Tom 3 - Sigrid Schmidt - E-Book

Tom 3 E-Book

Sigrid Schmidt

0,0

Beschreibung

Was macht der Dorfdepp mit 87 Millionen? Was würden Sie denn damit tun? Dieter jedenfalls.....will....muss........soll......kann......? Und genau darum bekommt er Hilfe! Tom! Wer auch sonst!? Wisser, Doro, der Typ von der Sparkasse ...

Sie lesen das E-Book in den Legimi-Apps auf:

Android
iOS
von Legimi
zertifizierten E-Readern

Seitenzahl: 160

Das E-Book (TTS) können Sie hören im Abo „Legimi Premium” in Legimi-Apps auf:

Android
iOS
Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Lieber Leser

Einfach schön, dass Sie wieder hier sind!

Ich tue mein Bestes, in Sachen Kommata und Grammatik, aber ich bin nun mal eher ein Phantast!

Einige meiner Leser warten schon, mit Sehnsucht, auf mein nächstes Buch.

Nur wegen der Suche, nach den Fehlern?!

Die Hauptsache ist doch, Sie haben Ihren Spaß!

Ich denk´ an Sie!

Ich bin Tom.

Ein Engel.

Ich habe mir oft Gedanken darüber gemacht.

Wenn es Himmel und Hölle, und Tod und Leben gibt, und wir im Tod im Himmel sind, dann sind wir, im Leben, WO?

Würde zumindest manches erklären!

Warum es Kriege gibt und Krankheiten.

Feinde, Konkurrenten, Kinder und Familie.

Aber wo sind dann die permanent guten Dinge des Lebens einzustufen?

Und was ist mit der göttlichen Zahl, der Drei?

Doch Himmel, Erde, Hölle?

Asgard, Midgard, Hel?

Doch Tod, Leben, Ewigkeit?

Oder doch ganz anders?

Ich bin nur Tom.

Nur ein Engel.

Ich lebe als Mensch unter den Menschen.

Unerkannt.

Ich bin nicht besonders klug, oder mutig.

Es ist mein Job.

Meine Arbeit eben.

Manchmal bringe ich die Seelen, die der Chef mir zugeteilt hat, vom Sterbebett an die Schwelle des Lichts, halte ihre Hand, beruhige sie, beantworte ihre Fragen, so gut ich kann.

Ich selbst bin nie hinein gegangen, ins Licht, jedenfalls nicht, dass ich mich erinnern könnte.

Manche Seelen treffe ich nur für Sekunden.

Manche Seelen begleite ich über Jahre, über Jahrzehnte, ein ganzes Leben.

Manche Seelen sind, selbst für mich, zu schnell und ich erhasche nur noch ein glückliches Lächeln, ein flüchtiges Streifen der Hände, den Hauch eines Kusses, oder ein letztes Winken, bevor sie hinübergehen und mich, nach Atem ringend, zurücklassen.

Anders ist es bei den Lebenden.

Manchmal ist mir ein Eingreifen in ein Leben befohlen, manchmal gestattet, manchmal verboten.

Manche wissen, intuitiv, wer ich bin.

Manche nicht.

Manche wollen es nicht wissen.

Manche ahnen, oder vermuten, wittern, misstrauisch.

Manche nicht.

Zu meinen neuen Aufgaben erhalte ich alle Papiere, die ich brauche, manchmal dazu konkrete Anweisungen, zum Beispiel : Hans Müller, wohnhaft Musterweg 1, in 12345 Musterstadt, vor dem Unfalltot, durch herabfallenden Ziegel, um elf Uhr dreiundvierzig, auf der Baustelle seines Hauses bewahren.

In diesem Fall wäre ich ein Bauprüfer, oder ein Maurer, oder nur Einer, der nach dem Weg fragt.

Brauche ich, spontan, ein Papier, ein Dokument, einen Nachweis, etwas anderes, taschengängiges, brauche ich nur in eine meiner Taschen zu fassen.

Habe ich keine Tasche, oder ist es etwas größeres, kommt mir ein Kollege zu Hilfe, oder die Papiere finden sich, unerwartet, doch in den Akten oder den Anträgen.

Ändert sich der Ablauf, finde ich neue Hinweise.

Auf einem Bierdeckel, einer Rechnung, einer Litfaßsäule, einem Handzettel, einem Werbeblatt, immer begleitet von einem leisen Klingeln im Ohr.

Oder, gestern im Kuvert eingetroffen : Henriette Hühnerklein, übermorgen, um 16.32, im Stadtkrankenhaus Musterhausen, abholen und zum Licht führen.

Manchmal habe ich nur einen Auftrag, manchmal auch mehrere.

Hintereinander ab zu arbeiten, nach Eingang.

Bei vielen zu erledigenden Aufgaben wird es schon mal stressig.

Man kann nicht immer alles so genau planen.

Immerhin arbeitet man mit Menschen in Extremsituationen, da kann schon mal was schiefgehen.

Dass soll keine Entschuldigung sein!

Sicher nicht!

Bestimmt ist auch ein gewisses Maß an Schiefgang eingeplant, sonst gäbe es ja keine Notfallregeln.

Oder?

Ich ahnte es, als ich das Kuvert sah.

Din A 5. Prall gefüllt.

Viel Arbeit!

Nur wenige Eingriffe, dafür viel Hintergrundarbeit.

Ein einziger Name.

Dieter Soundso, aus irgendeinem Kaff, ganz in der Nähe.

Schau´n wir mal!

Er schleppte die Doppeltrittleiter, über seiner Schulter hängend, durch den mittig gepflasterten Innenhof, wollte hin, zu der dicht begrünten mannshohen Mauer.

Genauer, er zerrte die Leiter hinter sich her, wobei jeder, der Eisenband bewehrten Holme, kleine Funken schlug, wenn er über einen der heißen, alten, unebenen Kopfsteinpflastersteine schrammte.

Es ist nicht so, dass die Leiter besonders schwer, oder besonders lang war.

Vielmehr war er einer dieser ungeschickten Männer, in deren Händen selbst ein Fußball Ecken bekommt.

Das wäre insoweit nicht weiter tragisch, wäre da nicht die Tatsache, dass er als Hausmeister arbeitete.

2

Die Villa „Sans soucis „ hatte einen wunderschönen Garten.

Schon immer.

Ein herrlicher, gepflegter, kühler, schattiger Garten. Mit hohen Rhododendron Büschen, unter schattigen Kiefern und meterhohen uralten Zypressen. Und Azaleenbüsche, in herrlichen Farben.

Einer dieser Sehnsuchtsgärten.

Selbst im vorbeifahren war er wunderschön anzusehen. Viele fuhren ein wenig langsamer, nur um einen Blick, durch die schmiedeeisernen Stäbe des Gartengittertores zu erhaschen.

Die das Grundstück umlaufende, mächtige Backsteinmauer ist durch übermannshohe Sockel, in meterlange, wellenförmige Partien unterteilt.

Darauf? Neue, unpassende, griechische Statuen.

Aphrodite, Zeus, Herkules, Athene.

Jeder kennt sie. Zumindest aus dem Fernsehen.

Trotzdem waren sie eine Besonderheit.

Hier, in der tiefsten Provinz.

In diesem Dorf, das erst vor kurzem, schweren Herzens, den letzten Schweinestall ausrangiert hatte.

Ein Dorf, mit Tannenbäumen und Gartenzwergen in den Vorgärten und davor schmiedeeiserne, handgefertigte Tore und Türchen der Besserverdienenden.

Hätte er es gewusst, den Hausmeister meine ich, was ihn tatsächlich erwartete, er hätte, mit Sicherheit, die Finger von dem Job gelassen.

Kabel und Elektrokasten, das war seine Welt; gewesen!

Bis er seine Firma dicht gemacht hatte.

Eigentlich hatte er mehr an Alarmanlagen, Poolelektrik und Überwachung und Wartung der Videoaufzeichnung gedacht, als er von dem Lottogewinn und dem Hauskauf, des Dorfdeppen, für den er jetzt arbeitete, hörte.

Aber das hier?

3

Das größte und schönste Haus im Landkreis hatte er gekauft. Sicher, der Garten war unter den Händen der Gartenarchitektin schön geworden.

Die bösen Zungen der hiesigen Honoratioren behaupten hier aber, dass man zum rasenmähen keine Gartenarchitektin brauche, wenn der Garten von seinen Vorbesitzern in liebevoller, jahrzehntelanger Handarbeit, schon angelegt geworden war.

Aber was wissen die schon, diese neidischen Dorftratschen.

4

Nicht um den Garten war es ihm gegangen, sondern um die Tatsache, dass Er, Dieter, der jahrelang selbst die Gärten anderer Leute aufgeräumt hatte, jetzt selbst jemanden dafür anstellen konnte.

Sie war die Richtige!

Sie war jung. Ihre Haare waren grün und Sie trug schwarzes Kunstleder und Ketten und als sie hörte, das er genügend Geld für sie beide hatte, hatte sie sich ihm, ohne zu zögern, an den Hals geworfen.

Ihm! Dem Dorfdeppen! Dem Nichtsnutz! Dem unguten Sohn.

Dem Versager. Dem Verlierer.

Er hatte es immer geahnt, eigentlich hatte er es immer gewusst, dass nur das Geld den Unterschied machte.

Es gab kein „klug“ oder „schön“!

Wohl aber ein „arm“ oder „reich“.

Nur wer reich war hatte alles.

Das Geld ebnete den Weg zu allem, zu schön, klug und mächtig.

Und dann hatte er, als erstes, auf den Sockeln der maroden Mauer, die schweren Statuen anstelle der überdimensionalen Steineicheln aufstellen lassen.

5

Die Neider und die Dorfjugend machten sich einen Spaß daraus, nachts, mit schwarzen Skimützen über, verfolgt von dem großen, dunklen Auge der Videoaufzeichnung, die Figuren neben den Toren mit Honigwasser zu bepinseln, so dass jeder, der Tags darauf, sein Anliegen in die Sprechanlage schrie und dazu das Autofenster herunter lies, automatisch von einem futterbedachten Schwarm Bienen angegriffen wurde und, wild um sich schlagend, sein Heil in der Flucht suchen musste.

Das auch die Kinderwagen schiebenden Mütter und die Rollatoren-Schwadron der neugierigen Alten, vom Seniorenheim nebenan angegriffen wurden, machte die Sache nur noch spannender.

Gerne griff man, in dieser einfallslosen Gegend, auch auf den bewährten Klopapier-Scherz zurück, oder den Fäkalien-Ärger, immer Sturmhauben-grinsend, unter dem Zyklopenauge, der neuesten Überwachung, „Made in Japan“.

6

Er musste ihnen zugestehen, dass sie Grund zum Ärger hatten. Ihm persönlich wäre es auch lieber gewesen, der Gewinn wäre in kleinere Einheiten unterteilt gewesen.

In Ein-Millionen-Teile, zum Beispiel.

In Sieben und achtzig Ein-Millionen-Teile, zum Beispiel.

Das wäre, zumindest halbwegs, gerecht gewesen!

Aber, für ihn, gab es nur die Möglichkeit, die Summe anzunehmen oder abzulehnen.

7

Der nette Herr von der Lottogesellschaft, wies mich, vorsichtshalber, darauf hin, dass ich das Geld, später immer noch unterteilen könnte.

In Teile, die meinem Wunsch entsprachen. Nach meiner eigenen Gerechtigkeit!

Tagelang zerbrach ich mir den Kopf, wie man wohl Gutes tut, ohne jemandem auf den Schlips zu treten. Ohne zu werten, und das Ganze dann auch noch „ gerecht!“

Nach wessen Recht? Dem Recht, des Bittenden, oder dem des Gebenden?

Dem Recht dessen, der es sich wünscht, oder dem Recht, oder Gesetz dessen, der es braucht?

Wann ist es brauchen und wann ist es wollen?

Wer sollte darüber entscheiden?

Ich?

Sollte ich dazu jemanden einstellen und wenn ja, wen?

Ich hatte Kopfschmerzen, anfangs, nach dem nachdenken.

Später genügte der Gedanke an die Gerechtigkeit.

8

Zwischen „anfangs“ und „später“ lagen sechs Wochen.

Sechs Wochen, in denen sich mein Reichtum, unaufhaltsam, gemehrt hatte.

In denen ich ein großes Haus gekauft hatte, samt Butler und die nötigen Leute, zu dessen Unterhalt und zu meinem, eingestellt hatte.

Einige Leute, in der Hoffnung auf Denk- und Handlungshilfe, eingeladen hatte, meine Gäste zu sein.

Lea, die Landschaftsgärtnerin, zum Beispiel, die seit diesem Tag hier wohnte und schon mal mein Leben plante, gleich hinter ihrem.

Mit meinen Bankkarten einkaufen ging.

Ihren neuen Porsche dabei spazieren fuhr.

Sich mit seltsamen, böse blickenden Leuten traf und, neuestens,

einen Pool im Garten wollte.

Dazu sagte ich allerdings Nein.

Weshalb sie ein neues Haus wollte.

Am besten in Spanien, oder Südfrankreich, oder …

Ich ging ihr aus dem Weg.

Heute hatte ich Lutz zu mir eingeladen.

Zum Abendessen.

Lutz kam auch, aber er fühlte sich nicht wohl, in meinem neuen Haus.

Dabei hatte ich mir viele neue Gartenmöbel gekauft und mir Personal geleistet, das uns bediente und ihm jeden Wunsch von den Augen ablas.

Ich habe alles an Grill und Fleischgerichten auffahren lassen, was mein neuer Spitzenkoch hergab.

Ich hatte ihn vom Arbeitsamt, den Koch, meine ich.

Vielleicht hätte ich auf meine innere Stimme hören sollen, und jemandem aus der Prominenten Vermittlung nehmen sollen.

Ich hatte nicht mal gewusst, dass es sowas gibt.

Die Liste mit den Adressen, die, von nun an, angeblich, für mich aktuell waren, bekam ich von diesem seltsamen Lottomenschen.

Demselben, der mir riet, niemandem von meinem Gewinn zu erzählen.

Hätte er man vorher was gesagt!

9

Der Honig und das Klopapier waren nur der Anfang.

Ich hatte nie verstanden, warum diese Millionäre immer ihre Heimat verließen.

Jetzt wusste ich es.

„Wir werden dich grillen, du Sau!“ „ Verschwinde, du Geldsack!“ waren noch die harmlosesten Drohbriefe.

Sie verstanden nicht, dass ich nur Gutes tun wollte.

Möglichst vielen Menschen und ihren Familien, Sicherheit und Auskommen bieten.

Leuten von hier.

Soziale Projekte ins Leben rufen.

Die hiesigen Handwerker beschäftigen.

Das Geld hier unter die Leute bringen.

Egal wie.

Wenn das aber so ist, und sie mich nicht verstanden, nicht verstehen wollten, bräuchte ich zuerst einmal einen Beschützer, einen, der die Bösen von mir fernhielt.

10

Irgendwie passte dieser junge Mann nicht in die Reihe der anderen Anwärter.

Glattrasierte Zwei-Meter-Jungs, mit unruhigen Augen und nervöser Statik.

Die Haare streng zurückgekämmt.

Die handgenähten Jacketts prall gespannt, über den geblähten Brustmuskeln.

Glänzende, porentief gereinigte Gesichter mit klaren, harten Augen. Unruhig tänzelnd, zwischen den uneinsehbaren Pflanzen.

Unter den Anwesenden, im Garten der Villa, mit den Augen unablässig schweifend, ihren potentiellen, Arbeitgeber suchend.

Breitbeinig.

Die Arme manchmal ruhelos, manchmal lässig, über dem Sixpack gekreuzt.

Gesichter, Augen, Mimik, kalt und abschätzend.

Gefährliche Tiere, durch Anzug und eigenen Kodex gebändigt, sich der Notwendigkeit des Geldverdienens ergebend.

11

Der, der anders war, trug Jeans, ein einfaches, offenes Hemd.

Er roch ein wenig nach Schweiß und er rauchte.

Er saß locker auf der Kante, von einem der Korbstühle.

Mit hängendem Kopf.

Er hatte die Ellbogen auf die Knie gestützt und saugte den Rauch der Zigarette, tief in seine Lungen.

„Haben sie auch irgendwelche Papiere dabei?“

Ich sammelte die Unterlagen ein, die jeder von ihnen mitgebracht hatte.

Niemand interessierte sich für mich.

Niemand hielt den schwitzenden, kleinen, nervösen Mann in dem karierten Hemd und der Jogginghose für jemanden, der hier etwas zu sagen hatte.

Wortlos, oder, wenn überhaupt, dann mit kaltem, oder verächtlichem Blick, übergaben sie mir ihre Bewerbungsmappen.

Der Junge stand langsam auf und es war, als sauge er das Universum in sich auf und spie es wieder aus, als teile er Zeit und Raum, mit einzig seinem Willen.

Seine Schultern verdichteten sich zu einem Pulk aus Kraft und Stärke. Gute, wissende Stärke, und darüber lächelte er ein wenig.

Die glänzenden Jungs gingen.

Ohne Aufforderung, oder Absage.

Sie witterten den Stärkeren.

12

Dieter Hoffman wäre nun ein glücklicher Mensch, könnte man meinen.

Siebenundachzig Millionen Euro.

Genug für einen ruhigen Lebensabend.

Hätte er nur nichts gesagt, hätte niemand davon gewusst.

Hätte er in seinem kleinen Häuschen, seinem Elternhaus, gebaut von Vater und Großvater, weiterleben können.

Dünne, bröckelige Wände, mit wenig Geld gebaut.

Ein Zuhause.

Eine Stufe hinauf, des Ungeziefers wegen, aus Sand und Backstein. Kaum mehr als ein Gartenhaus.

Hastig, einen Sommer nutzend, errichtet.

Zwei kleine Zimmer, eins das Elternschlafzimmer, eins das Wohnzimmer.

Eine Küche, mit einem Kamin, für den alten Holzofen, zur Einweihung, von den Großeltern, den Verwandten, geschenkt.

Zum kochen und heizen und zum wärmen der Schuhe.

Das Häuschen, nach der Festanstellung des Vaters im aufstrebenden Kohlebergbau, mit einfachen Dingen, fortwährend aufgewertet.

Einfache Fenstergläser, mit Fensterkitt verspachtelt und Leisten vernagelt. Arbeitsaufwändig.

Dünne, schnell abgetretene Holzdielen.

Manche der Bodenlöcher geflickt.

Manchmal mit Beton, darüber Linoleum, das Muster längst schon wieder zackelig abgetreten, bis zur Gummierung.

Manche der Dielen ersetzt, durch neuere, härtere Dielen.

Deren Kanten, Fußlupfer, Stolperfallen.

Aufklaffende, wellige, aber ehemals hübsche Tapeten, gelbe Tulpen mit zartgrünen Blättern.

Ein paar Fliesen, etwas Steinzeug, an den wichtigsten Stellen, am Herd und der Spüle.

Ein Anbau.

Einen Flur, gemauert, zwischen dem Haus und dem ehemaligen Ziegenstall, eine Stufe hinunter, des Ausmistens wegen.

Daraus ein Bad gemacht, mit einem kleinen Fester, neben dem Waschbeckenspiegel.

Betonboden.

Eine Duschwanne.

Von Dieter eigenhändig ausgetauscht, gegen die warmwassersaufende Wanne, die jetzt, im Garten, das Regenwasser aus dem Fallrohr fing.

Ein Waschbecken und ein Bade-Kohleofen, den man mit Holz befeuern musste, wollte man warmes Wasser und Wärme.

Erinnerungen an wohlig heiße Samstagsbäder, im dampfschwadigen, warmen Raum.

Dieters Avalon.

Ein Zuhause.

Dieters Zuhause.

Einstöckig, geduckt, in einem kleinen Garten.

Die Ziegel der untersten Reihe, mit der Hand zu greifen, direkt unter dem Himmelsblau.

Ein kleines Grundstück, ein kleines Haus, in einer Reihe mit anderen

Häuschen.

Ähnlichen.

Ebensolchen.

13

Seine Eltern waren einfache Leute gewesen.

Sein Vater arbeitete unter Tage, an sechs Tagen der Woche. Seine Mutter hatte ihn geboren und sorgte für „ihre Männer“, wie sie es sagte.

Es war anders.

Damals, als Dieter klein gewesen war.

Gemächlicher. Mühsamer.

Sie kannten anfangs keine Waschmaschine, keinen Kühlschrank oder Konservenbüchsen.

Alles musste eingeweckt oder eingekocht werden, wollte man im Winter etwas zu essen haben.

Und sowieso schmeckte es besser, das fast kostenlose Gemüse aus dem Garten.

Die Wäsche eines Kindes, der Haushalt mit der Bergmannswäsche, der Garten. Oft sah man, vor lauter Wäschestücke auf der Leine, den Garten nicht.

Im Winter hing seine Mutter, die nasse Wäsche in dem niedrigen Boden auf, direkt über der Waschküche.

Zu erreichen, über eine schmale, Knochen brecherische, Holzstiege, hinter dem Haus.

Dieter schlief und spielte im Wohnzimmer. Auch später, als zur großen Freude aller ein Fernsehgerät in ihrem Wohnzimmer Einzug hielt.

War er müde, putzte er im Bad die Zähne, zog seinen Schlafanzug vom Haken an der Tür und legte sich auf dem ausgeklappten Sofa schlafen.

Die Couch war sein Bett geworden, seit er, irgendwann einmal, mitten in der Nacht, aus dem Bett seiner Mutter und deren Arme, auf die befreiend große Couch geklettert war.

Saßen seine Eltern im Garten, unter dem Schirm, im Sommer und wollten fernsehen, schauten sie einfach durch das offen stehende

Fenster, sein Fenster, das Wohnzimmerfenster, auf den Bildschirm.

Irgendwie waren sie so alle beieinander.

Den ganzen Tag.

Und so gefiel es Dieter!

14

Erst als er älter wurde. Als er gerne mal ein Mädchen zu sich eingeladen hätte, oder einen seiner Kumpels.

Als die weit abgelegenen Zimmer der Söhne der Villen-Besitzer ihre Berechtigung fanden, indem sie ihre Mädchen und Kumpels mit nach Hause bringen konnten.

Zeit mit Ihresgleichen verbringen konnten, ohne durch die Bundesliga zu tapsen, oder den Samstagskrimi.

Erst dann wurde etwas anders.

Als er, mit Mitte dreißig, immer noch keine Frau gefunden hatte, beschloss er, sich eine eigene Bleibe zu suchen.

Zwei kleine Zimmer, in einem Hinterhaus, in der Stadt.

Nachts beobachtete er, wie die Ratten aus den Kellerlöchern krochen, oder aus den Gullideckeln des Hofes.

Den Himmel sah man hier nur, wenn man den Kopf in den Nacken legte.

Nein, so war es auch nicht richtig.

Die Enge, der Gestank, die Unruhe der Stadt, und die ständigen Querelen der Nachbarn, ärgerten ihn und er sehnte sich zurück auf seine Couch. Den „Foul!“- rufen seines Vaters und der bunten Tasse mit Milchkaffee, morgens, zusammen mit seiner Eltern, in der sonnigen kleinen Küche.

15

Noch heute machte er sich Vorwürfe, dass er nicht früher zurück gekommen war.

Zumal es völlig entgegen jeder Logik war, auch nur einen Tag mit seiner Rückkehr nach Hause zu warten, als sie seinen Vater, eines Tages, in der üblichen Leichenplane, aus dem Berg geschafft hatten.

Herzinfarkt, hatte der Arzt gesagt. Seine Beerdigung fiel auf ein Bundesligaspiel.

Noch heute dachte er, schweren Herzens, zurück, an seinen Egoismus, der es ihm so unerträglich machte zurück zu kehren in ein Elternhaus, das nun seinen Vorstellungen, seinen Erwartungen, nicht mehr entsprach, seinen erwachsen gewordenen Anforderungen.

Reumütig dachte er an seine lächerlichen Vorbehalte, die ihn immer wieder zögern ließen.

Sollte er zurück an einen Ort, der jetzt so von Schmerz und Trauer erfüllt war, von der Einsamkeit der Mutter?

Dorthin, wo es, nach so viel Licht und Freude, um so viel dunkler geworden war.

Und das dann doch alles nichts war, im Vergleich zu dem unsagbaren Schmerz, den ihn der Verlust der Mutter fühlen lies, wenige Wochen nach dem des Vaters.

Wäre er nur früher zurückgekommen.

16

Zufrieden und glücklich, wie er jetzt wusste, war er in seiner Jugend gewesen.

Auch, oder genauer, wegen der Erinnerungen.

Glücklich, trotz allem, später, nach dem Tod der Eltern, in seinem kleinen Häuschen, zwischen seinen Tomatenstöcken und der Zauntauschbörse, mit seinen Nachbarn.

Erdbeeren gegen Zucchini. Äpfel gegen Aprikosen. Frische Gurken, für sein Leberwurstbrot.

Sein Schlafanzug, am Haken.

17

Seiner Nachbarin, zur Rechten, der alten Frau Lehmann, der er den Müll auf die Straße fuhr und Glühbirnen wechselte und dem alten Biegelmann, zu seiner Linken.

Bösartig wie ein Kettenhund! Neidisch auf jeden Atemzug, den ein anderer tat. Biegelmann, der jeden Schritt beobachtete und bei dem man sicher sein konnte, dass niemand den Garten oder die lehmbröckeligen Häuschen unberechtigt betrat.

Keine der zahlreichen Katzen erleichterte sich in seinen, oder den Radieschenbeeten der anderen, dank der Schleuder von Biegelmann.

18

Ab jetzt war alles anders!

Ab jetzt musste sich Dieter verteidigen.

Seit dem Gewinn.

Seit es bekannt wurde.

Er hat es nicht selbst geprahlt!

Der Bankmensch, der Leiter der Zweigstellenkasse, sagte es seiner Frau, hinter vorgehaltener Hand.

Ein seltsames Gefühl.

Ab jetzt, musste er sich wehren, gegen Diebe, Neider, Betrüger, Entführer und Mörder.

Ab jetzt, konnte er nicht mehr seinen Rausch ausschlafen, bei offenem Fenster, nur einen Schritt von seinen Beeten entfernt.

Durch das schiefe, einfache Fenster, in der schmalen Wand, in den Nachthimmel schauen, bis er schlief.

Mit den Vögeln des Morgens sein Frühstück, am offenen Fenster teilen, ihnen seine Krümel hinwerfen.

Mit dem Gesang, der Ohr nahen Grillen einschlafen, direkt unter den Wolken.

Nie mehr Sterne zählen, oder auf Sternschnuppen warten.

Nie mehr den sich mit Regenwolken verdunkelnden Himmel beobachten.