Das vergessene Versprechen - Friederike von Buchner - E-Book

Das vergessene Versprechen E-Book

Friederike von Buchner

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Beschreibung

Die beliebte Schriftstellerin Friederike von Buchner hat mit dieser Idee ein Meisterwerk geschaffen: Die Sehnsucht des modernen Großstadtbewohners nach der anderen, der ursprünglichen Welt voller Liebe und Gefühle, nach Heimat und bodenständiger Natur bildet Kern und Botschaft dieser unvergleichlichen Romanserie. Liebe und Gefühle, nach Heimat und bodenständiger Natur bildet Kern und Botschaft dieser unvergleichlichen Romanserie. Der Milchwagen hielt. Mit einem Satz sprang der Neufundländer von der Ladefläche. »Grüß Gott, Toni! Bist schon da?« sagte Xaver Baumberger im Vorbeigehen. Er trug eine Kiste Fisch ins Haus. »Grüß Gott, Vater! Wir sind die größte Strecke per Anhalter gefahren.« Antonius Baumberger wandte sich an den Milchkutscher. »Danke für die Mitnahme. Vergelt's Gott!« sagte Toni und stieg vom Bock. Auf dem Hof der Baumbergers parkte der Lieferwagen von Alfons Trachsel. Als dieser Toni sah, stieg dieser aus und kam neugierig wieder näher. »Hab' gehört, du kämst mit der Renovierung der Hütte gut voran.« »Ja, das stimmt. Es geht voran.« »Man sagt, du wolltest sie zusammen mit dieser Anna bewirtschaften?« »Des sagt man net nur so, des is auch so!« betonte Toni mit Nachdruck und deutlichem Unterton in der Stimme.

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Toni der Hüttenwirt Classic – 2–

Das vergessene Versprechen

Glaubst du noch an unsere Zukunft?

Friederike von Buchner

Der Milchwagen hielt. Mit einem Satz sprang der Neufundländer von der Ladefläche.

»Grüß Gott, Toni! Bist schon da?« sagte Xaver Baumberger im Vorbeigehen. Er trug eine Kiste Fisch ins Haus.

»Grüß Gott, Vater! Wir sind die größte Strecke per Anhalter gefahren.«

Antonius Baumberger wandte sich an den Milchkutscher.

»Danke für die Mitnahme. Vergelt’s Gott!« sagte Toni und stieg vom Bock.

Auf dem Hof der Baumbergers parkte der Lieferwagen von Alfons Trachsel. Als dieser Toni sah, stieg dieser aus und kam neugierig wieder näher.

»Hab’ gehört, du kämst mit der Renovierung der Hütte gut voran.«

»Ja, das stimmt. Es geht voran.«

»Man sagt, du wolltest sie zusammen mit dieser Anna bewirtschaften?«

»Des sagt man net nur so, des is auch so!« betonte Toni mit Nachdruck und deutlichem Unterton in der Stimme.

»I mein ja nur! Es hätt’ ja sein können, daß das nur ein Gerücht ist, Toni. Man macht sich halt so seine Gedanken.«

»Ich weiß schon, was du dir für Gedanken machst, Trachsel! Aber da wird nix draus. Brauchst dir keine falschen Hoffnungen zu machen. Die Anna und i, wir zieh’n das durch.«

»Net daß ich dir das mißgönne. Aber die Anna ist eine Zugereiste. Die weiß bestimmt net, was da so auf sie zukommt, als Hüttenwirtin. Die Leut’ meinen halt, es könnt auch danebengehen. Immerhin war deine Anna ja schon eine ganze Weile net mehr da. Sie scheint ja keine große Sehnsucht nach dir zu haben, so kommt’s uns allen vor.«

»Tu net so besorgt, Trachsel! Ich weiß schon, was in deinem Gehirn rumspukt. Deine Tochter und ich waren nie mehr als gute Freunde.«

Alfons Trachsel grinste schräg.

»Es werden schon Wetten auf euch abgeschlossen. Im ›Ochsen‹ hat der Huber beim letzten Stammtisch ein paar hundert Euro darauf gesetzt, daß die Anna und du – daß es eben nix wird.«

»Und du, du hast mitgehalten, wie? Das Geld ist schlechter angelegt, als hättest du es im Ofen verbrannt. Dann tät’s dich wenigstens noch wärmen. Ich sag es dir noch mal. Zwischen der Dorle und mir war nie mehr als Freundschaft!«

»I will dir ja nur sagen, daß ich nix gegen dich hätt’ als Schwiegersohn. Die Dorle, die weiß wie man eine Hütte bewirtschaftet – und i könnt’ auch viel für dich tun. Überleg’s dir gut! Das war sicher nur ein Urlaubsflirt. Das gibt’s ja häufig. Die Madeln kommen her, vergucken sich in einen unserer Burschen und wenn sie weg sind, dann is alles aus und vorbei. Wirst schon sehen! Wenn du willst, kannst ja am Sonntag mal zu uns zum Essen kommen. I geb dir den guten Rat, dir die Dorle warmzuhalten. Bist doch ein echtes Mannsbild! Wer könnt’ es dir verdenken. Es haben schon andere auf mehreren Hochzeiten getanzt. Und von mir erfährt niemand was.«

»Trachsel, schäm’ dich! Preist dein Madl an wie saures Bier. Pfui, was für ein Vater bist du denn? Außerdem hörst jetzt auf über die Anna herzuziehen, sonst kannst was erleben! Hörst? Der Huber muß aufpassen, daß ich ihm net sein vorlautes Mundwerk polier’. Des kannst ihm sagen. Ich will keinen weiteren Schmarrn hören, sonst komme ich in den ›Ochsen‹ und räum’ auf. Das war’s jetzt, Trachsel! Jetzt ziehst mit deinen Fischen weiter, bevor die anfangen zu stinken!«

Antonius Baumberger wandte sich ab und pfiff nach seinem Hund. Der Neufundländer kam angerannt. Sie gingen ins Haus.

»Deine Blicke verheißen nix Gutes, Toni!«

»Hab’ ein paar deutliche Worte mit dem Trachsel reden müssen.«

»Ah, es geht um die Anna! Dann versteh ich!«

»Du weißt, was geredet wird im Dorf, Mutter?«

»Schon lang, Toni! Bin froh, daß du die ganze Zeit oben in der Berghütte bist und nix hörst.«

»Zum Donnerwetter! Sind die denn alle narrisch geworden?

»Narrisch sind die net, Bub! Die Dorle kann sich nur net damit abfinden. Deine Braut wäre sie gern gewesen.«

»Schmarrn! Ich hat’ nie etwas mit ihr. Es war einfach nur Freundschaft, genau wie mit der Thea. Seit sich das von der Anna und mir rumgesprochen hat, sind alle total durchgedreht.«

»Deine Anna muß bald mal wiederkommen. Wie ist es? Bald ist Schützenfest. Kommt sie?«

»Sie will’s versuchen.«

Toni war ärgerlich. So sehr er seine Heimat liebte, manchmal ging ihm das Geratsche zu weit. Ja, es wurde auch wirklich Zeit, daß seine geliebte Anna mal wieder über ein verlängertes Wochenende kam. Er hatte Sehnsucht nach ihr. Schön waren die Tage zusammen mit ihr auf der Berghütte gewesen. Er vermißte sie sehr. Obwohl Toni schon seit Kinderzeit den Umgang mit der Einsamkeit der Berge gelernt hatte, so war diese Einsamkeit ohne Anna etwas Neues für ihn. Sein Leben empfand er als leer, ohne Annas Fröhlichkeit. Ihm fehlte ihr Lachen, ihr liebes anschmiegsames Wesen und ihre Zärtlichkeit.

*

Es war schon sehr spät. Jens Angermann saß in seinem Arbeitszimmer vor dem Computer und brütete schon stundenlang an der Lösung eines Problems. Auf dem Boden um ihn herum lagen Dutzende von Papierausdrukken.

Sein Zwillingsbruder betrat das Zimmer.

»Immer noch bei der Arbeit? Hör doch auf! Das wird heute nichts mehr. Ich habe schon vor drei Stunden Schluß gemacht.«

»Ich bin eben ganz anders. Ich bleibe dran.«

»Ist das wieder einer deiner Vorwürfe?«

»Nein, Jörg, nur eine einfache Feststellung. Wir stecken bis unter die Decke in Arbeit, und du machst pünktlich Schluß, wie immer. So erreicht man nichts!«

»Wer weiß? Wir haben doch bis jetzt immer alles geschafft.«

»Ja! Und warum haben wir das geschafft? Weil ich immer bis zur letzten Minute geackert habe!«

»Wir wären auch so fertig geworden. Du willst dich doch nur mal wieder aufspielen!«

Jens nahm die Hände von der Tastatur. Er drehte sich auf dem Stuhl herum und schaute seinem Zwillingsbruder ins Gesicht.

»Wir mögen zwar gleich aussehen. Aber gleich sind wir nicht. Ich war immer der, der viel mehr für alles arbeiten mußte, während dir alles in den Schoß fiel. Das war in der Schule schon so. Verschwinde, du Genie! Laß mich in Ruhe!«

»Ganz wie du willst. Dann werde ich jetzt zu Beate fahren und sie trösten«, provozierte Jörg seinen Bruder lachend. »Sie hat mich schon dreimal angerufen. Du nimmst ja kein Telefon ab.«

»Wann ich den Hörer abnehme und mit Beate spreche, ist meine Sache. Beate ist mit mir verlobt. Was wir beide haben, geht dich nichts an. Laß die Finger von Beate, Jörg!«

»So, meinst du! Klingt, als ob du Angst hättest, sie zu verlieren. Bist doch eifersüchtig, Bruderherz, wie?«

»Das ist meine Angelegenheit.«

»Dann kümmere dich auch darum. Also, wenn Beate meine Verlobte wäre, dann würde ich sie auf Händen tragen.«

»Das ist sie aber nicht. Beate hat sich für mich entschieden. Ich habe schon lange bemerkt, daß dir das nicht paßt. Nicht ich bin eifersüchtig, sondern du! Ich warne dich, treibe keinen Keil zwischen Beate und mich, sonst wirst du es spüren.«

»Dazu gehören immer zwei. Beate fühlt sich vernachlässigt von dir.«

»Das hat sie dir anvertraut?«

Jörg Angermann grinste seinen Zwillingsbruder an.

»Mehr oder weniger – ja! Sie machte gewisse Äußerungen!«

Jens sprang vom Stuhl auf und ergriff seinen Bruder vorne am Hemd.

»Was soll das heißen?« brüllte er.

»Jungs, werdet ihr nie erwachsen! Was ist jetzt schon wieder los? Wor­über streitet ihr?« Ihre Mutter war ins Zimmer getreten.

»Laß, Mutter! Das geht nur uns etwas an! Männersache. Du willst, daß wir uns wie Erwachsene verhalten, dann laß uns das hier wie Erwachsene austragen«, zischte Jens, der vor Wut rot im Gesicht war. Wenn es um Beate ging hatte er kein Verständnis. Sein Bruder löste seine Hand.

»Mutter, ich wollte Jens nur sagen, daß Beate über das Wochenende verreist. Sie wollte es Jens selbst sagen, aber der ging mal wieder nicht ans Telefon. Sie wollte es mit ihm besprechen. Da das aber mal wieder nicht möglich war, habe ich ihr geraten, einfach zu fahren.«

»Ach, laß mich in Ruhe!«

Jens Angermann stürmte aus dem Zimmer. Er rannte die Treppe hinauf unter das Dach. Ich muß hier raus, sonst vergesse ich mich, dachte er. Schnell zog er sich um. Er schlüpfte aus seinem dunklen Anzug, den er im Büro trug, in seine lederne Kniebundhose und ein kariertes Hemd. Sein gepackter Rucksack stand im Schrank. Er stopfte noch ein paar Pullover und Wäsche hinein, zog seine Wanderschuhe an und griff nach seiner wetterfesten Jacke.

Ohne einen Gruß, mit verschlossener Miene, ging er an seiner Mutter und seinem Bruder vorbei.

»Läufst du mal wieder fort?« rief sein Bruder ihm zu.

Statt einer Antwort plazierte Jens einen Kinnhaken im Gesicht seines Bruders.

Wie in Trance stieg Jens in sein Auto und fuhr zum Flughafen. Der nächste Inlandsflug in Richtung Berge war seiner. Er übernachtete im Flughafenhotel und nahm am nächsten Morgen einen Bus in Richtung Waldkogel. Waldkogel war ihm von einem ebenfalls bergbegeisterten Gast in der Hotelbar empfohlen worden, mit dem er ins Gespräch gekommen war.

*

Nach zweimaligem Umsteigen erreichte Jens am Nachmittag Waldkogel. Endhaltestelle der Linie war die Haltestelle vor der Kirche, mitten im Ort. Er stieg aus und schaute sich um. Auf dem Kirchplatz standen ein Brunnen und daneben eine Bank. Jens stellte seinen Rucksack ab. Er machte sein Taschentuch am Brunnen naß und wischte sich damit Gesicht und Hände ab. Es war sehr warm. Über dem Ort spannte sich ein wolkenloser Himmel. Eine junge Frau ging über den Platz. In den Armen trug sie mehrere Blumengebinde.

»Guten Tag!« grüßte Jens freundlich. »Wo kann man hier ein gutes einfaches Quartier für eine Nacht bekommen? Ist die Pension ›Zum Ochsen‹ zu empfehlen?« fragte er und deutete mit einer Kopfbewegung auf das Haus.

Die junge Frau musterte ihn. Er musterte sie. Sie antwortete nicht gleich. Statt dessen meinte er, einen leichten rötlichen Schimmer auf ihren Wangen zu sehen. Sie wandte den Blick ab.

»›Zum Ochsen‹, da wirst wirst nix kriegen! Der ist zu der Jahreszeit immer ausgebucht, und einfachere Zimmer hat der auch nicht mehr. Wenn es schlicht sein soll, dann schaust mal beim Baumberger rein. Die Pension liegt am Ende der Straße dort. Ist einfach zu finden. Wenn du jetzt da raufgehst, die Straße, da kannst’s nicht verfehlen. Es ist ein Bauernhof. Sie haben auch ein Schild draußen. ›Beim Baumberger‹ steht drauf.«

»Vielen Dank für die freundliche Auskunft. Guten Tag.«

»Grüß Gott!« Sie zögerte und fügte dann hinzu. »Wirst schon noch einen Schlafplatz kriegen. Sag, daß die Franzi dich geschickt hat.«

»Danke! Noch etwas...«, Jens deutete auf die beiden Berggipfel, die sich majestätisch gegen den blauen Himmel abhoben. »Wie heißen die Berge?«

»Wir Leut’ aus Waldkogel nennen sie nur ›Engelssteig‹ und ›Höllentor‹.«

»Klingt lustig!«

»Lustig ist das gar nicht! Ich wünsch’ dir, daß du nie erlebst, wie es sich verhält mit dem ›Höllentor‹. Und wenn, dann hoffe ich bei Gott, daß die Engel grad’ gegenüber aufsteigen und dich retten können.«

Jens lächelte die junge Frau an. Sie lächelte scheu zurück und drehte sich dann schnell um. Mit eiligen Schritten ging sie in die Kirche. Jens schaute ihr nach, wie er schon lange keiner Frau mehr nachgesehen hatte.

Jens bekam ein Zimmer bei den Baumbergers. Er stellte seine Sachen ab und machte gleich einen Spaziergang.

Er setzte sich auf eine Bank am Almweg und schaute auf das Dorf hinab. Dabei kehrten seine Gedanken immer wieder zu der jungen Franzi zurück. Er nahm an, daß sie Franzi hieß oder so gerufen wurde. Sie war freundlich und hilfsbereit. Er hatte in ihre wunderschönen rehbraunen Augen gesehen. In deren Tiefe hatte er einen ganz besonderen Menschen ausgemacht, mit einem Wesen, wie er es vorher noch nie erlebt hatte.

*

»Du kommst spät, Franzi«, bemerkte ihre Mutter. »Hast noch ein wengl geratscht mit dem Pfarrer, wie? Hat er sich über die Blumen gefreut?«

»Der Pfarrer Zandler läßt dich schön grüßen, Mutter, und bedankt sich für die schönen Blumen.«

»Das hat so lang gedauert?«

Franzi errötete. Sie drehte ihrer Mutter den Rücken zu.

»Hab’ gar nicht bemerkt, wie die Zeit gerast ist. Vielleicht hab’ ich unterwegs ein bissel getrödelt.«

Ihre Mutter warf ihr einen kurzen Seitenblick zu. Mit dem Madl ist etwas geschehen, dachte sie. Aber sie war klug genug, nicht weiter zu fragen. So verging der Nachmittag. Wilma Dollinger beobachtete ihre Tochter genauer als sonst. Das Madl war in Gedanken. Es träumte vor sich hin. So ging das den ganzen Tag.

Nach dem Abendessen spülte ihre Mutter das Geschirr, Franzi trocknete ab.

»Franzi, mit dir stimmt doch was nicht! Warum bist du so verändert? Willst nicht darüber reden?«

Franzi errötete. Schnell mußte sie sich eine Ausrede einfallen lassen. Was hätte sie ihrer Mutter sagen sollen? Sie konnte doch nicht erzählen, daß ein Fremder um Auskunft gefragt hatte und dieser Bursche ihr seither nicht mehr aus dem Kopf ging.

Um nicht lügen zu müssen, sagte sie:

»Wie ich in der Kirch war, mußte ich an die Ria denken. Weißt, die Maria, die Schwester vom Toni, mit der ich in der Schule war. Früher haben wir oft die Kirche zusammen geschmückt. Jetzt ist sie weg. Habe sie schon lange nicht mehr gesehen. War immer schön mit der Ria.«

Ja, mit Ria hätte sie über die Verwirrung in ihrem Herzen sprechen können. Sie hätte sie verstanden. Franzi vermißte die Freundin sehr.

»Da kannst nix dran machen, Franzi. Die Ria lebt jetzt mit ihrem Mann und den Kindern in der Stadt. Wenn die Töchter erst mal verheiratet sind, dann gehen sie eigene Wege. Bei der Ria ging das damals ja ganz fix. Die hat den Rosner Rolf auf dem Schützenfest kennengelernt. Dann haben sie auch schon bald geheiratet. Die beiden haben wohl schon vor der Ehe ein intensiveres Geplänkel gehabt.«

»Glücklich ist sie geworden, die Ria, das ist doch wichtig und sonst gar nix! Ich gönn’ ihr auch ihr Glück. Doch ab und an denke ich halt, es wär schön, wenn sie noch hier wohnen tät, in Waldkogel.«

»Sie lebt aber net hier. Wer weiß, wenn du mal einen Burschen hast, dann wirst auch weggehen wollen, Franzi.«

Mit weit aufgerissenen Augen schaute Franzi ihre Mutter an.

»Das mache ich nicht! Ich bleibe hier! Ich verlieb’ mich nie und nimmer in einen Mann, der nicht von hier ist. Was soll dann aus dem Hof werden? Der Lenz wird bestimmt nicht auf unserem Hof bleiben. Seine Braut ist ein Einzelkind. Ihr Vater ist froh, daß er mit dem Lenz einen tüchtigen Schwiegersohn auf den Hof bekommt. Also muß ich hierbleiben. Dem Vater würde es das Herz brechen, wenn ich auch noch den Hof verlassen würde.«

Wilma Dollinger fuhr ihrer Tochter mit der Hand über das Haar.

»Bist ein gutes Kind, Franzi! Darüber mußt du dir jetzt noch keine Gedanken machen. Da hast du noch Zeit. Verlieben kannst dich, in wen du willst. Er muß dir ein guter Mann sein. Wir wollen, daß du glücklich bist! Ich habe das alles mit deinem Vater schon besprochen, als klar gewesen ist, daß dein Bruder uns im nächsten Frühjahr verlassen tut, nach seiner Heirat. Dein Vater und ich waren uns einig, daß es nicht so kommen darf, daß du dich entscheiden mußt zwischen deiner Liebe und dem Hof. Das wollte ich dir eigentlich schon lange mal sagen.«

»Das ist lieb von euch, Mutter. Doch so weit wird es nicht kommen. Ich war fortgegangen in die Stadt für die Ausbildung und bin nach der Lehre auch wieder heimgekommen. Ich gehöre hierher. Hier will ich bleiben, meine Familie haben, meine Kinder großziehen und alt werden.«

»Gebe es Gott, daß es so kommt, wie du es dir wünschen tust, Franzi. Ja, wirklich, gebe es Gott. Doch wenn es nicht so sein soll, dann ist es eben nicht zu ändern. Früher war das eben ganz anders. Da mußte sich jemand opfern, wenn es um den Hof ging. Doch die Zeiten haben sich geändert, sogar bei uns in Waldkogel. Das kommt auch daher, daß die Höfe die Leute nicht mehr so gut ernähren.«

»Für mich kommt das nicht in Frage. Ich denke, daß die Ria Waldkogel auch vermissen tut. Gesagt hat sie zwar nix. Ich werde sie fragen, wenn sie wieder einmal da ist.«

»Sie war schon ein paar Wochen nicht mehr da, Franzi. Na, vielleicht ist sie wieder schwanger und muß sich schonen. Du weißt ja selbst, daß das mit ihren beiden anderen Schwangerschaften schwierig war.«

»Meinst wirklich, daß die Ria wieder schwanger ist? Geschrieben hat sie mir nix. Wenn ich es recht überlegen tue, dann hat die Ria schon lange nicht mehr geschrieben und angerufen. Vielleicht hat sie einen großen Kummer.«

»Wenn du beunruhigt bist, dann lauf doch zur Meta und frag sie.«

Ohne zu zögern, band sich Franzi ihre Küchenschürze ab. Sie warf sich ihr Schultertuch um. Jetzt würde sie es noch nicht brauchen, aber auf dem Heimweg würde es kühl sein. Abends wurde es in der Nacht in den Bergen immer schnell frisch, und nachts sanken die Temperaturen ab.

Kurz nachdem Franzi gegangen war, kam Pius Dollinger in die Küche.

»Wo geht denn unsre Tochter noch hin?«

»Sie will die Baumberger Meta besuchen und sich nach der Ria erkundigen. Sie hatte es eilig. Du, Pius, ich sage dir, mit unserem Madl stimmt was nicht. Heute morgen war sie noch ganz so wie immer. Dann kam sie aus der Kirch’ zurück und seither stimmt etwas net mir ihr. Ich muß gleich morgen zum Pfarrer gehen und fragen, was los ist.«

»Laß sie in Ruh, Wilma! Unsere Franzi ist ein braves Madl. Wenn die wirklich einen Kummer hätte, dann würde sie mit uns sprechen.«

»Es muß ja gar kein Kummer sein, Pius. Es kann auch was anderes sein.«

»Was anderes? Des versteh’ ich net.«

»Ich aber! Die Franzi vermißt die Ria. Das heißt, daß sie mit der Freundin gern über was reden würde, wor­über sie mit mir net reden will, erst mal.«

Verwundert und überrascht schaute Pius seine Frau an, die ihm gleich die Erklärung gab.

»Wie ich mich damals in dich verguckt habe, da bin ich auch nicht gleich zu meiner Mutter gelaufen. Da hab’ ich auch erst mit meiner Freundin darüber geredet.«

»Ah! Du meinst, daß unsere Franzi sich heut verliebt hat? Ja, meinst denn, das geht so einfach zwischen Mittag und Nachmittag?«

»Pius, Pius! Die Liebe kommt, wann es ihr paßt.«