Tod in der Waschmaschine - Harry Robson - E-Book

Tod in der Waschmaschine E-Book

Harry Robson

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Beschreibung

Ich kam nach 14 Tagen Seminararbeit zurück in meine „Hütte“ auf Formentera. Die Haustüre war nicht abgeschlossen. Ungewöhnlich! Die Türe war norma-lerweise verschlossen. Vorsichtig trat ich ein und rief: "Hallo, ist da jemand?“ Keine Antwort. Vorsichtig betrat ich die Küche. Am Küchentisch saß jemand! Es war wohl ein Mann, wie ich von hinten sah. Er saß vornüber gebeugt, den Kopf auf der Tischplatte. Der Mann war ganz offensichtlich tot.

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Seitenzahl: 211

Veröffentlichungsjahr: 2021

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Vielen lieben Dank an meine Frau Sonja. Unermüdlich hat sie meinen Text Korrektur gelesen und meine Schreibfehler verbessert.

Harry Robson

Tod in der Waschmaschine

Kriminalroman

Impressum

© 2021 Harry Robson

Auflage Cover/Umschlaggestaltung: Alexander Kuffner

Verlag und Druck: tredition GmbH, Halenreie 40-44, 22359 Hamburg

ISBN Taschenbuch: 978-3-347-30463-5

ISBN Hardcover:      978-3-347-30464-2

ISBN e-Book:             978-3-347-30465-9

Das Werk, einschließlich seiner Teile, ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung ist ohne Zustimmung des Verlages und des Autors unzulässig. Dies gilt insbesondere für die elektronische oder sonstige Vervielfältigung, Übersetzung, Verbreitung und öffentliche Zugänglichmachung.

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek: Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

Tod in der Waschmaschine

1. Kapitel

Die Haustüre war nicht abgeschlossen und ließ sich durch einfaches Drücken der Türklinke öffnen. Ungewöhnlich! Die Türe war normalerweise verschlossen. Für etwa zwei Wochen war ich in Deutschland gewesen und wollte nun meine „Hütte“ auf Formentera wieder betreten. Vorsichtig trat ich ein und rief: „Hallo, ist da jemand?“

Keine Antwort. Ich rief noch mal, deutlich lauter: „Hallo, ist da jemand?“ Wieder keine Antwort. Ich stellte mein Gepäck im Flur ab und ging vorsichtig Richtung Wohnzimmer. Ja, auch hier auf Formentera gab es schon mal Einbrüche, und ich konnte nicht wachsam genug sein. Im Wohnzimmer war alles wie immer. Die Jalousien waren unten, und die Luft war stickig. Als erstes öffnete ich die Terrassentüre, um frische Luft einzulassen. Die Tür war ordnungsgemäß von innen verschlossen. Nichts Auffälliges. Anschließend betrat ich vorsichtig die Küche, und da sah ich die Bescherung. Am Küchentisch saß jemand! Es war wohl ein Mann, wie ich von hinten sah. Er saß vornüber gebeugt den Kopf auf der Tischplatte. Die Haare waren blond und glatt. Er trug eine blaue Bermuda-Shorts, ein bleiches T-Shirt und an den Füßen Flip-Flops.

„Hallo, wer sind Sie?“ Ich schrie nun überdeutlich, aber der Mann war ganz offensichtlich tot. Von ihm ging kein angenehmer Geruch aus, und beim näheren Hinsehen sah ich einige Fliegen, die seinen Kopf und sein Gesicht bedeckten. Dem war nicht mehr zu helfen. Was für eine Schei..e dachte ich mir. Die Zeit in Deutschland war anstrengend gewesen, und ich hatte mich auf mein gemütliches Zuhause gefreut. Pizza beim Italiener bestellen, ein paar Bier und dann ins eigene Bett. Ich mag nicht gerne im Hotel leben, aber es ging nicht immer danach, was mir passte. Das war jetzt auch wieder so ein Fall. Was machte der Mann an meinem Küchentisch? Wer war er? Wer hat ihn hierhergebracht, und warum war er überhaupt tot?

Misstrauisch umrundete ich den Tisch, um den Mann von vorne zu sehen, aber das Gesicht war total von Fliegen übersät und wohl auch aufgequollen. Irgendwie kam er mir bekannt vor, aber der Groschen wollte nicht fallen. Ich musste Carlos anrufen. Carlos war mein Freund. Wir beide hatten erst im letzten Jahr einen Drogenhändler hochgehen lassen und waren gute Freunde geworden. Ich hatte Glück, Carlos nahm das Gespräch sofort an. „Hi Carlos, ich hab nur ganz wenig Zeit. Kannst du bei mir vorbeikommen? Es ist supereilig!“ „Na, mein Freund, immer schön langsam. Bist du schon wieder aus Deutschland zurück?“ „Ja doch, und hier sitzt ein toter Mann an meinem Küchentisch. Mach bitte voran!“ „Ein Toter an deinem Küchentisch?“ „Bist du das Echo vom Königssee? JA, der Mann ist mausetot, und irgendwie riecht er schon. Beeil dich. BITTE!“

Ich setzte mich draußen vor dem Haus auf die Türschwelle und wartete. Zu gerne hätte ich mir jetzt ein kaltes Bier getrunken, aber ich wollte auf keinen Fall irgendwelche Spuren beseitigen oder neue hinzufügen. Nach mindestens zwei Ewigkeiten kam Carlos angerauscht. Er begrüßte mich erst gar nicht, sondern stürmte direkt in die Küche. Ich blieb weiter draußen sitzen und rief ihm hinterher: „Wenn irgendwie möglich, bring mir bitte ein Bier mit.“ Keine Antwort ist auch eine Antwort. Ich hörte, wie er auf Spanisch mit irgendwem telefonierte, und das dauerte eine weitere Ewigkeit. Endlich kam er zur Haustüre. Hier zeigte sich, dass er ein wahrer Freund ist. Er hatte zwei Flaschen eiskaltes Bier in der Hand, öffnete sie und reichte mir eine. „Prost!“ Ich sog den Inhalt förmlich aus der Flasche. Mittlerweile zitterte ich am ganzen Körper. Der Schock über die „Fundsache“ stellte sich bei mir ein.

„Wer ist das?“ Carlos sah mich fragend an. „Keine Ahnung. Er kommt mir irgendwie bekannt vor, aber was Genaues kann ich dir nicht sagen.“ „Ich habe die Dorfsheriffs angerufen, die werden dann die Mordkommission und die Spurensicherung auf Ibiza unterrichten. Wann die hier auflaufen, kann ich dir nicht sagen. Du kommst am besten heute Nacht mit zu mir.“ „Na ich weiß nicht. Ich habe mich so auf Zuhause gefreut und nun das.“ „Die Kollegen werden das ganze Haus auf den Kopf stellen, und da wirst du keine Ruhe finden. Davon mal abgesehen: Wann genau bist du hier angekommen?“ „Ach nee, du willst ein Alibi von mir? Kannste gerne haben. In meiner Brieftasche sind die Tickets für Flieger und Fähre sowie die Hotelrechnung aus Deutschland. Ich hielt eine Woche lang Software-Schulung bei der Interhopp und habe heute Vormittag noch vor ca. 25 Menschen einen Schulungsvortrag gehalten.“ „Sei mal nicht so bissig, Harry. Du weißt genau, dass ich das fragen und nachprüfen muss. In diesem Fall ist es reine Formsache, aber der Mann ist noch nicht sehr lange tot.“

Ich hielt ihm die leere Bierflasche entgegen. Er nickte und ging los, zwei neue zu holen. Dann tauchten die Dorfsheriffs auf. Zum Glück kannten wir uns, und sie ließen mich in Ruhe. Carlos begleitete sie in die Küche und eine laute Diskussion entstand. Mir war klar, dass die Dorfsheriffs mit der ganzen Geschichte nichts zu tun haben wollten. Sie waren mehr dafür, falsch parkende Autos aufzuschreiben oder am FKK-Strand nach Nackten zu suchen, die sich sexuellen Freuden hingaben. Nicht, dass sie die Nackten dann davon abgehalten hätten. Nein, sie sahen gerne zu, machten eifrig von der Kamera in ihrem Smartphone Gebrauch und warteten, bis der Akt der Befriedigung vollzogen war. Dann traten sie in Erscheinung und kassierten dann 100 €uro wegen „Erregung öffentlichen Ärgernis.“ Die Leute zahlten immer. Keiner wollte deswegen mit zur Wache kommen, um ein Protokoll zu unterschreiben. Ich bin mir auch gar nicht sicher, ob die „Strafe“ je in der Staatskasse landete. Davon einmal abgesehen: Ich hatte noch nie davon gehört, dass sich jemand öffentlich über diese Vorgänge erregt hatte.

Carlos tauchte mit meinem Gepäck wieder in der Türe auf. „So, wir beiden fahren jetzt zu mir nach Hause. Einer der Sheriffs bleibt hier im Haus und wartet auf die Kollegen aus Ibiza. Der Hausschlüssel bleibt hier. Morgen zeigt sich, wie lange der Tatort noch untersucht werden muss. Wenn alles glatt läuft, kannst du spätestens übermorgen wieder hier einziehen. Bis dahin dürften alle Spuren gesichert und der Tatort wieder sauber sein.“

Ich schleppte mich samt Gepäck zu Carlos Wagen und nahm stöhnend auf dem Beifahrersitz Platz. Carlos stieg auf der Fahrerseite ein und sah mich fragend an: „DiegosCoffeeBar?“ „Du bist ein wahrer Freund! Ja, genau da möchte ich jetzt hin.“ In „DiegosCoffeeBar“ gab es einen erstklassigen Espresso und Carlos Primeros Nr. 3 zu einem erträglichen Preis. Ich wusste genau, mir würde diese „Behandlung“ helfen. Diego sah uns eintreten und ging zur Espressomaschine. Wir mussten nichts bestellen, wir tranken immer das Gleiche.

„Was passiert jetzt?“ Carlos sah mich staunend an: „Du kannst Fragen stellen. Was soll jetzt passieren? Die SPUSI sucht nach Spuren, und als erstes versucht man, die Identität des Toten herauszufinden. Alles andere wird sich dann finden.“ „Ich meine, was ist mit mir?“ „Gar nichts. Man wird routinemäßig dein Alibi überprüfen und nichts finden. Steht die Identität des Toten fest, wird man dich mit Sicherheit befragen, ob du ihn kennst. Mach dir keine Sorgen Harry, dir passiert schon nichts. Da kannst du ganz beruhigt sein. Wir trinken noch einen Premieros und dann ab ins Bett.“ „OK. Noch einen, und dann ist Schluss.“

2. Kapitel

Es war nicht weit zu Carlos Wohnung. Seit er mit Jessie zusammen war, wohnte er nicht mehr mit seinem Bruder gemeinsam über der Taxigarage. Er wohnte auf dem Hof seiner Eltern. Die hatten das Gebäude vor Jahren an eine deutsche Familie verpachtet, die dort einen Reiterhof betreiben wollte. Leider ging das Ganze schief. Die Saison geht eben nur von Mai bis September, und wer in dieser Zeit nicht das Geld fürs ganze Jahr verdient, scheitert. Kurzentschlossen hatte Carlos den Hof selber bezogen und hatte nun reichlich Platz, auch für Gäste wie mich. Leider war Jessie nicht da, sie musste arbeiten. Sie war in der Rezeption eines großen Hotels beschäftigt und hatte Nachtschicht.

Carlos zeigte mir mein Zimmer, und ich verschwand auch direkt, nachdem ich mir die Zähne geputzt hatte. Ich war fertig mit der Welt und hatte einen unruhigen Schlaf. Hätte mehr Premieros und weniger Espresso trinken sollen. Aber was soll’s. Als ich wach wurde, war es 08:40 h. Ich benutze die Dusche und ging dann quer über den Hof ins Hauptgebäude Kaffee trinken. Jessie war wohl zwischenzeitlich nach Hause gekommen, wie ich an ihrem Auto erkennen konnte, schlief aber noch. Carlos wollte gerade losfahren. Als er mich sah, stoppte er den Wagen und stieg aus. „Guten Morgen du Pechvogel. Alles klar bei dir?“ „Ja, danke. Ich habe schlecht geschlafen, aber so weit geht es mir gut. Noch Kaffee da?“ „Wir haben nun einen Vollautomaten fürs Kaffee kochen. Den erkläre ich dir kurz, und dann muss ich aber los.“ Gemeinsam gingen wir in die Küche. „Was gibt es denn Neues, Carlos. Was macht der Mord?“ „Keine Ahnung! Ich weiß nur, dass die Kollegen aus Ibiza vor Ort sind. Mehr weiß ich auch nicht. Ich fahre jetzt zum Tatort und werde sehen, was man herausgefunden hat. Fahr doch mit, dann bist du direkt wieder zu Hause.“ „Ja, bitte warte noch einen Moment. Ich trinke jetzt nur ganz flott einen Kaffee, und dann bin ich soweit.“

Vor meiner Hütte standen etliche Autos und noch mehr neugierige Nachbarn. Man hatte zwar großzügig rot/weiße Sperrbänder aus Kunststoff angebracht, aber die Neugier der Zuschauer drückte die Bänder immer mehr in Richtung Tatort. Carlos winkte dem wachhabenden Polizisten zu, und ich trabte hinterher. In der Küche dann der leitende Kommissar aus Ibiza, Señor Vargaz. Den kannte ich schon, was ihn aber nicht daran hinderte, mich sofort wieder nach draußen zu schieben. „Guten Tag Harry, das ist hier nichts für Sie, warten Sie bitte draußen!“ „Naja, ich wohne hier! Ist Ihnen das nicht bekannt?“ „Doch, das weiß ich, aber es ist in erster Linie ein Tatort, und da haben sie nichts zu suchen.“ „O. K., ich will ja kein Spielverderber sein. Aber wissen Sie denn schon, um wen es sich handelt?“ „Nein! Die Leiche ist auf dem Weg zum gerichtsmedizinischen Institut auf Ibiza. Die Kollegen werden sich melden, wenn sie genaueres wissen. Wo waren Sie denn in den letzten Tagen?“ Ich wiederholte meine Aussage von gestern gegenüber Carlos. „Ja, das weiß ich doch alles. Gibt es nichts, was Ihnen noch dazu einfällt? Wie gelangte der Täter eigentlich hier hinein? Es gibt keinerlei Einbruchspuren.“ „Der Schlüssel liegt immer unter dem Blumenkasten, links vom Eingang.“ „Liegt er denn noch immer da?“ „Keine Ahnung!“ „Dann schauen Sie doch bitte einmal nach.“ Vargaz wurde nun ungehalten. Irgendwie behandelte er mich wie den letzten Deppen.

Ich hob den Blumenkasten an, und da lag der Schlüssel. Genau da, wo er immer lag. Ich schaute fragend zu Vargaz. Der nahm den Schlüssel mit seinen behandschuhten Fingern auf, steckte ihn direkt in ein passendes Kunststofftütchen und malte ein dickes schwarzes Kreuz darauf. „Der geht ab ins Labor. Gibt es noch mehr Schlüssel?“ „Ja, meinen Schlüssel.“ „Wo ist der?“ „Hier in meiner Hosentasche.“ „Dann mal her damit.“ Auch dieser Schlüssel verschwand in einem Kunststofftütchen und Vargaz malte nun zwei Kreuze darauf. „Geht ebenfalls ins Labor. Gibt es weitere Schlüssel?“ „Nicht, dass ich wüsste.“ „Putzfrau?“ „Die nimmt immer den Schlüssel unter dem Blumenkasten.“ „Das ist hier ja eine ganz sichere Nummer“, meinte Vargaz sarkastisch. „Die Haustüre haben Sie wahrscheinlich nur, damit es keinen Durchzug gibt.“ „Das ist doch Unsinn!“ entgegnete ich nun etwas laut. „Ich kenne hier auf der Insel einige Häuser, die sind gesichert wie Fort Knox und in die wird laufend eingebrochen. Zugegeben ist das hier etwas lasch, aber hier ist noch nie jemand gewesen, um mich zu bestehlen.“ „Nein“, trumpfte Vargaz auf, „Ihnen hat man nichts gestohlen, sondern eine Leiche gebracht. Sie haben sogar gewonnen! Sie Glücklicher!“

„Wann kann ich hier wieder rein? Das ist das Einzige, was mich interessiert.“ „Heute nicht, aber morgen gegen Mittag dürften wir hier fertig sein. Ich werde Sie anrufen.“ Er ging wieder zurück in meine Hütte und ließ mich draußen stehen. Einfach so. Rechts vom Eingang stand ein kleines Bänkchen, voll beladen mit irgendwelchem Kram der Polizei. Ich schob das Zeugs zusammen, setzte mich auf den nun entstandenen freien Platz und wartete ab. Nach geraumer Zeit kam Carlos wieder nach draußen. „So, für mich gibt es nichts mehr zu tun. Fahren wir!“ „Und wohin? Sei doch bitte nicht immer so einsilbig. Sprich bitte in ganzen Sätzen zu mir.“ „Zu mir nach Hause. Mehr gibt es nicht zu sagen.“ Carlos konnte manchmal ein wirklicher Kotzbrocken sein. Wütend schaute ich aus dem Fenster, während wir wieder Richtung Carlos Hof fuhren.

3. Kapitel

Jessie stand im Garten und hing gerade Wäsche auf. Sie hörte das sich nahende Auto und drehte sich um. Sie ließ alles fallen und lief mit leichten Schritten auf uns zu. Zuerst begrüßte sie ihren Freund und dann mich. „Mensch, Harry! Wo bist du denn da nun wieder hineingeraten?“ Sie umarmte und drückte mich, als ob es kein Morgen mehr geben würde. „Ich bin in gar nichts „hineingeraten“. Als ich gestern gegen Mittag aus Deutschland zurückkam, saß ein Toter an meinem Küchentisch. Wo der nun genau herkam, weiß bisher kein Mensch. Auch ich freue mich, dich wiederzusehen, liebe Jessie!“ „Ja, ist ja schon gut. Natürlich freue ich mich auch, dich wiederzusehen, lieber Harry. Aber diese Totengeschichte ist natürlich auch wichtig. Was gibt es Neues?“ „Frag Carlos, mir sagt der nix.“ Sie schaute Carlos fragend an, doch der nickte nur mit dem Kopf Richtung Haus und schritt voran. Wir anderen trabten hinterher, und in der Küche gab es erst Mal Kaffee für alle. Jessie richtete mir noch ein Sandwich her, und nun hingen wir alle ganz gespannt an Carlos Lippen.

„Nun“ begann er etwas zögerlich, „viel wissen wir nicht. Der Mann ist zwischen 40 und 50 Jahre alt, allem Anschein nach Europäer, gut gepflegt, keine Narben und auch keine Fingerkuppen.“ „Wie das? Keine Fingerkuppen?“ Ich zog fragend die Augenbrauen hoch. „Ja, das ist sehr selten. Der Mann hat keine Fingerkuppen, nur glatte Haut. Ob die mit Säure oder mittels Operation entfernt worden sind, muss noch untersucht werden. Morgen kommt der Coroner aus Barcelona und wird die Obduktion durchführen. In der Vermisstendatei findet sich niemand, der dem Toten ähnlich ist. Wir stehen also vor einem Rätsel, das wir lösen müssen.“ „Und woran ist der Mann gestorben?“ „Ja, das wissen wir. Er wurde mit einer Garotte erdrosselt.“ „Und was ist das?“, fragte ich. „Lass dir doch nicht jedes Wort einzeln aus der Nase ziehen.“ Schnippisch erwiderte Carlos: „Eigentlich darf ich Euch überhaupt nichts sagen, also drängelt nicht so.“ „Nochmal Carlos: Was ist eine Garotte?“ „Nun, das ist ein Stahldraht, der von hinten über den Kopf geworfen wird. Dann zieht man von hinten die Enden des Drahtes auf der Höhe des Halses ganz fest zusammen und schnürt demjenigen so lange die Luft ab, bis er erstickt. Nun zufrieden?“

„Nein, bin ich nicht“, sagte ich vorwurfsvoll. „Wer benutzt denn so ein Ding? Das ist doch Mittelalter!“ „Wir wissen, dass besonders bei der französischen Mafia damit gearbeitet wird. Inwieweit die hier involviert ist, wissen wir nicht. So, und nun ist gut. Kein Wort mehr darüber!“ Aber so einfach kam er mir nicht davon: „Kannst du vielleicht ein Foto des Toten herzeigen?“. „Naja, das ist nicht besonders. Ich bekomme morgen, nach der Leichenschau, bestimmt ein besseres, retuschiertes Foto.“ „Ja dann zeig doch mal her, Carlos, BITTE.“ Ich nahm das Foto und betrachtete es sorgfältig. Ganz bestimmt! Den Mann hatte ich schon mal gesehen. Aber wo? Ich zermarterte mir den Kopf. Wenn das Gesicht schön gebräunt und nicht so leichenblass war, wen stellte es dar? JA, das war’s.

Der Mann wohnte hier auf meiner Straße. Daher kannte ich ihn. Ich wandte mich an Carlos: „Der wohnt in meiner Straße, aber ich weiß nicht, in welchem Haus.“ „Bist du dir da auch wirklich sicher?“ „Ja, bin ich. Er hat mal bei mir geklingelt und nach einer Bohrmaschine gefragt. Er wollte irgendwelche Regale befestigen. Ich konnte nur mit einem Akkuschrauber aushelfen, aber den hatte er selbst. Also verabschiedete er sich wieder.“ „Und wie heißt er?“ „Ach Mann, das habe ich doch schon längst wieder vergessen. Gib deinen Beamten das Bild, die sollen hier auf der Straße jeden ausfragen. Einer wird ihn schon kennen.“ „Das sind 20 Häuser, auf jeder Straßenseite 10 Stück. Das kann dauern.“ „Na und! Schneller geht es nicht.“ „Du hast ja recht. Gleich morgen früh werde ich zwei Beamte abstellen, die die Befragung vornehmen. Mal sehen, was sich da ergibt.“

4. Kapitel

Der Abend verlief genauso ereignislos wie der Nachmittag, und ich verbrachte den Rest des Tages vor dem Fernseher. In mein Haus kam ich nicht hinein, Carlos hatte zu tun, und Jessie musste arbeiten. Am nächsten Morgen war Carlos schon unterwegs. Ich mache mir einen Kaffee und rief ihn an. Ich wollte wissen, wann ich wieder in meine Hütte konnte, aber er meldete sich nicht. Ich klappte mein Notebook auf und schaute mir die Nachrichten an. Das Foto des unbekannten Toten wurde gezeigt, ob jemand wisse, wer der Unbekannte sei. Da war man also auch noch nicht weitergekommen. Es klingelte. Carlos am Rohr. Meine Hütte sei freigegeben. Er komme mich gegen 12:00 h abholen.

Es war dann doch schon halb eins, als Carlos auf der Matte stand. „Was hat die Befragung ergeben? Ist der Tote nun identifiziert?“ „Das kann man so nicht sagen. Einige Befragte meinen, dass er hier irgendwo auf deiner Straße wohnt, andere glauben nicht, dass sie ihn schon mal gesehen haben. Außerdem war in neun Häusern niemand anzutreffen. Entweder schon zur Arbeit oder im Urlaub oder es sind reine Ferienhäuser, deren Inhaber im Moment nicht hier wohnen. Ich lasse vom Grundbuchamt eine Liste machen, in der die Eigentümer aller Häuser stehen. Wenn die vorliegt, werden wir sehen, wen wir nicht angetroffen haben und dann weiterermitteln. Außerdem läuft eine Suchmeldung übers Fernsehen und morgen auch über die Presse. Wir sind also am Ball.“ „Na schön. Dann bring mich bitte nach Hause, aber vorher gehen wir eine Kleinigkeit essen. Ich habe einen Mörderhunger.“ „O. K., wird gemacht. Wo willst du hin?“ „Wie wäre es mit dem „La Tortuga“? Da gibt es ein sehr gutes Fischgericht, wenn Fisch da ist. Ansonsten bieten die auch ein leckeres Kalbskotelett an, direkt hier von der Insel.“ „Das ist leider nicht möglich, denn die öffnen erst um 19:00 h, und es wird dir zu lange dauern, darauf zu warten.“ „Dann ist es mir egal, Hauptsache es geht gleich los. Ich hatte heute erst zwei Tassen Kaffee!“ „Ja, du siehst um die Nase herum schon ganz spitz aus, da müssen wir unbedingt etwas unternehmen. Wir fahren ins „Sa Panxa.““ „O.K., das ist auch gut. Nix wie los.“

Der Koch hatte nicht seinen besten Tag, und das sagte ich ihm auch. Er entschuldigte sich etwas schluffig und gab uns beiden je einen Kräuterschnaps aus. Wir fuhren dann endlich weiter zu meiner Hütte. Das Polizeiaufgebot war völlig verschwunden, ebenfalls die Absperrbänder. Alles sah genauso friedlich aus wie immer. Der Schlüssel lag wieder unter dem Blumenkasten und man konnte nicht glauben, dass ich gestern hier über einen Toten gestolpert bin. Carlos gab mir den Schlüssel: „So, dann bist du wieder Herr über dein Heim. Ich würde dem Schlüssel aber ein besseres Versteck zuweisen. Eigentlich könntest du den Schlüssel sonst auch direkt im Schloss stecken lassen“, grinste er. „Das Versteck habe ich vom Vorbesitzer übernommen. Der hat das auch immer so gemacht“, entgegnete ich trotzig, „und nie ist etwas passiert.“ „Jaja, Harry und die Tradition. Mach doch was du willst, Harry. Ich meine es doch nur gut mit dir.“

Das Telefon brummte, und Carlos nahm das Gerät ans Ohr. Sofort verfiel er wieder in den Inseldialekt, und ich konnte nichts verstehen. Er setzte sich an den Küchentisch, holte Papier und Bleistift hervor, klemmte das Telefon zwischen Schulter und Ohr. Dann machte er sich Notizen. Derweil schaute ich mich in der Küche um. Alles war blitzsauber, auch der Küchentisch. Keine Fliegen mehr, nur noch ein schwacher, übler Geruch. Durch das Lüften würde der wohl mit der Zeit verschwinden. Mir kam es bald so vor, als hätte ich nur schlecht geträumt.

Das Telefongespräch war beendet, Carlos schrieb noch weiter, beendete die Schreiberei und sah dann auf zu mir. „Es tut sich was. Angeblich wohnte der Tote in der Nummer 12. Das ist schräg gegenüber, auf der anderen Seite. Da gehe ich direkt mal rüber und schau mir das an.“ „Prima, ich habe Zeit. Da gehe ich doch mit.“ „Harry, du gehst nirgendwo hin! Das sind polizeiliche Ermittlungen, und da hast du nichts zu suchen!“ „Nun stell dich mal nicht so an! Ohne mich hättest du den Drogenbaron nie dingfest machen können!“ „Jaja, Harry der große Ermittler! In Gottes Namen, dann komm eben mit, aber halt dich zurück! Ich will keinen Ärger haben.“

Ich verschloss die Haustüre, legte den Schlüssel gewohnheitsmäßig unter den Blumenkasten, und wir schritten eilig die Straße hinüber zur Nr. 12. Das Haus sah genauso aus wie meines. Alle Häuser in der Straße sahen fast völlig identisch aus. Als der Bauboom begann, Ende der 1970 er Jahre, hat ein Unternehmer das ganze Areal gekauft, mehrere Stichstraßen gezogen, Strom, Wasser und Kanal gelegt und dann ein Reihenhaus an das andere genagelt, bis die ganze Gegend mit völlig identischen Reihenhäusern verseucht war. Der Preis war einheitlich 85.000,00 DM für jedes Häuschen, und ich vermute, dass er 20.000,00 DM je Haus für sich eingestrichen hat. Alles in allem wurden etwa 80 Häuser gebaut. Man kann sich ausrechnen, was da verdient worden ist.

Auf Carlos Klopfen hin öffnete niemand. Auch in den Nachbarhäusern, rechts und links, schien niemand zu wohnen. Carlos hob den obligatorischen Blumenkasten hoch, und sieh an: Da lag der Haustürschlüssel. Mit einem breiten Grinsen schaute er mich an und öffnete dann die Türe. Er rief in den Hausflur: „Hallo, ist da jemand?“ Niemand antwortete. Vorsichtig ging er in den Hausflur und rief erneut. Wieder keine Antwort. Alle Jalousien/Rollläden waren geschlossen. Es war stockdunkel in dem Haus, und es war ein eigenartiger Geruch vorhanden. Carlos schaltete die Deckenbeleuchtung ein. Zuerst musste sich das Auge an das plötzliche Licht gewöhnen, aber was es danach zu sehen bekam, war ein Trümmerfeld, wie ich es so noch nie gesehen hatte. Alle Schränke waren aufgerissen und auf den Boden gestürzt, die Schubladen rausgerissen, die Schranktüren abgerissen, die Sofa- und Stuhlpolster zerschnitten, die Gardinen von der Wand gerissen. Zerfetzte Bücher, zerbrochenes Geschirr, zerschlagene Stühle, zerschlitzte Gemälde. Es war ein Bild des Grauens.

Carlos drehte sich zu mir und sagte ziemlich schroff: „Sofort raus hier, Harry. Ich möchte später keine DNA von dir hier vorfinden.“ Er schob mich nach draußen und rief die Spurensicherung an. „Ja was ist denn hier los gewesen?“ Ich schaute Carlos fragend an und er meinte: „Das war ein Wohnzimmertsunami. Einer der schlimmsten, die ich je gesehen habe. Da können wir nichts machen. Die SPUSI muss hier alles sichern und aufnehmen. Geh bitte nach Hause, ich warte hier auf die Kollegen. Ich komme dann auch rüber, sowie die hier eingetroffen sind.“

5. Kapitel

Ich hatte auf dem Türschild einen Namen gelesen: „Yussuf Karaibi“. Im ersten Anlauf gab ich den Namen bei Google ein. Es gab nur ähnliche Schreibweisen, aber nicht exakt die, die auf dem Türschild stand. Ergebnis: Sackgasse. Ich hatte mein Haus vor Jahren von einem deutschen Ehepaar gekauft, das nach Deutschland zurückgegangen war. Im Abstellraum, neben Besen und Staubsauger, hatte ich die kompletten Unterlagen in eine Umzugskiste gepackt und dort verstauben lassen. Nun kramte ich die alten Sachen hervor. Irgendwo dazwischen musste eine Liste aller Hauskäufer existieren, die in dieser Straße wohnen. Ich hatte mich damals beim Kauf des Hauses gewundert, warum ich eine solche Liste erhielt. Aber wie man mir erklärte, war es bei dieser Art der Reihenhausbebauung Vorschrift.

Nach mehreren Niesanfällen, die sich aus dem aufgewirbelten Staub der Akten ergaben, fand ich den Schnellhefter mit den Adressen. Natürlich schaute ich sofort nach den Besitzern von Haus Nr. 12. Kein „Yussuf Karaibi“ war dort vermerkt, sondern Heinz und Hilde Krachschnitzer aus Dortmund. Google kannte die beiden nicht. Ärgerlich. Diese Spur führte ins Leere. Aber ich hatte noch ein As im Ärmel. Die Daten meiner Vorbesitzer besaß ich. Familie Ardomeit, nette, ältere Herrschaften, die ins Ruhrgebiet zurückmussten, da die Kosten für Krankheitsbehandlung in Spanien die Renten auffraßen. Ich hatte sie schon des Öfteren wegen diverser Kleinigkeiten angerufen, und genau das wollte ich jetzt auch tun.

Nach wenigen Klingelzeichen ging Herr Ardomeit ans Telefon. Nach den üblichen Begrüßungsfloskeln fragte ich ihn, was er mir über die Familie Krachschnitzer sagen könne. Er überlegte eine Weile und erklärte mir dann, dass die