Treppe, er schloss zu ihr auf. »Aber ein Stockwerk schaffen wir gerade noch.«

»Du kannst es nicht lassen.« Cindy stieß ihn in die Seite.

»Nein. Die tut ja so, als hätte sie uns eine Audienz beim Bundespräsidenten genehmigt. Nicht dass ich mich darum reiße«, setzte er rasch hinzu, »Aber wo sind wir denn hier? Das ist ein Büro mit normalen Angestellten, nichts weiter!«

»Sie kommt sich halt ein bisschen wichtig vor. So ein Job im Empfang ist bestimmt sterbenslangweilig.« Cindy sah sich um, denn sie waren im oberen Stock angelangt. »Dann hoffen wir, dass der Journalist kooperativ ist.«

»Ich bin auch neugierig auf den Kerl. Er soll ja der Freund von unserem Opfer sein.«

Sie mussten nicht lange suchen, das Büro von Zehetgruber war gleich das zweite.

Der Journalist saß vor seinem Bildschirm, dürfte etwa Ende dreißig sein, und wirkte auf den ersten Blick wie jemand, der selten Sport trieb. Er trug ein paar Kilos zu viel mit sich rum. Sein dunkler Vollbart und das etwas zu lange Haar verstärkten den Eindruck. Ihr Blick blieb an einem gerahmten DIN-A-4-Hochglanzfarbfoto hängen, das direkt hinter ihm an der Wand hing. Es zeigte einen blaumetallicfarbenen Sportwagen, neben dem Zehetgruber selbst stand.

»Wow, ein Audi R8.« Franz klang beeindruckt.

»Ja, mein Schmuckstück.« Ein zufriedenes Lächeln glitt über Zehetgrubers Gesicht.

Männer und Autos!

»Wie kann ich helfen?« Er blieb sitzen und machte auch keine Anstalten, ihnen die Hand zu reichen.

Cindy stellte sich und Franz vor.

Sein Nicken wirkte fast ungeduldig.

»Sie wissen, was mit Ihrer Kollegin passiert ist?« Cindy ließ sich auf dem einzigen Stuhl im Raum nieder, der hinter dem Schreibtisch, auf dem Zehetgruber saß, ausgenommen.

»Sie sprechen von Vanessa Kraut? Die hatte doch einen Unfall. Stimmt irgendwas nicht?«

»Wir klären die Umstände, unter denen sie zu Tode kam.« Cindy hielt sich absichtlich vage. »Was wissen Sie über sie? Was tat sie auf dem Teufelstein?«

Er runzelte die Stirn. »Sie war an irgendeiner Sache dran, im Bezirk Weiz, soweit ich informiert bin. Sie ist ausgerutscht und dumm gestürzt, und weil sie allein unterwegs war, hat man sie vermutlich zu spät gefunden. War irgendwann zu erwarten.«

»Sie nehmen den Tod Ihrer Kollegin locker.« Franz setzte sich auf die Kante des Schreibtisches. »Waren Sie verfeindet?«

»Wie kommen Sie denn darauf?« Zehetgrubers Stirn runzelte sich.

»Na ja, ein wenig mehr Erschütterung könnten Sie schon zeigen.« Cindy blieb ruhig. »Also mich würde es bedrücken, sollte ich vom Tod einer Kollegin hören. Noch dazu einer Kollegin, mit der Sie vieles unternommen haben, wenn man ihrem Instagram-Account glauben darf. Da sind jede Menge Fotos von Ihnen gemeinsam.«

Kurz flog ein Schatten über sein Gesicht. »Ich bin traurig, ja. Was soll ich Ihrer Meinung nach tun? Hier vor Ihnen in Tränen ausbrechen?« Er stand auf und trat ans Fenster. »Vanessa und ich waren mal zusammen, die Fotos sind vermutlich aus dieser Zeit. Ist schon eine Weile her. Sie braucht keinen Partner, sie ist sich selbst genug. Sie war extrem ehrgeizig, hat sich als investigative Journalistin gesehen, wollte andauernd irgendwelche Skandale aufdecken.«

»Womit ich wieder zu meiner Frage komme: Wissen Sie, woran sie jetzt gerade dran war? Etwas mehr als nur eine Sache in Weiz?«

»Keine Ahnung, wir haben kaum noch miteinander geredet. Sie wollte sich irgendwo undercover einschleichen. Nicht das erste Mal, aber ehrlich? Interessiert mich nicht mehr.«

»Musste sie sich nicht mit irgendjemandem absprechen, wenn sie sich undercover auf einen gefährlichen Einsatz begibt?«

»Vanessa? Absprechen?« Er lachte laut auf. »Das ist ein Widerspruch in sich. Nö, sie hat alles im Alleingang gemacht. Ist wohl ein wenig meschugge geworden mit der Zeit. Seit sie damals diesen Finanzskandal im Rathaus aufgedeckt hat, denkt sie, dass sie unbesiegbar ist.«

»Sie hatten wirklich keine Ahnung, wo sie sich eingeschlichen hat?« Cindy beobachtete den Mann scharf, und ihr fiel ein Zucken der linken Augenbraue auf. Er wusste etwas, verschwieg es aber.

»Nein«, sagte er schroff.

Es klopfte und eine junge Frau trat ein. »Entschuldigung, Robert, ich wusste nicht, dass du eine Besprechung hast.«

»Komm rein, Lisa-Maria. Das ist nur die Polizei, sie untersuchen den Todesfall von Vanessa.«

»Ah!« Das Mädchen schob sich herein, dunkelhaarig, leicht übertriebenes Make-up und ein hautenges Kleid mit Lackstiefeln. Cindy schätzte sie auf Anfang zwanzig. »Das ist eine entsetzliche Geschichte. Dabei war sie so eine geübte Kletterin. Hat sie sich übernommen, dass sie so schlimm gestürzt ist?«

»Und Sie sind?«, fragte Cindy.

»Lisa-Maria Weiler, ich habe als Praktikantin hier angefangen.« Sie kaute Kaugummi.

»Kannten Sie Frau Kraut?« Franz rutschte vom Schreibtisch.

»Nicht wirklich gut, ich bin relativ neu hier.« Das Mädchen setzte sich auf die Lehne von Zehetgrubers Stuhl und legte den Arm um ihn. »Ich hatte nichts mit ihr zu tun.«

Zehetgruber schien das besitzergreifende Benehmen des Mädchens unangenehm zu sein, er stand auf. »Ich brauche einen Kaffee, möchten Sie auch einen?«, fragte er und ging zu einer kleinen Espressomaschine in der Ecke.

»Nein, danke.« Unauffällig stieß Cindy Franz in die Seite, der den Blick nicht von dem Mädchen lösen konnte. »Wenn Sie Frau Kraut kaum kannten, woher wussten Sie, dass sie gut klettern kann?«

»Na, in ihrem Büro hängen Bilder und Zertifikate. Sie hat sogar an Wettkämpfen teilgenommen.« Lisa-Maria schob den Kaugummi von einer Backe in die andere.

Zehetgrubers Stimme übertönte das Zischen der Espressomaschine. »Der Teufelstein ist jetzt nicht gerade eine Herausforderung für Kletterer.« Er zog seine Tasse heraus und kam zum Schreibtisch zurück. »Und ja, es stimmt, Vanessa war Hobbykletterin, sie ging auch immer in die Halle zum Bouldern.«

»Sie können uns wirklich nichts Genaueres über ihren Einsatz sagen?« Cindy ließ Zehetgruber nicht aus den Augen und so entging ihr auch nicht der Blick, den er sekundenschnell mit Lisa-Maria wechselte.

»Nein, wie gesagt, wir waren schon lange kein Paar mehr.«

Überraschend sprang Franz in die Bresche. »Das tut doch nichts zur Sache. Ihre Kollegin hat sich an einen gefährlichen Auftrag gewagt und ich schätze, dass sie so klug war, wenigstens eine kleine Rückversicherung einzugehen.«

»Da nimmt sie bestimmt nicht ihren Ex.« Lisa-Maria kaute heftiger. »Die beiden haben kein Wort mehr miteinander gesprochen. So war es doch, Robert, nicht wahr?«

»Richtig.« Der Journalist schlürfte Kaffee.

Cindy wandte sich unmissverständlich an die junge Frau. »Frau Weiler, da Sie nichts zur Sache beitragen können, würden wir uns gern mit Herrn Zehetgruber allein unterhalten.«

»Aber er weiß doch auch nichts«, maulte sie.

»Lisa, verschwinde«, sagte Robert nun mit leiser Schärfe in der Stimme. Das Mädchen erhob sich mit sichtlichem Widerwillen, warf noch einen Blick auf Zehetgruber, der demonstrativ mit seinem Kaffee beschäftigt war und sie nicht mehr beachtete. Die Tür klappte zu.

»Jetzt reden wir mal Klartext.« Cindy beugte sich über den Schreibtisch zu dem Journalisten, der sich gerade wieder auf seinen Stuhl fallen ließ und dabei seine Espressotasse abstellte. »Ich glaube Ihnen nicht, dass Sie keinen Kontakt mehr zu Vanessa Kraut hatten.«

»Nun ja.« Er rieb sich über den Bart. »Vanessa und ich, wir konnten nicht miteinander und nicht ohne, verstehen Sie?«

Cindy seufzte. »Wir haben einen Mord aufzuklären, Ihre privaten Verwicklungen interessieren uns nur, sollten sie damit in Zusammenhang stehen.«

»Wie bitte? Mord?« Er sprang auf und stieß dabei die Tasse um, der letzte Rest schwappte auf den Schreibtisch. »Das glaube ich nicht! Es war doch ein Unfall, alle sagen das.«

»Wer ist alle?«

»Na hier im Haus. Niemand hat das Wort Mord erwähnt. Wer sollte denn Vanessa umbringen, ich bitte Sie!«

»Herr Zehetgruber, Ihre Kollegin, Freundin oder Ex, wie immer Sie sie bezeichnen wollen, hat undercover ermittelt. Denken Sie nicht, dass da eine gewisse Gefahr bestand?« Franz war zur Tür gegangen und lehnte sich dagegen.

Der Journalist seufzte. »Okay, sie hat mir erzählt, dass mit einer Kurklinik was faul sein soll. Das Naturheilzentrum in Fischbach. Aber ich habe es für Humbug gehalten.«

»Was genau hat sie Ihnen gesagt?« Cindy wurde langsam ungeduldig.

»Wie schon erwähnt, ich habe es nicht ernst genommen.« Zehetgruber zog ein Stofftaschentuch aus der Hosentasche, stellte die Tasse wieder auf und wischte die Kaffeepfütze auf seinem Schreibtisch auf.

»Herr Zehetgruber, reden Sie endlich!« Cindy sprach nun in scharfem Tonfall, ihr reichte es. Der Mann ließ sich wirklich alles aus der Nase ziehen.

»Also gut, ich sage Ihnen, was ich weiß. Das ist jedoch nur das, was sie mir erzählt hat.« Er setzte sich wieder hin. »Vor drei oder vier Wochen kam sie zu mir und behauptete, dass es in Fischbach ein privates Kurheim für Reiche gebe.«

»Sie kennen das Schwarz-Vital-Naturheilzentrum nicht?« Franz sah ihn überrascht an. »Das Zentrum ist bekannt und Sie als Journalist …«

»Natürlich kenne ich es dem Namen nach.« Zehetgruber klang ungehalten. »Legen Sie nicht jedes Wort auf die Goldwaage! Ich wusste, dass es das Kurheim gibt, aber ich hatte keine Ahnung, dass es so teuer ist.«

»Und weiter?«

Er fuhr sich erneut über den Bart. »Sie hat allen Ernstes behauptet, dass dort Leute umgebracht werden, und zwar immer solche, die mächtig viel zu vererben haben.«

»Wie kam sie darauf?« Franz wechselte einen Blick mit Cindy, aus dem sie herauslas, dass er Zweifel hatte.

»Sie hatte einen Informanten, aber«, er hob beide Arme, »den Namen hat sie mir nicht genannt. Danach hat sie ein wenig recherchiert und mir eine Art Statistik gezeigt, in der sie alle Todesfälle der letzten sieben Jahre aufgelistet hat. Es sind insgesamt acht Personen. Jedes Mal wurde Herzversagen diagnostiziert, waren ja alte Leute zwischen achtzig und neunzig. Da denkt sich niemand was dabei.«

»Aber Frau Kraut hat Verdacht geschöpft. Warum?«

»Ja, ich muss ja zugeben, dass es schon merkwürdig ist, dass ausgerechnet in einem Kurheim durchschnittlich in jedem Jahr ein Mensch stirbt. Auf der anderen Seite, so viel ist das ja auch wieder nicht. Ich meine, wenn das jede Woche oder jeden Monat passiert wäre …«

»Und Sie haben keine Ahnung, wer ihr den Tipp gegeben haben könnte?«

»Nein. Ihre Informanten hat sie mir nie genannt, auch nicht, als wir noch zusammen waren.«

»Wo ist diese Liste?«

»Die habe ich leider nicht.« Er grinste schief. »Es tut mir leid, aber ich habe die Sache nicht ernst genommen. Jährliche Todesfälle in einem Kurheim, ich bitte Sie! Wäre irgendetwas auffällig gewesen, hätte doch die Polizei längst ermittelt.«

»Hat sie Ihnen nichts hiergelassen?«

»Nein. Es tut mir leid, ich habe sie abgewiesen und weggeschickt.« Er seufzte. »Weil, na ja …« Wieder strich er sich über den Bart. »Ich bin nun mit Lisa-Maria zusammen.«

»Das klingt nicht überzeugend.« Franz verschränkte die Arme. »Das Mädchen wirkte verliebt«, er nickte zur Tür, »aber Sie sind es nicht.«

Cindy stimmte ihm zu, auch wenn sie es vermutlich nicht ausgesprochen hätte. »Sie haben Vanessa Kraut, Ihre frühere Freundin, abgewiesen, weil Sie nun eine Beziehung zu Frau Weiler haben?«, fragte sie.

»So halb haben wir das, na ja, eine Affäre halt.« Zehetgrubers Stimme wurde leise. »Ich wollte Vanessa ein wenig eifersüchtig machen, damit, na ja, ist ja egal.«

»Sie hatten die Absicht, Sie zurückzuerobern?« Franz brachte es auf den Punkt.

»Nein, ich«, er zögerte, »ich weiß nicht, was ich bezweckte. Primär wollte ich ihr auch nur ein einziges Mal ein schlechtes Gefühl geben. Ich konnte doch nicht ahnen, dass das nach hinten losgeht!« Es klang fast verzweifelt.

»Wie meinen Sie das?«, fragte Cindy nach.

»Vielleicht hätte ich ihr helfen können und es wäre nicht passiert. Das mit Lisa ist ohnehin kompliziert.« Er schüttelte den Kopf. »Lisa-Maria mag es nicht, dass Vanessa hier arbeitet, aber daran kann ich schließlich nichts ändern.«

Cindy war Zehetgrubers Liebesleben gleichgültig, sofern es nicht relevant für den Fall war.

»Nun, jetzt hat sich was geändert«, sagte Franz. »Jetzt ist sie ihre Nebenbuhlerin los.«

»Es war nichts mehr zwischen Vanessa und mir.«

»Gerade vorhin haben Sie gesagt, Sie wollten sie eifersüchtig machen.«

»Ja, das war vielleicht in dem Moment so. Tatsache ist, ich habe sie gebeten, sich eine andere Vertrauensperson für ihre Rückendeckung zu suchen. Der Grund ist doch nebensächlich, oder nicht?«

»Hat sie das gemacht?«

»Was?«

»Sich eine andere Vertrauensperson gesucht?«

»Ich habe keine Ahnung.«

»Strengen Sie sich ein wenig an.« So leicht ließ Cindy ihn nicht von der Angel. »Sie kennen doch den Laden hier. Wen von Ihren Kolleginnen oder Kollegen hätte sie nehmen können?«

»Sie war leider mit niemandem richtig befreundet, sie war eine Eigenbrötlerin. Vielleicht fragen Sie den Chef?«

»Den Chef? Wieso?«

»Nun, er war mein Nachfolger bei ihr. Zumindest kurzfristig.«

»Vanessa Kraut hatte mit«, Cindy scrollte in ihrem iPad, »Roland Petrovic eine Affäre?«

»Wie gesagt, war nur kurz, der Chef hat immer andere Mädels am Start. Er ist ja verheiratet und kehrt stets brav zu seiner Frau zurück.«

»Wie lange war sie mit ihm zusammen? Und wann genau?«

Er zuckte mit den Schultern. »Vermutlich war’s schon eine Zeit vorbei, schließlich ist sie mit dieser Undercoversache zu mir gekommen. Hat mich eben gewundert, dass sie nicht zu ihm ist.«

Sie würden den Chef fragen müssen, aber jetzt interessierte sie anderes. »Haben Sie noch etwas von ihr gehört? Über die Kurklinik?«

»Wüsste nicht, was.«

»Was wollte sie denn tun, wenn sie sich in die Klinik eingeschlichen hat?«, fragte Franz.

»Was weiß ich? Herumschnüffeln und nach Beweisen für ihre absurde Theorie suchen.«

»Wo waren Sie gestern?« Cindy schoss die Frage hinaus, ehe Zehetgruber Zeit hatte zum Nachdenken.

»Wie bitte?«

»Die Frage war klar formuliert.«

»Sie verdächtigen mich? Ich war hier in Graz und nicht in Fischbach.«

»Und wo genau?«

»Ich habe bei meinen Eltern am Nachmittag Kaffee getrunken, die wollen mich auch ab und zu sehen.«

»Und danach?«

»Bin ich ins Gasthaus auf ein Bier, um zehn Uhr bin ich nach Hause.«

Wenn das stimmte, war er aus dem Schneider.

»Schreiben Sie mir Namen und Adresse Ihrer Eltern und vom Wirtshaus auf.«

Zehetgruber zuckte mit den Schultern, zog einen Zettel aus der Box auf dem Schreibtisch und schrieb. »Ich habe zwar keine Ahnung, was das soll, aber bitte.« Er schob ihnen das Papier hin.

Cindy erhob sich und nickte Franz zu. Hier würden sie nicht weiterkommen. »Wenn Ihnen noch etwas einfällt …« Sie zog ihre Karte heraus und reichte sie dem Bartträger. Er erhob sich, nahm sie an und drehte sie zwischen den Fingern.

»Ich hoffe, Sie finden das Schwein«, sagte er.