Arbeit gesucht - Liebe gefunden - Friederike von Buchner - E-Book

Arbeit gesucht - Liebe gefunden E-Book

Friederike von Buchner

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Beschreibung

Die beliebte Schriftstellerin Friederike von Buchner hat mit dieser Idee ein Meisterwerk geschaffen: Die Sehnsucht des modernen Großstadtbewohners nach der anderen, der ursprünglichen Welt voller Liebe und Gefühle, nach Heimat und bodenständiger Natur bildet Kern und Botschaft dieser unvergleichlichen Romanserie. Liebe und Gefühle, nach Heimat und bodenständiger Natur bildet Kern und Botschaft dieser unvergleichlichen Romanserie.

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Toni der Hüttenwirt Classic – 51 –

Arbeit gesucht - Liebe gefunden

Tinas Weg ins neue Leben

Friederike von Buchner

Der Marktplatz von Waldkogel lag in der Morgensonne. Bürgermeister Fritz Fellbacher stand auf den Stufen der Rathaustreppe. Die Hände tief in den Hosentaschen seiner grünen Lodenhose vergraben, schaute er sich um. Toni fuhr mit seinem Geländewagen vorbei, hupte und winkte ihm zu. Im Rückspiegel sah Toni, daß Fellbacher ihm nicht nachwinkte. Das wunderte Toni. Bürgermeister Fritz Fellbacher war ein freundlicher Mann.

Toni hielt an. Er parkte und stieg aus.

Bürgermeister Fellbacher stand immer noch regungslos auf der Rathaustreppe. Antonius Baumberger, von allen seit seiner Kindheit Toni gerufen, ging auf Fellbacher zu.

»Grüß Gott!« sagte er laut.

Bürgermeister Fellbacher erschrak.

»Grüß Gott, Toni! Wo kommst du denn her?«

Toni lachte.

»Mei, Fellbacher! Du bist lustig! Ich bin eben hier mit dem Auto vorbeigefahren. Ich habe gehupt. Aber du hast net reagiert.«

»Bin in Gedanken gewesen, Toni! Des mußt mir nachsehen! Du weißt, daß des net meine Art ist, die Leut’ zu übersehen und zu überhören.«

»Des weiß ich doch, Fellbacher! Des muß ja wirklich etwas sehr Wichtiges sein, das dich so beschäftigen tut. Hast einen Kummer? Ärgert dich die obere Verwaltungsbehörde in Kirchwalden wieder?«

Toni wußte, daß sich Fellbacher oft mit der Verwaltungsbehörde anlegte. Fritz Fellbacher war ein Bürgermeister, der praktisch dachte. Er konnte und wollte einfach nicht einsehen, daß er irgendwelche Verwaltungsvorschriften hinnehmen sollte. Besonders, wenn es um das Wohl einzelner Bürger ging, dann konnte Fritz Fellbacher der Verwaltung schon Ärger machen. Weil er sich für jeden in Waldkogel so einsetzte, wurde er von allen geschätzt.

»Na, red schon, Fellbacher! Was drückt dich?«

»Hast einen Augenblick Zeit, Toni? Kannst mit mir reinkommen oder mußt gleich weiter?«

»Du hast immer Zeit für uns, also nehme ich mir auch die Zeit für dich! Nun red’ schon, was ist los?«

Die beiden gingen in Fellbachers Amtsstube. Fritz Fellbacher schenkte erst einmal einen Schnaps ein.

»Es geht um den Marktplatz! Die Nachbargemeinden, die machen auf ihren Marktplätzen einmal in der Woche Markt. Des zieht viele Leute an. Des ist bei einigen schon richtig zu einem Tourismusmagnet geworden. Die verkaufen da net nur Obst, Gemüse, Brot, Butter, Sahne… und so was. Auch Kunsthandwerk wird angeboten. Was mich dabei ärgert ist, daß des net alles aus den Orten ist. Die kaufen des im großen Stil ein. Des Zeug wird net in Handarbeit gefertigt, sondern ist Fabrikware. In meinen Augen ist des eine Schande. Des ist wahrer Etikettenschwindel. Es ärgert mich. Außerdem bekommen die sogar dafür noch Fördergelder aus der Staatskasse.«

»Ja, ich habe auch schon davon gehört. Was willst dagegen machen, Fellbacher? Willst jetzt auch so einen Wochenmarkt veranstalten?«

»Genau, darum geht es mir! Deshalb habe ich – also die Gemeinde Waldkogel – einen Antrag gestellt.«

»Des war ein gute Idee, Fellbacher! Was denen zusteht, steht den Waldkogelern schon längst zu.«

Ein Lächeln huschte über das Gesicht des Bürgermeisters.

»Ja! Das waren auch meine Gedanken!«

Bürgermeister Fellbacher schlug mit der Hand auf den Tisch.

»Aber nix ist! Abgelehnt! Ja, abgelehnt haben sie es! Sie wollen noch nicht einmal die Erlaubnis erteilen, daß wir hier auch ohne Förderung so einen Markt machen.«

»Mei, des ist ja vielleicht ein Ding!« staunte Toni. »Mit welcher Begründung?«

Bürgermeister Fritz Fellbacher holte das Schreiben aus einer Mappe auf seinem Schreibtisch. Er reichte es Toni, damit sich dieser selbst davon überzeugen konnte.

Toni las.

»Mei, des ist ja wirklich eine Unverschämtheit! Zu behaupten, nur traditionelle Märkte bekämen Unterstützung!«

Bürgermeister Fellbacher nahm das Schriftstück wieder an sich.

»Nach den Buchstaben der gesetzlichen Verordnungen mag des ja zutreffen. Im Gegensatz zu einigen anderen Orten haben wir hier in Waldkogel seit einigen Jahrzehnten keinen regelmäßigen Markt mehr gemacht. Wir machen unsere Feste: Kirchweih, Schützenfest, Holzhackerfest, Feuerwehrfest, Sommerfeste der Vereine und was sonst noch so ansteht. Fast jeden Monat ist doch etwas. Aber das fällt alles net unter diese Verordnung. Die meisten Höfe, die verkaufen ihre Waren über ihre Hofläden. Deshalb hat des aufgehört mit dem Markt.«

»Des stimmt schon! Doch es müßte sich doch etwas machen lassen und wenn es nur einmal im Monat ist, Fellbacher!«

»Darüber habe ich auch nachgedacht. Mir fehlt nur noch die richtige Idee!«

Die Gemeindesekretärin brachte Kaffee. Die nächste Stunde saßen Toni und Bürgermeister Fritz Fellbacher zusammen. Sie überlegten.

»Dann gründen wir eine neue Tradition! Jeden ersten Sonntag ist Sonntagsmarkt. Er beginnt nach dem Mittagessen und dauert, bis die Sonne untergeht. Am Schluß gibt es ein großes Feuer hinten beim Sportplatz und Tanz.«

»Toni, des ist eine gute Idee! Ich garantiere, daß nur einheimische Produkte angeboten werden. Für Kunst ist auch gesorgt. Wir haben einige Künstler hier. Dazu machen wir noch einen Floh- und Krempelmarkt. Es gibt auch Essen und Trinken. Auf dem Schulhof veranstalten wir Spiele für Kinder. Wenn wir des ein paar Jahre machen, dann hat des auch Tradition und muß gefördert werden. Wir brauchen nur noch einen Namen dafür oder ein Motto. Weißt, Toni, es muß was Griffiges sein! Der Werbespruch muß zu Waldkogel passen. Waldkogeler Sonntagsmarkt… des ist mir net genug.«

Sie überlegten beide.

»Weißt, Toni, ich stelle mir des so vor wie auf einem richtigen Familienfest. Wie ich vorhin draußen gestanden bin, da dachte ich, daß man den Marktplatz schön schmücken könnte, mit viel Tannengrüngirlanden. Entlang der Hauptstraße und in einigen Seitenstraßen wird direkt auf den Höfen etwas gemacht. So wie bei einer richtigen Familienfeier. Da kann gegrillt oder Kuchen angeboten werden. Aber des Ganze muß familiär bleiben. Es darf net so kommerziell werden. Deshalb kostet des auch nix!«

Toni sah den Bürgermeister erstaunt an.

»Die Leute, die zahlen freiwillig, was ihnen des Essen und Trinken und alles wert ist. Ich habe darüber einen Zeitungsartikel gelesen. Man glaubt es kaum, doch es kann funktionieren. Weißt, früher war des ja auch so! In weniger guten Zeiten da ist auch gefeiert worden. Und des net so knapp! Jeder, der kam, der hat etwas mitgebracht oder etwas in die Haushaltskasse geworfen.«

»Des ist eine ganz verrückte Idee, Fellbacher!«

Toni überlegte.

»Weißt, Fellbacher, des könnte man ja mal ausprobieren. Allerdings denke ich mir, daß dich des bei den Leut’ ein bissel Überzeugungsarbeit kosten wird. Doch da habe ich auch schon eine Idee. Wir gründen einen übergeordneten Verein zur Traditionspflege, und die Gemeinde Waldkogel ist da Mitglied und hat den Vorsitz. Jeder kann Mitglied werden, jeder Waldkogeler und auch die anderen Vereine. So ein Verein zur Förderung der Tradition und des ursprünglichen Lebens auf dem Land, in den Bergen und der Gemeinschaft überhaupt. Was meinst dazu, Fellbacher?«

»Des ist eine ganz famose Idee! Des Geld, was eingenommen wird, damit kann man etwas fördern. Weißt, Toni, ich habe da in den alten Geschichtsbüchern gewälzt heute nacht. Ich hab’ net schlafen können. Und dann bin ich ins Rathaus gegangen. So etwas hat es schon einmal gegeben. Net genauso, aber ähnlich. Des Geld für unsere schönen Glocken auf dem Turm unserer Kirche, des ist so ähnlich zusammengekommen. Geld hatten die Bauern net. Glocken wollten sie alle haben. So haben sie einen Teil der Ernte für den guten Zweck in der Stadt verkauft. Bald war des Geld für die Glocken zusammen. Die Leut’ haben ihnen oft sogar ein paar Heller mehr gegeben, weil des für die Glocken war. So steht es in der alten Chronik.«

»Des habe ich net gewußt, Fellbacher!«

»Aber einen Aufhänger, den brauche ich schon, wegen der Tradition, verstehst?«

Toni rieb sich das Kinn.

»Glocken haben wir schon! Fellbacher, des ist schwierig! Des einzige, was mir einfallen tut, des wäre so eine Art Heimatmuseum. Weißt, einen alten Bauernhof, auf dem noch so gewirtschaftet und gelebt wird wie früher.«

»Mei, des ist eine gute Idee, Toni! Doch es gibt hier keinen richtig alten Hof mehr, keinen Bauernhof ohne Strom und fließendem Wasser und Kanalisation.«

»Dann müßte die Gemeinde eben irgendwo einen kaufen und hier wieder aufbauen. Ein Platz auf Gemeindegrund wird sich bestimmt finden lassen. Des ist auch für Kinder interessant. Die aus der Stadt, die haben keine Vorstellung vom Landleben, wie das früher gewesen ist.«

»Net nur die von der Stadt!« sagte Fritz Fellbacher. »Toni, des ist eine großartige Idee! Museumsdörfer gibt es viele, aber keines hier in der Nähe – und Waldkogel beginnt damit. Jeder in unserem schönen Waldkogel hilft mit. Durch diese Sonntagsfeste einmal im Monat kommt des Geld zusammen.«

»Des ist es doch, Fellbacher! Das Motto für unser Waldkogeler Sonntagsfest!«

»Toni, du hast es! Des bered’ ich gleich mal mit dem Zandler. Dann habe ich im Gemeinderat die nötige Unterstützung.«

Bürgermeister Fellbacher rief seine Gemeindesekretärin herein. Er beauftragte sie, für den Abend eine Gemeinderatssondersitzung einzuberufen.

Bürgermeister Fellbacher rieb sich vergnügt die Hände.

»Des wird Aufsehen erregen! Die werden Augen machen. So etwas können die anderen Gemeinden net auf die Beine stellen! Wir sind hier zwar modern in Waldkogel, aber wir achten und ehren die Tradition und bewahren sie.«

Toni stand auf.

»Dann wünsche ich dir viel Erfolg, Fellbacher! Wenn du Hilfe brauchst, dann laß es mich wissen. Ich denke, daß des wirklich eine wunderbare Idee ist.«

Bürgermeister Fellbacher begleitete Toni bis hinaus auf die Straße. Dann stieg er in sein Auto und fuhr hinauf auf die Oberländer Alm.

Fritz Fellbacher besuchte Pfarrer Zandler. Konnte er ihn für den Plan gewinnen, dann war die Sache so gut wie beschlossen.

*

Bürgermeister Fritz Fellbacher mußte im Gemeinderat von Waldkogel keine große Überzeugungsarbeit leisten. Alle waren von der Idee begeistert, einen Museumsbauernhof zu errichten. Das Ganze mit regelmäßigen Sonntagsfesten zu finanzieren, überzeugte alle. Sie waren davon überzeugt, daß schon allein aus Neugierde viele Besucher kämen, denn ein Fest, bei dem es keine festen Preise gab, das wäre doch was Neues.

Bürgermeister Fritz Fellbacher ging in den nächsten Tagen von Hof zu Hof und sprach mit jedem. Die meisten stimmten sofort zu. Nur ganz wenige äußerten erst einmal Bedenken. Zum Schluß waren alle begeistert und drängten, den Termin für das erste »Waldkogeler Sonntagsfest« zu beschließen.

Die Zeitung in Kirchwalden schrieb fast täglich darüber. Sie brachte Reportagen der einzelnen Höfe, die sich beteiligten. Der alte Alois bestand darauf, daß ihm Sebastian und Franziska jeden Tag eine Tageszeitung mit hinauf auf die Berghütte brachten, wenn sie aus der Schule kamen.

»Toni, diese Zeitungsschreiberlinge, die haben keine Ahnung, wie des damals auf den Höfen war. Da haben die alle noch net gelebt. Des sind reine Erfindungen. Also, die sollte man alle mal einladen und mindestens eine Woche auf unserem Museumshof arbeiten lassen, damit sie wissen, worüber sie schreiben«, wetterte der alte Alois.

Toni lachte.

»Mei, Alois! Sei net so hart! Die können doch nix dafür. Sie wissen des net besser. Freu’ dich, daß sie so freundlich schreiben. Net jeder hat

so ein gesegnetes Alter wie du! Net jeder kann sich leibhaftig dran erinnern, wie des war, als es noch keine Elektrizität im Tal gegeben hatte, wie es war, als alles von Hand gemacht wurde.«

»Toni, des weiß ich! Aber aufregen tut es mich trotzdem. Die Zeitung schlägt vor, daß im Museumshaus über Sommer Leut’ wohnen sollten, die des Leben so spielen. Des hat ja Kreise gezogen, daß mir richtig bange wird, Toni!«

»Weshalb?«

»Na! Die Schauspielschule in der Landeshauptstadt will den Museumshof im nächsten Jahr – wenn der dann fertig ist – abwechselnd von jungen Schauspielschülern und Schülerinnen bewirtschaften und bewohnen lassen. So ein Schwachsinn! Die sind viel zu jung und haben keine Ahnung, wie des so ist mit dem Leben auf einem Hof.«

Toni schmunzelte.

»Nun beruhige dich, Alois! Es dauert noch eine ganze Weile, bis des alles soweit ist. Erst wird jetzt mal mit den Waldkogeler Sonntagsfesten begonnen. Dann kommt Geld zusammen. Der Fellbacher schaut sich nach einem geeigneten Hof um. Dann dauert es noch lange, bis der hier in Waldkogel wieder aufgebaut ist und bewirtschaftet werden kann.«

»Toni, des weiß ich doch! Es wird nicht leicht sein, dafür geeignete Leute zu finden, auch wenn es viele gibt, die keine Arbeit haben. So ein Leben wie auf einem Hof in alter Zeit ist

net einfach. Da sind Qualitäten gefragt.«

»Alois, das weiß ich doch! Der Fellbacher wird des schon machen. Es sind bereits schon Bewerbungen bei ihm eingegangen. So früh schon, Alois! Da wird man schon geeignete Leute finden. Am schönsten wäre es, wenn sich jemand aus Waldkogel bereit erklären würde, den Hof zu führen. Aber des hat alles Zeit, Alois! Noch ist kein Geld da, noch kein Hof gefunden, noch net zerlegt und wieder aufgebaut. Des dauert, Alois!«

Der alte Alois faltete die Zeitung zusammen.

»Einfach wird des net werden! So schön, wie sich des auch manche vorstellen. Des war ein hartes Leben damals, für den Bauer und noch mehr für die Bäuerin«, betonte der alte Alois noch einmal.

Er wollte eben immer das letzte Wort haben.

Toni hätte sich gerne noch weiter mit dem alten Alois unterhalten, aber es kamen Wanderer den Berg herauf.

Es war eine größere gemischte Gruppe. Toni begrüßte sie freundlich. Er hatte den Eindruck, daß es Tagesausflügler waren.

»Also, dann setzt euch!«

»Des machen wir! Und für alle erst mal ein Bier. Dieser Aufstieg macht durstig.«

Toni nickte und zählte durch. Er ging in die Berghütte und zapfte Bier. Als er ein wenig später herauskam, saßen alle zusammen, bis auf eine junge Frau. Diese saß am anderen Ende der Terrasse. Toni wunderte sich. Er stellte die Bierkrüge auf die Holztische.

»Des Madl dort, des gehört net zu euch?«

»Nein!« klang es vielstimmig.

»Nein, leider net! Ist ein fesches Dirndl!« grinste ein junger Mann.

»Mußt sie net so mit den Augen auffressen, des wird nix mit der! Hast es ja unterwegs schon probiert. Aber des Madl ist sehr einsilbig. Ich denke, es ist besser, wenn du die Finger von der läßt!« riet ihm sein Tischnachbar.

Toni schmunzelte. Er nahm den letzten Bierkrug und ging zu der jungen Frau. Sie trug eine Sonnenbrille. Ihr schulterlanges Haar trug sie offen. Kurze Locken fielen ihr in die Stirn.

»Magst auch ein Bier? Ich hab’ gedacht, du gehörst zu den Tageswanderern da drüben.«

»Nein, danke! Tut mir leid, daß bei Ihnen dieser Eindruck entstanden ist. Wir sind nur zufällig auf dem Bergpfad hier herauf zusammengetroffen. Ich bin auch keine Tagesausflüglerin. Ich bleibe länger in den Bergen. Haben Sie eine freie Kammer, eine Einzelkammer?«

Toni rieb sich das Kinn.

»Des wird schwierig werden. Aber ich spreche mal mit meiner Anna. Da wird sich bestimmt was machen lassen. Was willst trinken? Einen Tee? Ein Glas schöne frische Milch? Klares Bergwasser?«

»Gibt es auch Kaffee? Einen richtig starken Kaffee mit viel Milch und Zucker, können Sie mir den bringen?«

»Des kann ich gern! Aber des mit dem ›Sie‹, des kannst lassen. Ich bin der Toni, der Hüttenwirt hier. Dann gibt es noch die Anna, des ist meine Frau. Dort drüben am Tisch, des ist der alte Alois. Dem hat früher die Berghütte gehört. Wir sind hier eine richtige Familie. In den Bergen sagt man unter Bergkameraden immer ›Du‹.«

Toni konnte ihren erstaunten Blick hinter der Sonnenbrille nur ahnen. Ein Lächeln umspielte ihren Mund.

»Gut! Wenn das hier in den Bergen so ist, dann ist es so. Dann bin ich die Tina!«

»Gut, Tina! Du bekommst einen starken Kaffee von mir!«

Toni ging hinein. Er sprach mit Anna. Sie fand eine Lösung, daß für Tina ein Kammer frei wurde.

»So, Tina, hier ist dein Kaffee! Und eine Kammer haben wir für dich auch. Wie lange willst du denn bleiben?«

Tina seufzte.

»Ich hatte vor, hier meinen Jahresurlaub zu verbringen. Ich gestehe, ich bin zum ersten Mal in den Bergen. Ich wollte vier Wochen bleiben. Doch in meinem Leben hat sich etwas geändert. Deshalb bleibe ich nur zwei Wochen. Ganz entschieden habe ich mich noch nicht.«

Tina nahm die Sonnenbrille ab. Toni sah in zwei schöne braune Augen. Doch der Blick war nicht glücklich, sondern traurig.

»Ich sage dir aber rechtzeitig, wie lange ich bleibe. Ich muß eine Entscheidung treffen. Doch das werde ich heute bestimmt noch nicht. Dazu bin ich viel zu müde. Ich habe heute nacht kaum geschlafen und dann noch der Aufstieg.«

»Es eilt net! Der Kaffee, der muntert dich ein bissel auf! Magst net auch was essen?«

Tina schüttelte den Kopf.

»Danke! Aber ich bekomme keinen Bissen herunter.«

Sie nippte an dem Kaffee.

»Schmeckt gut!«

Langsam trank sie schluckweise die Tasse aus. Toni sah ihr dabei zu.

»Magst noch einen Kaffee?«

Sie nickte und setzte ihre Sonnenbrille wieder auf.

Toni holte Tina einen zweiten Becher Kaffee.

»Wir haben die Kammer unten freigemacht! Soll ich dir schon mal deinen Rucksack hineinbringen?« fragte Toni.

»Danke, aber das mache ich später selbst!«

Toni spürte, daß es besser war, wenn er Tina jetzt allein ließ. Er ging zu Anna hinein.

»Des Madl draußen hat einen Kummer! Des spüre ich, Anna! Die schaut ganz und gar net glücklich aus. Ganz blaß ist des Madl! Und zur schönen Aussicht hat sie auch nix gesagt. Des beeindruckt sie net. Die nimmt des gar net wahr, Anna!«

»Vielleicht ist sie wirklich nur müde?«