Todeswunsch - Sebastian Gallo - E-Book

Todeswunsch E-Book

Sebastian Gallo

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Beschreibung

Das Buch "Todeswunsch" erzählt die mysteriöse Geschichte eines Mannes, der scheinbar durch Zufall ins Fadenkreuz einer kriminellen Organisation gerät. Schnell bemerkt er jedoch, dass nicht etwa der Zufall, sondern viel mehr seine Arbeit im örtlichen Gefängnis, Grund für die nahende Bedrohung ist. Es beginnt ein spannendes Spiel um die letzte Zeit, die einem in der Todeszelle bleibt.

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Seitenzahl: 98

Veröffentlichungsjahr: 2020

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Denn jeder schreibt seine Geschichte irgendwann selbst, man muss nur den Stift in die Hand nehmen.

Dies sollten die letzten Zeilen sein.

Die letzten Zeilen des Buches, meine letzten. Während ich den Kugelschreiber also erneut auf dem weißen Grund umherzog, kreisten meine Gedanken in vergleichbar enden wollenden Zügen.

Zu lange hatte ich nach diesem einen Ausweg gesucht, den es, naiv gesehen, immer gab. Ich meine, manchmal liegt die Lösung eben nicht sichtbar auf der Hand, manchmal liegt sie verborgen zwischen den verkrampften Fingern einer Faust. Und wenn diese Faust zu stark ist um sie alleine zu öffnen, dann fürchte ich, gibt es ihn nicht, diesen einen Ausweg.

Ich möchte Ihnen eine Geschichte erzählen:

Kennen Sie die von der Frau, die ihren Mann mittels eines Apfels vergiftete?

Nein? Dann passen Sie gut auf!

Eines Tages servierte die Frau eines reichen Ehepaares ihrem Mann einen Apfel. Er wusste, dass etwas damit nicht stimmte und dennoch ließ er sich auf das folgende Spiel ein. Die Frau ließ ihrem Mann die Wahl, an welcher Stelle sie den Apfel mit einem Messer entzweischneiden sollte.

Nachdem der Mann also gegrübelt und die Stelle für den Schnitt festgelegt hatte, aßen beide ihre Hälften. Und dennoch verstarb nur er, nachdem beide ihren Teil der Frucht verspeist hatten. Wie konnte die Frau sich so sicher sein, dass nur ihr Mann von der vergifteten Seite essen würde? Wie konnte sie im Voraus wissen, welche Seite der Mann wählen würde?

Sicherlich kein vergleichbarer Konflikt. Oder vielleicht doch? Es muss eine logische Erklärung geben und dennoch findet man sie nicht. Denn der Mann scheint die Wahl über Leben und Tod zu haben und genau hier ballt sich die Faust, um es mal salopp zu sagen.

Er dachte zwar, er hätte die Macht, einen Ausweg zu finden, doch wie so oft trügt der Schein. Das todbringende Gift befand sich nie im Apfel, sondern auf der einen Seite des Messers, mit dem die Frau diesen teilte.

Es war also egal, an welcher Stelle die Frau den Apfel teilte, solange sie ihrem Mann die Hälfte gab, die das Gift am Messer berührt hatte.

Wenige Minuten später verstarb der Mann, im Glauben, er hätte eine Chance gehabt.

Wahrscheinlich schreibe ich diese Zeilen aus diesem Grund auf. Auch wenn ich dachte, ich sei in der Position, den Verlauf der Ereignisse zu ändern, war ich es nie. Zu keinem Zeitpunkt hatte ich die Kontrolle, weil ich nicht stark genug war, die Faust zu öffnen.

Und dennoch: Man hat immer eine Wahl, oder?

Inhaltsverzeichnis

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

- Kapitel 1 -

Ich weiß noch genau, wie alles damals begann. Und mit „alles“ meine ich wirklich alles. Ihr werdet denken, ich sei der Täter, ihr werdet denken, ich sei das Opfer. Doch eigentlich beleuchtet ihr mit eurer scheinbar perfekten Lampe nur einen kleinen Teil des viel zu großen dunklen Raumes. Schon bald werdet auch ihr euch in Ahnungslosigkeit und Unwissenheit wiederfinden.

In diesem Punkt teilen wir uns ein Boot, das können Sie mir glauben. Also achten Sie gefälligst auf jedes Detail, denn ich werde mich nicht wiederholen. Aber urteilen Sie nicht zu voreilig, denn egal was Sie in den ersten Sekunden zu wissen glauben, die Wahrheit wird es nicht sein.

Das musste ich ebenfalls feststellen, als die ersten Sekunden des Tages anbrachen, der alles auf den Kopf stellen sollte.

Es war einer dieser kalten Novembermorgende, an denen der weiße kühle Tau wie schwerelos in der Wiese hing und die leicht bedeckten Tannengipfel unter der kühlen Last zu frieren schienen.

Dichte Wolken glichen einer flauschigen Decke, die zwischen den eisigen Gipfeln und den protzigen Hochhäusern der Stadt hing. Einer Stadt, die noch tief und wohlbesonnen schlief zur kältesten Zeit des Jahres.

Die ersten Sonnenstrahlen, die sich mühsam den Weg durch die dicke Wolkendecke bahnten, spiegelten sich auf der glatten Oberfläche des gefrorenen Sees. Leise Pfiffe unterkühlter Vögel drangen zwischen den Ästen umherstehender Bäume hervor. Es schien ein völlig unbeschwerter, gewöhnlicher Wintermorgen zu sein. Es war der achte Tag des Monats und ab heute sollte sich einiges ändern.

Mein Name ist vorerst uninteressant. Das werden Sie früher oder später merken.

Mein bisheriges Leben bediente sich durchschnittlicher Anonymität, was höchstwahrscheinlich jeder ohne Weiteres von sich behaupten würde, säße er nicht Champagner trinkend auf dem eigenen Privatschiff.

Zumindest dachte ich das.

Zugegeben dachte ich an sehr viel, wenn ich alles um mich herum beobachtete. Ich fing irgendwann an, mir Fragen zu stellen, auf die das Leben ohne weiteres keine Antworten liefert. Das hängt wahrscheinlich mit meiner Arbeit zusammen. Aber alles zu seiner Zeit.

Da saß ich also: Dick eingepackt in meinem eindeutig zu großen Wintermantel auf einer alten Parkbank und starrte in die weiße Ferne. Ich hatte mich für diese Bank entschieden, weil ich ohnehin immer dort saß und weil man sie gut geschützt unter einer alten Tanne platziert hatte.

Hinter der kleinen Eisfläche bahnte sich ein grauer Fußpfad, inmitten des endlosen Winterlandes, seinen Weg. Mit diesem konnte man den Park problemlos als Abkürzung einplanen.

Doch für mich war dieser Fleck Natur mehr als die Möglichkeit, Zeit einzusparen. Ich kam tagtäglich her und setzte mich zur selben Uhrzeit auf dieselbe Bank, um denselben Leuten bei denselben Tätigkeiten zuzuschauen. „Merkwürdig“, denken Sie? Na, dann warten Sie mal ab.

Da war zum Beispiel der kleine Junge, der kurz vor sieben erschien und sein Pausenbrot entsorgte. Oder die Frau, die etwa eine halbe Stunde später mit rasender Geschwindigkeit an mir vorbei zog, nur, um den letzten Bus zu bekommen.

Ob jemand wusste, dass ich sie alle beobachtete?

Den alten Mann, den kleinen Jungen, die Sprinterin, die Dame mit dem Hund.

Nein, ich denke nicht! Ich war unsichtbar. Niemand grüßte mich, ich grüßte niemanden.

Und ich kann mir gut vorstellen, was Sie nun von mir denken. Doch glauben Sie es ruhig, schon bald kann man mir mehr vorwerfen als lächerliches Stalking.

Und um diese Uhrzeit hatten die Menschen so oder so andere Probleme. Ich meine, wir reden hier von Greenville, einer Kleinstadt im Herzen Ohios. Äußerlich die wohl perfekte Vorzeigestadt. Sauber, ordentlich und diszipliniert.

Sie suchen Wohlstand und Ordnung? Dann kommen sie nach Greenville. Doch so ironisch das auch klingen mag, unsere Stadt war weder das letzte Licht am Nachthimmel noch der heilige Schein, den jeder hier so krampfhaft versuchte zu wahren. Diese Stadt, unsere Stadt, war innerlich verseucht, verfault und falsch. Während die Bewohner ihren täglichen Aufgaben nachgingen, hing die Dunkelheit einer schrecklichen Tat in den Gedächtnissen der Menschen fest.

Wie ein peinliches Vorkommnis verdrängte man die Grausamkeit, die zwischen glänzendem Schein und funkelndem Perfektionismus keimte. Man verbannte sie stumm und ignorant. So als sei sie eine erfundene Geschichte ohne Happy-End. Einfach keiner Erinnerung würdig!

Denn dort, wo die Sonne scheint, fällt auch Schatten.

Schon bald werden Sie wissen, wovon ich rede.

Und so anmutend und ästhetisch die plüschig weiße Landschaft auch schien, es war bitterlich kalt. Ich hatte meinen hellgrauen Mantel bis unters Kinn zugeknöpft und dennoch gefror mein Atem bei jedem Zug aufs Neue. Mein Blick wanderte über die vereiste Umgebung, weiter und weiter. Bis er an einem kleinen Spielplatz am Rande des Parks hängen blieb.

Eine Frau mittleren Alters, schätze ich, hatte sich kaffeeschlürfend auf einer der vorgesehenen Sitzmöglichkeiten niedergelassen. Ihre kleinen Hände waren in dicke Wollhandschuhe eingepackt und obwohl ihr trendiges Heißgetränk noch vor sich hin qualmte, stellte sie es behutsam neben sich ab, um einen kleinen Jungen vom Klettergerüst runter zu heben.

Ihr braunes, hochgestecktes Haar und die weit nach vorn geschobene Brille, die streng auf ihrer Nasenspitze thronte, ließen mich annehmen, dass sie ihre Kinder mit harter Hand erzog. Ein etwas größerer Junge schaukelte unterdessen unermüdlich unter der klapprigen und verrosteten Stange. Dies verursachte ein immer wiederkehrendes leises Quietschen, das neben den zwitschernden Vögeln für eine unangenehme Geräuschkulisse sorgte.

Naja, besser als Totenstille. Alles ist besser als Totenstille! Die schätzungsweise vierzigjährige Frau griff gekonnt in ihr Gesicht, um die Designerbrille von der Nase auf den Kopf zu setzen. Die Hände verschwanden samt der Wollhandschuhe in ihren großen Manteltaschen.

Sie kehrte zur Parkbank zurück und nahm auf der gleichen Stelle Platz, auf der sie noch vor wenigen Minuten ihren Kaffee genoss. Dabei schien ihr nicht einmal aufzufallen, dass das Getränk gar nicht mehr neben ihr stand. Es interessierte sie einfach nicht, so als hätte sie es dort gelassen, damit es verschwindet. Ich hätte zu gerne gesehen, wer für diesen kleinen fiesen Diebstahl verantwortlich war.

Ich ahnte noch nicht, was folgen würde, sonst wäre ich wohl aufgestanden, zum Ausgang des Parks gestapft und hätte dem geliebten Fleck Natur auf Nimmerwiedersehen gewünscht.

Ich zog meine rechte Hand aus meinem grauen Mantel und warf einen Blick auf meine Armbanduhr. „Noch zehn Minuten“, murmelte ich vor mich hin und richtete meine Aufmerksamkeit wieder auf das eben beobachtete Geschehen. Doch ich konnte nichts als weißes Fell erkennen. Das Fell einer Winterjacke versperrte mir plötzlich die perfekte Sicht. Ich hob meinen Kopf, um das Gesicht der offenbar unverschämten Person zu erkennen, die ungeniert vor mir zum Stehen kam.

Doch bevor ich die richtigen Worte fand, setzte sie sich ungefragt auf die freie Bankfläche links neben mir. „Nette Aussicht, nicht wahr?“, wollte sie mit sanfter Stimme wissen. Ich drehte meinen Kopf in die Richtung, aus der die Frage kam. „Ja. Nur etwas kalt.“, betonte ich stotternd und hoffte auf ein schnelles Ende dieser unangenehmen Konversation. Hatte sie mich beobachtet? Wusste sie, warum ich hier sitze?

Überfordert musterte ich die Frau, die gerade dreist ein Gespräch erzwang. Ihre langen, hellblonden Haare fielen schwerelos über ihre zierlichen Schultern, die von weißem Tierfell bedeckt waren. Ihr Gesicht schien kühl und blass neben den vollen, knallroten Lippen.

Darunter trug sie einen kurzen schwarzen Rock mit roten Kirschen darauf, denke ich.

Um ehrlich zu sein, kann ich mich daran nicht mehr genau erinnern. Aber wer entschied sich bei diesen frostigen Temperaturen für den luftigsten Rock im Schrank?

Irritiert versuchte ich, mir eine passende Erklärung hierfür einfallen zu lassen, aber es ergab keinen Sinn. Genauso wenig wie die Tatsache, dass sie das Gespräch mit mir suchte, ohne ihr Anliegen zu nennen. Ich strich mir, etwas unwohl, meine langen braunen Haare aus der Stirn und versuchte, wie bisher, Blickkontakt zu vermeiden.

Doch im Augenwinkel erkannte ich, dass sie nach ihrer kleinen silbernen Tasche griff und diese langsam öffnete. Sie nahm eine schwarze Sonnenbrille heraus und setzte sie auf. Auch dies machte in meinen, und vor allem vor ihren Augen, keinen Sinn, denn die Sonne war seit wenigen Minuten hinter dicken Wolken verschwunden. Ich hörte allerdings auf zu grübeln, denn keine ihrer Taten schien logisch zu sein.

Nervös warf ich einen zweiten Blick auf meine Uhr. „Noch fünf Minuten!”

„Und was sagt die Uhr, junger Mann?”, erkundigte sich die Dame, die mich offensichtlich beobachtet haben musste. Ihr Kopf war immer noch auf den Park gerichtet, auf den kleinen Spielplatz und die spielende Familie. „Fünf vor Acht”, erwiderte ich prompt, um ihr zu signalisieren, dass ich weder an Smalltalk interessiert war, noch die Zeit dafür hatte. Ob es unhöflich wäre, nun aufzustehen und das Weite zu suchen, obwohl sie offensichtlich nach Gesellschaft suchte? Ich schaute in die Ferne.

Die strenge Frau und die Kinder standen wieder in der Nähe des Klettergerüsts, als sich der ungebetene Gast links von mir erneut zu Wort meldete: „Wird es nicht langsam Zeit, Herr Levis?” Ich zuckte zusammen.

Mir wurde schlagartig kalt.

Die merkwürdige Situation wurde soeben zu einer Psycho Situation.