Toni und Moni - Petra Piuk - E-Book

Toni und Moni E-Book

Petra Piuk

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Beschreibung

Eine schöne Musik, eine heile Familie und eine Liebesgeschichte – das ist das Rezept für einen gelungenen Heimatroman. Schöner und heiler als in Schöngraben an der Rauscher kann die Welt gar nicht sein: heimatverbundene Menschen, ein starkes Wir und eine bevorstehende Hochzeit. Wären da nicht ständig diese Störungen: eine Großcousine, die den Mord in der Familie aufdecken will, eine Moni, die sich in einen Michael verliebt, Figuren, die sich nicht an die Regeln halten, und eine Romanautorin, die mit niederträchtigen Mitteln das glückliche Ende konterkariert. Im Rahmen einer Gebrauchsanweisung entwirft Petra Piuk die provinzielle Antiidylle und zerstört Stück für Stück den Schein einer heilen Welt. Bitterböse und zugleich höchst unterhaltsam führt sie den Heimatroman ad absurdum und hebelt alle Regeln des klassischen Erzählens aus. "Die Hebamme stülpt eine Saugglocke über meinen Schädel und zerrt mich aus dem Mutterloch heraus. Ich bekomme einen Schlag auf den Rücken, beginne zu schreien und lerne meine erste Lektion fürs Leben: Eine Watschen ist gesund."

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Petra Piuk

Toni und Moni

oder:Anleitung zum Heimatroman

Roman

Das ist ein Fake-Roman. Schöngraben an der Rauscher ist ein fiktiver Ort. Handlung und Personen sind frei erfunden.

www.kremayr-scheriau.at

e-ISBN 978-3-218-01094-8

Copyright © 2017 by Verlag Kremayr & Scheriau GmbH & Co. KG, Wien

Alle Rechte vorbehalten

Schutzumschlaggestaltung: Christine Fischer

Unter Verwendung zweier Grafiken von:shutterstock/Nikita Chisnikov und shutterstock/neur0tix

Lektorat: Tanja Raich

Satz und typografische Gestaltung: Ekke Wolf, typic.at

Druck und Bindung: Christian Theiss GmbH, St. Stefan i. Lavanttal

Inhaltsverzeichnis

Vorwort der Dorfbewohner

Vorwort der Frau Schriftstellerin

1.Eine schöne Musik

2.Ein fescher Dorfheld

3.Eine heile Welt

4.Eine schöne Tradition (Teil 1)

5.Eine Familienidylle (Teil 1)

6.Eine Liebe zu den Tieren

7.Ein schönes Mädchen

8.Eine seichte Handlung

9.Ein harmloser Konflikt

10.Ein strahlender Sonnenschein

11.Eine Familienidylle (Teil 2)

12.Eine Liebe (Teil 1)

13.Ein Wir-Gefühl

14.Eine klare Grenze zwischen Gut und Böse

15.Ein Bösewicht

16.Eine schöne Tradition (Teil 2)

17.Eine ehrliche Gastfreundschaft

18.Eine Liebe (Teil 2)

19.Eine unerfüllte Liebe

20.Ein Alkoholgenuss

21.Ein Kampf um die Liebe (Teil 1)

22.Ein Heimatschutz

23.Ein Kampf um die Liebe (Teil 2)

24.Ein Gottvertrauen

25.Ein Familienzusammenhalt

26.Eine schicksalhafte Wendung

27.Ein tragischer Schicksalsschlag

28.Eine schöne Tradition (Teil 3)

29.Eine Heimatverbundenheit

30.Eine schöne Tradition (Teil 4)

31.Eine Freiheit

32.Ein Kampf um die Liebe (Teil 3)

33.Ein schönes Erlebnis in der Natur

34.Eine gerechte Welt

35.Ein traditionelles Frauenbild

36.Eine Wiederherstellung der dörflichen Ordnung

37.Ein glückliches Ende

Nachwort

Anhang

Vorwort der Dorfbewohner

Das ist ein schöner Heimatroman. Die Frau Schriftstellerin hat gesagt, dass ihr zweites Buch ein schöner Heimatroman wird. Wir haben nach Erscheinen des ersten Buches zur Frau Schriftstellerin gesagt: Warum haben Sie keinen schönen Heimatroman geschrieben? Hätten Sie einen schönen Heimatroman geschrieben, hätten wir Sie zu einer Lesung ins Gasthaus eingeladen. Aber so … GOTT SEI DANK hat sie auf uns gehört. Wir sind schon sehr neugierig.

Vorwort der Frau Schriftstellerin

Das glaube ich, dass Sie schon sehr neugierig sind. Ich bin auch schon sehr neugierig, wie Ihnen mein Heimatroman gefallen wird. Gut, dass Sie mich auf die Idee gebracht haben. Da hätte ich auch wirklich selbst darauf kommen können. Dann hätte ich das erste Buch erst gar nicht schreiben müssen. Und weil Ihnen das Ende des ersten Romans nicht gepasst hat: Dieses Mal wird es ein glückliches Ende geben. Versprochen. Mit einer schönen Musik und mit Hochzeitsglocken. So wie sich das in einem schönen Heimatroman gehört.

PS: Ich freue mich schon sehr auf die Lesung im Gasthaus.12

1Anmerkung Verlag: Sämtliche Lesungstermine finden Sie auf unserer Webseite www.kremayr-scheriau.at sowie auf der Webseite der Autorin www.petrapiuk.at.

2Liebe Petra, ich freue mich schon sehr auf das Lektorat. Und auf das glückliche Ende. LG Tanja Liebe Tanja, jetzt muss der Roman erst einmal geschrieben werden. Was das Ende betrifft, kann ich für nichts garantieren. Derzeit geht alles drunter und drüber. LG Petra

1. Eine schöne Musik

Zunächst benötigen wir eine musikalische Einführung. Wie wäre es mit der Bundeshymne. Selbstverständlich die ohne Töchter, was glauben denn Sie. Einig lass in Brüderchören, Vaterland, dir Treue schwören. Nein, die Bundeshymne klingt zu ernst und den Ernst des Lebens wollen wir vergessen, dazu sind wir hier versammelt. Wir brauchen für den Beginn eines schönen Heimatromans ein Lied mit mehr Schwung. Eine Heimatmelodie, die einem sofort ein Lächeln ins Gesicht schnalzt. Schalten wir Radio Schlagerglück ein.

Wo gibt’s zugezogene Vorhäng’, wohin ich auch geh?

Nur zu Haus.

Wo spricht man die Sprache, die ich versteh?

Nur zu Haus.

Wo gibt’s willige Dirndln, wohin ich auch seh?

Und jetzt alle zusammen!

Nur zu Haus.

Falls Sie den Heimatroman nicht selbst lesen, sondern ihn bei einer Lesung (wie angekündigt im Gasthaus zum Beispiel) vorgelesen bekommen, machen Sie es doch wie bei anderen Live-Events (Hütten gaudi, Volksmusikshows, Bierzeltwahlkampf usw.): Haken Sie sich bei ihren Nachbarn ein und schunkeln Sie mit. Einmal nach rechts und einmal nach links und wieder weit nach rechts. Wusste ich es doch: Das brauche ich Ihnen nicht zwei Mal zu sagen. Das macht Laune, jawohl!

2. Ein fescher Dorfheld

2.1. Vorbemerkung

Der Dorfheld erzählt uns seine Geschichte selbst. Manchmal verwendet er Ausdrücke, die in einem Heimatroman nichts verloren haben. Ich versuche laufend, ihm diese Spracheigentümlichkeiten mit den Behandlungsweisen, die hierzulande üblich sind, auszutreiben, bisher leider ohne Erfolg. Er wird im Laufe des Romans aber noch einsehen, dass man nicht fluchen muss, wenn man auch singen kann. Am besten im Duett mit einem schönen Mädchen (siehe Kapitel 7Ein schönes Mädchen). Also schlagen Sie das Buch nicht gleich zu, sondern lieber ihren Hund oder ihr Kind, und lesen Sie in Schunkellaune weiter.

2.2. Wie ich auf die Welt komme

Bei meiner Geburt zerfetze ich mit meinem Riesenschädel der Mama beinahe den Unterleib. Die Mama schreit wie eine Sau, die abgestochen wird. Der Papa schreit von draußen herein: Pressen! Jetzt press endlich! Zum Pressen zu deppert. Die Hebamme stülpt eine Saugglocke über meinen Schädel und zerrt mich aus dem Mutterloch heraus. Ich bekomme einen Schlag auf den Rücken, beginne zu schreien und lerne meine erste Lektion fürs Leben: EINE WATSCHEN IST GESUND. Es freuen sich alle im Kreißsaal, aber nicht, weil ich auf der Welt bin, auf mich hat nämlich keiner gewartet, sondern weil ich das Neujahrsbaby von Österreich bin. Das ist schon etwas, worauf man stolz sein kann, dann steht man nämlich in der Zeitung. Wenn man so wie ich MEHR GLÜCK ALS VERSTAND hat, landet man sogar auf der Titelseite – die verschwitzte Mama, der besoffene Papa, das plärrende Kind mit dem Saugglockenschädel: ich, der Toni.

Die Mama gibt die Titelseite in eine Klarsichthülle und hängt die Erinnerung in der Stube auf. Dort hängen außerdem: ein Holzkreuz, ein Hochzeitsfoto der Eltern, selbst gestickte Bilder mit Sprüchen drauf, ein Kalender vom Sportverein, ein Kalender von der Freiwilligen Feuerwehr, ein Kalender vom Männergesangsverein, ein Kalender vom Briefträger, ein Kalender vom Kameradschaftsbund.

3. Eine heile Welt

3.1. Vorbemerkung

Im Heimatroman ist die Welt noch in Ordnung. Daher spielt der Heimatroman in einem Dorf, in dem die Welt noch in Ordnung ist: in Schöngraben an der Rauscher. Hören Sie die Rauscher plätschern? Die Kirchenglocken läuten? Den Hahn krähen? Dann sind Sie hier richtig.

3.2. Ein Spaziergang durch Schöngraben an der Rauscher

Herzlich willkommen. Grüß Gott. Kein Eingang. Eingang um die Ecke. Gerne verwöhnen wir Sie kulinarisch. Montag Ruhetag. Dienstag Ruhetag. Donnerstag Ruhetag. Heute geschlossen. Wir wollen hier nichts kaufen und nichts spenden. Haus zu verkaufen. Lokal zu verkaufen. Echtes Kernöl zu verkaufen. Typisch österreichische Kost. Für den kleinen Hunger. Schweinsbraten. Zigeunerschnitzel. Spinatknödel mit brauner Butter. Nach alten Rezepten. Kundeninformation. Unser Garten ist kein Hundeklo. Kommen Sie wieder. Beste Unterhaltung garantiert. Singkreis. Volksmusikabend. Bauernschnapsen. Eröffnungsschießen. Katholischer Frauenverein. Laufhaus täglich ab 11:00 Uhr. Achtung. Raum wird videoüberwacht. Hier wache ich. Pflichtgetreuer Hund! Betreten verboten. Parken verboten. Plakatieren verboten. Umherlaufen, spielen und lärmen verboten. Aufenthalt verboten. Dein Wille geschehe. Grenzweg. Vorsicht Lebensgefahr! Erfahrung und Verlässlichkeit. Den toten Helden der Gemeinde. Jetzt ist der Tag der Rettung. SOS-Notruf. Außer Betrieb. Notausgang. Behördlich versiegelt. Missbrauch wird gesetzlich bestraft. Gashaupthahn. Qualitätswerkzeuge made in Austria. Mehr geht echt nicht. Eltern haften für ihre Kinder. Hier ist das Lächeln zu Hause. Auf Wiedersehen.

3.3. Kriterien für den vollkommenen Heimatromanschauplatz

Die Geschichte könnte auch in einem anderen Dorf spielen. Sie können Schöngraben an der Rauscher gerne durch ihr eigenes Heimatdorf ersetzen, ich bin Ihnen da nicht böse.3 Falls Sie unsicher sind, ob Ihr Dorf tatsächlich geeignet ist, um Schauplatz eines schönen Heimatromans zu sein, liste ich nachfolgend die Merkmale auf, die Schöngraben zu einem erstklassigen Heimatromanschauplatz machen:

1.Schöngraben ist ein schönes Dorf.

2.In Schöngraben fühlt sich jeder Gast daheim.

3.In der Heimat gibt es: ein gutes Essen, ein gutes Trinken und gute Menschen. Aber keine Gutmenschen. Das darf man bitte nicht verwechseln.

4.Außerdem gibt es: eine gesunde Landluft, eine gesunde Jause und eine gesunde Watschen.

5.Außerdem gibt es: eine schöne Natur, eine schöne Tradition und eine schöne Heimatmusik.

6.Natürlich gibt es noch viel mehr Schönes in der Heimat. Die Dirndlkleider sind schön. Die Lederhosen sind schön. Die Leich’ ist schön.

3Anmerkung Verlag: Wir drucken Ihnen gerne Ihr persönliches Exemplar (mit Wunschort und Wunschnamen). Eine wundervolle Geschenkidee für die Verwandtschaft! Kosten auf Anfrage.

4. Eine schöne Tradition (Teil 1)

4.1. Vorbemerkung

Brauchtum und Tradition werden im Heimatroman HOCHGEHALTEN wie volle Schnapsgläser. In Schöngraben sind Feierlichkeiten wie Taufen, Hochzeiten und Begräbnisse besonders beliebt, weil wo kommt sonst die ganze Verwandtschaft zusammen. Da haben sogar Städter wie die Großcousine plötzlich eine Zeit, die sonst nie eine Zeit haben.

4.2. Wie ich getauft werde

Heute werde ich in die christliche Gemeinschaft aufgenommen. In der Kirche ist es kalt. Der Herr segne dich, der Herr behüte dich. Ich sehe ein Kreuz. Auf dem Kreuz hängt ein halbnackter Mann. Er blutet. Der Pfarrer schüttet Wasser über meinen Kopf. Ich schreie. Die Gesichter über mir lächeln. Glaube an den Herrn Jesus Christus, so wirst du und dein Haus selig sein.

4.3. Einladung zur heiligen Kommunion

Sehr verehrte Leserschaft, erheben Sie sich bitte und treten Sie vor zur heiligen Kommunion. Sollten Sie eine Sünde zu beichten haben, suchen Sie einen Beichtstuhl auf, bevor Sie weiterlesen, damit Sie mit Ihrer Lasterhaftigkeit nicht den schönen Heimatroman beflecken. Der nächste Gottesdienst findet in Kapitel 24Ein Gottvertrauen statt.

4.4. Wie ich zum ersten Mal der Großcousine begegne

Draußen vor der Kirche schreie ich noch immer. Die Mama schreit mich an: Hörst du endlich auf, aufhören habe ich gesagt! Ich werde herumgereicht wie vorhin das Körbchen, in das man Münzen und Geldscheine hineinlegt. Der Poldi-Opa hat einen Hundert-Euro-Schein ins Körbchen gelegt. Da haben die Dorfbewohner geschaut. Jetzt streiten sie sich darüber, wer mich als nächstes halten darf. Die Mama reicht mich zur Großcousine, die wehrt aber ab.

Nein danke, ich hab ein neues Kleid an.

Jetzt nimm ihn halt kurz, fürs Foto.

Die Großcousine verdreht die Augen, als mich die Mama in ihre Arme drückt. Steht dir gut, lallt der Papa, kriegst da keinen Gusto? Ich brülle und schlage mit den Fäusten um mich.

Wehe, der reißt mir einen Knopf ab.

Ja, schlimm ist er, der hat in meinem Bauch schon ausgehauen als wie.

Der Papa greift in das Bauchfett von der Mama: Du kannst froh sein, dass er nur so kurz drinnen war. Die Großcousine lächelt, weil der Nachbar ein Foto macht. Sie sagt: Er wollte halt unbedingt das Neujahrsbaby werden. Ja, sagt die Mama, im ganzen Dorf hängt der Zeitungsausschnitt, brauchst nur ins Gasthaus gehen oder zu deinen Eltern in die Fleischerei. Sogar der Bürgermeister höchstpersönlich hat eines im Gemeindeamt aufgehängt. Alle sind sie stolz auf unseren Buben, sagt der Papa, alle. Die Mama gibt dem Papa einen Kuss.4

4Liebe Petra, gut, dass eine Kirchenszene im Roman vorkommt. Ich habe das Cover bereits in Auftrag gegeben: eine Dorfkulisse mit Kirchturm und Bergen. Es kommen doch Berge vor? LG Tanja

PS: Ich hoffe, bei dir ist wieder alles in Ordnung (Stichwort: glückliches Ende).

Liebe Tanja, der Roman spielt nicht in den Bergen. Privat ist nichts in Ordnung, aber darüber will ich nicht sprechen. LG Petra

Liebe Petra, bitte bau eine Bergszene ein, damit die Berge auf dem Cover ihre Berechtigung haben. Vielen Dank und LG Tanja

5. Eine Familienidylle (Teil 1)

5.1. Eine liebende Mutter

5.1.1. Vorbemerkung

Es ist selbstverständlich, dass eine Mutter ihr Kind liebt, weil: Erstens ist eine Mutterschaft die Bestimmung einer jeden Frau und zweitens ist ein Kind EIN GESCHENK GOTTES. Der Gott heißt in unserem Fall Friedl und die Beschenkte Gabi. Gabi hat Friedl mit heruntergelassener Hose auf dem Heurigentisch tanzen sehen (Feuerwehrfest!) und da war es um sie geschehen. Und als Friedl später draußen vor dem Zelt hinter dem Rosenbusch sein Gesicht im Vorbau der Gabi vergraben hat, war es um ihn geschehen. Dass er sich ein paar Monate später nicht mehr mit dem Vorbau, sondern mit dem Hausbau beschäftigen musste, war nicht Friedls Plan. Aber der Plan Gabis, dieser liebenden Mutter, die weiß: EIN KIND BRAUCHT EINE MUTTER UND EINEN VATER.

5.1.2. Wie ich der Mama den letzten Verstand raube

Die Mama hat recht. Ich bin ein schlimmes Kind. Ich schreie viel und ohne Grund. Manchmal schlägt mich die Mama, DAMIT ICH EINEN GRUND HABE. Wenn ich schreie, RAUBE ICH DER MAMA DEN LETZTEN VERSTAND. Viel von ihrem Verstand kann sie nicht mehr haben, weil ich habe ihr den letzten Verstand schon oft geraubt. Wenn die Mama schimpft, bekommt sie rote Flecken im Gesicht. Na warte, dir werde ich geben! Wenn du nicht sofort aufhörst zu plärren! Hörst jetzt auf! Was habe ich gesagt? DU BRINGST MICH NOCH INS GRAB, sagt sie immer. Ich will ein braves Kind werden. Ich will die Mama nicht ins Grab bringen, weil wer soll mich dann ins Bett bringen. Die Mama nimmt mich aus dem Gitterbett heraus und schüttelt mich. Sie brüllt mich an und gibt mir ein paar Watschen, die aber nicht helfen. Manchmal, wenn die Mama nicht mehr kann, weil ihr die Hand schon wehtut, nimmt sie den Kochlöffel.

5.1.3. Die Dorfbewohner über geeignete Erziehungsmaßnahmen

Dorfbewohnerin, 48: Was willst machen, wenn dir DIE HAND AUSRUTSCHT? Gerne mach ich es eh nicht.

Dorfbewohner, 26: Ich habe täglich meine Schläge erhalten. Geschadet haben sie mir nicht.

Dorfbewohnerin, 35: Ich sage immer: WER BITTET, DEM WIRD GEGEBEN.

Dorfbewohner, 60: Die Kinder heutzutage machen mit ihren Eltern, was sie wollen. Die gehören alle einmal ordentlich ÜBERS KNIE GELEGT.

Dorfbewohner, 42: Ich schlage schon zu, aber immer mit einer Liebe und dem nötigen Respekt.

5.1.4. Heute in Ihrer Zeitung

Gesunde Watschen noch immer aktuell. Zwei Drittel der Österreicher finden Ohrfeigen okay. Nur jeder Dritte hält die Watschen für Gewalt. Jedes zweite Kind wird geschlagen.

5.1.5. Wie mir die Mama ein Gute-Nacht-Lied vorsingt

Wenn die Mama einen guten Tag hat, singt sie mir ein Gute-Nacht-Lied vor.

Schlaf Kindlein, schlaf,

dein Vater ist ein Schaf,

die Nachbarin hat ein Bäuchelein,

der Egger-Bub hängt auf der Wäschelein,

schlaf, Kindlein, schlaf.

5.1.6. Schlussbemerkung

Falls Sie sich fragen, wo Moni aus dem Titel des Heimatromans ist: Sie ist im Bäuchelein der Nachbarin, weil es auch bei den Nachbarn eine Familienidylle mit viel Liebe gibt.

5.2. Ein liebender Vater

5.2.1. Vorbemerkung

Selbstverständlich liebt auch ein Vater sein Kind, auch wenn ein Vater sein Kind nie so lieben kann, wie eine Mutter ihr Kind lieben kann, weil ein Vater andere Aufgaben hat als die Brutpflege. Er ist der Ernährer und Beschützer der Familie und das Vorbild des Kindes, weil jedes Kind braucht ein Vorbild. Außerdem kann sich ein Vater nie sicher sein, ob das Kind SEIN EIGENES FLEISCH UND BLUT ist. Daher ist immer eine GESUNDE EIFERSUCHT angebracht, so wie auch eine GESUNDE WATSCHEN immer angebracht ist. Im Heimatroman strotzt man halt so vor Gesundheit. Das sieht man schon allein an den roten Backen, der roten Nase und den roten Augen vom Friedl. Die gesunde Farbe kommt von der gesunden Landluft und dem vielen Obst trinken. Mehr zum Thema Gesundheit siehe Kapitel 20Ein Alkoholgenuss.

5.2.2. Wie lieb der Papa die Mama hat (Teil 1)

Der Papa kommt von der Arbeit heim. Er torkelt und beim Reden spuckt er der Mama ins Gesicht.

Was gibt’s heute Gutes, Mutter?

Knacker mit Sauerkraut.

Der Papa umklammert die Mama von hinten. Die Mama wehrt sich. Ich sitze im Hochstuhl, fahre mit dem Spielzeugauto auf der karierten Plastiktischdecke hin und her und mache neben den Falten in die Tischdecke, die ich nicht machen soll, brummbrumm. Im Radio spielen sie: Hab ich dir heute schon gesagt, dass ich dich liebe? Der Papa schiebt den Kittel der Mama über den Hintern. Hab ich dir heute schon gesagt, wie schön du bist? Die Mama hat einen Fettarsch. Sie sagt, den hat sie wegen mir, weil sie mit mir im Bauch FÜR ZWEI ESSEN hat müssen und ich einen Appetit gehabt habe als wie. Der Papa macht seinen Gürtel auf. Die Mama schneidet die Knacker auf den Seiten ein und legt sie in die Pfanne. Es zischt. Das Fett spritzt. Die Mama stößt den Papa weg und richtet ihren Kittel. Du stinkst aus dem Maul und geh dir die Hände waschen, wir essen gleich. Der Papa macht seinen Gürtel wieder zu. Hab ich dir heute schon gesagt, dass ich dich liebe? Hab ich dich heute schon gefragt, wie es dir geht? Er nimmt das Küchenradio und wirft es auf den Fliesenboden. Ich halte mir die Ohren zu. Ich höre durch die zugehaltenen Ohren, was der Papa schreit, während er auf die Mama eindrischt. Wie heißt er? Sag schon, wie er heißt! Ist der da überhaupt von mir? Der Papa zeigt mit ausgestrecktem Zeigefinger auf mich, was man nicht tut. Aus dem Radio kommt keine Musik mehr. Auf einem selbst gestickten Bild steht: Am häuslichen Herd sei Glück dir beschert.

5.2.3. Heute in Ihrer Zeitung

Jede fünfte Frau ab dem 15. Lebensjahr in Österreich ist von Gewalt betroffen. Jede Dritte wird sexuell belästigt. Hohe Dunkelziffer in Österreich. 80 Prozent der Täter sind keine Fremden. Unter gewissen Umständen: Jeder dritte Österreicher findet Vergewaltigung okay.

5.2.4. Die schönsten Schlager auf Radio Schlagerglück

Ich bin ein zärtlicher Tyrann,

der dir alles geben kann,

bin ein ganz normaler Typ,

der dich über alles liebt,

nur ein zärtlicher Tyrann.5

5.2.5. Wie lieb der Papa die Mama hat (Teil 2)

Der Papa kommt geduckt WIE EIN GESCHLAGENER HUND bei der Küchentür herein. Er hält ein Geschenk in Händen. Schau, was ich für dich habe, Mutter. Die Mama schaut nicht hin. Na, was wird das wohl sein. Sie schlägt zwei Eier in einer Plastikschüssel auf. Der Papa stellt das Geschenk auf den Küchentisch und fällt vor der Mama auf die Knie. Gabi, das singe ich nur für dich:

Wenn das blaue Veilchen wieder blüht,

sing ich dir mein schönstes Liebeslied.

Immer, immer wieder,

knie ich vor dir nieder.

Ist ja gut und jetzt steh auf, was soll das Kind von dir denken. Der Papa steht auf und zwickt die Mama in die Arschbacke.

Was gibt’s heute Gutes, Mutter?

Backhendel mit Erdäpfelsalat.

Der Papa gibt mir eine KOPFNUSS zur Begrüßung. Servus Bub, warst du brav? Ich nicke. Wenn du brav warst, darfst du das Geschenk auspacken. Ich zerreiße das Geschenkpapier. Die Mama klaubt die Papierfetzen vom Boden auf. Der Papa nimmt das Radio aus der Schachtel. Warte, schreit die Mama. Sie wischt mit einem Putzlappen über die Kredenz und legt ein gehäkeltes Deckchen drauf. Der Papa stellt das Radio auf das Deckchen. Die Mama schüttelt den Kopf.

Was das wieder gekostet hat.

Für die Gattin nur das Beste.

Der Papa streicht der Mama über das blaue Auge.

Gib dir eine Creme drauf, nicht, dass die Leute anfangen zu reden.

Die reden so oder so.

Der Papa schaltet das Radio ein. Auf Radio Schlagerglück spielen sie: Nimm den goldenen Ring von mir, dam dam, dam dam. Bist du traurig, dann sagt er dir, dam dam, dam dam. Marmor, Stein und Eisen bricht, aber unsere Liebe nicht. Der Papa packt die Mama an den Hüften. Na komm her, du. Er tanzt eine Runde mit ihr. Dann muss die Mama weiterkochen, weil die Männer EINEN MORDSHUNGER haben. Auf einem selbst gestickten Bild steht: Eine kluge Hausfrau kocht mit Fleiß des Ehegatten Lieblingsspeis.

5.2.6. Schlussbemerkung

Familienidylle pur. DA GEHT EINEM SO RICHTIG DAS HERZ AUF. Was höre ich da? Eine Leserin behauptet, Friedl wäre gar kein liebevoller Vater und Ehemann. Gabi solle mit Toni ins Frauenhaus gehen. Bei aller Wertschätzung, in einem schönen Heimatroman gibt es keine Frauenhäuser. Frauenhäuser zerstören Familien und eine Familie ist das Wichtigste im Leben. Eine gute Ehefrau, wie Gabi eine ist, sieht über die kleinen Schwächen ihres Ehemanns hinweg und das sollten Sie auch tun. Jeder hat so seine Fehler. Aber abgesehen davon ist Friedl ein Mann, für den sich so manche Frau ALLE ZEHN FINGER ABSCHLECKEN WÜRDE. Oder wann haben Sie das letzte Mal ohne Anlass ein Geschenk von Ihrem Gatten erhalten?

5.3. Liebende Großeltern

5.3.1. Vorbemerkung

Die Großeltern sind in jedem Heimatroman liebende Großeltern, die das Enkelkind verwöhnen. Die es nicht schlagen, weil das ist noch immer die Aufgabe der Eltern.

5.3.2. Wie ich bei Oma und Opa bin

Die Mizzi-Oma und der Poldi-Opa wohnen gegenüber und haben einen Bauernhof. Die Schafe machen mäh. Die Kühe machen muh. Die Katzen machen miau. GEHT EINE SCHWARZE KATZE VON LINKS NACH RECHTS, WIRD’S WAS SCHLECHT’S. Ich fange die Katze und ziehe sie am Schwanz. Die Katze heißt Minka. Der Hund heißt Bello und schnappt nach mir. Ich weine nicht, weil: EIN INDIANER KENNT KEINEN SCHMERZ. Ich laufe mit ausgestreckten Armen den Hühnern hinterher. Sie gackern und flattern mit den Flügeln. Die Mizzi-Oma schnappt sich ein Huhn. Schau Toni, so geht das. Sie packt das Huhn an den Füßen und legt es auf den Holzpflock. Mit der einen Hand hält sie die Füße und die Flügel zusammen, mit der anderen nimmt sie das Beil und hackt dem Huhn den Kopf ab. Sie legt das Huhn auf den Boden. Es zuckt und zappelt ohne Kopf bis zum Misthaufen. Das schaut lustig aus.

In der Küche holt die Mizzi-Oma die Eingeweide aus dem Huhn. Das Herz, die Leber und der aufgeschnittene Magen kommen in den Suppentopf, der Körper in den Backofen. Während der Körper eine knusprige Haut bekommt, brät die Mizzi-Oma die Erdäpfel im Schmalz heraus. Ich lege das Besteck auf den Tisch. Die Gabeln gehören links neben die Teller, die Messer mit der scharfen Seite nach innen rechts. Das mache ich immer falsch. Die Mizzi-Oma dreht die Messer um. Mit der scharfen Seite nach innen oder willst, dass sich jemand schneidet? Wenn das Essen fertig ist, darf ich den Poldi-Opa holen. Wir nehmen uns an den Händen und beten zum lieben Gott. Der Tisch ist gedeckt, bitte mach, dass es schmeckt. Zu Hause beten wir nicht vor dem Essen. Die Mizzi-Oma sagt zur Mama immer: Hättest du früher zum Herrgott gebetet, wäre uns einiges erspart geblieben. Das Essen schmeckt gut. Die Mizzi-Oma freut sich. Iss nur Bub, DAMIT DU EINMAL GROSS UND STARK WIRST.

Lieber Toni!(Neujahrsbaby von Schöngrabenan der Rauscher)

Du wirst heute vier,darauf trinken wir Bierund schenken dirdie Geburtstagsanzeige hier.

Alles Gute zum Geburtstag!Papa, Mama, Opa, Oma

5Anmerkung Verlag: Bestellen Sie jetzt den Soundtrack zum Roman! Die CD Wunschkonzert – Die schönsten Schlager aus Toni und Moni oder: Anleitung zum Heimatroman, gesungen vom Schöngrabener Männergesangsverein ist demnächst im gut sortierten Handel erhältlich. Details finden Sie im Anhang.

6. Eine Liebe zu den Tieren

6.1. Vorbemerkung

Neben der romantischen Liebe, der elterlichen Liebe und der Liebe zu Gott gibt es die Liebe zu den Tieren, die im Heimatroman grenzenlos ist. Im Gegensatz zur Menschenliebe, die nach Grenzzäunen verlangt (siehe Kapitel 13Ein Wir-Gefühl und Kapitel 14Eine klare Grenze zwischen Gut und Böse