Tödliche Augenblicke - Bari Wood - E-Book

Tödliche Augenblicke E-Book

Bari Wood

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Beschreibung

Das Leben der jungen Jennifer ist von einem Geheimnis überschattet. Sie könnte ein glückliches Kind in einer reichen, glücklichen Familie sein, wenn nicht eine Röntgenstrahlung vor ihrer Geburt eine Mutation bewirkt hätte. Niemand ahnt etwas von der schrecklichen Kraft, die Jennifer zu einem Monster macht, nicht einmal sie selbst. Aber andere Kinder, Bekannte und Dienstboten meiden sie instinktiv, und das hübsche junge Mädchen wächst in einer unerklärlichen Isolation auf ... (Dieser Text bezieht sich auf eine frühere Ausgabe.)

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Seitenzahl: 488

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Bari Wood

Tödliche Augenblicke

Roman

Aus dem Amerikanischen von Günther Danehl

FISCHER Digital

Inhalt

Für CongdonErster Teil123Zweiter Teil1234Dritter Teil123Vierter Teil12345Fünfter Teil123456789

Für Congdon

Erster Teil

1

17. Juni bis 28. August 1928

Noch zwei Stunden bis Kennebunkport, und schon stand die Sonne hinter den Bäumen. Tom trat auf den Gashebel … er fuhr viel zu schnell für diese Straße, doch würde man ohnehin kaum vor Dunkelwerden ankommen, und bei Nacht war die Straße praktisch unbefahrbar.

Kate schlief – erledigt, dachte Tom, dem nicht entging, daß winzige Rinnsale von Schweiß sich mit dem Staub auf ihren Wangen mischten, daß der Kopf willenlos zu den Stößen der unebenen Fahrbahn nickte. Er beneidete sie. Die Augen brannten ihm, der Kopf schmerzte heftig, und nicht zum erstenmal schwor er sich, nie mehr vor dem Mittagessen schlechten Gin zu trinken.

Wäre es früher am Tage gewesen, er hätte am Straßenrand gehalten und geschlafen. Dazu war es jetzt zu spät. Und schließlich warteten keine sechzig Meilen entfernt eine kühle Dusche, französischer Wein und eine exquisite Mahlzeit im Kennet Inn auf ihn. In anderthalb Stunden sollte er es eigentlich schaffen können. Er trat den Gashebel durch, das Tachometer zeigte 50 Meilen; Schotter prasselte gegen die Unterseite der Karosserie, die Reifen wirbelten eine mächtige Staubwolke auf. Staub drang durch die geöffneten Fenster ins Wageninnere, legte sich auf das Leder der Sitze, auf das Armaturenbrett, auf die Kleidung der Insassen.

Trotz des Schotterbelags nahm der Pierce Arrow prachtvoll die nächste Kurve. Für den Sohn von Thomas List war das Beste eben gut genug. In der Geraden kletterte die Tachometernadel auf 52, dann auf 55 …

Er hörte nicht, wie der Reifen platzte, er spürte es aber. Der Wagen brach nach links aus, das Steuer wurde ihm aus der Hand gerissen. Zu spät trat Tom auf die Bremse. Der Wagen schoß schräg über die Straße, die Böschung hinunter und gegen eine der alten Douglastannen am Wegrand.

Die Windschutzscheibe splitterte, auf der Fahrerseite flog die Tür auf, die Hinterräder drehten leer in der Luft, von Reifen und Speichen stäubte es immer noch.

 

»Keine blutige Angelegenheit. Der Mann hat ein paar Schrammen. Die Frau leidet allerdings ziemliche Schmerzen …« Pause. »Offenbar an der Hüfte.« Wieder eine Pause. Tom sah zu, wie Sheriff Stroud erst sein schweißnasses Gesicht abwischte, dann den Telefonhörer trocknete. Die örtliche Telefonvermittlung befand sich auf der Veranda eines schlichten Hauses. Hier war alles blitzblank, es standen sogar welke Topfpflanzen herum, doch die Fliegenfenster ließen keinen Luftzug herein, und es war erstickend heiß.

»Nee – ihre Karre ist hin, ich kann die beiden aber bringen.« Noch eine Pause und endlich: »Schön. So rasch es geht.«

Tom ging hinter dem Fremden her, drei Stufen die Veranda hinunter auf die staubige Straße. Staub saß ihm in den Haaren, auf den Wimpern, zwischen Zähnen und Schenkeln. Von den Tannen her wehte eine kühlende Brise, die den Schweiß zu einer Kruste trocknete.

Kate lag auf dem Rücksitz im Wagen des Sheriffs, die Knie eng an den Leib gezogen, denn es tat ihr weh, die Beine auszustrecken. Die offenen Augen blickten glasig, wie es Tom vorkam, und er fand ihr Gesicht sehr blaß.

»Kate?«

Sie wandte ihm den Blick zu.

»Es sind nur ungefähr zwanzig Minuten zum Krankenhaus, man erwartet uns dort schon.« Sie schaute weg.

Sheriff Stroud pumpte den Anlasser auf. Ein Glück, dachte Tom, kurbeln müssen wir nicht, sein Wagen ist ziemlich neu.

»Wie ist denn die Straße?« fragte er.

»Nicht übel. Wir fahren vorsichtig.«

Der Druck reichte jetzt. Stroud ließ den Motor an, nahm die Kupplung sachte zurück, steuerte den Wagen erst vorsichtig über den Rasen, dann über den Sommerweg auf die Fahrbahn. Er war ein guter Fahrer, durchfuhr zügig und doch behutsam die Kurven, vermied nach Möglichkeit tiefe Radspuren. Kate hielt die Augen geschlossen – entweder schlief sie, oder sie war bewußtlos, jedenfalls litt sie keine Schmerzen.

Auf dem Weg zum Krankenhaus kam man an dem verunglückten Pierce Arrow vorüber, der immer noch die Tanne umklammerte. Die Hinterräder ragten in die Höhe, die Türen waren aufgesperrt und hingen in den Scharnieren wie gebrochene Flügel. Im Vorüberfahren wandte Tom den Kopf weg. Es war sein erster Pierce Arrow, ein Hochzeitsgeschenk des Vaters, und nur ungern ließ er ihn hier im dunkelnden Wald zurück, auf der öden, staubigen Straße. Dann war man um die nächste Kurve und der Wagen nicht mehr zu sehen.

Das Krankenhaus machte einen überraschend guten Eindruck, sauber, recht modern. Man wartete schon – ein Arzt im weißen Kittel, zwei Männer mit einer Trage. Kaum hielt der Wagen, kamen sie bereits quer über den Rasen. Der Mann im weißen Kittel, etwa in Toms Alter, recht gut aussehend, wenn auch eher klein, öffnete die hintere Wagentür. »Was wollen Sie machen?«

»Ich gebe ihr eine Spritze … Morphium. Damit sie keine Schmerzen hat.« Er kletterte in den Wagen, hockte sich neben Kate auf den Boden. Was er zu Kate sagte, konnte Tom nicht hören; ihre Augen waren jetzt geöffnet, wirkten tief eingesunken, und ihre Stimme klang sehr schwach. Sie hielt dem Mann einen Arm hin; Tom schaute weg.

Der Mann zwängte sich rückwärts durch die Tür hinaus. »Warten wir ein paar Minuten … nur keine unnötige Quälerei.«

»Was fehlt ihr?«

»Dazu muß ich erst die Röntgenbilder sehen. Möglicherweise ist die Hüfte gebrochen.«

Tom schaute vorbei an dem Mann zu Kate hin. Ihr Gesicht wirkte jetzt weniger blaß, die Haltung weniger verkrampft.

»Kate?«

Sie lächelte ihm zu. Der Arzt winkte die Krankenträger heran. Die hoben Kate aus dem Wagen auf die Trage und trugen sie über den Rasen ins Haus.

Sheriff Stroud beugte sich aus dem Wagenfenster. »Gehen Sie ruhig mit, Mr. List. Ich benachrichtige auf dem Rückweg unsere Werkstatt, und die wird sich gleich morgen früh um Ihren Wagen kümmern. Doktor More hat meistens ein paar Betten frei, Sie können bestimmt hier schlafen.«

Tom langte nach der Brieftasche, der Sheriff beachtete das aber nicht, und so stand denn Tom in der einfallenden Dunkelheit allein auf dem Rasen, die Hand an der Brieftasche, und schaute einer aufsteigenden Staubwolke nach.

Von den Inseln, die kaum noch zu sehen waren, zog Nebel zur Küste herüber. Tom drehte sich um, ging über den Rasen zum Gebäude. Seit die Frühjahrssonne untergegangen war, wurde es rasch kühler, und als er in die warme Halle des Krankenhauses trat, erschauerte er ein wenig. Gerade hatte er auf der hölzernen Bank Platz genommen, als der Arzt hereinkam, offenbar auf der Suche nach ihm.

»Sie sollten vielleicht einen Schluck trinken, Mr. –«

»List«, sagte er in dem Ton, in dem er sich immer vorstellte. »Thomas List, Junior.«

Keine erkennbare Reaktion. Der Name sagte dem Arzt offensichtlich nichts. »Mein Name ist More. Doktor Edwin More. Kommen Sie doch bitte mit mir.«

Tom folgte ihm in ein Wartezimmer, das aussah wie ein Salon: Polstersessel um einen Kamin gruppiert. Der Arzt schenkte eine farblose Flüssigkeit ein, die er in einem verschlossenen Schränkchen verwahrt hielt, und Tom nahm einen tüchtigen Schluck. »Sehr gut«, bemerkte er dazu.

Dr. More lächelte. »Wir haben ganz in der Nähe die beste illegale Brennerei von Neuengland.«

Tom nahm noch einen Schluck. Schon besser. Seine Hand zitterte nicht mehr.

»Was höre ich da von Röntgenaufnahmen?«

»Sie haben Glück, Mr. List. Das einzige Röntgengerät weit und breit ist ausgerechnet in unserem Krankenhaus. Wir können also –«

»Ich glaube kaum, daß ich Ihnen gestatten kann, meine Frau zu röntgen.« Toms Ton überraschte den Arzt, er schaute ihn prüfend an. Die Tweedjacke war verstaubt aber teuer, die Hose aus seidenweichem Flanell, und die Schuhe schließlich – zwischen Bar Harbor und Kennebunkport konnte sich gewiß kein Mensch solche Schuhe leisten.

»Das Verfahren ist absolut ungefährlich, Mr. List. Wir wenden es schon seit einer Weile an. Ihrer Frau kann dabei gar nichts geschehen.«

»Man liest aber davon, daß danach Ausschlag, Gechwüre, Haarausfall und ähnliches auftreten sollen –«

»Ich kenne diese Berichte. Dabei handelt es sich aber um die ersten Geräte. Die neuesten sind beinahe schon perfekt. Wir können die Strahlendosis, der Ihre Frau ausgesetzt wird, genau bestimmen. Übrigens war auch früher schon die Gefahr für den Radiologen weitaus größer als für den Patienten.«

Tom stand auf, er legte den Kopf zurück und erweckte so den Eindruck, als sehe er von großer Höhe auf Dr. More herab. »Wie schon gesagt, ich kann meine Einwilligung dazu nicht geben, Dr. More, und ich wünsche keine weitere Diskussion.«

Tom war ein noch junger Mann, doch der Arzt hörte bereits unanfechtbare Autorität aus dieser Stimme heraus. In ein paar Jahren wird man mit diesem jungen Thomas List nur noch schwer fertig werden können, ging es dem Arzt durch den Kopf. Aber so waren sie alle, die Reichen, die sich in Maine amüsierten.

»Ohne Röntgenaufnahmen führe ich keine Behandlung durch, Mr. List. Sollte die Hüfte gebrochen sein, und wird sie nicht gerichtet, dann kann Ihre Frau zum Krüppel werden. Richte ich den Bruch ohne Röntgenaufnahme, kann ich nicht kontrollieren, ob ich es richtig gemacht habe. Aber es steht Ihnen selbstverständlich frei, Ihre Frau zu einem anderen Arzt zu bringen. Falls Sie es für richtig halten, sie zu transportieren. Ich halte das für falsch. Aber die Entscheidung liegt bei Ihnen, und die Verantwortung tragen Sie.«

Tom bemühte sich, den Arzt mit Blicken einzuschüchtern, doch das Zittern hatte neuerlich begonnen. Er wußte, seine Reaktion war unangemessen. Der Arzt sollte ihn keinesfalls für arrogant halten. Immerhin war es ein Schock … unter ihrer Haut war etwas gebrochen. Er erinnerte sich daran, wie Kates Haut sich unter seinen Fingerspitzen angefühlt hatte, unter seinen Lippen. Die perfekte Ordnung, die, wie er spürte, unter der Haut seiner Frau herrschte, war gestört. Er setzte sich. Selbstverständlich kam es nicht in Frage, sich zu entschuldigen, doch konnte man eine Erklärung geben. »Wir waren auf der Hochzeitsreise.«

Der Arzt nahm ebenfalls Platz. »Ach, das ist aber bedauerlich. Wollten Sie nach Kennebunkport?«

Tom nickte.

»Tja, wenn Sie bloß einen Muskel gezerrt hat, oder etwas der Art, dann flicken wir sie zurecht, und Sie können in ein, zwei Tagen weiter.«

Er glaubte keinen Moment an eine Muskelzerrung, aber warum Hoffnungen zunichte machen, wenn es nicht unbedingt notwendig war?

»Und falls doch was gebrochen ist?«

»Dann bekommt sie einen fürchterlichen Gipsverband, unter dem ihr eine Weile sehr unbehaglich sein wird, aber schlimm ist es nicht. Sie ist noch jung, sieht kerngesund aus. Bestimmt ist sie in ein paar Monaten imstande, von neuem auf Hochzeitsreise zu gehen.«

 

Kate erinnerte sich nicht an die Schmerzen, sie wußte, daß es sehr weh getan hatte, immer noch weh tat, und doch wußte sie nicht wirklich davon. Sie lag auf dem Rücken, ohne Kleider, aber unter einem frisch gestärkten Leintuch, das nach der Bleiche roch. Man ging sanft mit ihr um, man hob sie an, sie spürte etwas Glattes, Kühles unter dem Gesäß, ihr Fleisch wurde platt, dehnte sich, als man sie darauf niederließ. An einem Stiel Glühbirnen, nein, nicht Glühbirnen, etwas anderes, sonderbar geformt, kompliziert, wie geblasenes Glas, umschlossen von einem schwarzen Kasten. Hinter dem durchsichtigen Glas erblickte man befremdlich verfitzte Glühfäden. Die bewegten sich vor ihren Augen. Birnen, Kasten und alles übrige schwebte an ihr vorüber, am Hals, an den Schultern, verschwand aus ihrem Gesichtskreis. Sie wollte das nicht zulassen. Wenn sie sich aufrichtete …

»Bitte, bleiben Sie liegen.«

Sie wollte sich umsehen – woher kam die Stimme?

»So bleiben Sie doch liegen!«

Schmerz griff nach ihr, und sie wußte: wenn sie nicht still liegenblieb, würde er sie packen.

Jemand faltete das Laken herunter, ging fort. Sie war allein mit dem schwarzen Kästchen. Sie hörte ein gedämpftes aber starkes Klicken, der schwarze Kasten summte, wieder klickte es, jetzt kam das Summen von allen Seiten.

Ihr Becken wurde von 4000 Röntgen getroffen, eine unsichtbare, unfühlbare Freisetzung von Energie. Die Strahlen drangen durch Haut, Bänder, Muskeln und Knochen bis zu den Organen, trafen die winzige, körnige, hohle, befruchtete, erst Stunden alte Eizelle, als die Differentiation stattfand. In jeder Zelle, in jedem Chromosom krümmten sich Helica, griffen ineinander, ließen voneinander, krümmten sich von neuem, codierten Milliarden Befehle, denen die Zellen vom Embryo zum Fötus, vom Fötus zum Kind und vom Kind zum Erwachsenen gehorchen würden. Jeder Zelle ihr eigener Code, eine Anweisung zur Spezialisierung; harmonisch würden sich die Zellen mit dem Gewebe vermehren, von dem sie ein Teil waren; endlich noch die Anweisung, gleichsam mit eingebautem Zeitzünder, mit der Zellteilung aufzuhören, den Zerfall und schließlich den Tod des Organismus herbeizuführen. Das Programm bestimmte sogar, in welchem Tempo der Leichnam sich zersetzen sollte.

Die eindringenden und gleich wieder ausgetretenen Röntgenstrahlen hinterließen ebenfalls ganz eigene Anweisungen; auch die wurden codiert, aufgenommen und gespeichert, während die Zellen sich teilten und das Ei größer wurde.

 

Zur Bahnstation fuhr Kate im Krankenwagen. Dr. More, sein Assistenzarzt und Tom hoben die Trage mit Mühe in den Sonderwagen, den die Familie zum Heimtransport des Sohnes und der Schwiegertochter gechartert hatte. Behutsam legte man sie auf das gemachte Bett. Der Schaffner strich die Decke glatt. Dr. More lehnte die Krücken, die man mitgebracht hatte, gegen die Wand. »Sie sind erst eine Woche aus dem Gips, bedenken Sie das. Bleiben Sie im Bett. Aufstehen nur zum Händewaschen.«

»Ja, ich verspreche es Ihnen!« lächelte sie.

Wenn sie sich überhaupt verändert hat in den letzten Monaten, dachte Tom, dann zu ihrem Vorteil. Sie ist dünner und noch hübscher geworden.

Man nahm Abschied. Tom wollte mit seiner Frau allein sein – die anderen sollten sich endlich davonmachen. Der Arzt blieb aber vor dem Fenster auf dem Bahnsteig stehen und schaute hinein. Tom winkte, der Arzt winkte zurück, wich aber nicht vom Fleck.

Tom versuchte, nicht an den Mann zu denken, der da draußen stand. Er machte sich an Kates Gepäck zu schaffen, klingelte dem Schaffner und bestellte Tee. Kate lächelte ihn selbstzufrieden an, ihr Kopf ruhte auf dem glatten Kissenbezug aus Musselin. Tom schaute wiederum hinaus. Der Arzt stand unverändert auf dem Bahnsteig, er beanspruchte einen Platz in dem Bild, das Tom von sich im Fenster gespiegelt sah. Diesmal lächelte er nicht, er winkte auch nicht, er schaute nur gedankenvoll ins Fenster, und zwar nicht auf ihn, Tom, wie dieser merkte, sondern zu dem Kissen, auf dem Kates Kopf ruhte. Endlich pfiff die Lokomotive, der Zug ruckte an, polterte, nahm die zur Stadt hinausführenden Geleise unter die Räder. Die weißgekleidete Gestalt des Arztes glitt am Fenster vorüber, war verschwunden.

»Eine richtige Hochzeitsreise war das ja nicht«, sagte Tom und verzog das Gesicht gutmütig, »aber ich verspreche dir: nächsten Sommer holen wir alles nach.«

Kate lachte: »Wenn überhaupt, dann müssen wir uns damit beeilen.«

Ihr Ton beunruhigte ihn. Hatte sie Geheimnisse? »Wie das? Warum können wir nicht warten? Ich habe schließlich noch einen Beruf. Vergiß auch das Haus nicht. Wir dürfen nicht einfach –«

»Weil das Baby nächsten Sommer schon ein paar Monate alt ist, und da werden wir es beide nicht allein lassen wollen.«

Tom erbleichte. »Wie –«

»Nun, auf die übliche Art.« Sie kicherte.

Er verzog den Mund zu einem sauren Lächeln, dann wurde es breiter, noch breiter.

Der Zug hatte seine Reisegeschwindigkeit erreicht, er flog an den Buchten entlang, welche das Meer hier aus dem Festland nagt, südwärts, Richtung Boston und New York.

 

Dr. More blieb auf dem Bahnsteig, bis der Zug nur noch eine kleine Dampfwolke war, die sich im Frühlicht dieses Augusttages verlor.

»Kommen Sie, Chef, wir müssen heim.«

More straffte sich.

»Stimmt was nicht, Chef?«

»Kaum. Aber es wäre mir lieber gewesen, ich hätte es gewußt.«

»Na und? Röntgen hätten Sie trotzdem müssen.«

More strich mit der Hand durch das von der Sonne gewärmte Haar. »Ich hätte den beiden vielleicht etwas sagen, sie vorbereiten sollen.«

»Dann hätte sich die arme Frau sieben Monate entsetzlich gefürchtet. Und geändert hätte sich dadurch nichts.«

»Sie haben recht. Und überdies –«, hier unterbrach sich Dr. More, denn er wollte von seinem Assistenten jene Bestätigung hören, die immer von neuem in ihren Gesprächen eine Rolle gespielt hatte, seit sie von der Schwangerschaft ihrer Patientin wußten.

»Und überdies«, nahm der Assistent sein Stichwort auf, »kann alles ganz glatt gehen. Man darf durchaus damit rechnen, daß das Kind normal wird.«

2

30. Januar 1931

Ein durchaus normales Kind.

Kate musterte den winzigen Körper ihrer Tochter aufmerksam.

»Sogar Fingernägel!«

Tom stimmte in ihr Lachen ein.

Das Kind wuchs normal heran. Der winzige Körper kräftigte sich, das dünne blonde Haar wurde voller, geradezu dicht, es färbte sich rötlich, und Kate sah bekümmert, wie das Blau der Augen täglich bräunlicher wurde. Kate vermerkte jede noch so kleine Veränderung Jennifers in einer Art Tagebuch, in dem weder ein Fußabdruck fehlte noch eine Locke.

Kate war auf altmodische Weise stolz auf ihr Kind und verbrachte viel Zeit im Kinderzimmer. Sie vernachlässigte ihre gesellschaftlichen Pflichten und mußte endlich von ihrer Mutter zur Ordnung gerufen werden. »Alle Leute bekommen Kinder, Kate, man kann nicht sein ganzes Leben der Kinder wegen ändern.«

»Aber mein Leben ist anders geworden, Mutter.«

»Selbstverständlich« – Mrs. Compton liebte es, sich selbst zu widersprechen – »aber man darf doch keinen Fetisch daraus machen. Am Donnerstag habe ich für dich eine Einladung zu Fields angenommen, und da mußt du einfach kommen. Dem Kind geschieht schon nichts. Schließlich hast du Marjorie und Mrs. Salter …« Kate gab nach und blieb dem Kinderzimmer fortan wenigstens nachmittags fern. Allerdings ließ sie es sich nicht nehmen dabeizusein, wenn Jennifer gefüttert wurde.

In gewisser Weise hatte die Mutter ja recht. Die kurze Trennung von ihrem Kind machte die Rückkehr ins Haus nur um so schöner. Meist war Kate zu ungeduldig, den Mantel auszuziehen, und lief gleich nach oben, wo Jennifer sie augenscheinlich schon erwartete, heftig gestikulierend und laut brabbelnd.

Dann sprach sie. Als Kate es Tom berichtete: »›Mami‹ hat sie gesagt, ganz klar und ohne alle Krächzlaute!«, verschloß sich sein Gesicht auf eine Art, die sie schon mehrmals hatte bemerken müssen, wenn sie zu ihm von dem Kind sprach.

»Aber das ist doch wunderbar!«

»Hm, kann sein.«

»Kann sein!«

»Entschuldige. Selbstverständlich ist es wunderbar.«

»Das sagst du nur so.« Er sagte es wirklich nur so; es war ihm einerlei.

»Himmeldonnerwetter, Kate, ich habe gesagt, es ist wunderbar, also ist es wunderbar, aber muß denn immerfort davon die Rede sein? Von jedem Quieken, jedem Pups –«

Ihr verschlug es die Sprache.

»Laß, Kate. Ich bin überarbeitet.«

Selbstverständlich war er überarbeitet. Man durfte das nicht beachten. Eines Samstags, als Marjorie das Kind nach dem Frühstück in die Bibliothek brachte, beobachtete sie Tom, wie er seiner Tochter beim Spielen zusah. Jennifer versuchte, auf der Decke zu stehen, die Marjorie ausgebreitet hatte, und ihr Vater schaute sie dabei mit einem Gesichtsausdruck an, der Kate entsetzte. Es war ein kühler, berechnender Blick, der unmöglich dem Kind Jennifer gelten konnte, sondern eher einem Erwachsenen, mit dem Tom Geschäfte machen, den er übervorteilen wollte.

Sie erzählte ihrer Mutter davon.

»Aber mein Herzblatt«, erwiderte Mrs. Compton, »die Männer reagieren auf Babys immer ganz anders, als wir von ihnen erwarten. Sie sind eifersüchtig, weil das Baby soviel Aufmerksamkeit verlangt. Das ist alles ganz normal, glaub mir.«

Eifersüchtig, ganz recht. Und überarbeitet. Kate kam sich vor wie eine dumme Gans. Noch am gleichen Tag begann ein neues Regime. Sie kaufte Abendkleider, vermied es, Jennifer zu erwähnen. Statt dessen lauschte sie interessiert Toms Berichten über die Arbeit des Tages. Sie gab mehrere Einladungen zum Abendessen, und zwar lud sie Leute ein, von denen sie genau wußte, daß Tom gern mit ihnen beisammen war und sich in ihrer Anwesenheit entspannen konnte.

Sie merkte, daß diese kleinen Aufmerksamkeiten ihm wohltaten, denn er ging weniger häufig abends in den Club, er brachte ihr Freitags wieder kleine Geschenke mit, eine Gewohnheit, die sich nach der Geburt des Kindes irgendwie verloren hatte. Seine Haltung gegenüber Jennifer blieb allerdings unverändert, ja, sie verhärtete sich eher noch, als das Kind heranwuchs.

Kate erwähnte es nicht mehr, ihr war aber klar, daß es sich hier nicht um jene normale Eifersucht handelte, von der die Mutter gesprochen hatte, sondern um etwas anderes. Sie setzte sich darüber hinweg, sie redete sich ein, Jennifer werde eines Tages etwas ganz Entzückendes vollbringen und ihren Vater damit für sich gewinnen.

Als Jennifer das chinesische Porzellanpferdchen zerbrach, mußte Kate allerdings die Entdeckung machen, daß Tom nicht der einzige war, der ihrer kleinen Tochter gemischte Gefühle entgegenbrachte.

 

Jennifer war beinahe drei Jahr alt, der Winter schon fortgeschritten; dies war die ruhigste Zeit des Jahres, die morgendliche Hausarbeit war erledigt. Kate vermutete das Personal unten, Jennifer mit Marjorie im Kinderzimmer. Zu einer bewegteren Tageszeit wäre ihr das Klirren vielleicht entgangen.

Als sie die Tür zur Bibliothek aufmachte, sah sie Jennifer auf den Steinen am Kamin stehen, vor sich die Scherben, die einstmals ein Pferd gewesen waren, Die Hand, welche die Figur gehalten, hielt Jennifer noch von sich gestreckt.

Das Pferd war aus blauem Porzellan und gehörte Kate seit Kindertagen; es war eines der wenigen Dinge, die sie beim Auszug aus dem elterlichen Haus hierher in die 78. Straße mitgenommen hatte.

Das Pferd war in vier Teile zerbrochen. Zwei Beine und der Schwanz waren abgebrochen und lagen nahebei. Jennifer kniete hin und rollte eines der abgebrochenen Beine sanft mit einem Finger hin und her.

»Ach, Jennifer, wie konntest du nur!« Nie zuvor hatte sie die Stimme gegen ihre Tochter erhoben, doch der Verlust der Porzellanfigur schmerzte sie sehr. Jennifer sah zur Mutter, dann auf das zerbrochene Pferd. Sie hätte dieses unerwartete Mißgeschick gern wiedergutgemacht und versuchte, das Bein dem Pferdeleib anzufügen; sie runzelte die Stirn vor Anstrengung, sie drückte das Bein an die richtige Stelle, doch wollte es nicht halten, und Jennifer begann zu weinen.

Kate kniete sich seufzend neben sie hin und sammelte die Scherben ein. Ihr Zorn war verflogen.

»Ach, wir leimen das wieder an, so, siehst du?« Jennifer hörte zu weinen auf und sah zu, wie Kate die einzelnen Teile so gegeneinander hielt, daß das Kind sehen konnte, wie das Pferdchen zu reparieren sei.

»Was hat sie denn jetzt wieder angestellt?« sagte die nun hereintretende Marjorie. Kate erhob sich und ging ihr entgegen.

»Ungezogenes Mädchen!« Marjorie drohte Jennifer mit dem Zeigefinger, und das Kind schaute erst zur Mutter, dann zum Kindermädchen und wieder zur Mutter.

»Wo waren Sie, Marjorie? Warum haben Sie Jennifer hier allein gelassen?«

»Ich habe angenommen, sie ist im Kinderzimmer; wer kann denn ahnen, daß sie sich hier herumtreibt? Aber das sieht ihr ähnlich.«

»Selbstverständlich sitzt sie jetzt nicht mehr still, sie ist schließlich fast drei Jahre alt. Und genau dafür sind Sie da – daß Sie das Kind im Auge behalten.«

Marjories Benehmen bereitete Kate seit Wochen Sorgen. Sie machte ihre Arbeit gewissenhaft, und anfangs hatte es geschienen, als habe sie Jennifer gern, doch seit kurzem kam es Kate vor, als gehe Marjorie ihrem Schützling geradezu aus dem Wege.

»Tut mir leid«, sagte Marjorie, aber es tat ihr offenkundig keinen Moment leid.

»Was haben Sie denn, Marjorie – gefällt es Ihnen bei uns nicht mehr?« Marjorie schaute zu Boden, dann blickte sie auf.

»Stimmt, Madame. Es gefällt mir nicht mehr. Ich gehe lieber.«

Kate war außer sich. Vor drei Jahren hatten sich mehr als zwanzig Mädchen um diese Stellung beworben, und Marjorie hatte ihr vor Dankbarkeit fast die Hände geküßt, als sie eingestellt wurde. Von der allgemeinen Wirtschaftslage hatte Kate zwar nur vage Vorstellungen, doch hatten sich die Verhältnisse wohl kaum so verändert, daß ein Mädchen wie Marjorie von heute auf morgen Arbeit finden würde.

»Haben Sie denn schon eine neue Stelle?«

Jennifer summte derweil unmelodisch aber laut vor sich hin, und Kate unterdrückte mit Mühe den Wunsch, ihr zu sagen, sie möge still sein.

»Nun?« fragte sie nach, als Marjorie stumm blieb.

»Nein, Madame, aber früher oder später finde ich schon was.«

Jennifer fuhr fort zu summen, und Kate bemerkte, daß dieses Geräusch auch Marjorie auf die Nerven ging. Beide Frauen redeten lauter, um das Geräusch zu übertönen.

»Was ist denn nur, Marjorie«, fragte Kate eindringlich, »bislang haben Sie sich doch wohl gefühlt bei uns?«

»Oh, das habe ich. Und es liegt auch überhaupt nicht an Ihnen, Sie waren immer gut zu mir, bloß eben –« Marjorie verstummte, und Kate erkannte, daß sie wirklich nicht wußte, wie sie fortfahren sollte.

»Warum also?« half sie ihr nach.

Marjorie streifte die immer noch summende Jennifer mit einem scheuen Blick. Dies geschah sehr rasch, und es war ein sonderbarer Blick, unerwartet und durchaus nicht liebenswürdig. Kate blickte ihrerseits das Kind an. Jennifer saß auf dem Teppich, den Kopf über die Scherben des Pferdchens gebeugt, ihre Locken glänzten rötlich in der Wintersonne.

»Wird es Ihnen zuviel mit dem Kind? Werden Sie nicht mehr mit ihr fertig?« Kate erwartete, das Mädchen werde diesen Vorwand sogleich ergreifen; sie sorgte nach Möglichkeit stets dafür, daß ihr Gegenspieler mit Anstand einlenken konnte. Marjorie jedoch machte davon keinen Gebrauch.

»Nein, Madame, das ist es nicht. Ich hab’ immer mit Kindern zu tun gehabt, meine sieben Geschwister sind allesamt jünger als ich. Und ich mag Kinder gern – jedenfalls die meisten.«

»Die meisten? Heißt das, Sie mögen Jennifer nicht, Marjorie?«

Keine Antwort. Kate spürte ein unangenehmes Kribbeln in der Magengegend.

»Soll das heißen, Sie mögen Jennifer nicht leiden?«

»So möchte ich es nicht sagen, Mrs. List. Ich meine nur, es ist am besten, ich gehe. Ich traue mir nicht zu, mit ihr fertigzuwerden. Sie finden bestimmt jemand, der es besser kann als ich.«

Jennifer fühlte, daß Streit in der Luft lag, sie hörte endlich auf zu summen und beobachtete statt dessen schweigend die beiden Frauen.

»Sie werden also nicht mit ihr fertig? Trauen Sie sich denn zu, mit anderen Kindern fertigzuwerden?« Das alles noch in sehr gemäßigtem Ton.

»Ich möchte darüber nichts mehr sagen, Madame. Ich gehe. Wenn es Ihnen recht ist, gleich heute abend noch.«

»Das ist mir nicht im mindesten recht.« Nicht, weil sie die Mühe scheute. Kate hatte Jennifer mehr als einmal zu Bett gebracht, sie gebadet und ihre Windeln gewechselt. Sie liebte es, den kleinen rosa Körper zurechtzumachen, von den ernsthaft blickenden braunen Augen beim Knöpfen der winzigen gerüschten Bluse oder beim Schnüren der schneeweißen Zwergstiefelchen beobachtet zu werden. Oh, Jennifer! dachte sie und hatte plötzlich Tränen in den Augen.

Das Kindermädchen bemerkte dies und schaute weg.

»Tut mir leid, Madame«, sagte sie noch einmal.

»Ich weiß immer noch nicht, worüber Sie sich beklagen.« Kate wollte streng sprechen, ihre Stimme war aber unsicher.

Das Kind lauschte. Die Mutter weinte, etwas tat ihr weh. Marjorie konnte es nicht sein, die redete nur. Es mußte also das Pferd sein. Sie, Jennifer, hatte das Pferd zerbrochen und deshalb weinte die Mutter. Sie beugte sich über die Scherben, um sie zu verbergen.

»Ich kann weiter nichts sagen«, erwiderte Marjorie verstockt. Ohne ein weiteres Wort ließ sie Mutter und Tochter in dem besonnten Vorderzimmer allein und ging hinauf, um zu packen. Kate drehte sich um, Jennifer saß immer noch auf dem Teppich, schützend über die Scherben gebeugt.

»Mami?« Sie wollte der Mutter sagen, sie würde nie wieder etwas zerbrechen, doch fehlten ihr die Worte.

»Ich mache es schon heil, mein Liebling.« Kate kniete hin und sammelte die Bruchstücke auf.

 

Gegen halb fünf war Tom nach Hause gekommen, und Kate traf ihn in seinem Arbeitszimmer an. Ohne zu warten, bis er wenigstens einen Schluck von seinem Tee genommen hatte, platzte sie damit heraus, daß Marjorie gehen wolle.

»Nun ja«, bemerkte er, nicht im geringsten überrascht, »du warst in letzter Zeit ohnehin unzufrieden mit ihr, nicht wahr?«

»Darum geht es nicht! Sie läuft einfach weg, ohne vorher zu kündigen – sie läßt Jennifer im Stich!«

»Ist sie noch im Hause oder schon weg?«

»Sie ist noch da, aber sie packt. Ach, Tom, es macht mir ja nichts aus, selber für Jennifer zu sorgen, bis wir Ersatz finden, es ist mir nur nicht recht, daß sie so Knall auf Fall geht, auch keinen Grund angeben will. Sie tut geradeso, als wäre irgendein Geheimnis dabei, als würde es mich kränken, wenn ich davon erführe – etwas, was mit Jennifer zu tun hat.«

»Mit Jennifer?« Er tat erstaunt, aber Kate ließ sich nicht täuschen. Sie versuchte, in seiner Miene zu lesen, doch er wandte sich ab.

»Soll ich mit ihr reden?« fragte er.

»Ja, bitte – nicht etwa, daß du sie zum Bleiben überredest. Ich will sie jetzt nicht mehr im Hause haben. Ich möchte nur wissen, warum sie wirklich geht.«

»Gut, mein Schatz. Ich kann das gleich erledigen.«

»Und – wirst du mir sagen, welchen Grund sie angibt, einerlei, was das sein mag?«

»Selbstverständlich.«

 

»Irgend etwas stimmt mit dem Kind nicht, Mr. List. Jennifer ist Ihre Tochter, und ich habe, weiß Gott, nicht die Absicht, unhöflich zu sein.« Marjorie stand ihm in ihrer Kammer gegenüber, wo Kleider und aller möglicher Krimskrams durcheinanderlagen, bereit, in die Pappkoffer verstaut zu werden, die geöffnet auf dem Bett standen.

»Hören Sie, Marjorie. Sie haben hier eine gute Stelle, die Arbeit ist nicht schwer, die Bezahlung –«

»Ach, die Bezahlung ist wunderbar, Sir, keine von meinen Schwestern verdient soviel wie ich.«

»Und Jennifer ist doch ein braves Kind. Ein bißchen sonderbar wirkt sie gelegentlich, das weiß ich wohl, aber man gewöhnt sich doch daran …«

»Nein, eben nicht, gewöhnen tue ich mich nie daran. Ich weiß, sie wirkt ganz lieb, sie ist nie grausam, wie andere Kinder, jedenfalls hab’ ich davon nichts gemerkt. Und schlau ist sie, richtig helle. Aber irgendwas – ich weiß auch nicht was, irgendwas ist unheimlich an ihr. Und ich mag nicht …, nein, ich kann einfach nicht mehr bei ihr bleiben. Weiter ist nichts.«

»Und haben Sie schon eine neue Stelle in Aussicht?«

»Ich gehe erst mal nach Hause. Ein Zeugnis kriege ich von Ihnen ja sicher nicht.« Das klang recht kleinlaut.

»Lassen Sie mir Ihre Adresse da. Nächste Woche schreibe ich Ihnen ein Zeugnis. Und hier – das ist für Sie. Als Überbrückungshilfe sozusagen. Sie finden dann leichter was Neues.«

Sie beobachtete, wie er der Brieftasche einige Scheine entnahm und sie ihr reichte, griff danach, wollte sie aber nicht ansehen.

»Ich weiß auch nicht, Marjorie, was es mit ihr auf sich hat«, sagte er versonnen vor sich hin. »Ich wollte, ich wüßte es. Viel Glück!« Und damit ging er hinaus.

»Nun?« fragte Kate, kaum daß er wieder unten war. Er schaute sonderbar drein, das Gesicht, düster.

»Viel hatte sie nicht zu sagen.« Er sprach unsicher, offenbar wußte er nicht, was er seiner Frau mitteilen sollte. »Sie fühlt sich bei uns nicht wohl …«

»Aber ich habe mir solche Mühe gegeben, es ihr hier behaglich zu machen!«

»Schon recht, sie hat ja auch nichts gegen dich.«

»Also hat sie was gegen Jennifer, stimmt’s? Aber Jennifer ist noch ein kleines Kind!« Kates Stimme klang beinahe schrill.

»Aber nein, ich bitte dich, Kate … sie hat nichts gegen Jennifer. Es ist bloß … sie sagt …« Kate wartete ungeduldig. »Was soll das alles, Kate. Marjorie ist ja selber kaum mehr als ein Kind.«

»Es ist bloß … was ist bloß, Tom! Sag endlich, was Marjorie gesagt hat!«

»Sie sagt, Jennifer ist ihr unheimlich, weiter nichts. Unheimlich. Sonst hat sie nichts gesagt. Nicht, daß Jennifer was angestellt hat. So was kommt vor.« Er sprach rasch, die Augen gesenkt. Er wich ihrem Blick aus, er sah überall hin, nur seine Frau sah er nicht an.

»Was soll das heißen – ›unheimlich‹?«

»Weiß ich auch nicht.«

»Ich glaube, doch. Ich glaube, du verstehst ganz genau, was sie meint. Du gehst ihr nämlich auch aus dem Weg. Stimmt’s etwa nicht? Deiner eigenen Tochter! Kaum kommt sie irgendwo rein, schon gehst du raus. Nie spielst du mit ihr – sprechen magst du auch nicht über sie. Nicht mal ihr Bild hast du bei dir. Warum ist das so?«

»Du regst dich ganz unnötig auf, Kate. Ich habe Jennifer lieb. Aber du weißt doch selber – Väter haben offenbar immer ein Rabenherz.« Er bemühte sich, die Atmosphäre zu lockern. »Meine Mutter ist auch immer so über meinen Vater hergezogen, als wir noch klein waren. Wirklich, Kate. Kate?« Er trat zu ihr und legte den Arm um sie. Sie nahm sich zusammen. »Ach, Kate.«

»Warum nur, Tom?« schluchzte sie dann doch, »was stimmt denn bloß nicht mit ihr?«

Darauf wußte er auch nichts zu sagen. Er hielt sie im Arm und ließ sie sich ausweinen.

3

5. März 1933

»Tom!« rief Kate. »Tom!« Als sie ins Treppenhaus hinaustrat, hörte sie die Schiebetüren zum Arbeitszimmer aufgehen. Sie kam mit ausgebreiteten Armen und noch ganz außer Atem auf ihn zu.

»Was ist denn nur, Kate?«

»Ach, ich bin schwanger, Schatz!«

Und nun wurde er von ihren ausgestreckten Armen gepackt und umschlungen.

»Bestimmt wird es ein Junge, Tom, ganz bestimmt.«

Er hielt sie an sich gedrückt; ihr Gesicht und die Haare waren von der frischen Luft noch ganz kalt.

Ein Junge, dachte er. Seine Hand griff unter ihren Mantel und streichelte ihren Rücken. »Ein Junge!«

Über die Schulter seiner Frau hinweg erblickte er seine Tochter an der Tür zum Arbeitszimmer, ein Schatten, der sich auf seine Vorfreude legte.

»Mami?«

Jesusmariaundjosef! dachte er. ›Mami‹? Er ahmte in Gedanken den scheuen Tonfall Jennifers nach. Warum, zum Kuckuck, kommt sie nicht einfach herein?

Jennifer tat ein paar behutsame Schrittchen, sie glitt fast seitwärts ins Zimmer, denn er war anwesend, ihre kostbare Mutter war seinen Armen ausgeliefert.

»Was gibt’s Jennifer?« fragte er, schroffer als beabsichtigt. Sie zuckte zurück, und dafür hätte er sie am liebsten geprügelt. Aber dann schaute sie ihm doch, ohne zu blinzeln, in die Augen.

»Ich habe gedacht, Mami ist hier …«

»Stimmt. Deine Mutter ist heimgekommen.«

Kate machte sich aus seiner Umarmnug frei, und Tom sah zu, wie die beiden einander begrüßten – auf ihre Art, und so, als sähen sie sich endlich wieder, nach jahrelanger Trennung.

Jennifer war jetzt vier Jahre alt. War sie Tom früher unheimlich gewesen, so hegte er jetzt eine unmißverständliche Abneigung gegen sie, und manchmal, wenn sie sich zu sehr an Kate hängte, haßte er sie geradezu. Er hielt sich für einen guten Menschen, einen ehrlichen, schlichten, wohlhabenden Bürger. Er stammte aus bestem Haus – jeder hätte gern mit Thomas List getauscht. Einzig seine Tochter wollte in dieses Bild nicht passen, und deshalb war sie ihm nicht lieb. Ein Kindermädchen nach dem anderen hatte gekündigt, und darin sah Tom, ebenso wie in der Zurückhaltung, welche die anderen Dienstboten dem Kind gegenüber wahrten, eine Rechtfertigung seiner eigenen Gefühle. Die Ablehnung der anderen bewirkte, daß er sich nicht wie ein unnatürlicher Vater vorkam. Jetzt also sollte es ein zweites Kind geben, und nun würde er endlich ein richtiger Vater sein können. Das stimmte ihn versöhnlich.

»Du kriegst jetzt bald ein Brüderchen oder ein Schwesterchen, Jennifer.«

»So?« Sie klammerte sich an eine Falte im Mantel der Mutter.

»Ja. Fändest du das nicht gut?« Wie immer, wenn er zu seiner Tochter sprach, klang es unnatürlich.

»Ein neues Baby?« Von Anfang an hatte sie deutlich gesprochen, nie waren ihr die kleinen kindlichen Verschleifungen unterlaufen, die Tom an anderen Kindern so niedlich fand.

»Ganz recht, Jennifer. Ein Brüderchen vielleicht. Du darfst mit ihm spielen, darfst Mami helfen, wenn sie ihn zurechtmacht.«

Sein freundlicher Ton trieb ihr das Blut ins Gesicht. Sie lächelte, ließ den Mantel der Mutter los, tat einen Schritt auf ihn zu. Er mußte sich zwingen, nicht zurückzuweichen. Sie spürte diese unausgeführte Bewegung jedoch und hielt ein. Es war lange her, seit er sie berührt hatte.

»Sag doch allen gleich telefonisch Bescheid, Schatz«, rief Kate jetzt, »und ruf Tonio an – der hat bestimmt Champagner.«

Er ging an Jennifer vorüber zu seiner Frau und strich ihr durchs Haar, wobei das Kind ihm zusah. »Irgendwo in New York werde ich schon Champagner auftreiben, und dann laden wir für heute abend ein paar Leute ein. Wir geben eine Party, ja?«

»Ja, wir geben eine Party!« Sie kicherte und er freute sich genauso. »Hummer. Wir essen Hummer. Albert soll welchen besorgen. Die Köchin soll sich darauf einrichten!« Er war schon ein paar Stufen die Treppe hinunter, drehte sich aber noch einmal um und rief:

»Ich liebe dich, Kate!«

»Sieh zu, daß du Hummer und Champagner auftreibst, wenn du mich wirklich liebst!«

Jennifer stand immer noch im Zimmer. »Ein Brüderchen«, sagte Kate nun zu ihr. »Ein Brüderchen. Ach, das wird herrlich, Jennifer!«

Jennifer lachte, als sie die Mutter so glücklich sah. Auch Kate lachte, dann streifte sie den Mantel ab, schwenkte ihn am ausgestreckten Arm und tanzte im Walzerschritt durchs Zimmer. Ein Baby – der Mantel wirbelte wild und wilder, bis der Saum eine kleine Kristallvase auf Toms Schreibtisch erfaßte. Die Vase wurde in die Höhe geschleudert, die darin befindliche einzelne Blume fiel heraus, und Kate griff instinktiv nach beiden, obschon sie wußte, daß nichts mehr zu retten war.

Plötzlich war es wie ein Pulsieren in der Luft, ihre Ohren wurden taub, der Raum wurde zum Vakuum. Gewiß würde sie gleich ohnmächtig werden oder erbrechen müssen. Die Knie wurden ihr weich, und sie stützte sich auf den Schreibtisch. Die Vase schien für den Bruchteil einer Sekunde in der Luft stillzustehen, dann fiel sie nicht etwa, sondern senkte sich zu Boden.

Das Vakuum wurde aufgebrochen, Kate bekam wieder Luft, doch sie zitterte noch, und der Mantel entglitt ihren Fingern. Die Vase. Kate beugte sich vor. Die Vase stand aufrecht auf dem nackten Boden, nicht auf dem Teppich. Sie wies nicht den kleinsten Sprung auf. Nahebei lag die Blume, und ringsum standen winzige Wasserlachen.

Kate schaute Jennifer an, die lächelnd und sehr mit sich zufrieden wenige Schritte entfernt auf dem Teppich stand. Kate richtete sich auf und blickte von der Vase zu dem lächelnden Kind.

»Jennifer?« flüsterte sie.

Jennifers Gesichtsausdruck wurde unsicher.

Kate ging schwerfällig zu ihrer Tochter. Sie hob deren Kinn, sah ihr prüfend in die Augen. Das Lächeln verschwand.

Noch einmal schaute sich Kate nach der unzerbrochenen Vase um, die jetzt im einfallenden Sonnenlicht blinkte. Dann holte sie aus und schlug Jennifer mit aller Kraft ins Gesicht. Der kleine Kopf flog seitwärts herum und während das Gesicht noch abgewandt war, wurde die andere Gesichtshälfte von Kates Handrücken getroffen.

Jennifer bekam den Schluckauf. Kate ohrfeigte sie noch einmal und ein weiteres Mal. Jennifers Lippen begannen zu bluten. Sie konnte den Schluckauf nicht loswerden, sie wollte weinen, aber sie kam nicht zu Atem. Aus dem Schluckauf wurde nach und nach ein Ringen nach Luft, und Kate hörte auf, sie zu schlagen.

 

Tom fand die beiden in Jennifers Schlafzimmer. Kate saß im Sessel, in den Armen hielt sie das schlafende Kind. Er sah das Pflaster an der Lippe.

»Was ist passiert, Kate?«

»Ich habe sie geschlagen, Tom«, flüsterte sie. Sie hatte geweint.

»Geschlagen? Du? Warum denn?«

Kate schaute beiseite. »Sie … sie …« Kate stotterte. Tom wartete.

»Eine Vase hat sie kaputtgemacht.«

Die erste Lüge.

Tom blickte auf den gesenkten Kopf seiner Frau, doch sie schaute nicht auf, und er wußte nicht, was sagen. Er ließ die beiden schließlich miteinander allein. Daß Kate ihre Tochter verprügelte, fand er weiter nicht schlimm, im Gegenteil, es schien ihm ein gutes Zeichen. Es war zum erstenmal geschehen. Immerhin fragte er sich, an welcher ihrer unzähligen Vasen Kate so hängen konnte, daß sie ihre Tochter deshalb schlug?

Zweiter Teil

1

30. November bis 5. Dezember 1976

Stavitsky fand den Bericht auf seinem Schreibtisch vor, als er um neun Uhr sein Büro betrat. Es schien fast zu schön, um wahr zu sein – Amos Roberts war tot.

Ein guter Tag für Stavitsky.

Zwanzig Jahre war es her, seit er Roberts das erstemal begegnet war, bei einer der üblichen Schlägereien zwischen Negern und Portorikanern. Es hatte dabei erhebliche Schrammen gegeben, doch keine Toten, und die Polizei brauchte nur eine knappe Stunde dazu, die Kampfhähne zu trennen und die ernstlich Verletzten in die Hospitäler einzuliefern. Nichts besonderes also. Bis ein Streifenpolizist einige Stunden später den Leichnam von Julio Osposo in einem Hauseingang auf der 117. Straße entdeckte und die Mordkommission alarmierte.

Stavitsky war damals seit vier Jahren bei der Polizei und hatte noch nichts Vergleichbares gesehen. Sein Kollege Riley war seit zehn Jahren dabei, doch auch dem wurde übel. Man hatte dem Burschen sämtliche Zähne ausgeschlagen und ihm die Zunge abgeschnitten, Arme, Beine und Gesicht wiesen Verbrennungen auf. Beide Beine waren mehrfach gebrochen, die Knochen offenbar mit Eisenstangen oder einem schweren Hammer zertrümmert, und er war kastriert worden.

Stavitsky wußte noch, daß er beim Anblick dieser Überreste von Osposo intensiv an seinen eigenen Körper gedacht hatte, wie zerbrechlich der doch sei, wie leicht er in einen unansehnlichen Klumpen verwandelt werden konnte, wie trügerisch die unversehrte Haut und die heilen Knochen waren.

Der Mord ließ die ganze Angelegenheit dann in einem ganz anderen Licht erscheinen. Man fing die fünf Anführer der spanischen Bande ein und führte die verstockt Schweigenden in die Leichenhalle Ecke 30. Straße, 1. Avenue. Beim Anblick ihres toten Freundes wurde Wut aus der Verstocktheit; Riley und Stavitsky bekamen acht Namen und Adressen.

Von den bezeichneten acht Schwarzen waren sieben verängstigt und widerborstig und absolut stumm, was Julio Osposo anging. Der achte war bloß stumm. Die anderen warfen ihm verstohlene Blicke zu und schauten ebenso rasch wieder weg. Er jedoch sah einzig und allein die beiden Männer an, die ihn verhörten.

Es schauderte Stavitsky auch jetzt noch, wenn er an die gelblichen Augen dachte, die ihn aus dem ansprechenden schwarzen Gesicht so ungerührt angeblickt hatten. Er verstand heute wie damals, warum die anderen Burschen sich vor Amos Roberts mehr fürchteten als vor der Polizei. Es gelang nicht, Roberts des Mordes an Osposo zu überführen, obschon Stavitsky wochenlang daran gearbeitet hatte. Seither war er Roberts Karriere mit einem Eifer gefolgt, als sei dieser ein berühmter Filmstar.

Roberts war mit achtzehn Jahren wegen Körperverletzung eingesperrt worden; nach seiner Freilassung vier Jahre später wurde er wegen Rauschgifthandels festgenommen aber nicht abgeurteilt. Folgte eine Verhaftung wegen Mordversuchs, ebenfalls ohne Verurteilung; dann Verhaftung unter Mordverdacht, wieder keine Verurteilung; und schließlich mußte er fünf Jahre von fünfzehn absitzen, die man ihm wegen Rauschgifthandels aufgebrummt hatte. Danach kam er wieder in Freiheit. Und nun war er also tot.

Stavitsky schloß die Schublade auf, worin er die Akte Roberts verwahrte, eine von derzeit siebzehn, die er separat unter Verschluß hielt. Es waren dies Kopien der Polizeiakten, die er außer Haus auf eigene Kosten hatte herstellen lassen und die er stets auf dem neuesten Stand hielt. Neben Vermerken betreffend Verhaftung, Anklage, Verurteilung, Haftzeit etc. fanden sich sogar Auszüge aus den Verhandlungsprotokollen.

Mit dem Aussortieren dieser Akten hatte er begonnen, nachdem er etwa ein Jahr im Dienst gewesen war. Anfangs geschah dies mehr zufällig, etwa weil an den Fällen etwas war, das ihn persönlich interessierte, wie bei Roberts. Im Laufe der Jahre beschäftigte er sich mit diesen Fällen aber immer intensiver, und es verging kaum noch ein Tag, an dem er nicht in ihnen geblättert hätte. Als man vor einigen Jahren in ein anderes Amtsgebäude übersiedelt war, hatte er die Akten eigenhändig in sein neues Büro getragen, und als er mit der Schublade in der Hand durch Schneematsch unter kahlen Bäumen hindurch auf das neue Haus zuging, war ihm klargeworden, daß er besessen war.

Diese Besessenheit unterschied ihn von den Kollegen. Das wußte er, und er war stolz darauf, daß er anders war als die anderen, ebenso stolz wie sein Vater gewesen wäre. Der Vater war Juwelier gewesen, ein kleiner Händler, Konzessionär der Diamantenbörse, doch seine Arbeit hatte ihm Freude gemacht und alle paar Monate brachte er etwas mit, was er ein ›besonderes Stück‹ nannte. Immer war es ein Diamant, manchmal ein besonders großer, dann wieder einer, der sich durch Farbe oder Schliff auszeichnete. Als Stavitsky noch in die Oberschule ging, sein Bruder aber schon auf dem College war, kaufte sein Vater den schönsten aller Steine, einen Diamanten von zwar nicht mehr als 3 1/2 Karat, aber ein absolut vollkommenes Stück, wie der Vater versicherte. Die Farbe! Das Feuer! Die Familie schaute nacheinander durch die Lupe, vom Vater hingewiesen auf das, was es zu sehen gab. Stavitsky hatte es nie vergessen, das Feuer, mit dem der auf schwarzem Samt liegende Stein ihn blendete. Ein schneller Profit, versprach der Vater. Doch verkaufte er den Stein nicht. Stavitsky merkte nach einer Weile, daß der Alte den Stein nicht verkaufen wollte. Er gab vor, ihn für die Auslage zu benötigen. Für die Auslage braucht man einen guten Stein, sagte er zu Frau und Kindern. Er behielt ihn, solange er lebte. Wenn die Mutter sonntags mit den Kindern den Vater an seinem Stand besuchte, ließ Stavitsky sich immer den Stein geben, er rollte ihn zwischen den Fingern, schaute ihn mit der Lupe an, bis ihm die Augen schmerzten.

Die Mutter verkaufte den Stein, als der Vater tot war. Stavitsky wollte es eigentlich nicht dulden, sie aber wünschte wegzuziehen, nach Florida, und er mühte sich um Verständnis. Immer noch spürte er die Enttäuschung. Als sie ihm berichtete: »Sechzigtausend habe ich dafür bekommen, Davey, dein Vater war ein gerissener Mann!« ging ihm das durch und durch, und das tat es auch heute noch, wenn er sich daran erinnerte.

Der Vater hätte die Besessenheit des Sohnes verstanden, hätte sie gebilligt. Die Leute, die Steine bloß kauften und verkauften, ohne auf anderes zu achten als auf den Preis, waren ihm stets zuwider gewesen. Er hätte zwar zwischen seinen Diamanten und den Mordfällen des Sohnes keine Parallele gesehen, der Inhalt der Akten hätte ihm Angst gemacht und ihn traurig gestimmt, doch die Besessenheit? Die hätte er verstanden, ja, er wäre begeistert gewesen davon. Überhaupt hätte das Leben, das der Sohn führte, ihm gefallen, stolz wäre er auf ihn gewesen, denn der Sohn war keine Null, der war besessen vom Besonderen. Sollten die Gerüchte recht behalten – und für gewöhnlich behielten sie recht –, so würde Stavitsky 1978 die Nachfolge von McGinnis als Chef der Behörde antreten, und auch das hätte dem Vater gefallen, geprahlt hätte er damit. Schon jetzt war Stavitsky der ranghöchste Beamte im Hause, abgesehen von Algren, dem Leiter der Kriminalpolizei. Aber Algren war ein langweiliger, unansehnlicher Mensch und wohnte in Queens. Von Besessenheit keine Rede. Immerhin war Algren ein begabter Kriminalist, und Stavitsky wußte sehr wohl, daß ihm sein gutes Aussehen geholfen hatte, Chef der Mordkommission zu werden und demnächst vielleicht gar Behördenleiter. Tatsache war, daß er ganz so aussah, wie Politiker und Öffentlichkeit sich einen leitenden Polizeibeamten wünschen: von eindrucksvoller Statur, ohne schwerfällig zu wirken, eher blond als dunkelhaarig, ein Pole mit jüdischem Einschlag. Die slawischen Gesichtszüge wirkten dank der fein gezeichneten Lippen und der großen dunklen Augen kein bißchen grob. Er sah nicht berückend gut aus, doch wenn er mal eine andere Frau wollte als die eigene, fiel es ihm leicht, eine zu finden, die ihm zusagte und die auch Lust auf ihn hatte.

Eine vielversprechende Zukunft also lag vor ihm, und seine Besessenheit zeichnete ihn vor anderen aus. Als er die Schublade mit den Akten aufzog, fühlte er sich so recht wohl. Mörder bewahrte er darin auf, auch Anstifter zum Mord, Fälle wie Roberts, und alle waren auf freiem Fuß. Roberts Tod ließ sechzehn Fälle übrig. Es hatte schon fünfundzwanzig Fälle in dieser Schublade gegeben, einmal allerdings auch nur noch zehn; immer, wenn Stavitsky eine dieser Akten vernichten konnte, hoffte er, es käme keine neue hinzu.

Er zog die Akte Roberts, er wog sie einen Moment in der Hand, richtete dann einen stummen Dank an den, der Roberts umgebracht hatte, und warf die Akte in den Papierkorb unter seinem Schreibtisch. Man wird sich jetzt irgendeinen bedauernswerten Süchtigen vorknöpfen und ihn zur Sau machen, statt ihm einen Orden zu geben! dachte er dabei.

Er war mit der Lektüre des Berichts über Roberts’ Ende fast fertig, als er einhielt und noch einmal von vorne begann. Er studierte eingehend die erste Seite und sagte dann in die Gegensprechanlage:

»Ist Carmichael draußen?«

»Ja.«

»Soll reinkommen.«

Das klang nicht sehr freundlich, und Carmichael erschien denn auch im Handumdrehen.

»Was soll das hier heißen?« verlangte Stavitsky. »Was bedeutet: Todesursache nicht bekannt?«

»Die Todesursache war noch nicht bekannt, als ich den Bericht abgefaßt habe. An der Leiche waren keine Spuren von Gewaltanwendung zu sehen, er war nicht erstochen, erschossen, erschlagen worden – nichts. Nicht mal ’ne Schramme hat er. Er war eben bloß tot.«

»Und weiß man die Ursache jetzt?«

»Bis zu einem gewissen Grade. Vor einer halben Stunde ungefähr ist das Ergebnis der Obduktion eingetroffen.«

Stavitsky leckte die Lippen. Er wollte nicht allzu interessiert wirken, folglich galt es, Geduld zu zeigen.

»Na und?« fragte er schließlich.

»Sein Genick ist gebrochen.«

Stavitsky erwartete Weiteres, doch Carmichael schien nicht zu beabsichtigen, mehr zu sagen.

»Muß ich Ihnen jedes Wort aus der Nase ziehen?« Stavitsky wurde wütend, gab sich aber Mühe, das zu verbergen. Carmichael sollte ihn nicht für blutdürstig halten.

»Mehr ist nicht zu sagen, tut mir leid. Ich stelle mich nicht dümmer als ich bin, wirklich nicht, aber das ist nun mal alles. Amos Roberts ist an einem gebrochenen Genick gestorben. Die beiden oberen Halswirbel sind auseinandergerissen, ebenfalls das Rückenmark. Der Arzt, der die Untersuchung gemacht hat schreibt: ›Anhaltspunkte, auf die sich Vermutungen über die Todesursache stützen ließen, sind nicht vorhanden‹.«

»Hm. Also nochmal von vorn. Amos Roberts und zwei Süchtige namens« – Stavitsky blätterte die Seite zwei des Berichts auf – »George Hawkins und ›Unbekannt‹ rauben eine Wohnung aus und werden dabei von den Bewohnern überrascht. Roberts, der bis an die Zähne bewaffnet ist, sieht zu, wie die Bewohner die Polizei alarmieren, und dann warten alle miteinander seelenruhig, bis ihr eintrefft, nur Roberts bricht sich noch vorher rasch das Genick und stirbt. Wollen Sie behaupten, daß es sich so abgespielt hat?«

Carmichael musterte seine Stiefel, dann blickte er Stavitsky an. »Nicht ganz. Roberts war schon tot, als die Polizei gerufen wurde.«

»Und wie es dazu kam, daß er starb, kann keiner der Zeugen schildern?«

»Nein, sowohl Hawkins als auch beide Gilberts behaupten, es nicht zu wissen. Lesen Sie nochmal den Obduktionsbericht. Nirgendwo an der Leiche die geringste Spur von Gewaltanwendung. Vergiftet wurde der Kerl auch nicht, ein Herzanfall scheidet aus, er ist nicht gestolpert und nicht hingefallen, er hat sich ganz einfach bloß den Hals gebrochen. Weiter nichts. Und wie das passiert ist, kann oder will keiner sagen.«

»Ist das Verhör mit Hawkins schon geschrieben?«

»Bestimmt nicht. Die Mädchen müssen sich erst noch durch hundert andere Bänder durchwühlen. Ich kann aber das Tonband holen, und wir spielen es uns vor.«

»Dann dauert es noch länger, bis abgeschrieben wird.«

»Lassen Sie mich nur machen.« Carmichael grinste Stavitsky an, und dieser schmunzelte zurück.

»Geben Sie mal den Obduktionsbericht rüber, bevor Sie das Band holen.«

Der Bericht über die Obduktion an Amos Roberts brachte ebenfalls keine Erleuchtung. Aus der ›Schlußfolgerung‹ erfuhr Stavitsky nur, daß Dr. Ira Stern, Pathologe, nicht sagen konnte, auf welche Weise Amos Roberts sich das Genick gebrochen hatte. Als er mit der Lektüre fertig war, brachte Carmichael gerade das Tonband von seinem Verhör des George Hawkins. Er legte das Band in das Gerät ein, das Stavitsky in seinem Schreibtisch aufbewahrte, und nach einigen Krächzlauten hörte man Carmichael erst die Nummer des Verhörs sowie den Fall ansagen, danach identifizierte er Hawkins und belehrte ihn über seine Rechte, dies für die Nachwelt. Dann begann es.

Wie fühlst du dich jetzt, George?

Ziemlich mies. Roberts hat uns für das Ding angeheuert, damit wir ihn auszahlen können. Ich hab schon eine Weile nichts mehr gehabt.

Hawkins sprach leise und unsicher.

Warum hast du mitgemacht?

Na, das könnse sich doch denken. Vier große Lappen hab ich Roberts geschuldet – er hat ’ne Weile angeschrieben, dann hat er uns am Arsch gehabt, und wir mußten für ihn ein Ding drehen.

Und falls du dich geweigert hättest?

Na, das hab ich lieber nich probiert. Ich weiß ja, was er mit anderen angestellt hat.

Wie war das nun?

Rein sind wir ganz glatt gekomm’n – Sie kenn ja die Wohnung, kinderleicht. Mit’n Fahrstuhl aufs Dach un abgeseilt auf die Terrasse. Glastür eingedrückt und schon warn wa drinne.

Und der Portier?

Wir sin durch’n Keller und die Garage mit’n Warenaufzug. Nischt dabei.

Und dann?

Na, eingesammelt ham wa. Piepen, Silber, Schmuck, paar Glotzen.

Und der Hund?

Pause. Carmichael fragte noch einmal:

Was war mit dem Hund, George?

Gekillt hat’n Roberts. Das kam ganz leise.

Carmichael wartete ab, bis Hawkins fortfuhr.

Aufgeschlitzt hat er’n, bei den Pfoten gepackt, hochgehalten und mit’n Messer am Bauch langgefahren. Gute zehn Minuten hat’s gedauert bis das kleine Vieh hin war. Roberts hat’n in der Küche liegengelassen und da hat er gewimmert. Ein kleiner Hund war’s, höchstens so groß, und gemacht hat er nischt. Einschließen hä’n wa können. Ich sag Ihnen, wenn ich besser beisammen gewesen wär, hätt ich’n umgebracht, den Roberts.

Und was passierte dann?

Na, ich hatte die Schnauze voll, ich konnt nich mehr. Roberts is auf mich los, aber Boots hat gesagt, laß ihn, jetz is keine Zeit, um den kümmern wir uns später.

Stavitsky hielt die Luft an. Hatte Carmichael wirklich nichts gemerkt? So ein Idiot! Aber dann hörte er ihn ganz beiläufig fragen:

Du hast eben gesagt, dann hätte ich ihn umgebracht, den Roberts. Was willst du damit sagen?

Nichts Besonderes. Mir war so, aber es ging ja nich – weiter hab ich nichts gemeint. Das kam mit sehr brüchiger Stimme.

Du hast aber gesagt: Dann hätte ich ihn umgebracht, und nicht: dann hätte ich ihn umgebracht. Was bedeutet das, George?

Keine Antwort. Carmichael fragte mehrmals nach, Hawkins erklärte aber jedesmal nuschelnd, er wisse es auch nicht.

Schön, George. Was ist aus Boots geworden?

Abgehauen is er. Sie hat’n gelassen und er is einfach abgehauen. Wie er richtig heißt, weiß ich nich, ’n Weißer jedenfalls, vom Land wohl. Aber mächtig scharf auf Stoff.

Was meinst du – weshalb hat Roberts den Hund getötet?

Weil er ein böser Mensch war. Das sagte Hawkins mit starker Stimme und großer Festigkeit. Stavitsky fühlte ein Kribbeln auf der Kopfhaut.

Hawkins berichtete jetzt, wie das Ehepaar Gilbert heimgekommen war, wie Frau Dr. Gilbert ihren Hund betrauert hatte –

Stavitsky ließ das Band anhalten. »Die Frau ist Doktor?«

»Beide haben den Doktortitel.«

Das Band lief weiter, es folgten sorgfältig von Carmichael herausgearbeitete Einzelheiten, doch Stavitsky wurde ungeduldig.

Mach schon Schluß, dachte er.

»Was war denn nun mit Roberts, zum Teufel, was war mit Roberts?«

Endlich.

Roberts hat also den Mann geschlagen. Was passierte dann? Der Mann fiel hin, er blutete im Gesicht … Hawkins’ Stimme verlor sich in einem Murmeln.

Stavitsky saß gespannt.

Na und? Weiter!

Ja, also … also dann is Roberts so vornüber gefallen. Sehr leise. Ja. Hingefallen. Und denn is er wohl gestorben.

Einfach so?

Einfach so. Hawkins’ Stimme war kaum noch zu vernehmen. Ohne auf Carmichaels nächste Frage zu warten, setzte er dann aber hinzu: Keiner hat ihn geschlagen oder so was. Der Mann, also dieser Dr. Gilbert, war ne Weile weggetreten und seine Frau, die stand überhaupt am anderen Ende vom Zimmer, ganz weit weg. Hawkins sprach rasch, atemlos. Nee, nee, angerührt hat den keiner, der is einfach so abgekratzt, das Aas. Hawkins war offenbar ängstlich geworden, er meinte, sich verteidigen zu müssen. Warum wohl? fragte sich Stavitsky. Er ließ das Band anhalten.

»Hätte Hawkins denn Robert das Genick brechen können?«

»Kaum«, antwortete Carmichael. »Zumindest hätte es eine fürchterliche Prügelei gegeben. Er ist kleiner als Roberts, und der war außerdem bewaffnet.«

Beide hörten den Rest des Bandes ab. Hawkins zufolge löste sich das Unternehmen in Wohlgefallen auf, nachdem Roberts erledigt war. Boots machte keinen Versuch, sich mit Hawkins und dem Ehepaar Gilbert anzulegen. Er lief einfach weg, und sie hat ihn gelassen.

Und warum bist du nicht getürmt?

Weil ich die Nase endgültig voll habe. Das kam sehr deutlich und sehr entschlossen.

Ende des Bandes. »Was sagen Gilberts dazu?« wollte Stavitsky wissen.

»Bestätigen jedes Wort. Der Mann war bewußtlos, als Roberts starb, denn Roberts hatte ihm ganz schön eine gefeuert, aber die Frau hat alles mitangesehen und ihre Aussage deckt sich mit der von Hawkins.«

»Vielleicht zu sehr?« Da stimmte doch was nicht.

»Nein. Beide haben das gleiche gesehen. Weiter nichts!« Carmichael wurde allmählich gereizt. »Was soll das alles? Angenommen, Hawkins hätte Roberts wirklich hingemacht, oder Boots hätte es getan – warum sollte Mrs. Gilbert das nicht aussagen?«

»Vielleicht hat man sie bedroht.« Stavitsky wußte aber schon, als er dies sagte, daß es so nicht sein konnte. Keiner dieser beiden Süchtigen verfügte über die Mittel, eine Mrs. Gilbert zu bedrohen.

Vielleicht wußten also alle Beteiligten wirklich nicht, was Roberts zugestoßen war. War das denkbar? Irgendwo hatte er doch mal gelesen, daß man sich durch eine ungeschickte Bewegung die Halswirbel ausrenken kann – vielleicht war etwas in der Art geschehen? Roberts hat Gilbert geschlagen, er macht eine ungeschickte Bewegung … Stavitsky wußte längst, daß die simpelste Erklärung meist die richtige ist. Selbstverständlich mußte man dem noch nachgehen, doch als er so darüber nachdachte, wollte ihm mehr und mehr einleuchten, daß es sich hier nicht um ein Rätsel handelte, sondern um einen Zufall. Als er seine Gedanken Carmichael eröffnete, wollte dieser schon zustimmen, als ihm etwas einfiel.

»Aber weshalb schreibt dann der Pathologe unter seinen Bericht, es gibt keine Anhaltspunkte, die Vermutungen über die Todesursache zulassen? Dem müßte das doch auch eingefallen sein.«

»Hm, vielleicht hat er bloß nicht daran gedacht. Kommt wahrscheinlich nur alle Jubeljahre mal vor. Er hat nicht daran gedacht. Immerhin werde ich mich mal mit ihm unterhalten.«

»Wozu das alles, möchte ich mal wissen! Roberts ist tot. Das ist gut. Schließlich war er nicht Ihr Lieblingsbruder. Warum lassen Sie den Fall nicht auf sich beruhen? Gilberts erstatten keine Anzeige, Hawkins war unbewaffnet, der kommt in die Kalte Kunst. Wir können den Fall ablegen.«

Stavitsky dachte nicht daran, auf Carmichael zu hören. Er dachte aber auch nicht daran, ihm den Grund dafür zu sagen. In seinen zwanzig Dienstjahren, von denen er fünfzehn bei der Mordkommission verbracht hatte, waren Stavitsky Torheiten und Brutalitäten jeder Art vor Augen gekommen, doch kaum je ein Rätsel. Morde waren meist die am leichtesten aufzuklärenden Verbrechen. Irgendein armer Hund hat seine Frau endgültig satt, er schießt sie tot, sticht sie ab, er bringt seine Freundin um, oder in einer Kneipe gibt es Streit und Tote. Den Mörder zerrt man meist heulend und tobend vom Schauplatz, und für Stavitsky war das alles längst Routine geworden, wenn er Täter oder Opfer gelegentlich auch aufrichtig bedauerte. Hier allerdings schien etwas anderes vorzuliegen. Ein ›böser Mensch‹ war auf unerklärliche Weise zu Tode gekommen, und Stavitsky mochte die Sache nicht aus der Hand lassen, nicht bevor ihm jemand bestätigte, daß eine zufällige ungeschickte Bewegung den Tod mindestens verursacht haben könnte.

»Sie mögen recht haben, das ist denkbar.« Stavitsky konnte sehr überzeugend, er konnte charmant sein, wenn er es darauf anlegte. »Warum suchen wir nicht ein bißchen nach diesem Boots? Wenigstens zwei, drei Tage, damit alles seine Ordnung hat. Taucht er bis dahin nicht auf, wird die Sache als erledigt abgelegt. Einverstanden?«

»Meinetwegen.« Carmichael stimmte zu, wenn auch ungern.

»Und lassen Sie ein bißchen gründlich suchen. Mir zu Gefallen.« Die unausgesprochene Andeutung, Carmichael werde dabei schon nicht schlecht fahren, hatte, wie meist, den gewünschten Erfolg.

»Also gut. Wenn irgend möglich, treibe ich ihn auf.«

»Besten Dank.«

Kaum war Carmichael gegangen, ließ Stavitsky sich mit Dr. Ira Stern verbinden und verabredete sich mit ihm für 14.00 Uhr. Er hätte einen späteren Termin vorgezogen, doch Stern meinte, nach 15.00 Uhr sei er nicht mehr im Hause.